Buch lesen: «Der Schmetterlingsmann»

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Table of Contents

Edition Liebe eBook Band 1

KOVD Online

Titelseite

Impressum

Kapitel 1: Der Ruf

Kapitel 2: Essen für die Götter

Kapitel 3: Wir alle brauchen Licht

Kapitel 4: Der Geist des Kusses

Kapitel 5: Der Geist der Erotik

Kapitel 6: Der Geist der körperlichen Liebe

Kapitel 7: Parallaxen

Kapitel 8: Der Geist der Freundesliebe

Kapitel 9: Der Geist der Selbstliebe

Kapitel 10: Der Geist der Nächstenliebe

Kapitel 11: Der Geist der Schönheit

Kapitel 12: Evelyn

Kapitel 13: Der Geist der Zärtlichkeit

Kapitel 14: Die Geister der Leidenschaft und des Verstehens

Kapitel 15: Die Geister der Berührung und der Verehrung

Kapitel 16: Erwacht

Nachwort

Der Autor

Meine literarische Zuflucht


Edition Liebe eBook

Band 1

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Impressum

Alle Rechte vorbehalten.

Neuauflage September 2020

Copyright © dieser Ausgabe 2020 by KOVD Verlag, Herne

Artwork & Buchschmuck: Sascha Lubenow

Satz bei „Parallaxen“: Wolfgang Brunner


Nachdruck und weitere Verwendung

nur mit schriftlicher Genehmigung.


ISBN: 978-3-96969-184-7


Wenn ich an unsere erste Begegnung denke, kommt sie mir wie ein Traum vor. Als wir Wochen später stundenlang gemeinsam durch Berlin gingen und uns pausenlos unterhielten, geschah das Wunder:

Wir verliebten uns!

Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, um Dir von diesem Wunder zu erzählen, das mich noch immer erfüllt wie am ersten Tag. Ich rede von dem kleinen Universum in unseren Herzen, das wir seit unserer ersten Begegnung kennen, in all seinen Facetten erforschen …

Die Liebe.

Sie ist es, die uns antreibt und manchmal verhindert, dass wir nicht aufgeben, weil uns die Strapazen des Lebens zu groß sind.

Was wären wir ohne Liebe? Was wäre ich ohne Liebe?

Ich leide nicht, aber dieses Gefühl ist kompliziert. Stell Dir vor, du hättest zeit Deines Lebens nie die Möglichkeit, jemanden zu lieben. Erschreckend, oder?

Bei vielen Menschen beginnt mit dem Älterwerden eine Abstumpfung. Doch wir sind Helden der Liebe, Du weißt, was ich meine.

Erinnere Dich an unsere Gespräche über den stumpfsinnigen Alltag mancher Paare, die Abend für Abend vor dem Fernseher verbringen und keine Zeit für eine vernünftige Unterhaltung finden. Wir sind anders.

Ich weiß, dass Du genauso denkst wie ich, wenn es darum geht, wie grob mancher Mann seine Frau behandelt, nur weil sie nicht so funktioniert, wie er es will.

Es liegt an den übereinstimmenden Lebenseinstellungen, der Empathie und noch so vielen Dingen mehr, die uns zu dem machen, was wir sind …

Ein Paar.

Aber ich will von mir, meinen Gefühlen und meiner Liebe zu Dir erzählen.

Ich sitze auf der Bettkante und denke über das Erlebte nach, bin nicht sicher, ob ich geträumt habe.

Es begann, als ich aufwachte, während Du schliefst. Ich hörte Dein Ausatmen und spürte in Gedanken Deine weiche Haut, obwohl ich sie nicht berührte. Ich wurde durch ein Murmeln wach und war erst nicht sicher, ob es meine eigenen Überlegungen waren, die ich vernahm. Manchmal klangen die Worte wie Deine und verwirrt überlegte ich, ob ich noch immer träumte.

Du wirst ungläubig mit dem Kopf schütteln, wenn ich dir erzähle, dass ich mich mitten in der Nacht auf den Weg machte, um ein Hotelzimmer zu mieten und dort in Ruhe über den ›Sinn des Lebens‹ nachzudenken. Wieso ich das tat? Ich kann es Dir nicht erklären. Es war der Ruf, der mich dazu brachte.

Wenn ich Dich ansehe, erfüllt mich Liebe. Du bist mein Schmetterling: weich und zerbrechlich, aber auch gleichzeitig anmutig und stark.

Und ich bin der Mann an Deiner Seite.

Aber zurück zu dem geheimnisvollen Ruf. Ich hörte ihn, kurz nachdem wir uns hingelegt hatten und ich mich, geborgen in der Sicherheit unserer Traumillusionen, von den Strapazen des Tages erholen wollte.

Ich war schon unruhig, als ich die Augen schloss, während Du mit einem leisen Seufzen, in die sichere Welt der Träume übergetreten bist. Wir hatten uns über die Liebe unterhalten und vielleicht schlief ich deswegen mit diesem Gedanken ein.

Ich kann mich nicht erinnern, ob es der sanfte Gesang des Windes oder der gleichmäßige Ruf eines Nachtvogels war, der mich aus meinem ohnehin nicht tiefen und unruhigen Schlaf riss. Durch das geöffnete Fenster strömte ein kühler Wind ins Zimmer.

Eine Zeitlang lag ich mit offenen Augen da und starrte in die Dunkelheit, lauschte dem Zusammenspiel von Wind und Vogelruf und wartete, bis mich das Leben vollends aus den Umarmungen meines seichten Schlafes gerissen hatte.

Meine Stirn war feucht und ich versuchte angestrengt, mich an einen möglichen Albtraum zu erinnern. Als ich langsam aus der Wärme der Bettdecke glitt, spürte ich erneut in Gedanken Deine weiche Haut, als streichelten meine Finger über Deinen Körper, der im Traum gefangen war.

Was ist Liebe?

Die Stimme, ich nenne sie den Ruf, klang sanft und angenehm. Nicht aufdringlich, aber bestimmend genug, um mich aufhorchen und innehalten zu lassen. Ich neigte den Kopf zur Seite, als wäre es hilfreich, weitere Worte besser zu verstehen.

Der Ruf verstummte einen Moment.

Ich saß am Rand des Bettes und starrte in die Nacht. Der Mondschein warf einen silbernen Streifen auf den Boden, der mir wie eine Grenze erschien, die es zu überschreiten galt.

Was ist Liebe?

Da war sie wieder! Ich kniff die Augen zusammen und wartete.

Wenn du wissen willst, was Liebe bedeutet, so suche einen Ort, an dem du in Ruhe darüber nachdenken kannst.

Ich drehte mich in Deine Richtung und mein Blick schweifte über Deine nackte, halb unter der Decke verborgene Silhouette.

Denkst du, das ist Liebe?

Ich nickte unbewusst und richtete meinen Blick verwirrt auf das offene Fenster.

Was war das für eine seltsame Stimme, die mit mir über die Liebe diskutieren wollte?

Du nennst sie Schmetterling. Warum?

»Weil ...« Ich verstummte und schloss die Augen. »Weil sie mein Schmetterling ist«, hauchte ich nach ein paar Sekunden und fasste mir an die Stirn. »Wer bist du?«, traute ich mich zu fragen, obwohl ich mir der Unwirklichkeit der Situation bewusst war.

Ich bin der Geist der Liebe, war die Antwort. Ich erhob mich und tastete nach meiner Armbanduhr auf dem Nachttisch neben dem Bett.

03:13 Uhr!

Ich fand auf dem Tisch noch eine Plastikverpackung, die zu Boden fiel und sich mit einem leisen Rascheln verformte.

»Was …?«

Meine Augen versuchten die Dunkelheit neben dem Bett zu durchdringen. Der Schein des Mondes reichte nur bis ans Fußende und ließ den oberen Bereich unseres Schlafplatzes in vollkommenem Schwarz.

Als meine Finger die Plastikverpackung endlich fanden, blitzte eine Erinnerung in meinen Gedanken auf. Wir hatten uns geliebt und danach, wie meistens, geredet. Dabei hatte ich eines der Bonbons gegessen, deren Verpackung ich gerade in der Hand hielt. Hatten wir uns gestritten? Nein!

Ich erinnerte mich, dass wir über unsere Wertschätzung zueinander sprachen. Du hast mich gefragt, ob ich vergessen hätte, wie es ist, Dich zu lieben.

Nutz die Chance und denk über die Liebe nach, raunte die Stimme, der Ruf, und ich ließ die Folie wieder zu Boden fallen, als müsste ich diesem geheimnisvollen Befehl unverzüglich Folge leisten.

„Was soll ich tun?“

Geh in ein Hotel. Schließe das Zimmer, das du mietest und die Augen. Dann versuche, das Geheimnis der Liebe zu ergründen. Es wird eine außergewöhnliche Erfahrung werden. Ich verspreche es dir.

Ich lachte leise und drehte mich zu Dir um.

»Das ist verrückt«, flüsterte ich und überlegte, Dich zu wecken.

Wenn du wissen willst, ob du sie liebst, solltest du sie schlafen lassen, warnte mich die Stimme. Folge meinem Ruf!

Und weißt Du was? Ich gehorchte, verließ die Wohnung und machte mich auf die Suche nach einem Hotel.


Meine Müdigkeit war in dem Moment verflogen, als ich an die frische Luft kam. Leichte Kopfschmerzen plagten mich, während ich durch die menschenleeren Straßen streifte und überlegte, was mit mir geschah. Einerseits erlebte ich das Ganze wie einen Traum, andererseits fühlte ich mich wach. Ich betrachtete die Fassaden der Häuser und spekulierte darauf, irgendeinen Hinweis zu finden, dass es sich um einen Traum handelte.

Geh in ein Hotel. Schließe das Zimmer, das du mietest und die Augen. Dann versuche, das Geheimnis der Liebe zu ergründen. Es wird eine außergewöhnliche Erfahrung für dich werden. Das verspreche ich dir, erklang der Ruf, der Geist der Liebe, in meinem Schädel.

Ich erreichte eine Tankstelle, die geöffnet hatte, und kaufte eine Flasche Wasser.

Von der Aushilfskraft an der Kasse abgesehen, hatte ich noch keine Menschenseele erblickt. Meine Gedanken wirbelten durcheinander, als mir bewusst wurde, was ich machte. Ich suchte mir auf Anraten einer mysteriösen Stimme ein Hotel, um über die Liebe nachzudenken.

Kurzzeitig überlegte ich, kehrtzumachen und mich neben Dich ins warme Bett zu legen. Aber ich setzte den Weg fort und führte das begonnene Vorhaben aus.

Ich war neugierig, was mich erwartete, wenn ich dem Ruf folgte.

Ich machte mir Gedanken, ob ich überhaupt Geld dabei hatte. In meiner rechten Hosentasche ertastete ich mein Portemonnaie und zwei der Bonbons, die noch in Plastikfolie eingewickelt waren und die ich vom Nachtisch mitgenommen hatte.

Ich betrachtete die Süßigkeiten. Sie kamen mir plötzlich wie eine Droge vor und für einen Moment blitzte erneut der Gedanke auf, ich befände mich lediglich in einem Traum.

Bis mich das flackernde Licht einer Außenanzeige innehalten ließ, war ich schon eine Weile unterwegs gewesen. Es war die Reklame einer billigen Absteige. Hotel Schicksal stand auf dem Schild.

Ich gluckste leise und atme tief ein, bevor ich die Tür aufdrückte und in den mit stickiger Luft erfüllten Raum dahinter trat.

Ein Mann mit einem zottigen Bart saß hinter der Theke, die mich eher an einen alten Metzgerladen als eine Hotelrezeption erinnerte.

»Ein Gast«, seufzte er unnötigerweise und erhob sich mit einem lauten Ächzen. »Sie wollen ein Zimmer?«, er blickte auf die Uhr und schüttelte den Kopf. »Um diese Zeit?«

Ich gab keine Antwort und näherte mich dem Tresen, der seltsam auf mich wirkte, obwohl ich nicht erklären konnte, weshalb.

»Alleine?«, knurrte der Alte.

Nickend stellte ich die Wasserflasche auf die Holztheke und legte einen Geldschein daneben. »Alleine«, antwortete ich mit leiser Stimme. »Ich brauche das Zimmer nur für ein paar Stunden.«

»Verstehe«, antwortete der Mann. »Nur ein paar Stunden«, wiederholte er meine Worte und sah hinter mich, als erwarte er jeden Moment, dass die Tür aufginge und eine aufreizende Dame das Hotel beträte, um mit mir auf das Zimmer zu gehen.

»Alleine«, bestätigte ich ein zweites Mal und deutete auf den Geldschein. »Ist das ein Problem?«

Begleitet von einem leisen Lachen schüttelte er den Kopf. »Kein Problem … nein.« Er griff nach dem Fünfziger, machte keine Anstalten, mir Wechselgeld zu geben, und hielt stattdessen einen Schlüssel in die Höhe. »Die Treppe rauf, das zweite Zimmer auf der rechten Seite«, erklärte der Rezeptionist knapp und drehte sich von mir weg, als existiere ich von einer Sekunde auf die andere nicht mehr für ihn.

Ich hob die Augenbrauen und machte mich auf den Weg nach oben.

Die Wasserflasche ließ ich stehen.

Meine Füße schmerzten und ich freute mich, bald wieder in einem Bett liegen zu können.

Als ich die Tür aufschloss und das Zimmer betrat, dachte ich an Dich, mein Schmetterling. Es kam mir vor, als würde ich Dich hintergehen. Nicht mit einer anderen Frau, sondern mit mir und meinen Gedanken …

Absurd!

Ich sperrte hinter mir ab, warf den Schlüssel auf einen schlichten Nachttisch und ließ mich aufs Bett fallen. Als ich die Augen schloss, hörte ich erneut Worte des Rufs in meinem Kopf: Was ist Liebe? Wieso nimmst du nicht noch etwas von der Droge? Sie hilft dir beim Nachdenken.

Es ist keine Droge, dachte ich, während ich nach der Plastikfolie in meiner Hosentasche tastete.

Stell dir vor, es wäre eine, hauchte der Ruf. Essen für die Götter! Denn du wirst einem Gott ähnlich sein, wenn du die Liebe verstehst.

Und ich aß …


Es fühlte sich an, als sei ich in die warme Geborgenheit des Mutterleibes zurückgekehrt. Leises Summen erfüllte meine Ohren, als ich eines der Bonbons in den Mund steckte und mit der Zunge leicht an den Gaumen drückte.

Siehst du, säuselte der Geist der Liebe. Was habe ich gesagt?

Ich reagierte nicht, schloss die Augen und kuschelte mich in das weiche Bett. Mir war zumute, als hätte ich mich überhaupt nicht daraus entfernt, sondern läge noch immer neben Dir und würde bloß von der Hinterlist eines Traumes hereingelegt, der mir vorgaukelte, ich wäre in einem Hotelzimmer.

Mein Atem ging flach und gleichmäßig, als schliefe ich, obwohl meine Gedanken wild umherwirbelten, als wäre das Bonbon nicht eine harmlose Süßigkeit, sondern eine bewusstseinsverändernde Substanz.

Lass dich fallen!

Ich lächelte bei den Worten, denn es handelte sich um dieselben, die ich zu Dir sagte, als wir das erste Mal alleine waren und uns kennen lernten.

Ein leises Geräuschließ mich aufhorchen. Neugierig öffnete ich die Augen und erblickte direkt vor meinem Gesicht einen zitronengelben Schmetterling.Ich hielt den Atem an, um das Tier nicht zu erschrecken, das dicht vor mir in der Luft schwebte, als wäre es ein Kolibri. Nach einer Weile setzte sich das Tier auf Augenhöhe an den Rand des Bettes und verhielt sich still.

Wir alle brauchen Licht, ertönte eine Stimme, die anders klang als der Ruf.

Er war anscheinend zum Geist der Liebe geworden. Ich zuckte unwillkürlich zusammen.

»Was meinst du?«, war alles, was ich als Antwort zustande brachte. Wer bist du?, dachte ich, sprach es aber nicht laut aus. Ich schüttelte den Kopf. »Ich träume«, murmelte ich und starrte auf den Schmetterling. Ich war überzeugt, in der Realität neben Dir zu liegen und mir all dies nur einzubilden.

Warum lässt du dich nicht fallen und denkst über die Liebe nach?

Ich beugte mich näher an den Schmetterling heran, um die Zeichnung auf seinen Flügeln besser sehen zu können. »Warum nicht?«, antwortete ich laut. Ich legte mich auf die Seite, betrachtete eine Weile den bewegungslosen Falter. »Ich bin bereit.«

Dann sag mir, was Liebe für dich bedeutet, verlangte der Schmetterling mit der gleichen Stimme, die ich die ganze Zeit in meinem Kopf vernommen hatte.

Ich überlegte. »Geborgenheit, Wärme, Sicherheit und …«, begann ich aufzuzählen und kam ins Stocken.

Und?

Unbewusst zuckte ich mit den Schultern. »Ich weiß nicht«, gab ich zu. »Es ist nicht leicht, die Liebe zu erklären.«

Deswegen bist du hier. Konzentrier dich und versuche, alle Arten der Liebe zu nennen, die dir einfallen.

»Arten der Liebe?«, wiederholte ich. »Gibt es nicht nur eine einzige Form der Liebe?«

Liebe ist vielfältig und setzt sich aus vielen unterschiedlichen Elementen zusammen, versuchte mir das Insekt zu erklären. Sie ist nicht nur ein einzelnes Gefühl.

Ich betrachtete den Schmetterling nachdenklich. »Liebe ...«, begann ich dann bereitwillig zu erzählen, um seinem Ansinnen Folge zu leisten, »Liebe ist wie ein Licht in unserem Leben.«

Das ist gut, lobte mich das Tier.

Eine Weile herrschte Stille, bis am Fußende des Bettes ein weiterer Schmetterling erschien und über meinen Körper zu seinem Artgenossen flatterte, um sich neben ihm nieder zu lassen.

»Was?«

Lass dich fallen, wiederholte der Schmetterling. Du wirst verstehen, wenn es so weit ist.

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf die Aufgabe.

Liebe ist Licht, wiederholte der erste Schmetterling meine Überlegungen. Wie hell oder dunkel ist dein Leben?

»Es ist hell«, antwortete ich ohne Zögern.

Wer liebt, lebt hell, fasste der erste Schmetterling zusammen. Das Leben ist wie ein Zimmer, in das wir hineingeboren werden. Am Anfang wird es von der Liebe unserer Eltern erhellt, bis es dann mit dem Alter wieder dunkler wird.

»Was meinst du?«

Wenn wir die unmittelbare Liebe unserer Eltern mit dem Erwachsenwerden verlieren, beginnt es in unseren Zimmern zu dämmern.

»Ist die Liebe von Eltern nicht ein ganzes Leben lang präsent?«, widersprach ich.

Du hast recht. Elternliebe dauert meist ein ganzes Leben. Aber erfährst du diese auch noch, wenn du auf eigenen Beinen stehst? Spürst du dann noch die Berührungen von Mutter und Vater auf deiner Haut, um dich zu liebkosen und trösten?

Ich schüttelte den Kopf. »Selten«, gab ich zu.

Unser Zimmer wird also wieder dunkler, bis etwas kommt, das es erneut erhellt. Die Liebe eines anderen, fremden Menschen …

Ein kurzes Flackern neben meinem Kopf ließ mich irritiert zur Seite sehen.

Ein weiterer Schmetterling - nein, es waren zwei, die sich auf der Bettkante niederließen und zur Bewegungslosigkeit erstarrten.

»Woher kommen diese Schmetterlinge?«, erkundigte ich mich.

Aus deinem Herzen, war die Antwort aller Schmetterlinge.

Ein Gefühl der Liebe erfasste mich von einer Sekunde auf die andere. Ich verspürte den Drang, zu weinen, als könnte ich mich dadurch von einer unendlichen Seelenlast befreien.

Was ist?, erklang die Stimme eines Schmetterlings.

»Ich … eine Traurigkeit hat mich plötzlich befallen«, antwortete ich schluchzend.

Nur zu, ermunterte mich eines der Tiere. Es ist keine Schande, zu weinen.

»Es ist … ich werde melancholisch, wenn ich an die Liebe denke. Könnte ich öfter weinen, wäre diese gelegentliche Melancholie vermutlich erträglicher.« Ich neigte den Kopf zur Seite und schloss die Augen.

Ich dachte an Dich und eine Welle aus Emotionen erfasste mich.

Als ich die Lider wieder öffnete, saß mehr als ein Dutzend Schmetterlinge auf der rechten Bettkante. Sie betrachteten mich durch ihre Facettenaugen, als wüssten sie von meinen Gefühlen.

Schmerzt die Liebe?, fragte mich einer der Schmetterlinge.

»Manchmal«, bestätigte ich. »Doch sind wir nicht hier, um diesen ›Schmerz‹ zu ertragen, bis er sich in Glück verwandelt?«

Ja, das ist das Geheimnis. Wer die Liebe versteht, erträgt die Qualen, die in Wahrheit gar nicht existieren. Es ist die Erfüllung einer Liebe, in der die Menschen seelischen Schmerz zu erkennen vermeinen, antwortete das Tier.

»Erfüllung?«

Wir alle brauchen Licht. Wenn ich dir die Formen der Liebe zeige, wirst du es verstehen. Dein Zimmer wird heller sein als je zuvor, wenn du die wahre Liebe kennst.

Ich beobachtete, wie weitere Schmetterlinge auf der Bettkante landeten und sich zu den anderen gesellten.

»Das kann nur ein Traum sein«, murmelte ich. »Oder werde ich etwa verrückt?«

Nein!, widersprach die Stimme. Diejenigen, die ihr ganzes Leben lang nach der Liebe suchen und sie nicht finden, werden verrückt. Ich werde dir helfen, sie zu verstehen.

»Warum?«

Es ist ein Geschenk.

»Wo bin ich?«, erkundigte ich mich, weil ich plötzlich doch nicht mehr sicher war, mich in einem Traum zu befinden.

Wo immer du wünschst zu sein. Traum oder Leben … für die Liebe ist es nicht relevant. Im Grunde genommen ist es ein und dasselbe.

Ich betrachtete die zierlichen Körper der Schmetterlinge und überlegte, ob sie etwas mit Dir zu tun hatten, vielleicht in diesem Traum das Abbild meiner Liebe zu Dir darstellten.

Lass dich fallen und höre zu. Höre UNS zu, denn WIR SIND DIE LIEBE …

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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