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Subjekt

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„Was soll das, was machst du da?!“ röchelte sie und versuchte sich zu befreien. Doch er legte jetzt den Arm um ihren Hals und drückte nur noch fester zu.

„Ich muss es tun, verstehst du? Jetzt, da du mich gesehen hast, bist du eine Gefahr für mich. Warum musstest du auch erwachen, ich war doch so leise. Jetzt bleibt mir keine Wahl, jetzt muss ich es tun, verzeih mir, verzeih mir alles, was ich dir angetan habe. Aber ich habe eine Bestimmung, ich muss sie erfüllen.“

Es kam zu einer Rangelei, in deren Folge es ihr gelang, sich ihm zu entwinden und zur Türe zu stürzen. Dabei fiel sie noch hin, ergriff einen Hocker und schlug ihn diesen über den Kopf. Doch er packte sie erneut, warf sie auf den Boden zurück, drückte ihre Arme auseinander und umschlang ein weiteres Mal ihre Kehle. Mit der Kraft einer Schraubzwinge drückte er zu, immer fester, worauf ihr die Augen herausquollen und Speichel auf ihren Mund troff. Kein Laut, nicht mal mehr ein klägliches Hilfe bekam sie heraus, so fest hatte er sie bereits in der Würge.

Da bekam sie mit einer letzten Anstrengung den Hammer zu fassen, hob ihn an schlug sogleich mit voller Wucht auf ihn ein, traf ihn an der Stirn. Eine Wunde klaffte, Blut strömte heraus. Doch er lachte nur, als pralle die Schlagwirkung an ihm ab. Wieder schlug sie zu, aber obgleich sie ihn noch einmal traf, wollte sich sein Griff nicht lösen. Schließlich aber sank er für sie völlig überraschend doch noch nieder, griff noch einmal nach ihrem Fuß, dem sie ihm hastig entzog, um sodann reglos liegen zu bleiben.

K-a, die inzwischen aufgesprungen war und sich über den vor ihr liegenden leblosen Körper beugte, drohte den Verstand zu verlieren. Was hatte sie getan? Später konnte sie nicht mehr sagen, wie lange sie so dagestanden und blicklos vor sich hin gestarrt hatte. Es muss jedenfalls ziemlich lange gewesen sein, denn es wurde bereits hell, als endlich Probst im Zimmer auftauchte. Als er das Szenario in seinem ganzen Umfang wahrgenommen hatte, geriet auch er zunächst völlig außer sich, schlug die Hände über den Kopf und bekam den Mund nicht mehr zu. Mit riesigen Augen betrachte er die Blutlache am Boden, sah zu K-a hin, dann wieder zu jenem Toten zu ihren Füßen. Mehrmals ging er um sie herum, betrachtete ihre Hände, dann den Hammer, dann wieder den Leichnam, gegen den er wiederholt prüfend mit dem Fuße stieß, als wollte er sich von dessen Tatsächlichkeit überzeugen.

Es folgte ein langes, qualvolles Schweigen. K-a schluchzte in einem fort und drückte das Gesicht in beide Hände, indes Probst immer wieder ungläubig den Leichnam berührte.

„Ich werde mich stellen“, erklärte sie schließlich mit leerer Stimme „werde der Polizei alles erzählen, genauso, wie es alles passiert ist, dass er plötzlich hereingekommen ist und mich bedroht hat, dass er mich umbringen wollte und überhaupt …“

Doch Probst fiel ihr ins Wort. Das wäre vorschnell und müsse sorgsam bedacht werden, riet er, jetzt müsse sie vor allem an ihren Sohn denken. Was solle aus ihm werden, wenn sie ins Gefängnis müsse? Außerdem wäre G. doch gar nicht mehr existent; niemand würde ihn vermissen, nachdem er sich schon so lange weiß der Teufel wo herumgetrieben habe, und wenn er jetzt tatsächlich tot wäre, müsse man ihn nur verschwinden lassen, und die Welt wäre wieder in Ordnung. Er wüsste auch schon wie und wäre bereit, für sie und ihr Kind alles auf sich zu nehmen. Das alles sagte er völlig kalt und emotionslos, beinahe so, als wäre er darauf schon vorbereitet gewesen. K-a lief ein eisiger Schauer über den Rücken, und sie bekam es nur noch mehr mit der Angst. Aber die Vorstellung, auf diese Weise ein Verbrechen zu vertuschen und dabei den eigenen Mann auf dem Gewissen zu haben, zerbrach ihr das Herz. Mochte er auch reden, was er wollte, ihr Entschluss stand fest. Noch an diesem Morgen würde sie zur Polizei gehen.

Als sie ihm das sagte, versuchte er sie zwar noch einmal umzustimmen, indem er noch weitere Varianten vorschlug und erneut die ganzen Folgen anführte. Doch was er auch vorbrachte, sie lehnte es ab.

„Mein Leben ist jetzt zu Ende“, stammelte sie. „Mit einer solchen Last kann ich nicht weiterleben, selbst wenn ich es wollte und du musst dich meinetwegen nicht in Gefahr begeben.“

„Ach, was redest du. Wir sind die doch eine Familie. Meinst du, ich lasse dich jetzt hängen? Er war ein Lump, ein Schwein und taugte nicht viel, das weißt du doch genau. Warum sonst hat er dir das alles angetan?“

Es war seltsam, ihn so reden zu hören, beinahe so, als spräche ein ganz, und hätte sie es nicht selbst gehört, sie hätte es nicht geglaubt. Aber wie konnte er sich nur so vergessen, er, der selbst nichts taugte und ein Subjekt war, der sich in ihre kleine Familie gedrängt hatte und ihr Vertrauen erschlich. Er hatte doch G. nur benutzt, um ihn in seinem Sinne zu formen. War ihm denn entfallen, dass er ihn zuvor noch angestachelt hatte? Wer wusste schon, was er sonst noch im Schilde führte? Sie traute ihm nicht, jetzt noch weniger.

„Du bist ein Schwein, weißt du das?“ warf sie ihm schonungslos an den Kopf und war kurz davor, ihn anzuspucken. Kam ihr doch plötzlich alles wieder hoch, seine ganzen Frechheiten, Perversitäten und Gemeinheiten. „Wie kannst du nur so reden? Ausgerechnet du, der du doch sein bester Freund warst! Fast wünschte ich, du lägst jetzt hier.“

Probst wich beleidigt zurück. Damit hatte er nicht gerechnet. Und wieder nahm er seine dümmlich überhobene Pose an und bezeichnete sie als undankbare, dreckige Schlampe. „Was glaubst du wohl, wer du bist? Meinst du, ich wüsste nicht, dass das alles nur abgekartet ist? - dass er gar nicht verschwunden war, sondern du ihn die ganze Zeit über versteckt hast? Hast mich, die Polizei und die ganze Welt belogen, nur um ihn zu decken. So war es doch, nicht wahr? Was kümmerte dich schon Z. Du stecktest von Anfang an mit G. unter einer Decke. Jetzt verstehe ich auch…“ Er riss die Arme in die Höhe und machte eine großartige Gebärde. „Oh, wie dumm muss ich doch gewesen sein, dir auch nur ein Wort zu glauben. Warte nur, ich werde dich gleich ganz persönlich bei der Polizei abliefern … Kommt ja dann ganz schon was zusammen, Beihilfe zum Mord, und jetzt vollendeter Mord. Damit war es das gewesen, und deinen Sohn wiest du nie wieder sehen. Er kommt zu Pflegeeltern, verlass dich drauf.“

K-a, welche seine wütende Tirade die ganze Zeit über fassungslos mit offenem Mund angehört hatte, verstand kein Wort. Was redete er da? Das war doch alles völliger Unsinn? Wie kam er nur darauf. Angesichts solcher Infamie wurde ihr übel. Sie taumelte ins Badezimmer, um sich zu übergeben. Wie Feuer brannte es in ihrem Hals, und sie bekam kaum Luft. Als sie den Kopf wieder hob und mit verschwommenem Blick in den Spiegel schaute, erblickte sie Probst hinter sich. Er lachte nur, schüttelte dann den Kopf und nannte sie erneut eine ‚dumme Ziege‘.

„Wann begreifst du endlich, dass ich dein Freund bin“, brüllte er und packte sie an den Schultern, als wolle er sie mit Macht zur Vernunft bringen. „Wir werden den Leichnam beseitigen, noch heute Abend. Sobald es dunkel ist, wickeln wir ihn in den Teppich und schaffen ihn aus der Wohnung, hörst du? … Niemand wird etwas merken. Ich borge mir das Auto von L., und dann fahren wir in den Wald, wo wir ihn vergraben. Niemand wird es merken, niemand wir ihn suchen, und ich verspreche dir, das alles bleibt unser Geheimnis.“

K-a, der das alles zu viel wurde und die nun gar nichts mehr verstand, wurde schwarz vor Augen. Sie rutschte entkräftet und von der ganzen Situation völlig überfordert in seinen Armen zusammen.

Wie lange sie ohne Bewusstsein war, vermochte sie nicht zu sagen. Aber als sie die Augen wieder aufschlug, lag sie auf der Couch. Probst hatte den Leichnam bereits in den Teppich gerollt und mit Paketschnur zugeschnürt. Jetzt saß er im Sessel und rauchte eine Zigarette.

„Es ist noch zu früh“, erklärte er in stoischer Ruhe. „Ich habe den Kleinen zu Frau M. gebracht, habe ihr erklärt, dass wir heute Abend ausgehen. Sie hat es mir auch abgenommen, wirklich … Nun mach nicht so ein Gesicht. Es wird schon alles gut gehen. Ich habe das Auto besorgt, alles ist bereit. Wir müssen nur noch ein warten, bis es dunkel ist.“

K-a konnte es immer noch nicht fassen. Diese Kaltblütigkeit entsetzte sie. Probst schien nicht mehr bei Verstand. War er wirklich dazu fähig? Würde er das alles für sie riskieren?

„Tu, was du willst, ich gehe jetzt zur Polizei“, warf sie ihm entgegen und machte Anstalten, sich zu erheben.

„Nichts wirst du tun. Ich hänge da schon zu tief drin. Meinst du, ich möchte deswegen einfahren?“

„Nein, das kann ich nicht von dir verlangen“, wehrte sie ab. „Du hast nichts damit zu schaffen. Ich allein habe es getan. Ich allein muss dafür bestraft werden, nicht du. Ich werde es so aussagen.“

„Man wird dir aber nicht glauben“ fauchte Probst erneut und sprang vom Sessel auf. „Das ist ja das Problem. Ich kenne die Bullen, so einen wie mich haben die doch immer gleich am Kanthaken. Wenn die nur meine Namen hören bin ich dran ... So, und deswegen machen wir es genauso, wie ich es sage. Wir fahren nachher mit ihm in den Wald und bringen es hinter uns. Danach vergessen wir die ganze Sache. Nur so kommen wir da wieder raus.“

„Du bist wahnsinnig.“ Sie schüttelte den Kopf.

„Ich nenne es vernünftig und du solltest es jetzt auch sein.“

In diesem Moment klingelte es. Beide zuckten wie auf Kommando zusammen. Während K-a Herz vor Schreck fast stehen blieb, huschte Probst sogleich zur Tür hin und blickte durch den Spion. Draußen stand B. G‘s jüngerer Bruder mit einer Tasche in der Hand. Probst hatte ganz vergessen, dass heute Dienstag war und er dienstags immer kam, um der Schwägerin etwas zum Essen zu bringen. Schon deshalb war es ihm unmöglich, ihn unter einem Vorwand abzuwimmeln, zumal er genau wusste, dass K-a ihn erwartete.

 

Probst verspürt einen Stich ins Herz bei der Vorstellung, dass jetzt alles auffliegen könnte. Und als es schließlich nochmal klingelte, wusste er nichts anderes zu reagieren, als mit einem unbestimmten „Moment bitte!“ zu antworten.

Flink eilte er in die Stube und zog die Rolle eiligst in die Nebenkammer. Dort passte sie aber nicht so recht hinein, so dass er die Tür geradeso zudrücken und einklinken konnte. Mir eine Handtuch wischte er flink die Blutflecken auf, rückte die Möbel zurecht und warf eine Decke über die immer noch ganz apathisch da liegende K-a. Und wieder klingelte es, dazu noch ein Klopfen, als Zeichen von Bs. Ungeduld.