Lieblingsplätze Mainfranken

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4 Eine bunte, futuristische Himmelswelt
Schweinfurt: Altarbild von St. Johannis

Die St.-Johannis-Kirche ist die evangelische Hauptkirche Schweinfurts, wie alle evangelischen geöffnet. Sie ist übrigens das einzige noch erhaltene mittelalterliche Gebäude der Stadt, stammt wohl aus dem 12. Jahrhundert, und ist 1542 mit der gesamten Bevölkerung Schweinfurts konvertiert.

Drinnen merkt man: Berühmt ist die Kirche für ihr Stilgemisch, also Kostproben aus fast allen Kunstepochen. Ein Bilderbuch der Kunstgeschichte, inklusive seltener Übergangsstile. Das wird durchaus unterschiedlich gewürdigt.

So ist es fast keine Überraschung, dass auch das Altarbild von Adolf Kleemann (1904–1989) ein Objekt der Diskussion ist. Es ist sehr dicht gehalten, kontrastiert trefflich mit der Umgebung, was zunächst durchaus störend wirkt. Man muss sich erst auf das Altarbild konzentrieren, sich damit beschäftigen. So schreibt die Gemeinde: »Das Bild prägt sich ein und darüber können wir uns nur freuen.«

Es ist ein Auferstehungsbild. Aber Kleemann malt Christus nicht als lächelnden Sieger, sondern eher als ein Objekt, das in eine bunte, futuristische Himmelswelt gezogen wird. Darunter breitet sich die irdische Welt aus mit Wohnblocks und purem Alltagsleben. Doch finden wir auch Adam und Eva. Eva hält noch den verlockenden Apfel unangebissen in der Hand. Die Entscheidung gegen das Paradies wurde noch nicht getroffen.

Wichtigste Person ist in der Mitte eine Frau im gelben Kleid der Eitelkeit, mit langer Zigarettenspitze, irgendwie herausfordernd. Symbol für die Oberflächlichkeit, für die Nichtigkeiten der Welt. Wir verfallen so oft diesen Nichtigkeiten und nehmen keine Notiz vom Leid des Menschen und auch nicht von der Hoffnung der Auferstehung. So packt das Bild den Betrachter an Herz und Seele. Dieses Bild ist einen längeren Besuch der Kirche wert.

St. Johannis ist eine Radwegekirche. Sie liegt am Main-Radweg und ist auf Fahrradtourenkarten als Sehenswürdigkeit verzeichnet.


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St.-Johannis-Kirche

Martin-Luther-Platz

97421 Schweinfurt

09721 53315210

www.schweinfurt-stjohannis.de

5 Wie stellt man Schrot her?
Schweinfurt: Schrotturm

Man kann ihn nicht übersehen. Seit fast 400 Jahren prägt der Schrotturm die südliche Altstadt. Es ist ein markanter Anblick. Steht er nicht sogar ein bisschen schief?

Erbauen ließ ihn Balthasar Rüffer III. als Treppenturm eines Renaissance-Hauses (1611–1614). Eine Provokation sollte die dreifache Kuppelhaube damals sein: Sie sollte vom katholisch geprägten Umland abgrenzen, die politische und religiöse Eigenständigkeit der Freien Reichsstadt demonstrieren. Das ist jedoch Vergangenheit. Die Kuppelhaube wurde ersetzt durch einen eher kegelartigen Dachabschluss.

Wichtig war insbesondere eine Nutzungsänderung im 19. Jahrhundert. Der Turm diente zur Herstellung von Schrotkugeln. Die Geschäftsidee war einfach und simpel: Wie stellt man Schrot her? »… man verfertigt dasselbe, indem man geschmolzenes Bley von einer Höhe von 150 Fuß herabfallen lässt, welches während des Falls eine vortreffliche runde Form bekommt, und im Wasser aufgefangen wird.« So Johann Georg Krünitz in seiner Ökonomisch-technologischen Enzyklopädie.

Der Unternehmer und Schroterfinder Johann Christian Voit brauchte nun einen Ort, an dem er die Schrotkugeln fertigen konnte. Dazu stockte er 1818 den ursprünglichen Rüfferturm, so bis dahin sein Name, auf fünf Etagen auf. Mit dem Schweinfurter Schrot war Voit wirtschaftlicher Erfolg beschieden, die Fabrik bestand bis 1912. Damit hatte der Turm jedenfalls einen neuen Namen bekommen.

Doch das Gebäude zeigt sich heute etwas anders als zu Zeiten der Schrotfabrik: Nur der Südflügel, ein Teil des Nordflügels sowie der Turm bestehen noch. Allerdings sind diese umfassend restauriert und erfüllen ihren Zweck als Bürgerhäuser.

Der Schrotturm ist dennoch ein sehenswerter Blickfang und zugleich ein malerisches Schmankerl mitten in der Innenstadt.

Besichtigung während der Bürozeiten der Rückert-Gesellschaft im Schrotturm (www.schweinfurtfuehrer.de/vereine/kulturvereine, 09721 25377).


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Schrotturm

Zugang von der Rosengasse

97421 Schweinfurt

Tourist-Information Schweinfurt 360°

Rathaus

Markt 1

97421 Schweinfurt

09721 513600

www.tourismus.­schweinfurt.de

6 Ein Schwimmbad als Kunsthalle
Schweinfurt: Kunsthalle

Schweinfurt ist stolz auf seine Industrie und auf die Persönlichkeiten, die sie erschaffen haben. Diese haben der Stadt auch mancherlei hinterlassen, die Stadt die Denkmäler gerne in Anspruch genommen. Das Museum Georg Schäfer zum Beispiel oder das Schweinfurter Volks- und Hallenschwimmbad, ein Geburtstagsgeschenk des Industriellen Ernst Sachs an die Stadt. Es wurde 1933 fertig gestellt, ein Bau mit intensiver Symbolik. Der repräsentative Vorplatz und die Baukomposition sollten Übergang zu den neuen Baugebieten im Westen der Stadt sein. Aber nichts ist für die Ewigkeit. Im Krieg zerstört, geschlossen, wiedereröffnet, von der Bevölkerung nicht mehr so richtig angenommen.

Wenn man nicht weiterweiß, muss Kunst helfen. 2003 entschied sich der Stadtrat für die Umnutzung als neues Domizil für die städtische Galerie. Das Hallenbad mit seiner Architektur ist die Hülle für die neue Kunsthalle. Die Raumelemente aus der Bade-Epoche sind noch vorhanden. Der Innenhof ist frei zugänglich. Helle Wände und Decken, eine durchgängige Lichtführung unterstreichen die Architektur. Der massive Steinboden betont die Bodenständigkeit.

Heute ist es ein Zentrum für die Kunst der klassischen Moderne bis hin zur Gegenwartskunst, ein kultureller Kontrast zum Museum Georg Schäfer auf der anderen Seite der Stadt. Wir finden eine Sammlung der deutschen Kunst nach 1945 und die Sammlung Joseph Hierling mit Werken des Expressiven Realismus aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Die beiden Sammlungen passen gut zueinander. Darüber hinaus hat man auch Platz für repräsentative Sonderausstellungen. Die Kunsthalle hat sich gemausert, Ansehen weit über Mainfranken hinaus gewonnen. Das ist wichtig für eine Stadt, die sich kulturell einen Namen machen will. Durchaus gelungen. Besuch zu empfehlen.

Seit 1984 gibt es in Schweinfurt eine Galerie für zeitgenössische Kunst. Im Mai 2009 konnte die neue Kunsthalle im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad bezogen werden.


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Kunsthalle Schweinfurt im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad

Rüfferstraße 4

97421 Schweinfurt

09721 514721

www.kunsthalle-schweinfurt.de

7 Zur Orientierung und zur Meditation
Werneck: Bildstockweg ab Egenhausen

Sie stehen selbstverständlich wie ein Baum auf der Erde – und fallen nur flüchtig auf. Wir Franken sagen Bildstock dazu, in Österreich und Bayern nennt man sie auch Marterl oder Marter, Wegstock oder Kreuz und die Schweizer sagen dazu Helgenstöckli.

Die Bildstöcke sind Abbild der Volksfrömmigkeit. Sie markieren Wege, aber bieten auch Anstoß zur Meditation. Meist haben Menschen sie gestiftet, die damit etwas Besonderes ausdrücken wollten: Sie sind ein Symbol für Dankbarkeit angesichts überstandener Gefahren oder Seuchen oder Erinnerung an Unglücksfälle oder Personen. Gefertigt aus Holz, Stein oder Mauerwerk sind sie in ihrer Form sehr vielfältig.

An manchen Orten häufen sie sich. Dann wird ein Museum eingerichtet oder ein Wanderweg von Bildstock zu Bildstock installiert. In der Alten Schule von Egenhausen – einem Ortsteil des Marktes Werneck – befindet sich das Herzstück des Fränkischen Bildstockzentrums. Auf fast 1.000 Quadratmetern kann man sich aufklären lassen über die Kulturgeschichte dieser christlichen Wegmarken: anschaulich, unterhaltsam, interaktiv und multimedial. Aber erleben und verstehen lassen sie sich am besten an ihren originalen Standorten, in den Dörfern und Fluren der fränkischen Landschaft. Das Fränkische Bildstockzentrum hat daher Rundwanderwege ausgewiesen. Sie beginnen alle in Egenhausen und erschließen den Bildstockreichtum der Region. Auf zur Wanderung.

Ein häufiges Motiv ist »Maria mit dem Kind«, in Stein und Holz gleichermaßen. Vielfach werden auch Heilige dargestellt. Manche Bildstöcke sind im Laufe der Zeit zu kleinen Kapellen geworden. Doch auch ohne Erweiterung sind die meisten sehr schön anzusehen und Spannung und Erwartung gleichermaßen begleiten den Wanderer. Zeit sollte man sich lassen, schlicht Landschaft und Sonne in Ruhe genießen, an den Bildstöcken verweilen.

In Egenhausen befindet sich ein Informations- und Kompetenzzentrum für Bildstöcke. Hier gibt es Kartenmaterial über die Bildstöcke im Oberen Werntal und eine Datenbank.

 

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Bildstockweg

Startpunkt: Fränkisches Bildstock­zentrum Egenhausen

St.-Johannes-Straße 73

97440 Werneck-Egenhausen

09722 2262

www.bildstockzentrum.de

8 Vom Kloster zum Bauernhof
Schwanfeld: Kloster Heiligenthal

Eine der ältesten Spuren jungsteinzeitlicher Bauern in Deutschland findet sich in Schwanfeld. Belegt ist, dass hier vor rund 7.500 Jahren Bandkeramiker Ackerbau betrieben und in Häusern lebten. Dies kann man im Museum nachprüfen.

Nach den frühgeschichtlichen Funden wurde Schwanfeld das erste Mal 772 urkundlich erwähnt. Jutta von Fuchsstadt gründete 1234 das Kloster Heiligenthal. Sie war die erste Äbtissin des Zisterzienserinnenkloster und wurde später als Jutta von Heiligenthal selig gesprochen. Die Schwanfelder bezeichnen das Kloster auch heute noch als sehr wichtigen Bau; er dokumentiert schließlich eine Glanzzeit der Schwanfelder Ortsgeschichte. Doch das Juwel ist gar nicht so einfach zu finden, befindet sich einen Kilometer außerhalb des Ortes, Hinweisschilder sind selten und die Straße ist eng. Und dann landet man schließlich auf einem Bauernhof.

Der Eingang am Wohnhaus beweist, dass man es mit historischem Gemäuer zu tun hat. 1579 löste Fürstbischof Julius Echter das Kloster auf und von da an nutzte man es nur noch landwirtschaftlich. Dabei wurde der westliche Gebäudekomplex, in dem die Nonnen gelebt hatten, zu Scheune und Getreidespeicher umgebaut, 1610 ließ Julius Echter das Wohnhaus neu errichten. Nur der östliche Teil blieb erhalten, die Kirche. Seit 1951 ist sie im Besitz der Familie Wirth. Die Kirche wirkt vom Bauernhof aus gesehen wie eine Scheune mit einem großen Scheunentor. Erst muss man um die Mauern des Hofes herumgehen, dann erkennt man den imposanten Bau. Sie steht zwar unter Denkmalsschutz, was aber nicht bedeutet, dass sie irgendwie gepflegt wird. Der Zutritt ist nur möglich, wenn man jemanden von der Bauersfamilie findet, der aufsperrt. Trotz allem: Die Kirche ist imposant und die Umwidmung zum Bauernhof wirkt irgendwie stark.

Bandkeramiken sind nicht jedermanns Sache. Vielleicht sollte man hier eine Ausnahme machen, allein wegen des Alters.


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Klosterkirche Heiligenthal, Familie Wirth

Heiligenthal 1

97523 Schwanfeld

09384 1510

www.schwanfeld.de

Von Schwanfeld aus dem Heiligenthalgraben folgen.

Bandkeramik Museum

Pfarrgasse4

97523 Schwanfeld

09384 97300 (Verwaltungsgemeinschaft Schwanfeld)

www.schwanfeld.de

9 Pfadfindergeist notwendig
Schwanfeld: Jüdischer Friedhof

Es gibt in Franken viele Jüdische Friedhöfe. Ihnen ist meistens gemein, dass sie in den Ortschaften nicht ausgeschildert sind. Sie liegen außerhalb und es gehört etwas Pfadfindergeist dazu, sie zu finden. In Schwanfeld ist dies anders. Bereits am Ortsschild erfährt man, dass es hier einen solchen gibt – sozusagen als Sehenswürdigkeit. Die Hinweisschilder sind dann aber auch so selten, dass man ihn kaum findet – wäre nicht die Ortskarte. Auch dieser Jüdische Friedhof liegt recht weit außerhalb der Ortschaft. Kein asphaltierter Weg führt zu ihm, nur ein Wiesenrain. Dann ein Zaun. Dahinter zwei Reihen Gräber, eher ungepflegt. Also doch keine so große Sehenswürdigkeit.

Urkundlich nachweisen kann man den Friedhof seit 1604. Damals gestattete der Grundbesitzer Konrad von Grumbach, Amtmann zu Karlstadt, die Beisetzung der Juden am Untereisenheimer Weg auf Schwanfelder Gemarkung. Das war Ödland, für nichts sonst zu gebrauchen, also konnte man es den Juden auch als Friedhof gönnen. Zu dieser Zeit durften die Juden in Schwanfeld auch Unterricht geben und ein jüdisches Gericht halten. Interessant ist allerdings die Passage, dass dieser Kauf auch Gültigkeit habe, wenn der Flecken Schwanfeld an einen anderen Herrn verkauft werden solle.

Bis 1940 wurde der Friedhof genutzt. Juden von Dettelbach bis Eisenheim und Rimpar wurden hier bestattet. Augenscheinlich war Schwanfeld ein jüdisches Zentrum in Mainfranken. 1938 stellte man den Friedhof unter Naturschutz, was vielleicht ein ganz geschickter Schachzug war, da sich kaum mehr jemand um ihn kümmerte und sich die Natur seiner erbarmte.

In Erinnerung an den letzten in Schwanfeld geborenen jüdischen Mitbürger, der am 1. Februar 1984 im hochbetagten Alter von 82 Jahren verstarb, erhielt der zum Jüdischen Friedhof führende Holperweg den Namen Ludwig-Gutmann-Weg.

Der Jüdische Friedhof steht unter der Obhut des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern.


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Jüdischer Friedhof

Ludwig-Gutmann-Weg

97523 Schwanfeld


Das Dorf über die Obereisenheimer Straße verlassen und auf den ungepflasterten Ludwig-Gutmann-Weg einbiegen.

10 Don Quijote kämpft noch immer
Dipbach: Windmühlen

Wind in Unterfranken? Der Wind des Wandels weht auch hier: Wenn man von Eisenheim nach Dipbach fährt, kommt man auf der Anhöhe an einem Feld voller Windmühlen vorbei. Die Dörfer sind dagegen Sturm gelaufen. Sie wollten keine Windräder an der Mainschleife, sie beeinträchtigen nur das Leben, verunstalten die Landschaft. So haben sich die Menschen organisiert: für den Erhalt der Kulturlandschaft Mainschleife und gegen den Bau von Windkraftanlagen.

Im Rahmen der Energiewende hat der Protest nicht viel genutzt. Es wurde gebaut. Und nun stehen die Windmühlen auf dem Feld. Sie überragen die Mainschleife, sind weithin sichtbar. Sie sind respekteinflößend hoch: 160 Meter, die Rotoren kreisen leicht und eigentlich gemütlich langsam. Ein leises Summen begleitet sie.

Und sie verschandeln nun die Landschaft? Vielleicht müssen wir uns einfach erst an ihren Anblick gewöhnen, wie man sich auch an Wolkenkratzer gewöhnen musste, an Solaranlagen auf den Bauernhöfen und an Straßen, die überall das Land durchqueren.

Sie sind mit Sicherheit ein neuer Akzent in der Natur der Mainschleife. Aber zerstören sie das Landschaftsbild? Bei tief stehender Abendsonne trete durch die Rotorenbewegung der sogenannte Stroboskop-Effekt ein, behaupten die Kritiker, der bekanntermaßen Mensch und Tier irritiert und das gesamte Maintal belästigt. Es ist gerade Abend und die Sonne geht unter. Ich kann keine irritierenden Effekte feststellen. Wie auch immer, die Entscheidung ist gefallen, für die Energieversorgung, für erneuerbare Energien, für einen Riesen-Windmühlen-Park an der Mainschleife. Ich würde in diesem Fall Peter Altmaier zustimmen, der einmal sagte: »Jede Erneuerung braucht Zeit, bis sie auch glaubwürdig wirkt.«

Hoffentlich hat das keinen Einfluss auf die Weinqualität. Der Geschmack des Frankenweins muss erhalten bleiben. Wenn dies nicht garantiert wäre, würde auch ich protestieren.

Dipbach liegt etwa vier Kilometer östlich der Gemeinde Bergtheim auf der Hochfläche des Maindreiecks.


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Windmühle

Zwischen 97241 Dipbach und 97247 Eisenheim

11 Wo der Wein bunt schmeckt
Eisenheim: Weingut Hirn

Da steht am Fuße eines Weinberges in Untereisenheim ein buntes Haus mit wenigen geraden Linien. Staunen ist angesagt. Vom Hausherrn erfährt man die Geschichte: Zuerst stand die Idee, ein Haus zu bauen, so farbenfroh und unkonventionell wie Hundertwasser. 1999 begann die Planung. Leider verstarb der Künstler im Februar 2000. Die Gestaltung des »Weinparadieses« wurde von einem Architekten weitergeführt und vollendet, der mit Friedensreich Hundertwasser schon gemeinsame Projekte realisiert hatte. 2003 war dann der Lebenstraum des Winzers in Erfüllung gegangen. Allerdings darf das Haus nicht den offiziellen Titel eines Hundertwasserhauses führen, steht also auch nicht auf der Werkliste von Hundertwasser. Der Weinbauer bemerkt, dass es vielleicht ganz gut war. So hat er zumindest ebene und barrierefreie Böden eingezogen, damit er mit dem Sackkarren seine Weinkisten problemlos transportieren kann. Solche praktischen Erwägungen hätten vermutlich nicht in das Originalkonzept von Hundertwasser gepasst.

Das Weingut Hirn fällt auf. Kunstwerke stehen im Garten, lustige Geschöpfe, und man ist froh gestimmt, wenn man das Weingut betritt. Eine Abbildung des Hauses ziert auch jedes Etikett der Flaschen einer der zehn Rebsorten, die das Weingut Hirn im Angebot hat.

Man überlegt unwillkürlich. Will der Hirn durch seine Architektur auffallen oder durch seine Weine? Das Haus fällt zweifelsohne auf – aber auch die Weine. Fast jeder 0,75-Liter-Flaschenwein des Winzers wurde bislang mit einer Medaille ausgezeichnet. Zudem hat er den Ehrenpreis des Landkreises Würzburg für herausragende Leistungen bei der Fränkischen Weinprämierung erhalten. Ich habe bei ihm einen Spätburgunder trocken getrunken und war begeistert.

»Fortschritt ist Rückschritt, und der Rückschritt wird zum Fortschritt«, sagt Friedensreich Hundertwasser. Was er damit wohl gemeint hat?

Man kann sich im Weingut Hirn nicht nur am Wein laben, sondern auch übernachten, wenn man für die Rückfahrt zu erschöpft ist.


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Weingut Hirn

Dipbacher Straße 8

97247 Untereisenheim

09386 388

www.weingut-hirn.de

12 Bierbrauer im Weintrinker-Land
Volkach: Privatbrauerei Friedrich Düll in Krautheim

Krautheim liegt mitten im Weinland, gehört zur Wein-Stadt Volkach – doch hier wird Bier gebraut. Es mag am Wein-Land liegen, dass es in Unterfranken nicht so viele Brauereien gibt. Und dennoch wird natürlich auch hier Bier getrunken – und wenn es auch nur gegen den Durst ist.

Der Ort ist mehr als 1.100 Jahre alt, aber die Brauerei gibt es »erst« seit 1654. Heute ist sie im Besitz der Familie Düll – in der fünften Generation. Zur Brauerei gehört eine eigene Mälzerei, in der die fränkische Gerste nach strengen Qualitätsrichtlinien vermälzt wird. Der Herstellungsprozess vom Acker bis zur Abfüllung wird lückenlos verfolgt. Regionalität ist das Erfolgsrezept: Sämtliches Getreide stammt von den Landwirten aus der Region, auch die Hefe ist selbstgemacht. Zur Verwendung kommen ausschließlich Brauwasser aus eigenen Brunnen, Malz aus eigener Herstellung und Doldenhopfen. Alles sozusagen selbst »gewachsen und gemacht«. Kurzum: Das Bier wird unter strikter Einhaltung des Reinheitsgebotes gebraut.

Wie es schon die Vorfahren bewerkstelligten, werden die Biere im Gärkeller kalt vergoren. Später kommen sie in den Lagerkeller. Das Bier hat Zeit. In großen Kellern, zwischen null und zwei Grad, lagert es mindestens acht Wochen. So reift das Bier und sein Geschmack. Auch wenn diese lange Lagerung zeit- und kostenaufwendig ist, besteht der Brauer darauf. So schmeckt das Bier besser.

Das stärkste Produkt ist ein dunkler Doppelbock. Dunkel, deutlicher Geschmack nach Malz, dennoch mild und ausgewogen. Feines Karamellaroma, der Hopfen ist hinter dem Malz nur schwach zu schmecken. Zu 100 Prozent aus dunklem Malz hergestellt. Und richtig kräftig mit 7,8 Prozent Alkoholgehalt und 18,5 Prozent Stammwürze. Er wird aber nur zu bestimmten Zeiten hergestellt. Dann strömen die Volkacher in die Brauerei, um ihren dunklen Doppelbock abzuholen. Wohl bekomm’s.

 

Es gibt einen idyllischen Biergarten, der bei schönem Wetter gut besucht ist. Der Verzehr von mitgebrachten Speisen ist ausdrücklich erwünscht – das Bier kommt aus dem Fass.


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Privatbrauerei Friedrich Düll

Landstraße 4–8

97332 Volkach-Krautheim

09381 71089410

www.krautheimer.com

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