Tantra, das Feuer meiner Passion

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BERÜHREN, FÜHLEN UND GEBORGENHEIT

Schon als kleines Kind musste ich alles berühren, was mir interessant erschien, ich war ein echt haptischer Typ. Ich wollte wissen, wie sich bestimmte Gegenstände oder Tiere oder Menschen anfühlen und ihre Konsistenz erforschen. Am Liebsten streichelte ich die Nüstern eines Pferdes, sie waren so unglaublich zart und weich, wie Samt und Seide. Jemanden zu berühren und zu sehen, wie die Reaktion ist oder selbst berührt zu werden, fand ich damals äußerst spannend und entspannend.

Mein Vater kraulte mich damals immer in den Schlaf und erzählte dabei wunderschöne selbst ausgedachte Märchen, das hat mich wohl geprägt.

Ich wollte auch anderen dieses schöne Gefühl von Geborgenheit und Wärme und dieses Lustgefühl vermitteln. Das waren damals natürlich noch keine erotischen Lustgefühle, sondern ein wohliges Lustgefühl.

Im Kindergarten und später in der Schule krabbelte ich in den Pausen meine Freunde, die es immer sehr genossen.

In meiner Jugend so ab dem 15. Lebensjahr leitete ich Kinder- und Jugendfreizeiten mit Studenten zusammen. Die ersten Jahre waren wir im Familienferiendorf Mauloff der evangelischen Kirche im Hintertaunus. Dort hielt ich sogar Gottesdienste ab. Hier kamen Familien aus ganz Deutschland zusammen. Die Eltern konnten sich endlich mal erholen, da tagsüber die Kleinen im Kinderclub und die Jugendlichen im Jugendclub waren. Am Abend gab es dann den Elternclub mit verschiedenen Veranstaltungen, wie Folklore mit Tänzen aus der ganzen Welt, die ich mit einer Erzieherin leitete. Damals war ich gerade mal 14 Jahre alt. An diesen Abenden mit meinem Lieblingspfarrer, lernten meine Eltern zwei Jahre zuvor eine nette Familie (Christin und ihren Mann) auch mit drei Kindern aus Berlin kennen und eine Frau aus Frankfurt, mit der sie bis ins hohe Alter befreundet sein sollten.

Jahre später arbeitete ich in den Sommerferien bei der Stadt Frankfurt, Bad Homburg oder Wiesbaden als ehrenamtlicher Jugendbetreuer, insgesamt 15 Jahre als Kinder und Jugendbetreuer, neben meinem Krankenhausjob.

Einige Jugendfreizeiten machte ich auch mit meinem Bruder zusammen und wir und die Kids hatten immer viel Spaß.

All die Jahre als Kinder- und Jugendbetreuer brachte ich den Kids bei, wie man selbstgemachte Kosmetik anfertigt und sie anwendet, unter anderem auch Massageöle, die wir dann auch praktisch anwendeten. Das kam sehr gut an, sie spürten sich und machten neue Erfahrungen im Wahrnehmen des eigenen Körpers. Dabei bemerkte ich leider auch, dass viele Kinder oder Jugendliche nicht genug Zärtlichkeit von ihren Eltern erhielten, da sie extrem nach Berührung lechzten.

In der Zeit, während ich als Kinderkrankenschwester gearbeitet habe, konnte ich meine Leidenschaft zu berühren ständig mit einbringen, was den kleinen Patienten immer sehr gut tat.

Später arbeitete ich in der allgemeinen Pflege, aber auch da waren die Menschen jeden Alters dankbar für jegliche Art der Berührung.

Berührung, Streicheln oder liebevolle Massagen stärken das Immunsystem. Es kommt zu einer Reduktion der Stresshormone wie Cortisol, Noradrenalin und Adrenalin. Dadurch kommt es zur Ausschüttung von Endorphinen und Serotonin-Glückshormonen und Oxitocin dem Kuschelhormon. Es fördert die allgemeine Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Manche große wie auch kleine Patienten verzehrten sich gerade zu, von mir berührt zu werden und freuten sich, wenn ich wieder Dienst hatte. Berührung ist so wichtig und etwas Essentielles im Leben, was so viele leider vermissen, weil sie alleine leben oder gemeinsam aber einsam sind, da man sich oft auch auseinander gelebt hat.

WERA AUF DER SUCHE NACH ERFÜLLUNG

Im Laufe der Jahre finanzierte ich mir viele Fortbildungen u.a. Rhetorikseminare/Ausbildungen, die ich für die Krankenhausarbeit nicht zwingend brauchte. Im Krankenhaus waren die Zuwendung und Pflege sehr eingeschränkt, einerseits bedingt durch Personalmangel und andererseits oft durch Überbelegung der Patienten, ein echter Horror. Damals wusste ich bereits, dass ich eines Tages irgendetwas im selbstständigen Bereich machen möchte und zwar intensiver mit Menschen als Begleiter. Ich wollte eine Aufgabe, die mich so erfüllt, dass es sich nicht wie Arbeit anfühlen sollte, sondern die totale Erfüllung – eine Passion – werden sollte.

Ich hatte ein Ziel, aber noch nicht den Weg …

Die Schichtdienstarbeit und die große Verantwortung, die man jeden Tag hatte und dann noch für einen Hungerlohn, konnte nicht meine Lebenserfüllung sein.

Eines ist für mich tödlich, die Routine, jeden Tag dasselbe tun zu müssen, dieselben Abläufe, nur mit anderen Patienten. Immer, wenn mich dann so eine gewisse Traurigkeit überkam, das kann doch nicht alles gewesen sein, ich will das nicht bis zur Rente machen, brauchte ich einen Kick, vielleicht einen netten Nebenjob.

So wurde ich wieder kreativ, ich habe mir oft die Frankfurter Rundschau gekauft und in den Jobangeboten gesucht, was mir Spaß machen könnte, was es so an neuen Herausforderungen gab. Es gibt viele Menschen, die brauchen die Routine, sie gibt ein Stück Sicherheit!

Meine Kollegin und auch Andere haben mir im Laufe meines Berufslebens gesagt, dass sie niemals wechseln wollen, man müsste sich ja komplett umstellen und noch mal alles über das neue Fachgebiet lernen. Dann die neuen Kollegen, sich in ein neues Team integrieren, da muss man dann erst hineinwachsen und was erwartet mich da. So weiß ich, was ich habe und dass reicht mir. Es ist so angstbesetzt, etwas Neues anzufangen, dass viele Menschen bis zur Rente an einem Platz bleiben. Ich möchte hier niemanden zu nahe treten, jeder muss das tun, was sich richtig und gut anfühlt. Ich war schon immer neugierig in verschiedene Berufsgruppen/Fachgebiete hinein zu schnuppern zu wollen. So habe ich in vielen verschiedenen Unternehmen als Aushilfe gearbeitet und bekam interessante Einblicke in andere berufliche fremde Welten.

Schon in meiner Kindheit und auch Jugend war ich neugierig und wollte alles wissen und viel erleben.

WERA, DIE KINDERKRANKENSCHWESTER

Die schönsten 5 Jahre waren kurz nach der Ausbildung in der Augenklinik der Johann Wolfgang Goethe Uni-Klinik Frankfurt. Ich arbeitete in der Kinder- und Frauenabteilung Station 8-3. So gestaltete sich die Arbeit richtig abwechslungsreich mit den Kleinen und den Erwachsenen. Am Ende des Flures war die Frauenstation, die mit der Kinderstation zusammengelegt war. Jede Woche wurde gewechselt.

Wie sich die Kids freuten, wenn ich wieder die Woche bei ihnen war, freuten sich auch die Frauen auf der anderen Seite der Station, wenn ich wieder Dienst bei ihnen hatte. Ich war immer für Unsinn und Blödeleien bereit, um damit die kleinen und großen Patienten aufzumuntern.

Einmal hatten wir eine Nonne als Patientin auf Station. Als sie im Operationssaal lag, war ich sicher, dass sie sobald nicht auftauchen wird. Ich zog ihr Nonnengewand an und sprach alle Patienten selig und wir alle hatten einen Riesenspaß.

Ich mochte meinen Professor Stärker, der für die Strabismus-Kids (Schieler) zuständig war, genauso wie den gefürchteten Professor Doden, den Schreck aller Famulanten, da er sie gerne intellektuell auflaufen ließ, wenn er ihre Wissensschwächen aufdeckte.

Gleich an meinem ersten Arbeitstag, der noch nicht mal begonnen hatte, hatte ich mich in ein dickes Fettnäpfchen gesetzt. Im Fahrstuhl zum 3. Stock der Kinderstation stand ein älterer Mann und sah mich an, da stand ich schüchtern drein blickend im weißen Schwesternkittel. Er fragte sehr nett und höflich, wie es mir hier gefällt, darauf konnte ich ihm nicht viel sagen, da ich ja den ersten Tag heute erst haben sollte, so erzählte ich ihm: „Mein Eindruck beim Vorstellungsgespräch mit dem Team war sehr positiv.“

Er fragte: „Was erzählt man sich denn so über den Chef-Professor Dodens, haben Sie da schon Infos bekommen?“

„Ja, ja er soll ein recht strenger Griesgram sein, der die Studenten drangsaliert und gerne vor den Patienten auflaufen lässt, so sagte man mir!“

Er: „Soso, na dann wünsche ich Ihnen hier eine gute Zeit. Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Professor Dr. Dodens“!

Beim Aussteigen wäre ich gerne in den Erdboden verschwunden, aber jetzt begann mein erster Arbeitstag. Das sprach sich natürlich wie ein Lauffeuer in der Klinik herum und schon war ich bekannt wie ein bunter Hund.

„Ach du bist die Schwester Wera aha-hihihi!“

Immer, wenn er mich bei der Frauenvisite sah, grüßte er mich freundlich mit einem Lächeln.

Einer unserer Kinderstationsärzte war Dr. Hohlfelder aus dem Schwabenland, er war immer tiefenentspannt und super schelmisch-witzisch und wir hatten eine sehr gute Zeit zusammen. Er hatte viele Schwesternschülerinnen, die ihn verehrten, (es wurde mir immer vertrauensvoll zugetragen) ja er war schon außergewöhnlich! Ich habe den jungen Frauen dann aber all ihre Hoffnungen genommen, und erzählt, dass er verheiratet sei auch zwei kleine Kids hatte. Sie sollten sich lieber auf ihr Examen konzentrieren.

Dr. Kucks, ein anderer Stationsarzt brachte mir Blutabnehmen sogar an seinem Arm bei und ich war stolz, dass es gleich beim ersten Mal klappte. Ab da war er entlastet, denn nun war es morgens meine Arbeit und er konnte sich anderen Dingen widmen. Obwohl es nicht zu meinem Aufgabenbereich gehörte, war ich stolz, dass ich es machen durfte.

In der Zeit jobbte ich nebenher in einem 5-Sterne-Restaurant & Squash Center in Niederrad als Servicekraft, um meinen Führerschein zu finanzieren und anschließend ein gebrauchtes Auto zu kaufen.

 

Leider habe ich nur dieses S/W-Foto aus einer Werbeanzeige einer Frankfurter Zeitung.

Es hat mir sehr viel Freude gemacht die Kunden zu beraten, Weine zu empfehlen oder bei der Menüwahl behilflich zu sein. Wir waren immer top gestylt, weiße Bluse mit roter Fliege, schwarze Hose oder Rock mit roter Schürze.

Oft arbeitete ich 3- bis 4-mal in der Woche jeweils nach dem Schichtdienst bis spät in die Nacht. Morgens um 5 Uhr musste ich wieder aus dem Bett zum Frühdienst. Die wenige Freizeit, die mir neben den Jobs noch blieb, verbrachte ich mit meiner Freundin in Sachsenhausen zum Feiern. Zusätzlich arbeitete ich immer, wenn Frankfurter Messe war, als Security Woman mit einer schicken Uniform nachmittags nach dem Frühdienst..

Ein weiterer Job war auf Abruf für das Nord-West-Krankenhaus als Sitzwache, immer nachts, sodass ich morgens an der Krankenhauskasse meinen Obolus mitnahm und schnell zum Frühdienst in die Uniklinik fuhr. Hier wurde ich eines Tages gebeten bei einer prominenten Dame Lia W. Sitzwache zu machen. Sie lag im Sterben und ich war bei ihr, hielt und streichelte ihre Hand und versorgte sie die ganze Nacht.

Am nächsten Morgen erzählte ich meinem Mann von der Dame. Er zeigte mir auf, dass sie einst eine Berühmtheit in Frankfurt war und zusammen mit Heinz Schenk den Blauen Bock im Fernsehen moderierte. Sie war auch die Produzentin des HR für viele Unterhaltungssendungen im Fernsehen. Und so geht ein Leben einsam zu Ende, darüber machte ich mir viele Gedanken.

Wer weiß, wie einsam dieser Mensch dann gestorben ist und ich bewarb mich für eine Vollzeitstelle als Sterbebegleitung im Christophorus Haus für ambulante Pflege in der Palliativ-Medizin.

Hier sah ich eine echte Aufgabe und hatte nicht den Krankenhausstress. Hier hatte man maximal 4 Patienten mit viel Zeit zur Pflege und Beistand, um eine würdige Sterbebegleitung gewährleisten zu können..

Diese Arbeit konnte ich leider nur 1 Jahr lang machen, da es mir leider viel zu nah ging. Wenn ein mir anvertrauter Patient diesen Planeten verlassen hat, hat es mich auch sehr schmerzlich getroffen und belastet.

Danach war ich auf einer Neugeborenenstation im Bürgerhospital. Nach der Arbeit mit dem Tod neues Leben zu begrüßen war wesentlich erfreulicher und die Kleinen sind so knuddelig und riechen so gut. Ich hätte am liebsten eines mitgenommen, da mein eigener Kinderwunsch nicht erfüllt wurde.

Immer wieder jobbte ich neben dem Krankenhaus in berufsfremden Arbeitsgebieten wie z. B. in einer Partnervermittlung nach dem Schichtdienst. Dort arbeitete ich als Außendienstmitarbeiterin. Hier bekam ich eine echt gute Schulung, wie man Menschen überzeugt, über diesen Weg eine Partnerin zu finden, was jedoch für meine Begriffe total überteuert und damit sittenwidrig war. Eigentlich kauften die Männer ein Produkt – angeboten wurden nur attraktive polnische, deutsch-sprechende, nicht emanzipierte Frauen, die gewohnt waren, dem Mann alle Wünsche zu erfüllen: im Haushalt und … Sorry! Ich war jung und brauchte das Geld! Aus heutiger Sicht würde ich niemals solch einen Job annehmen. Ich wurde die beste Außendienstmitarbeiterin und verdiente so gut, dass ich im Krankenhaus kündigte. Mein damals zukünftiger Mann, der gerade im Referendariat zum Juristen war, gab zu bedenken, dass es in der Partnervermittlung nicht mit rechten Dingen zuging. Leider hatte er recht und ich beendete den Job. Ich wurde in einem Verfahren gegen diese Firma als Zeugin geladen und habe bei der Gelegenheit erfahren, dass der Chef dieser Firma sogar über Weihnachten in Untersuchungshaft saß.

Es ergab sich dann eine Job-Möglichkeit in einer Immobilienfirma, die mir neue Welten aufzeigte, so erlangte ich einiges an Wissen über Immobilen und deren Verkauf.

Im Laufe der Jahre habe ich so in viele Berufsgruppen hinein schnuppern können und einige sehr gute und spannende Erfahrungen machen dürfen.

Mein Mann hat nach dem Jura-Examen in einer Leasing-Bank angefangen und dann fing mein Dilemma an. Er war oft so gestresst, dass er immer spät und müde von der Firma nach Hause kam. Ab da teilte ich wohl das Schicksal vieler Frauen, deren Männern die Karriereleiter um jeden Preis wichtiger war als alles andere.

Viele Jahre später, als ich in den Städtischen Offenbacher Kliniken in der Psychiatrie arbeitete, bis zum tantrischen Erwachen, war ich in einem leicht deprimierten Zustand. Meine innere Uhr tickte, ich wollte so gerne Mutter werden, aber es klappte nicht.

Leider auch, weil mein Mann bedingt durch seine Arbeit mit mir nicht so oft zusammenkam. Was mich außer dem Kinderwunsch traurig stimmte, war auch die erheblich eingeschränkte Zuwendung in Form von Zärtlichkeit. Dieses Defizit machte mich immer trauriger und mein Körper schrie nach Liebe.

Mein Kinderwunsch war trotzdem nie in den Hintergrund gerutscht, er war immer da und ich schaute oft traurig zu jungen Müttern mit ihren Kinderwagen und dem seligen Lächeln im Gesicht. Ich konnte meinen Mann zur Knaus Ogino Methode (also nicht zur Verhütung, sondern das Gegenteil) überreden, wenigsten zu diesem Zeitpunkt musste er stramm stehen.

„Hey, ja mein Ei ist am wandern, Tom komm!“

Er war über ein halbes Jahr echt im Stress, ich auch, denn die Schwangerschaftstests wurden dann auch zu teuer, da ich es nie abwarten konnte, ich kaufte sie schon, wenn ich nur einige Tage drüber war.

So kam ich auf die Idee die Tests auf Station über eine Patientin laufen zu lassen. Ich klebte ihren Patientencode auf meine Urinprobe und ab damit ins Labor. Eines Tages kam ich zum Spätdienst und alle, die auf Station tätig waren, die Schwestern, der Oberarzt, Stationsärztin, Psychologin und Sozialarbeiter waren anwesend.

Die Übergabe begann bei der Patientin Fr. R. und es wurde plötzlich still und alle schauten sich ungläubig an.

Oberarzt: „Frau R: hatte wohl einen HCG-Test, der aber nie von irgendeinem Arzt angeordnet wurde, wie kann das sein? Und jetzt der Hammer, sie ist schwanger, aber dass kann eigentlich auch nicht sein, da sie sterilisiert ist“

Stille …

Alles schaute auf mich, dann folgte großes Gelächter und Gratulationen für mich, da alle vermuteten, dass ich es war, tja und da lagen sie wohl richtig. Ich werde Mutter, jipijajeh ich war wie benebelt vor Freude und kaufte gleich Schwangihosen und Kinderkleidung.

Doch leider musste ich nach einigen Monaten ins Krankenhaus, Diagnose: „Fehlgeburt“ und es wären Zwillinge geworden, wow, die aber leider nicht den Planeten betreten sollten.

Nach einigen Tagen verließ ich sehr deprimiert das Krankenhaus, aber das Leben musste irgendwie weitergehen. In der Zeit kompensierte ich mit Süßigkeiten und nahm ganz schön zu, was auch meine Kollegen bemerkten. Mein Mann unterstütze mich in der Zeit nach der Fehlgeburt kaum, da er mit der Situation nicht umgehen konnte. Das Zärtlichkeitsdefizit mangels Berührungen und Zuneigung meines Mannes führte mich noch tiefer in die Depression. Der Traum vom Kinderwunsch sollte sich für mich nie mehr erfüllen.

Zu der Zeit war ich auch sehr unkonzentriert auf der Station und stand oft neben mir, aber mein Team hat alles aufgefangen. Danke an dieser Stelle an mein Ex-Team der Station 740.

Später suchte ich mir zusätzlich Ablenkung durch Töpferarbeit und Seidenmalerei, um den Schmerz zu verdrängen, denn die Psychologin, die mich für ein Jahr begleitete, war ohne positive Relevanz für mich.

Ich sollte in jeder Sitzung Bilder malen, aber ich bekam kein Feedback dazu. Sie gab mir eigentlich auch nach den Gesprächen nie ein Feedback, sie ließ mich im Regen stehen. Das Einzige, was sie mir anbot, war in ihre Gruppe für autogenes Training zu gehen. Die brachte mir aber auch nichts, außer einer saftigen Rechnung.

DIE KUR

Ich beantragte eine Kur und musste dafür durch viele Instanzen. Ich musste auch eine von der Krankenkasse bestimmte Vertrauensärztin aufsuchen, bevor die Kur genehmigt wurde. Durch die jahrelange, oft körperlich anstrengende und harte Arbeit im Krankenhaus schlichen sich bei mir schwerwiegende Rückenprobleme ein, die teilweise auch psychosomatisch waren und zunächst einige Jahre lang konservativ behandelt wurden. Das brachte aber keine wesentlichen Fortschritte, also stellte ich einen Kurantrag, nicht zuletzt auch, weil ich so depressiv wurde, bedingt auch durch die Fehlgeburt. Der Antrag wurde bewilligt und im Sommer, an einem schönen Junimorgen fuhr ich mit meinem alten roten Polo nach Bad Oeynhausen in eine onkologische und orthopädische Klinik. Eine wunderschöne Kurklinik. Die „Klinik am Baum“ erwartete mich. Sie glich eher einem Hotel und lag direkt neben einem großen schönen Park.

Die Eingangsuntersuchungen wurden abgeschlossen und ein Gespräch mit dem Chefarzt stand an. Er war ein sehr netter Mann mittleren Alters, der meine Akte genau studierte, in der alles über mich stand, was meine Ärzte und die Krankenkasse festgestellt hatten. Mitleidig blickte er auf. „Seit 2 Jahren sind Sie schon in diesem Leidenszustand. Na, dann hoffe ich mal, dass Ihnen diese Kur helfen wird.“

Ich fragte nach. „Was steht denn sonst noch in der Akte?“

Er sah mich an:„Wollen Sie das wirklich wissen?“

„Na klar!“ Ich war schon neugierig.

„Tja“, sagte er leicht seufzend.

„Hier steht: Frau Münchberg ist eine leicht adipöse und depressiv verstimmte Patientin. Danach folgt die Diagnose Ihres Rückens.“

In diesem Moment fiel mir alles aus dem Gesicht. Ich war wirklich geschockt. Adipös und depressiv? So habe ich also auf diese blöde Vertrauensärztin der Krankenkasse gewirkt. Na ja, im Vergleich zu diesem Hungerhaken von Ärztin war ich kräftiger gebaut, aber doch nicht adipös.

Ich fühlte mich gekränkt. Und depressiv? Na ja stimmt schon irgendwie. Dabei hatte ich doch bei der Untersuchung versucht mich als fröhlicher Mensch zu zeigen, also die schauspielerischen Fähigkeiten hatten dort wohl voll versagt.

Aber die beiden Worte „depressiv und adipös“ ließen mich nicht mehr in Ruhe und verfolgten mich. Ich musste ununterbrochen daran denken und gestand mir ein, dass ich eine ganze Zeit wie in Trance und in tiefem seelischen Schmerz lebte.

Am Abend betrat ich erstmals den Speisesaal. Schreck lass nach! Ich war mit Abstand der jüngste Kurgast. Die meisten Kurgäste waren weit über 50 Jahre. Ein Altersheim, (sorry, aber damals empfand ich es so, heute bin ich wohl für die Jüngeren auch eine ältere Dame) na, das konnte ja heiter werden. Ich schaute einmal kurz durch den Saal und entdeckte eine nicht ganz so alte Frau, die ich auf 36 bis 39 Jahre schätzte, und setzte mich zur ihr. Sie war gestern erst angekommen und hieß Barbara. Wir waren ab dem Abend unzertrennlich, Dank der guten Chemie zwischen uns. Barbara kam aus Bad Vilbel aus der Nähe von Frankfurt, war verheiratet und hatte drei große Kinder.

Ich bekam einen Kuranwendungsplan und so war ich ganz schnell im Routineablauf der Klinik gefangen. Morgens ging ich zu den Anwendungen und nachmittags in die Therme zur Wassergymnastik, anschließend schwamm ich im großen Außenbecken, das für alle zugänglich war.

Eines Tages bemerkte ich dort die Blicke eines sehr gut aussehenden Mannes, der mich ständig im Visier hatte. Abends ging ich mit Barbara in ein Kurtanzlokal, das etwa zehn Minuten zu Fuß von der Klinik entfernt lag. Wir trafen auf weitere lustige Kurgäste aus nahegelegenen Krankenhäusern, denn halb Bad Oeynhausen war ein Kurkrankenhaus.

Es gab allerdings strenge Auflagen. Punkt 22 Uhr musste jeder Kurgast wieder in seinem Luxusgefängnis sein. Nicht anders als damals zu Hause bei Mutti. Schon bei drei Verstößen wurde es der Krankenkasse gemeldet und man durfte die Rückreise antreten und bekam womöglich nie wieder eine Kur finanziert.

So kam es zu tumultartigen Szenen. Denn nach dem Tanzen rannten alle wie die Wiesel in ihre Krankenhäuser. Das sah schon lustig aus, wie die Kurgäste in Strömen die Straße entlang hetzten. An einem der ersten Tage rief ich meinen Mann an und fragte ihn, ob er mich an den Wochenenden mit Barbaras Ehemann besuchen kommen würde, schließlich wohnten beide nicht weit voneinander entfernt. Doch mein Göttergatte meinte, die lange Fahrt wäre ihm zu aufwändig. Ich war es ihm also nicht wert? Im umgekehrten Fall hätte ich jede Strecke auf mich genommen, da war ich mir sicher. Na gut, das merkte ich mir.

Einen Tag später kam der schöne Mann – 1,80m groß und ein echter Adonis – im Solebad auf mich zu und sprach mich an. Ob ich Kurgast sei und was ich heute Abend vorhätte. Er wolle mich zum Tanzen einladen. Ich willigte ein und sagte Barbara ab. Natürlich hatte sie Verständnis für meine Situation. Es war ein toller Abend, der leider um 21.45 Uhr abgebrochen werden musste. Ich rannte schnell zurück in die Klinik.

 

Am nächsten Abend war auch Barbara mit dabei und lernte den Adonis kennen, ja er war schon eine Augenweide. Ich genoss die Abende mit Barbara, dem schönen Mann und wir hatten viel Spaß zusammen. Es kam auch vor, dass wir am frühen Nachmittag mit den Anwendungen fertig waren und so bummelten wir zwei Frauen durch die Altstadt von Bad Oeynhausen.

Die 22-Uhr-Sperrstunde der Klinik empfand ich als persönliche Lebens-Qualitätseinschränkung, die fast einer Freiheitsberaubung glich. Sie gefiel mir überhaupt nicht und ich überlegte mir eine Strategie.

Am folgenden Abend öffnete ich vor dem Tanzen das Fenster im ersten Stock zu meinem Treppenhaus, legte Turnschuhe in mein Auto und eine Jogginghose. Als alle anderen Kurgäste um 21.45 Uhr Richtung Klinik rannten, tanzten wir ca. bis zwei Uhr in die tiefe Nacht.

Es war für mich ein sehr prickelndes Gefühl, von solch einem Mann begehrt zu werden. Ich fühlte mich wieder als Frau, obwohl ich laut Krankenakte als adipös abgestempelt worden war. Er schmiegte sich beim Tanzen an meinen weiblichen Körper und gestand mir, dass er Frauen dieses Formates liebte. Ich verliebte mich in ihn und erfuhr, dass er Arzt in einer anderen Klinik war.

Fortan war ich die gesamte Kurzeit am Schweben. Er stammte gebürtig aus Russland und sagte oft ‚ja lüblü tebja’ – ‚ich liebe dich’. Seine Küsse waren heiß und innig.

Er brachte mich zum Auto, schaute mir verdutzt zu, wie ich mein Tanzkleid und die High Heels gegen Turnschuhe und Jogginghose tauschte, mich von ihm verabschiedete, die Regenrinne wie ein Äffchen hochkrabbelte, in das noch offene Fenster stieg und leise im Zimmer verschwand. Einige Abende später schleuste ich ihn unauffällig in mein Zimmer und wir hatten unglaublich schönen Sex.

Am Morgen gegen 7 Uhr wachten wir auf und es fing von neuem an. Leider waren wir dabei nicht gerade leise und das Bett stieß bei jeder Bewegung an die Wand, die zum Flur lag. Als ich ihn verabschiedete und kurz darauf auch das Zimmer verließ, saßen drei Neuankömmlinge direkt neben meinem Zimmer und warteten auf die Krankenschwester, die sie gleich einzeln zur Blutentnahme ins Schwesternzimmer aufrufen würde. Sie schauten mich an und lächelten.

Einer konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen. „Tolle Klinik! So möchte ich meinen Kuraufenthalt auch gestalten, gibt es das alles auch auf Krankenschein?“

An einigen Abenden hatte mein russischer Adonis Dienst und ich ging mit Barbara zum Tanzen. Dabei lernte ich den Kurgast Paul aus Karlsruhe kennen, der sehr gut tanzen konnte. Man muss mich schon gut führen können, sonst tanze ich aus der Reihe.

Paul lud mich auf eine Radtour im Teutoburger Wald ein, der in unmittelbarer Nähe von Bad Oeynhausen lag. Ich lieh mir nach den Anwendungen ein Damenrad. Es ging los und wir hatten einen Heidenspaß.

Die nächsten Tage legte ich meine Anwendungen so, dass ich am frühen Nachmittag fertig war und mit Paul Fahrrad fahren konnte. Ich entwickelte so viel Enthusiasmus, dass unsere Touren über viele Kilometer und einem wesentlich größeren Radius um Bad Oeyhausen führten. Paul bescheinigte mir echtes Talent und so kaufte ich mir kurzerhand ein preiswertes Mountainbike.

Die Folge meines Programms war, dass ich in kürzester Zeit fünf Kilo verloren hatte und es ging weiter bergab, also mit meinen Kilos natürlich. Kein Wunder! Anwendungen, Fahrradfahren, abends zum Tanzen und das auf 800 Kalorien reduzierte Essen wegen meiner Adipositas.

Nicht zu vergessen meine heißen Liebesnächte.

Durch einen dummen Zufall bekam Paul dieses Verhältnis mit. Ich sagte für eine Radtour am kommenden Tag ab mit der Begründung, dass ich zu meiner Oma nach Hannover-Garbsen fahren wollte. Am nächsten Tag bummelte ich Hand in Hand mit dem schönen Mann über das Stadtfest. Plötzlich stand Paul mit großen Augen vor mir und meine Augen wurden noch größer, meine Beine immer kürzer und meine Nase immer länger.

„Hast du deine Oma aus Garbsen auf das Stadtfest gebracht – so sieht sie also aus“ … Er missbilligte mein Verhältnis sehr, da ich doch verheiratet sei. So etwas tue man nicht, meinte er, dazu lächelte ich nur verschmitzt. Er wollte nur das Beste für mich.

Die ersten beiden Wochen vergingen wie im Flug. Die Kur war auf vier Wochen anberaumt. Da ich so gerne länger bleiben wollte, ging ich zum Chefarzt und bat um Verlängerung, ich erfuhr jedoch, dass nur onkologische Patienten einen Anspruch darauf hatten.

So bot ich ihm einen Deal an. Sollte ich nach der vierten Woche zehn Kilo abgenommen haben und ihm eine Luftaufnahme seiner Klinik schenken, die er sich seit langem wünschte, das hatte ich heraus bekommen, müsste er meine Kur verlängern. Er schaute mich an. „Ich kenne Ihr Geheimnis“, sagte er. „Es tut Ihnen ausgesprochen gut, denn von den Depressionen sehe ich hier nichts mehr, es scheint eine wirklich gute, selbstausgesuchte, alternative Therapie zu sein, die allerdings weit weg von unserem Konzept ist. Das war wohl auch der Grund, dass wir letzte Woche das offene Fenster im ersten Stock schließen mussten.

Wie haben Sie eigentlich die Nacht verbracht? Im Park?“

„Nö“, sagte ich ehrlich und fühlte mich ertappt. „Im Auto.“

Zum Glück zog es keine Konsequenzen nach sich und der Deal stand trotzdem. Ich wollte zehn Kilo abnehmen mit viel Sex und Mountainbike fahren. Und der Chefarzt sollte die Luftaufnahme seiner Klinik bekommen. Denn ich hatte am Anfang der Kur einen Piloten in der Therme kennengelernt, der mich unbedingt zu einem Flug einladen wollte.

Zuerst wollte ich nicht, aber jetzt kontaktierte ich ihn wieder. Natürlich nur für die Luftaufnahme.

Barbara lud ich auch dazu ein, ich versprach ihr eine tolle Überraschung, denn alleine wollte ich nicht mit ihm in die Luft gehen. … und sie war echt überrascht … damit hatte sie nicht gerechnet. Es war eine tolle Aktion. Ein schöner Sommertag, an dem wir den Rundflug starteten.

Der Arme dachte wirklich, dass ich mich abends mit ihm zum Essen treffen würde. Doch da war ich leider verhindert.

„Mein Gott, was war ich für ein Schluri! Böses Mädchen!“

Natürlich gab mir der Chefarzt zwei Wochen Kurverlängerung, denn er bekam seine Luftaufnahme in einem wunderschönen Bilderrahmen und den Beweis auf der Waage.

Ich hatte tatsächlich zehn Kilo abgenommen. Barbara reiste nach der vierten Woche leider ab, (heute 1/2021habe ich nach 28 Jahren wieder den Kontakt über Facebook aufgenommen und 30 Minuten später telefonierten wir miteinander und es war so vertraut, wie damals, wir haben uns riesig gefreut und wollen uns nach Corona unbedingt treffen).

Die weiteren Nachmittage verbrachte ich mit Paul zum Biken und abends und nachts mit dem Adonis. Eine wunderschöne, wilde und aufregende Zeit.

Heiß, es war sehr heiß und prickelnd grhmmmm …!

Die letzten zwei Wochen verliefen genauso spannend. Hin und wieder übernachtete ich im Auto, da das Fenster im ersten Stock geschlossen wurde oder der russische Arzt übernachtete bei mir im Zimmer. Es wurde inzwischen vom Personal stillschweigend geduldet. Ich war ja auch ein außergewöhnlicher, liebenswerter und herzerfrischender Kurgast, sagten jedenfalls der Chefarzt und das Personal.

Ich durfte sogar mein neues und heiliges Mountainbike mit auf mein Zimmer nehmen. Irgendwie hatte schon Narrenfreiheit.

So eine Patientin hätten sie noch nie erlebt. Ich bekam meine Verlängerung und hatte noch sehr viel Spaß und zum Schluss 15 kg weniger.

Die Kur war zu Ende und ich verabschiedete mich vom gesamten Personal, das mich mit all meinen wilden Eskapaden geduldet hatte. Auf der Heimreise kullerten mir die Tränen herunter, es war eine wundervolle Kur, an die ich noch viele Jahre denken musste.