Buch lesen: «Die Corona-Falle»
DIE
CORONA
FALLE
WALTER SONNLEITNER
Inhalt
Vorbemerkungen
1. Das Corona-Virus und die neue Realität
1.1 Neue Gesetze – neue Regeln
1.1.1 Die Informations-Rituale
1.1.2 Neue Diktion – neue Präsentation
1.1.3 Danken – Warnen – Drohen
1.1.4 Abgestufte Kommunikations-Portionen
1.1.5 Auf der Suche nach der neuen Normalität
1.2 Das Verhältnismäßigkeits-Prinzip setzt Grenzen
1.2.1 Geld oder Leben
1.2.2 Gesundheit oder Hausarrest
1.2.3 Verfassungsrichter setzen neue Maßstäbe
1.2.4 Regierung und Behörden müssen umdenken
2. Die Angst als Kommunikationsprinzip
2.1 Das Spiel mit der Angst
2.1.1 Das Angst-Vokabular
2.1.2 Die Macht der Bilder
2.1.3 Das Mitleid als Verstärker
2.1.4 Angst schafft Gehorsam
2.1.5 Gute und richtige – böse und falsche Information
2.2 Die neue Normalität
2.2.1 Tracing-Apps zwischen Freiwilligkeit und Pflicht
2.2.2 Impfungen zwischen Freiwilligkeit und Zwang
2.2.3 Umerziehung zum gehorsamen „neuen Bürger“
2.2.4 Schutz-Rituale bleiben sichtbar – im Bewusstsein
2.3 Wie funktioniert Manipulation
2.3.1 Manipulation durch Angst
2.3.2 Manipulation durch Wiederholung
2.3.3 Manipulation des Denkens
2.3.4 Manipulation des Verhaltens durch Sprache
2.3.5 Manipulation der Bedürfnisse
2.3.6 Manipulation von Informationen
2.4 Massen-Hysterie und Massengehirnwäsche
2.5 Die Schock-Therapie als Waffe
3. Corona-Gesetze: Ausnahmeregeln oder Dauerlösung
3.1 Utilitarismus als zentrales Prinzip in der Politik
3.1.1 Wie wirkt Utilitarismus
3.1.2 Utilitarismus und Freiheit – ein natürlicher Gegensatz
3.2 Gemeinwohl – Tarnformel oder Suche nach gerechtem Ausgleich
3.3 Utilitarismus als Dauerlösung
3.4 Die Grenzen zwischen Gemeinwohl – Sozialismus – Dikatur
3.5 Die Freiheit in der freien Marktwirtschaft
4. Die Corona-Falle: Es geht um die Freiheit
4.1 Ideologie- und Wertewandel
4.1.1 Lockdown als Krisen-Auslöser mit Folgen
4.1.2 Der Staat als Unternehmens-Retter
4.1.3 Der Staat als Garant für Sozial-Einkommen
4.1.4 Probelauf für das bedingungslose Grundeinkommen
4.1.5 Die ideologischen Folgerungen aus der Corona-Krise
4.2 Die Corona-Falle – eine Freiheitsfalle
4.2.1 Auf die Ideologie kommt es nicht an
4.2.2 Totale Kontrolle im Staats-Monopol-Kapitalismus
4.2.3 Freiheit als Maß aller Dinge
4.3 Die Corona-Falle ist geduldig
4.3.1 Freiheit hat ein Ablaufdatum
4.3.2 Provisorien können zur Dauerlösung werden
4.3.3 Neue Realität als Neue Normalität
4.3.4 Was dem Staate gut- und nottut, ist (politische) Ansichtssache
4.3.5 Die Corona-Falle ist nur eine von vielen Freiheits-Fallen
4.4 Freiheit im Sozialismus und im Kapitalismus
4.4.1 Sozialismus als „Weg in die Knechtschaft“
4.4.2 Die Rolle des Neoliberalismus und des Kapitalismus
4.4.3 Thomas Piketty: Ungleichheiten bei Einkommen und Vermögen bedrohen Demokratie und Wirtschaft
4.4.4 Jeremy Rifkin: Tauschen – Teilen – Umverteilen
4.4.5 Bjung-Chul Han: Der Kommunismus als Ware – das ist das Ende der Revolution
5. Wie könnte es weiter gehen
5.1 Der Krisen-Mix
5.1.1 Corona-Krise
5.1.2 Weltwirtschafts-Krise
5.1.3 Klima-Krise
5.1.4 Die Krise als Chance
5.2 Globale gesellschaftliche Entwicklungen – Katastrophen-Folgen oder Fortschritts-Signale
5.2.1 Auslöser Faktoren für geopolitische Umbrüche
5.2.2 Veränderungen durch technischen Fortschritt
5.2.3 Krankheiten als Fortschritts-Beschleuniger
5.2.4 Die Corona-Krise verändert Berufs- und Alltagsleben
5.3 Neue Lebensformen in einer neuen Gesellschaft
5.3.1 Die Familie als Basis
5.3.2 Der Staat gibt Normen für Verhalten vor
5.3.3 Die Doppelverdiener-Familie: alles wird neu
5.3.4 Der Speiseplan wird neu
5.3.5 Essen kommt ins Haus – Einheitsgeschmack auch
5.3.6 Der Staat holt sich die Kinder aus der Familie
5.4 Konzentration in der Nahrungsmittel-Versorgung
5.4.1 Konzentration im Handel
5.4.2 Handel und Industrie – im Kapital verbunden
5.4.3 Die Gastronomie fest im Griff
5.4.4 Handel und Industrie als Bauern
5.4.5 Das Versorgungsmonopol
5.5 Neue Grundwerte in Moral und Sachmeinung
5.6 Schwarm-Intelligenz oder Gesellschaft der Lemminge
Über den Autor
Impressum
Literatur- und Quellenverzeichnis
Endnoten
Vorbemerkungen
Ob die Corona-Pandemie wirklich schon überstanden ist, musste Anfang/Mitte August, als dieser Buchtext entstanden ist, bereits stark bezweifelt werden. Auch nach der schrittweisen Lockerung und Aufhebung der zunächst im März und April erlassenen strengen Maßnahmen im Rahmen der Pandemie-Gesetze konnte man keine offiziellen Aussagen darüber erwarten, ob es je wieder eine Rückkehr zur „Normalität“ geben könnte. Schließlich mussten schon im Juli einige der zurückgenommenen Verordnungen, zumindest teilweise und regional begrenzt, wieder in Kraft gesetzt werden.
Es schien jedenfalls, als ob diese Seuche in Österreich vorerst relativ mild verlaufen war. Im Vergleich zu anderen Staaten in Europa und weltweit hielt sich die Zahl der an Covid-19 erkrankten Menschen ebenso in Grenzen wie die Zahl der Corona-Toten. Die sehr strengen Verbote und Verordnungen der Regierung im März und April hatten vermutlich doch den Verlauf der Pandemie positiv beeinflussen können. Die massiven Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Menschen konnten auch in Österreich wenigstens teilweise und kurzfristig zurückgenommen werden. Einige davon wurden allerdings im Nachhinein als verfassungswidrig erkannt.
Die Corona-Pandemie hat vieles im Leben der Menschheit schlagartig verändert, hat unser Bewusstsein nachhaltig in andere Bahnen gelenkt, und traditionelle Wertsysteme in Frage gestellt. In einem bemerkenswerten Gleichklang haben die Regierungen in aller Welt die Menschen damit konfrontiert, dass zur Eindämmung der Covid-19-Seuche, Maßnahmen ergriffen werden mussten, die ihre Grund- und Freiheitsrechte zumindest für die Zeit der Gesundheits-Bedrohung – und damit vielleicht sogar für immer - massiv einschränken würden. Es mussten aber auch große Schäden für die Wirtschaft in Kauf genommen werden, als durch umfangreiche Betriebsschließungen das öffentliche Leben zum Erliegen kam.
Was die verantwortlichen Politiker den Menschen zu sagen hatten klang bedrohlich, aber auch beruhigend: Viel Geld müsse riskiert und geopfert werden, damit das bedrohte Leben von Corona-Patienten gerettet werden könne. Auf die Kurzformel gebracht: „Geld oder Leben“! So drastisch sollten die Folgen des „Covid-19-Maßnahmengesetzes“ nicht gesehen werden. Aber es geht hier nicht so sehr um „Geld oder Leben“, sondern um ein anderes Werte-Paar: Freiheit und Sicherheit!
Die Regierungen haben den Menschen Freiheitsrechte durch eine Ausnahme-Gesetzgebung weggenommen, im Austausch gegen Sicherheit für die Gesundheit, auch für Sicherheit gegen mögliche tödliche Erkrankungen. Was dabei aber nicht übersehen werden sollte: Die Entscheidung darüber, was gut und richtig für ihn ist, kann nicht der einzelne Mensch für sich persönlich treffen. Sie wird kollektiv und für alle von einer ganz kleinen Gruppe von Verantwortungsträgern getroffen, die dazu demokratisch legitimiert ist.
Und hier ist ein Prinzip in Erscheinung getreten, das künftig immer öfter und stärker unser Leben bestimmen wird: die persönlichen und materiellen Rechte und Ansprüche des einzelnen Menschen müssen eingeschränkt oder gar ausgesetzt werden, wenn es um die Interessen der gesamten Gesellschaft geht. Und was die Interessen und Notwendigkeiten der Gesellschaft wirklich sind, das entscheiden die Politiker der gerade im Amt befindlichen Regierung. Das System des Utilitarismus, Kollektivismus oder des Gemeinwohls – je nach ideologischer Lesart – wird also in Hinkunft das Leben der Menschen entscheidend prägen.
Dabei sollten wir eines klar erkennen: die große Gefahr für unsere Freiheitsrechte besteht nicht darin, dass die Regierungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie durch Notgesetze kurzfristig unsere Freiheiten beschränken. Was aber passiert, wenn die Bedrohungen durch ähnliche oder noch schlimmere Krankheiten anhalten und die Maßnahmen sogar noch verschärft werden müssen? Und es müssen ja auch nicht nur Bedrohungen durch Pandemien sein: Denken wir auch an Naturkatastrophen im Zusammenhang mit der Klimakrise!
Auf alle diese Bedrohungen werden die Regierenden im Ernstfall letztlich mit Einschränkungen unserer Bewegungsfreiheit und unserer Freiheitsrechte reagieren müssen. Und dann wird es darauf ankommen, ob wir die Eingriffe in unsere Lebensumstände überhaupt noch bewusst wahrnehmen – und auch nicht resignieren, weil wir uns längst daran gewöhnt haben. Und dass wir – weil man uns darüber hinweggetäuscht hat – nicht den Zwang zu schützenden Handlungen mit Freiheit verwechseln.
Die Situation, in der die Menschheit lebt, erinnert an die Freiheitsfalle mit dem Vogelkäfig. Der Vogel als ein Sinnbild der Freiheit könnte sich sehr wohl in Zeiten der Bedrohung in einen Vogelkäfig flüchten, der womöglich sogar modisch und elegant gestaltet ist. Dort ist er sicher vor der Katze, wird immer mit dem gefüttert, was ihm schmeckt, und da macht das Singen sogar Freude. Nur: er wird irgendwann vielleicht doch merken, dass ihm etwas Wichtiges, vielleicht sogar das Wichtigste, fehlt: seine Freiheit. Und weil er eingesperrt ist, ist er nicht frei, sondern „vogelfrei“!
Und was die Gefahr für die Freiheitsrechte in der Gesellschaft noch zusätzlich verschärft: Es sind nicht nur die Gesetze und Erlässe, die unsere Bewegungsfreiheit beschränken, und deren Folgen auch direkt verspürt werden. Vielmehr sind es die schleichenden Veränderungen im Umgang mit unseren täglichen Lebensgewohnheiten, die uns prägen, ohne dass wir es bewusst erkennen. Es geht um die Formen des Zusammenlebens der Menschen, um die Vorlieben für das Wohnen und die Ernährung und ihre Arbeitswelt. Dass all diese Prozesse nicht ganz zufällig so ablaufen wie sie uns erscheinen, darf angenommen werden.
Gesellschaftliche Veränderungen und Umwälzungen sind etwas ganz Natürliches und Notwendiges. Sie machen unser Leben aus. Aber wir sollten bei allen Vorteilen, die uns locken, nicht vergessen: Es ist angenehm, Verantwortung im Leben abzugeben und Lebens-Sicherheit dafür zu bekommen. Es geht aber immer nur um den Preis der Freiheit!
Walter Sonnleitner
Wien/Hartberg, Juni - August 2020
1. Das Corona-Virus und die neue Realität
1.1 Neue Gesetze – neue Regeln
Der Schock kam für die meisten Menschen unerwartet und ist ihnen auch gehörig in die Glieder gefahren. Dabei hatten die Medien schon seit November 2019 von einer neuen Virus-Epidemie in China berichtet, aber das war ja weit weg. Und so richtig aufmerksam war man erst auf Corona geworden, als von schlimmen Zuständen im benachbarten Italien die Rede war. Der Kampf gegen das Corona-Virus begann gleichsam mit einem Paukenschlag im März 2020, als die Regierung plötzlich radikale Beschränkungen für das öffentliche Leben im Parlament beschließen ließ. Das „COVID-19-Maßnahmengesetz“ wurde am Sonntag, 15. März beschlossen und ist am Tag darauf, also am 16. März 2020, in Kraft getreten.1
Die etwas übereilte, und vielleicht auch überfallsartige Gesetzeswerdung sollte sich später, im weiteren Verlauf der kommenden Krisenzeit noch als Quelle der Irrungen herausstellen. Rein formal sollte das Covid-19-Maßnahmengesetz zusammen mit einigen anderen die rechtliche Grundlage für die notwendigen Verordnungen sichern, die in der Folge von den einzelnen sachlich zuständigen Ministern zur Vermeidung einer weiteren Verbreitung der Krankheit erlassen werden müssten. Möglichkeiten für derartige Verordnungen hätten zum Teil auch auf der Basis des Epidemiegesetzes aus 1950 bestanden. Doch weil es sich ja diesmal – auch nach Feststellungen der Weltgesundheitsorganisation WHO – nicht um eine Epidemie, sondern um eine Pandemie handelte, wollte die Regierung auch weiter reichende und radikalere Maßnahmen verordnen können, sowohl bei Eingriffen in die persönlichen Freiheitsrechte der Menschen, als auch bei radikalen Eingriffen in das Wirtschaftsleben.
Das neu beschlossene „COVID-19-Maßnahmengesetz“ brachte gegenüber dem „Epidemiegesetz 1950“ eine für die österreichische Wirtschaft extrem bedeutsame Änderung: Im §1 wurde festgelegt, dass Entschädigungsansprüche der Unternehmen im Falle von Betriebsschließungen – wie sie in den §§20/32 des alten Epidemiegesetzes noch bestanden hatten – ausgeschlossen sein würden. Im bisherigen Gesetz war es um die Vergütung eines Verdienstentganges bei angeordneter Schließung einer Betriebsstätte gegangen. Allerdings waren diese Gesetzesbestimmungen noch von der fallweisen Schließung eines einzelnen Unternehmens ausgegangen – und nicht von Betretungsverboten, die alle – oder fast alle – Betriebsstätten im Bundesgebiet betreffen konnten. Dieser sehr wesentliche Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums wurde aber später – im Gegensatz zu einer ganzen Reihe anderer gesetzlicher Bestimmungen und danach erlassener Verordnungen – vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform akzeptiert.2
Die Oppositionsparteien hatten in einer Art von „nationalem Schulterschluss“ den Gesetzen zugestimmt, sehr bald danach aber im Nachhinein kritisiert, dass die im Schnell-Verfahren durchgedrückten Gesetze doch an einigen Stellen nicht ganz durch die Verfassung gedeckt seien. Der Regierungschef versuchte damit zu beruhigen, dass diese „Notfalls-Bestimmungen“ ohnedies nur befristet gelten und noch vor einer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof auslaufen würden. Die Realität hat ihn nur teilweise bestätigt. Die Verordnung über das Ausgehverbot mit dem generellen Aufenthaltsverbot in öffentlichen Räumen wurde erst nach seiner Aufhebung vom Verfassungsgerichtshof ausgehebelt. Aber es war sehr bald klar, dass noch weitere Verordnungen wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben werden könnten.
1.1.1 Die Informations-Rituale
Ab dem 16. März 2020 erlebte die österreichische Bevölkerung völlig neue „Notverordnungs-Informations-Rituale“. Die Informations-Hauptabendsendung des ORF-Fernsehens (ZIB 1) wurde auf beiden Programmen durchgeschaltet - es gab im öffentlich-rechtlichen Medium nur noch staatliches Einheits-Fernsehen als Pflichttermin. Fast täglich trat zumindest anfangs – aber auch nachher immer noch sehr regelmäßig, die Regierung vor die Fernsehkameras, um ihre Botschaften der Nation zu verkünden.
Die Inhalte waren genau aufgeteilt: Generalansagen kamen vom Spitzenquartett aus Kanzler und Vizekanzler, sowie Innen- und Gesundheitsminister. Verordnungen aus Detailbereichen der Ministerien – im Bereich Gesundheit und im Bereich Wirtschaft - wurden von den jeweils betroffenen Regierungsmitgliedern vorgestellt und erklärt. Anschließend durften dann Fach-Experten oder Journalisten die verkündeten Anordnungen oder Verbote erklären und deren Sinnhaftigkeit bestätigen. Fachleute aus der Kommunikationsbranche sprechen hier von professioneller „Message control“.
1.1.2 Neue Diktion – neue Präsentation
Auffallend an den Informationen war die durchgehende Verwendung eines fachbezogenen Vokabulars von bisher wenig gebräuchlichen medizinischen, statistischen und wirtschaftstheoretischen Begriffen, die gehörig Eindruck hinterlassen sollten. Immerhin könnte man hier auch einen gewissen edukativen Ansatz in der Methode vermuten. Die Grafiken im Einheits-Dokumentations-Stil wurden so wie im Fernsehen praktisch auch durchgehend von den Druck-Medien verwendet. Anfangs wurden sogar Schock-Varianten gezeigt, mit einem „Worst-Case“-Szenario an künftig möglichen Corona-Infizierten und Toten. Diese sollten die Argumentation der Politiker für die strengen erlassenen Verordnungen unterstreichen. Später, als sich die Zahlen – und damit auch die Grafiken – als Beweis für die Richtigkeit eben dieser strengen Vorgangsweisen verwenden ließen, hat man sie dann genauso eingesetzt. Eine Kontrolle der verwendeten Zahlen und Relationen war mangels existierender offizieller Informationen allerdings kaum möglich.
1.1.3 Danken – Warnen – Drohen
Ein fester Bestandteil der Informations-Rituale der Regierung waren die deutlich abgestuften Sympathiebotschaften in den Vorträgen. Zuerst wurde immer höflich und freundlich gedankt. Es gab Dank und Anerkennung für die Beschäftigten in den Infrastruktur-Betrieben und im öffentlichen Dienst, in den Spitälern und im Handel, einfach an alle, die trotz Ansteckungsgefahr ihren Dienst versehen mussten. Gedankt wurde aber auch der Bevölkerung insgesamt dafür, dass man die strengen Verordnungen bisher brav eingehalten habe. Nach der Vorstellung neuer Verbote und Verhaltensregeln wurde aber sofort auch davor gewarnt, diese nicht einzuhalten, weil sonst die Ziele in der Eindämmung der Pandemie verfehlt würden und jene, die gegen die Verbote verstoßen, die Gesundheit anderer Menschen gefährden könnten. Daraus ergab sich dann auch logischerweise die Drohung, dass solches Verhalten nicht geduldet und notfalls streng bestraft würde.
1.1.4 Abgestufte Kommunikations-Portionen
Die Aufteilung der einzelnen Verbots-Abschnitte im Lockdown-Prozess der Nation konnte mehrere Botschaften transportieren: Man konnte vermitteln, dass immer kurzfristig und situationsbedingt auf die neuen Notwendigkeiten mit neuen Maßnahmen reagiert wurde. Ein Zwei-Wochen-Rhythmus bei den Grundsatz-Auftritten der Regierungsspitze ließ erwarten, dass es auch mittel- und kurzfristig wieder Änderungen bei den erlassenen Verordnungen geben könnte. Und dass man sie in spätestens 2 Wochen erwarten durfte. An den 2-Wochen-Rhythmus sollte man sich gewöhnen.
Konsequent wurde bei der Bekanntgabe von neuen Verboten oder Verhaltensregeln darauf geachtet, dass Bestimmungen für das private und persönliche Umfeld der Menschen, wie beispielsweise Ausgehverbote oder das Tragen von Mund- und Nasenschutz-Masken grundsätzlich von Regelungen getrennt wurden, die ausschließlich die unternehmerischen Belange – etwa Betriebsschließungen oder Maßnahmen im Arbeitnehmerschutz betroffen haben. Das sollte Transparenz schaffen.
Daneben gab es aber stets – und quer über alle Medien – einfache Verhaltensregeln für den Alltag. Man möge das Händeschütteln vermeiden, solle in die Armbeuge husten oder niesen, und sich regelmäßig die Hände waschen und desinfizieren. Und es gab das Elefantenbaby, das an das Abstandhalten erinnern sollte.
Dieses Prinzip der abgestuften Kommunikations-Portionen wurde auch beibehalten, als es darum gegangen ist, die verschärften Verordnungen wieder zurückzunehmen – auch wieder in Abständen von zwei Wochen: Für Anfang Mai, Mitte Mai, Ende Mai, Mitte Juni, Anfang Juli und August sind dann auch jeweils neue Regelungen verlautbart worden. Auch hier hat man wieder ganz konkrete Daten und Anlässe gewählt, um Dinge, die verboten waren, wieder zu erlauben. So war es auch mit der stufenweisen Öffnung der Betriebe und Geschäfte, der Öffnung der Gastronomie, der Anzahl von Personen, die sich in Open-air-Veranstaltungen und innerhalb von geschlossenen Räumen versammeln durften, oder schließlich mit der weitgehenden Befreiung von der Mund- und Nasen-Schutzmasken-Pflicht.
Es gab immer fixe Stichtage und fixe Verlautbarungs-Pressekonferenzen. Und es gab immer den Hinweis, dass es auch jederzeit wieder eine Rücknahme der Erleichterungen geben könnte, sobald ein Wiederaufleben der Corona-Pandemie dies erforderlich machen würde. Damit konnte die Bevölkerung unter Spannung und Aufmerksamkeit gehalten werden – es könnte ja wieder schlimmer werden. Niemand war daher auch wirklich überrascht, als die Regierung Mitte Juli vollzählig zu einer tagelang angekündigten Pressekonferenz antrat, um eine Reihe von neuerlichen Verordnungen und Beschränkungen anzukündigen, mit denen man ein Wiederansteigen der Corona-Infektions-Zahlen entgegentreten und einem Wieder-Aufleben der Pandemie im Herbst wirkungsvoll vorbeugen wollte. Auch hier wurden die Maßnahmen nicht schon im gesamten Umfang und erst recht nicht im Detail preisgegeben. Die Dramaturgie war streng vorgegeben. Nach dem Motto „so viel Freiheit wie möglich, und so wenig Einschränkung wie möglich“ sollte sich die Strenge der gesetzten Maßnahmen nach den epidemologischen Erfordernissen richten. „Eine Entwicklung wie bei einer Ziehharmonika“, wie es der Bundeskanzler volksnah zu erklären suchte – oder eine neue Formel für eine „Fast-Normalität“?