Rund um das Bett der Anna von Österreich

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Am Donnerstag, dem vierundzwanzigsten Januar 1619, gegen 23.00 Uhr erfolgte ein Theatercoup. Monsieur de Luynes trat ein, ging stracks auf das Bett des Königs zu, fasste ihn mit beiden Händen bei den Schultern und sagte, indem er ihn schüttelte, mit starker Stimme: »Pfui, Sire, Ihr werdet jetzt nicht schlafen! Versprochen ist versprochen! Sofort erhebt Ihr Euch und geht zur Königin!«

„Ich will nicht! Ich will nicht!“ schrie Ludwig und versuchte sich loszumachen.

Ein Diener und Luynes fasste Ludwig gefolgt von Berlinghen mit dem Degen des Königs, hoben sie Seine Majestät hoch und schleppte ihn quasi bis zum Zimmer der Königin und über die Schwelle bis vor ihr Lager.


Ludwig XIII., gemalt von Peter Paul Rubens

Es waren außer der Königin, die erwacht war und blickte, als wären alle vom Mond gefallen, nur eine sehr alte spanische Kammerfrau und Madame du Bellier, die Erste Kammerfrau, zugegen.

Man gab dem König die Freiheit kurz vor dem Himmelbett wieder, in dem Anna ruhte. Der Leuchter zu ihren Häupten umgab ihre blonden Haare mit einer Aureole. Bei unserem Eintritt kreuzte sie die Hände über ihrer Brust und setzte sich auf, wobei ihre großen blauen Augen vor Überraschung gleichsam aus den Höhlen traten. Ludwig schien bei ihrem Anblick von Bewunderung ergriffen, weil er sie aber betrachtete, ohne einen Ton zu sagen, ohne sich zu rühren oder sich ihr weiter zu nähern, zog Luynes ihm vor Ungeduld im Handumdrehen das Nachtgewand aus und hob ihn, als er nackt war, in seinen Armen hoch, ohne dass Ludwig diesmal den geringsten Widerstand leistete. So trug er ihn zum Bett seiner Gemahlin und legte ihn dort nieder. Hierauf wich er behände zurück und befahl der ganzen Gesellschaft, das Zimmer zu verlassen. Nur Madame du Bellier ließ er bei dem Paar, die ja notwendig bleiben musste, damit sie am nächsten Tag bezeugen konnte, was geschehen war.

Um zwei Uhr nachts kam der König in sein Bett zurück. Héroard, der ehrwürdiger Doktor der Medizin stellte fest: Er hat ihn zweimal drin gehabt!

Ludwig erwachte um neun Uhr, und während Héroard ihm den Puls fühlte, kündigte er an, er wolle die Königin besuchen. Anna enttäuschte die Erwartung nicht. Man sah sie rosig, erbebend, wie von Stolz erfüllt, nun Weib geworden zu sein, und zugleich hatte sie binnen einer Nacht ihren spanischen Hochmut abgeworfen. Die beiden jungen Gatten, die an diesem hellen Januartag sehr erfreulich anzusehen waren, sprachen im Stehen, wie es Vorschrift war, aber vielleicht einander ein wenig näher als sonst. Mehrmals deutete Annas Hand eine ihrem Mann zugewandte Geste an. Es schien, dass sie den König gerne berührt hätte, doch sie zügelte sich, weil sie nicht wusste, ob die Etikette es erlaube. Er redete wenig und nur Belangloses, aber dieser Besuch, der bis zum fünfundzwanzigsten Januar 1619 zehn Minuten der Zeit Seiner Majestät zu beanspruchen pflegte, dauerte bereits eine halbe Stunde.

Am nächsten Tag besuchte er die Königin zweimal, das erste Mal nach dem Mittagessen, aber nur kurz, und das zweite Mal am Abend. Und dieser Besuch dauerte fast eine Stunde. Dass Ludwig sich so lange mit der Königin unterhielt, ließ mich für die Nacht hoffen.

Am folgenden Tag hob Héroard den Zeigefinger, den Mittelfinger und den Ringfinger seiner Rechten in die Höhe. Ludwig sei sechs Stunden bei der Königin geblieben und erst bei Tagesanbruch zurückgekehrt.

Anna von Österreich wurde plötzlich krank. Vor Fieber zitterte sie am ganzen Leibe. Man rief die Ärzte. Sie disputierten eine ganze Weile, weil sie sich nicht klarwerden konnten, in welche Kategorie diese Art Fieber einzuordnen sei. Der Hof wusste sich vor Verwunderung nicht zu lassen, als er sah, wie Ludwig bei dieser Gelegenheit seinen Gleichmut abwarf und Ströme von Tränen vergoss, während er Tag und Nacht am Bett der Kranken wachte. Am sechzehnten Tag sank das Fieber, Anna nahm ein wenig Nahrung zu sich und schien endlich dem Leben wiedergegeben. Da tat Ludwig etwas, was niemand von seiner Prüderie noch von seiner scheinbaren Kälte je erwartet hätte. Er nahm die Königin in die Arme und küsste sie stürmisch vor allen Augen.

Enttäuschung. Kein Kind. Noch immer stichelnd, schreibt der Nuntius am 17. März an Monteleone: „Die regierende Königin ist bei guter Gesundheit. Ich frage sie öfters, was der Herr Dauphin mache. Sie lächelt, errötet und sagt kein Wort.“

Henri Quatre war jede Stunde recht, jede Gelegenheit und sogar jede Partnerin. Aber der fromme Ludwig XIII. erfüllte seine dynastische Pflicht stets nur im Dunkel der Nacht.

Ludwigs Beharrlichkeit trug Früchte. Doch am 6. Dezember 1619 wurde das Kind totgeboren.

Anfang Februar wurde die Königin wieder schwanger war, und weil sie ihre Frucht schon zweimal verloren hatte, wurde ihr von ihrem Leibarzt die größte Schonung verordnet. Sie musste früh Schlafengehen, sich oft niederlegen, durfte keine langen Spaziergänge machen, durfte sich keine späten Abende, keine Anstrengungen, keine jähen Bewegungen zumuten. Der König wiederholte ihr diese Empfehlungen immer wieder, nach so grausamen Enttäuschungen stand alles auf einer Karte für sie wie für ihn wie für das Königreich. Hinzu kam aber ein schlechter Einfluss auf Anna. Die Prin-zessin Conti und Madame de Luynes führten vor allen Augen ein ausschweifendes Leben. Mademoiselle de Verneuil war nicht viel besser, wenigstens in Worten nicht, denn die Unterhaltung in den Gemächern der Königin überschritt die Grenzen des Schicklichen. Schöne junge Herren nahmen daran teil und überboten einander vor der Königin in zügellosen Reden. All das unter der Maske von Anmut und Frohsinn. Doch am Hof und sogar außerhalb des Hofes gab es Gerede. Die Minister gerieten in Sorge, und weil sie sich dem König zunächst nicht zu eröffnen wagten, baten sie den Nuntius, beim Beichtvater der Königin vorzusprechen, damit er Ihre Gnädigste Majestät auf die Gefahr hinweise, in die ihre Freundinnen sie brachten. Der Nuntius war gewandt, der Beichtvater bewegend. Die Königin hörte es, bereute, vergoss eine Träne und hatte es am nächsten Tag vergessen. Im Übrigen, was hätte es für sie bedeutet, ihre leichtfertigen Freundinnen zu entlassen? Sie wäre ewiger Langeweile verfallen, allein zwischen einer Schwiegermutter, die ihr nicht eben wohl wollte, und einem König, den sie zwar liebte, aber der ihr durch Jagd und Krieg und die großen Reichsangele-genheiten immer wieder geraubt wurde. Ludwig seinerseits zögerte, dem verderblichen Einfluss ihrer Freundinnen ein Ende zu setzen, denn die Damen waren so hochwohlgeboren und standen ihm so nahe, dass sie nahezu unantastbar waren. Die Prinzessin Conti, zugleich Guise und Bourbonin, war seine Cousine, Mademoiselle de Verneuil seine Halbschwester, Madame de Luynes die Gemahlin seines Favoriten.

Mitten in diesen für ihn so sorgenschweren Tagen traf Ludwig ein Unglück von einer Seite, von der er es am wenigsten erwartet hatte. Als Ludwig am sechzehnten März um drei Uhr nachmittags aus dem Kronrat kam, wurde ihm gemeldet, dass die Königin zum dritten Mal ihre Frucht verloren hatte. Er ging sofort zu ihr. Sie lag zu Bett und weinte heiße, bittere Tränen. Über zwei Stunden saß er bei ihr, bemühte sich, sie zu trösten.

Dann erfuhr Ludwig die Hintergründe dieser weiteren Fehlgeburt. Die Prinzessin Condé gab am vierzehnten März einen Abendempfang. Mademoiselle de Verneuil und Madame de Luynes lotsten auch die Königin mit, die besser ins Bett gegangen wäre, weil sie sich aus bekanntem Grund schonen sollte. Sie blieb an diesem Abend bei der Prinzessin Condé bis ein Uhr nachts. Als sie sich sehr matt fühlte, bat sie Ma-demoiselle de Verneuil und Madame de Luynes, sie in ihre Gemächer zu begleiten. Auf diesem Weg nun mussten Ihre Majestät und ihre Gefährtinnen durch den großen Festsaal, an dessen Ende sich das Thronpodest befindet. Obwohl die drei Damen einen Kammerdiener bei sich hatten, der ihnen leuchtete, erschien ihnen der Saal finster. Außerdem ist er eiskalt und sehr, sehr lang. Und weil Madame de Luynes entweder fror oder den Einfall lustig fand, schlug sie der Königin vor, durch den Saal zu laufen. Die Königin protestierte, dazu sei sie zu schwach, aber Madame de Luynes hakte sie von rechts unter und forderte Mademoiselle de Verneuil auf, Ihre Majestät von links unterzuhaken. Sie liefen los, und schnell war der Kammerdiener mit seiner Laterne überholt. Jedenfalls sah das Trio am anderen Ende des Saals die königliche Estrade nicht, strauchelte darüber und fiel. Madame de Luynes und Mademoiselle de Verneuil erhoben sich mit schallendem Lachen, die arme Königin aber stieß einen Schrei aus, klagte über heftiges Reißen im Leib und musste nun mehr oder minder getragen werden. Die Folgen zeigten sich zwei Tage später und bestürzten das Königreich.

Ludwig diktierte mir mit abgehackter Stimme drei Briefe, einen an Madame de Luynes, einen an Mademoiselle de Verneuil und einen an die Königin. Alle drei Briefe waren knapp, hart, gebieterisch. Der an die Königin enthielt auch am Schluss keine Ergebenheitswendung, wie Ludwig sie gegenüber seiner Gemahlin sonst gebrauchte.

Allen dreien kündigte er an, dass er im Haus der Königin Ordnung schaffen werde. Der Kammerherr Folaine, der ihnen diese Botschaften überbringt, gab des Königs Weisung wieder. Danach hatte Madame de Luynes, ihre Louvre-Wohnung zu verlassen und nicht mehr am Hof zu erscheinen.

Denselben Befehl erhielte Mademoiselle de Verneuil, die im Übrigen der Obhut der Herzogin von Angoulême unterstellt wird.

Anna war jetzt in ihrem einundzwanzigsten Jahr, aber vom Wesen her war sie viel jünger, ohne großen Ballast im Kopf und mit einer armseligen Bildung am Madrider Hof ausgestattet. Vor allem aber lebte sie seit jeher im frivolen Geplapper eines Frauenhauses, zuerst mit ihren spanischen Damen, die nichts wie dumme Streiche im Kopf hatten, dann mit ihren französischen Freundinnen, deren Reden ebenso frei wa-ren wie ihr Betragen. Sie liebte es, sich mit ihnen zu ergötzen und zu albern, freizügige Bücher zu lesen und gegebenenfalls mit den schönen Herren des französischen Hofes zu flirten, ohne dass es aber Konsequenzen hatte. Und weil sie diese Spiele nie zu weit trieb – mit diesen Edelleuten so wenig wie später mit Buckingham – , glaubte sie sich ohne Makel und verzieh sich alles. Im Herzen noch immer die spanische Infantin voll kastilischem Stolz, hatte sie von sich die höchste Meinung und fühlte sich über die Gesetze des Reiches erhaben, dessen Königin sie war.

 

Dieser März 1622 war der armen Anna wahrlich nicht hold gewesen. Ihr brausendes, leichtes Blut tröstete sie jedoch über die Enttäuschung, sie war noch so jung, die Natur würde ihr eines Tages schon erlauben, ein Kind auszutragen. Dieses Vertrauen in die Zukunft lieh ihr für die Gegenwart eine wunderbare Unverwundbarkeit: Ihr törichter Lauf durch den großen Louvre-Saal war doch letztlich nur eine Kinderei, die übel ausgegangen war. Sie war gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass der König von Frankreich diese kleine Dummheit als Verbrechen gegen seine Dynastie betrachten könnte. Sie hat in ihrem Innern nicht das atemlose Warten auf einen Dauphin gespürt, diese atemberaubende Hoffnung auf Fortbestand. Sie ist Königin von Frankreich auf dem Papier, nicht im Herzen. Durch dieses Drama wird sie wieder in das Land der Kastagnetten, jenseits der Pyrenäen zurückgeworfen.

Die mühsam zustande gekommene Verzauberung ist zerbrochen. Von der Einzig-artigkeit ihres Gesichts bleiben nur Mängel übrig. Eine zu große Nase, austerngrüne Schlitzaugen, bonbonrosa Puppenwangen, und dazu ständig das spanische Kasperletheater: Geplapper, verstohlene Blicke, marionettenhafte Handbewegungen.

War es der Mühe wert, sich anzustrengen und die künftige Mutter des Dauphins mit solcher Liebe zu umgeben und ihr zärtliche Worte zu schreiben? Er hätte seiner homosexuellen Veranlagung nachgeben können, wie sein Halbbruder Vendome, wie später sein zweiter Sohn Philipp von Orleans. Möglicherweise unterdrückt er diese Veranlagung wie auch andere Neigungen, weil er einen so hohen Begriff von seinen Pflichten hat. Trotzdem liebt er es, sich mit Männern zu umgeben, mit Baradas, Saint-Simon. Die frevelhafte Fahrlässigkeit der Königin hat diesen Hang bestärkt, wenngleich es nicht zur Ausübung kam.

Anna fügte sich, aber mit Bitterkeit und Groll. Madame de Luynes, die Frau der tausend Listen, gab sich nicht geschlagen. Auf der Suche nach einem Schild gegen den königlichen Zorn schickte sie einen Edelmann zu ihrem Liebhaber, dem Herzog von Chevreuse – er war es schon zu Lebzeiten von Luynes –, und ließ ihn bitten, sie zu heiraten. Nachdem Madame de Luynes Monsieur de Chevreuse eingewickelt hatte, Apfel und Schlange in einem, wenn ich so sagen darf, und seine Gemahlin geworden war, gewann sie sowohl ihre Louvre-Wohnung zurück, die sie übrigens gar nicht verlassen hatte, als auch ihr Amt als Haushofmeisterin der Königin und damit ihr tagtägliches, behexendes Zusammensein mit Anna von Österreich.

Dann kam ein englischer Lord, der nach Frankreich entsandt wurde, um die Eheschließung des Prinzen von Wales mit Ludwigs kleiner Schwester Henriette anzubahnen. Doch dazu mehr im nächsten Kapitel.

Ludwigs Vertrauen in seine Gemahlin nach dem verhängnisvollen Sturz im Festsaal des Louvre weit mehr erschüttert war, als es zunächst schien. Trotzdem hätte man Ludwig diese rigorosen öffentlichen Maßnahmen nicht zugemutet. Damit verlor die Ärmste das Gesicht, und ein wenig verlor er es selbst. Dass Ludwig für Anna eine Art Kloster innerhalb des Louvre schuf, musste bei der Königin unwiderruflich aus-löschen, was sie noch an Zärtlichkeit für ihn empfinden mochte, und gleichzeitig tötete er dies in sich selbst.

Anna erschien jetzt schöner, gelöster, weniger in sich gekehrt, und der König bemühte sich aufmerksamer um seine Gefährtin. Wie man von Héroard hörte, schlief er innerhalb von acht Tagen viermal in ihren Gemächern mit ihr, was wohl nicht darauf hindeutete, dass er nur einer dynastischen Pflicht genügte. Man hatte sich also getäuscht, als man dachte, seit der Eifersucht des Königs und der Einschließung der Königin sei alles unrettbar aus zwischen ihnen. Aber diese Umarmungen war sehr unglücklich, weil sie nicht mehr sein konnten als ein pflichtschuldiger Austausch. Und als dieser Umgang auf die Dauer auch nicht das erhoffte Ergebnis erbrachte, verzichtete Ludwig mehr und mehr darauf. Er schien damals jede Hoffnung verloren zu haben, Frankreich einen Dauphin zu geben, und Anna jede Hoffnung, ihn zurückzugewinnen.

Die vernachlässigte Anna von Österreich träumt von der Liebe zu anderen. Die teuflische Circe, die Herzogin von Chevreuse, verdreht ihr den Kopf mit Erzählungen über England, die Engländer und den strahlendsten aller Engländer: den Herzog von Buckingham, den Günstling Karls I. Sie selbst ist „anglisiert“, bis ins Bett hinein: ihr damaliger Geliebter ist der Graf von Holland.

Nach zweiundzwanzig Jahren kinderloser Ehe in wachsender Verbitterung hatte Anna am 5. Dezember 1637 eine schicksalhafte Begegnung mit ihrem Mann. Dieser, der eigentlich auf dem Weg in sein Jagdschloss bei Versailles war, musste wegen eines Unwetters seine Fahrt unterbrechen und übernachtete im Pariser Louvre, wo sich die Königin für den Winter eingerichtet hatte. Zur damaligen Zeit wurden in Schlössern nur diejenigen herrschaftlichen Räume beheizt, die auch bewohnt wurden. Der König sah sich also gezwungen, das einzige warme Schlafzimmer aufzusuchen: das der Königin. Neun Monate später brachte Anna am 5. September im Alter von knapp 37 Jahren ihr erstes gesundes Kind zur Welt, den späteren König Ludwig XIV. Anna führte die Geburt ihres Sohnes auf das Wirken von St. Fiacre zurück, weshalb sie im Jahre 1641 eine Wallfahrt nach Saint-Fiacre unternahm. Zwei Jahre später, am 21. September 1640, gebar sie einen zweiten Sohn, Philipp. Damit war ihre Position am Hof gesichert und sie musste nicht mehr mit der Abschiebung in ein Kloster rechnen.

So glücklich der König über die Geburt des Stammhalters war, so offensichtlich war er bald eifersüchtig angesichts der Zuneigung seines Sohnes zur Mutter. Er machte ihr Vorwürfe, sie nehme diesen gegen ihn ein. Die Ehe blieb jedoch bis zum Ende unglücklich, und er hegte Zweifel, ob diese Kinder von ihm abstammten.

In den letzten zwölf Jahren seines Lebens erlebte Ludwig XIII., wie unter der gemeinsamen Herrschaft mit Richelieu die Macht Frankreichs und die Macht des Königshauses in Frankreich immer weiter gestärkt wurden.

Den Triumph über Kaiser und spanischen König aber bezahlte der tief religiöse König mit schweren Gewissensbissen. Die Knebelung des aufrührerischen Adels wurde mit dem Blut seiner Verwandten, seine Autorität durch die Hinrichtung seines letzten Favoriten, Henri Coiffier de Ruzé, Marquis de Cinq-Mars9, erkauft.

Ludwig XIII. starb am 14. Mai 1643 in Saint-Germain-en-Laye. Man nimmt anhand der Symptome heute an, dass Ludwig der XIII. lange Jahre an Tuberkulose litt, und da dran auch verstorben ist. Weil man damals die genaue Ursachen der Krankheit nicht gut kannte, und sie auch nicht richtig behandeln konnte - gibt es nur wenige und wage Aufzeichnungen darüber.10 TBC soll aber bis zur 70% wahrscheinlich sein. Er wurde in der Grablege der französischen Könige, der Kathedrale von Saint-Denis, beigesetzt. Bei der Plünderung der Königsgräber von Saint-Denis während der Französischen Revolution wurde sein Grab am 15. Oktober 1793 geöffnet und geplündert, seine Überreste wurden in einem Massengrab außerhalb der Kirche beerdigt. Ludwig XIII. wollte bereits in jungen Jahren als „Ludwig der Gerechte“ in die Geschichte eingehen. Dabei verstand er Gerechtigkeit allerdings nicht im modernen Sinne, sondern im Sinne von patriarchaler Wiederherstellung von Gesetz und Ordnung. Ein verständlicher Wunsch nach jahrzehntelangen Bürgerkriegen und seinen Erfahrungen mit der nachgiebigen „Scheckbuchdiplomatie“ seiner Mutter und zerstörerischen Partikularinteressen von Hochadel, Hugenotten und den „ultramontanen“ Anhängern von Papst und spanischem König. Ludwig XIII. und sein Minister leisteten wesentliche Schritte auf dem Weg Frankreichs zur kontinentalen Vorherrschaft und zum Abso-lutismus.

Das Bild der Person und des Herrschers Ludwig XIII. ist bis heute – trotz guter Quellenlage – stärker durch literarische Fiktion als durch die Geschichtswissenschaft beeinflusst. Das Bild vom schwächlichen, uninteressierten und naiven Trottel, der das Objekt der Manipulation des ebenso genialen wie intriganten Ministers Richelieu war, wurde insbesondere durch eine Episode aus dem Jahr 1627 geprägt. Rund um Hofintrigen und die Belagerung von La Rochelle, diente sie als Vorlage für den berühmten Roman: Die drei Musketiere von Alexandre Dumas. Durch zahlreiche Verfilmungen wurde diese Vorlage gefestigt. Literarisch weniger bedeutend ist die populäre Romanreihe "Fortune de France" von Robert Merle.

Dass er homosexuell war, wird durch keinerlei Quellen bewiesen, ist allerdings auch nicht auszuschließen, denn das Adjektiv heterosexuell wird auch auf sexuelle Handlungen mit andersgeschlechtlichen Partnern angewendet, wenn die Beteiligten nicht überwiegend heterosexuell sind. Der aufgeklärte Leser weiß ja, dass nicht jeder, der heterosexuelle Erfahrungen hatte, auch zwingend heterosexuell sein muss. Se-xuelle Erfahrungen können – vor allem im Jugendalter, und das war bei Ludwig nicht auszuschließen – mehr von sexueller Neugier oder von gesellschaftlichen Erwartungen bestimmt sein als von der sexuellen Orientierung. Heterosexuelles Begehren oder Handlungen können auch gemeinsam mit homosexuellem Begehren oder Handeln vorhanden sein.

Die Gerüchte, dass seine beiden Söhne, von Richelieu untergeschoben waren, um die Dynastie zu retten, haben sich nicht bestätigt. Immerhin verzeichnete Anna bis zur Geburt der Kinder nach über 20 Jahren Ehe folgende Schwangerschaften:

Totgeburt eines Kindes */† 6. Dezember 1619

Geburt eines Kindes, das kurz nach der Geburt starb */† 14. März 1622

Totgeburt eines Kindes im Jahre 1626

Totgeburt eines Kindes am */† 11. April 1631.

Tatsächlich war Ludwig XIII. eine schüchterne Persönlichkeit, die sich in Gesellschaft nicht wohl fühlte und zum Stottern neigte. Gleichwohl besaß er einen starken Willen und die Fähigkeit, entschlossen und (auch gegen die eigenen Gefühle) rücksichtslos zu handeln. Er befand sich im ständigen Spannungsfeld zwischen dem eigenen Anspruch an seine Rolle als eines absoluten Monarchen und seinen privaten Neigungen. Von ihm stammt das Zitat: „Ich wäre kein König, leistete ich mir die Empfindungen eines Privatmannes.“

Unter der kleinlichen Eifersucht des Monarchen hatte nicht zuletzt auch sein Minister zu leiden, der stets in dem Bewusstsein regierte, dass er seine Position allein dem Wohlwollen des Königs zu verdanken habe. Ludwig behielt sich die Entscheidung in allen wichtigen Angelegenheiten stets vor. Von Richelieu stammt der berühmte Satz: „Ganz Europa bereitet mir nicht so viel Kopfzerbrechen wie die vier Quadratmeter des königlichen Kabinetts.“

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