Hochstaplerin des Jahrhunderts

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Hochstaplerin des Jahrhunderts
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Viktor Krebs

Hochstaplerin des Jahrhunderts

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Impressum neobooks

Kapitel 1

Dana – Esther! Es reicht, auf dem Klavier zu klimpern! Laufe schnell zu Lady Rosalie und Tausche die Nelken um: sie hat uns gelbe geschickt!

Das Mädchen schloss unzufrieden das Instrument, zum Abschied die dunkle Polierung streichelnd. - Und wozu so hasten? – murmelte sie zwischen die Zähne, auf den knarrenden Stufen hüpfend. – Zum dritten Mal, und immer noch hasten.

Ihre Worte wurden gehört, deshalb lohnte es sich dem nicht zu wundern, dass ihr ein Schuh aus Ochsenleder nachgeworfen wurde. - Dana! Schneller, sage ich dir!

Mit der Odessitin Klaudia war es gefährlich zu streiten, danach konnte man bis zum Tode in blauen Flecken herumgehen. Zudem war es nicht in Danas Charakter ohne Grund Streit zu suchen, desto mehr an so einem Tag. Am Zimmer des Vaters vorbeigehend, bemerkte Dana kurz, dass er Besuch hat, derselbe widerliche kleine Greis, der sie, im Treppenhaus begegnend, schmerzhaft zwickte. Die Tochter erblickt, drohte ihr Cohn mit dem Finger und stieß die Tür mit dem Fuß zu. Aus dem Zimmer hörte man gedämpfte krähende Laute.

Dana, eine komische Fratze gemacht, kopierte ziemlich zutreffend den Gast.

- Sehr geehrter Herr Cohn, ich habe Ihnen paar schlechte Pantoffeln gebracht…

Sie wollte fortsetzen, aber da erschien oben der Kopf ihrer älteren Schwester in Haarwicklern und Reißpudern, die sofort zu schreien begann:

- Dana, du Aß! Du bist immer noch hier? Ich reiße dir gleich die Zöpfe raus! Laufe schnell wohin man dich geschickt hat! Ich muss mich schon anziehen. Und es ist noch Nichts fertig.

Dana, ließ wieder ihr lockiges Köpfchen hängen, stieg hinunter. - Natürlich, selbst herumgetrödelt, Gluckhennen, und Dana ist Schuld, dass sie noch nicht fertig sind…

* * *

Nicht dass sie zu Lady Rosalie nicht gehen wollte. Eher umgekehrt, in der Vorhochzeitshast war das ihr allerheißester Wunsch. Diese Dame, deren Vergangenheit ziemlich rätselhaft war, galt für Dana als Vorbild in Allem. Unklar, warum so eine wunderbar erzogene, intelligente Lady die Hauptstadt des Russischen Imperiums verlassen und sich mit so einer alltäglichen Beschäftigung fürs Leben verdienen musste. Ihr einsames Leben rief allerhand Gerüchte hervor. Man redete insbesondere, dass sie, angeblich, eine titulierte Person war und irgendwelche Tat begangen hat, die sie in den Augen der Gesellschaft blamiert hat. Doch die Anderen sagten, dass die extravaganten Gewohnheiten der Lady Rosalie die Gesellschaft so sehr erschütterten, dass die Gesellschaft ihre Anwesenheit nicht mehr dulden konnte.

Wie es eben nicht sei, aber Lady Rosalie war jetzt die populärste Modistin in Warschau und Dank ihrem tadellosen Geschmack hatte sie zahlreiche Kundinnen unter den Damen der hohen Gesellschaft.

Aus irgendwelchen Gründen leistete Lady Rosalie für Dana allerhand Schutz und nahm in ihrem Schicksal mehr Teil, als alle Verwandten, insgesamt. Nämlich, Dank ihrer weichen, aber hartnäckigen Leitung, bekam Dana eine Ausbildung, welche ihrem Niveau aus nicht geringer war, welches die jungen Leute in Instituten und Pensionaten bekamen. Das Mädchen sprach fließend vier Sprachen, kannte sich in der Poesie aus, las Werke der klassischen Literatur. Aber ihr Steckenpferd war Musizieren, in dem sich Dana irgendwie in einer neuen Realität fühlte. Das Spielen des Mädchens war nicht nur technisch tadellos, sondern auch auffallend hinreißend für ihr Alter. Eines Tages sagte Lady Rosalie dem Herrn Cohn, dass seine Tochter eine große musikalische Zukunft erwartet. Worauf der Herr Cohn mit ihm charakteristischer Gleichgültigkeit antwortete:

- Lady, wir sind arme Leute. Das Einzige, was das Mädchen braucht, so zu heiraten, damit das Vermögen des Vaters sich vergrößert, und er ohne Sorgen sein alter erlebt.

Weiter gab es keine Gespräche über Danas große Bestimmung

* * *

Herr Cohn holte mit ihm charakteristischer Fassungsgabe klirrende Münzen aus allem, woraus man nur kann. Seine Haupteinnahmen waren verdächtige Machenschaften. Aber Cohn sorgte auch dafür, dass auch seine Töchter irgendwelchen Profit einbringen. Keine Erben seines Vermögens habend, hat sich Cohn scheint es, ein Ziel gestellt, sein Leben so zu leben, um danach die versäumten Möglichkeiten nicht zu bereuen.

- Mädchen dann Mädchen, - empfing er kaltblütig die von der Ehefrau überbrachte Nachricht über die zweite unangenehme Überraschung, - Und aus Mädchen gibt es Nutzen.

So geschah es auch, Die Älteste, Barbara, lang und etwas herzlos, wurde dreimal verheiratet. Jeder folgende Ehemann war noch reicher, älter und hässlicher als der vorige. Aber das hat entweder den Vater, noch Barbara in Verlegenheit gebracht. Nur am ersten Mal vergoss sie bittere Tränen vor der Trauung. Nach dem der erste Mann durch geschickte Manipulationen des Vaters vollständig in Ruin getrieben war und Barbara ins Elternhaus zurückkam, hat sie klar den Sinn der Existenz begriffen. Danach heiratete Barbara mit beneidender Ruhe, Verbündete und Helferin des unternehmerischen Vaters in Sache des Betrugs der Ehemänner werdend.

- Liebe, - sagte sie belehrend der jüngsten Schwester, - ist ein Ding, welches die Männer erfunden haben, um kostenlos eine Frau zu haben.

Barbara selbst suchte Trost in den Armen zahlreichen Liebhaber. Einer von ihnen hat ihr ein Handwerk beigebracht, welches dem eigenen Familiengesetz nicht widersprach, und es irgendwie logisch erweitert hat. Diese Beschäftigung wurde später Dank der Ironie des Schicksals zum Familienberuf.

* * *

Hinausgelaufen und sich bemühend den dünnen Griechen aus dem Bäckereiladen, der sie, wie immer, unverschämt anschaute, nicht zu beachten, lief Dana über die Straße. Dort wohnte die Modistin Frau Rosalie, bei der das Brautgewand für Barbara bestellt wurde.

- Lady Rosalie, Lady Rosalie! Klaudia sagt, Sie haben ihr die falschen Nelken geschickt, sind die weißen also fertig?

Lady Rosalie, das Mädchen mit müden Augen angeschaut, fragte unpassend:

- Hast die Hausaugaben gemacht?

- Was für Hausaufgaben noch? Lady, was sagen Sie da? Barbara heiratet, und Sie, Hausaufgaben…

- Na, mal angenommen, - sagte gelassen die Weißnäherin, graziös die Nadelarbeit abgelegt, - Barbara heiratet zum dritten Mal, und das sind ihre eigene Schwierigkeiten. Du musst dein eigenes Leben meistern, und nicht deine Aufmerksamkeit auf dich Umgebenden zu verschwenden, wenn es sogar auch deine Schwestern sind. Also?

Dana seufzte verstellt. Verstellt, weil der Unterricht bei Lady Rosalie viel angenehmer war, als in Gesellschaft der Stiefmutter in der Küche zu sitzen.

- Wiederhole all das, worum du mich batst in Französisch und Deutsch. Dann bekommt deine Schwester ihre weißen Nelken, - bat Lady Rosalie beharrlich, abwartend auf das Mädchen schauend.

Dana verdrehte gehörig die Augen und sprudelte schnell die Aufgabe heraus, nicht riskierend diese Sache länger hinauszuziehen. – denn man könnte was abbekommen.

 

- Gut, - bilanzierte die Modistin und, die seidene Nelken ins raschelnde Papier eingewickelt, schubste sie leicht das Mädchen zum Ausgang. – Geh zu deiner monströsen Schwester. Und wenn ich bis zum Abend aus dem Fenster deines Zimmers wenigstens ein paar Walzer nicht höre, nehme ich dir den Spiegel weg.

Zweimal musste man es Dana nicht sagen. Sie lief im Trab über die Straße rannte die Treppe hoch, flitzte blitzschnell ins Zimmer, wo ihrer Schwester sechshändig das Mieder zugezogen wurde.

- Hier, nehmen Sie! – warf sie der Stiefmutter die Rolle mit den Nelken hin und verschwand schnell, dass Niemand sich fassen konnte, in ihrem Zimmer. Das Instrument aufgeschlagen begann Dana mit Vergnügen zu musizieren. Dank dem Stuhlbein, das in die Tür durchgeschoben war, durfte sie Niemand stören

* * *

Nach Barbaras Wegfahrt verbreitete sich im Haus irgendwelche Leere. Sich auf den Finger eine kastanienfarbige Strähne wickelnd, beobachtete Dana von ihrem Fensterbrett mit Interesse, wie der Vater in tiefster Nachdenklichkeit von Zimmer zu Zimmer wandert und sich etwas unter die Nase murmelt. Nach solchem zweistündigen Zeitvertreib blieb Christian Cohn gegenüber seiner jüngsten Tochter stehen und sah sie aufmerksam an. Er wollte, wahrscheinlich, etwas sagen, winkte aber mit der Hand und ging zu sich.

Dana miss diesem Ereignis keine Bedeutung bei. Viel interessanter war es seine Besucher, die erst mit Beginn der Dunkelheit zu ihrem Vater kamen, zu beobachten. Das Mädchen machte sich jedes Mal lustig, beobachtend, wie sich irgendwelcher knittrige Greis mit seinem Plunderbündel schleppt, sich dabei ängstlich umschauend, als ob er in den Sträuchern Polizeimänner zu sehen versuchte.

Danach ging der Mann vorsichtig durch den hinteren Eingang ins Haus hinein und fragte im Flüsterton nach dem Herrn Cohn. Eines Tages stieß Dana mit so einem Besucher auf der Schwelle zusammen, und er sprang in das Gebüsch, wie ein erschreckter Hase.

- Hallo, Herr, - rief ihm Dana, lustig lachend, hinterher. – Sie haben einen Diamant verloren. Kommen Sie zurück!

Für solche Ausfälle wurde sie von der Stiefmutter getadelt, aber das rührte sie nicht – sie war es gewöhnt abzukriegen und ertrug die Strafen ziemlich standhaft. Der Vater dagegen hat ihr gewöhnlich sanft die Epistel gelesen, bittend in „Empfangsstunden“ das Zimmer nicht zu verlassen.

Heute war alles wie immer. Verdächtige Personen kamen, gingen fort, aus dem Zimmer des Vaters hörte man bald Stimmen, bald Lachen, bald duftete es nach Zigarren. Dana hatte vor zu gehen, als sie einen beeindruckend aussehenden Herren sich dem Haus nähern sah, der allem entsprechend, sehr aufgeregt war. Der Herr hat nicht den Hintereingang genommen – das bedeutete, dass er ein Fremder war. Er begann mit Raserei am Glöckchen zu ziehen. Dana kicherte, die Ereignisse erwartend.

Das Zimmermädchen öffnete die Tür, wurde von ihm mit so einer Wut vom Weg gedrängt, so dass es, um ihn anzuhalten oder nicht rein zu lassen, keine Rede sein konnte. Der Mann schritt direkt in Vaters Kabinett, die Teppiche mit den Schuhen beschmutzend. Aus dem Kabinett huschte Jemand von Vaters Stammbesuchern wie eine flinke Maus raus. Die Tür des Kabinetts ging mit Gepolter zu. Bald darauf erklang aus dem Kabinett so ein furchtbarer Streit, dass sich sogar die Stiefmutter Klaudia aus der Küche rausstreckte und mit Aufregung zuhörte. Eva spitzte auch die Ohren, wurde aber sofort vom Fensterbrett gezerrt und mit einem Genickstoß ins Zimmer hineingejagt. Zum Schluss gelang es ihr über Falschgeld und Polizei zu hören. Dana lag lange schlaflos, hörend, wie im Haus die Türen polterten, die Verwandten sich stritten und das Geschirr klirrte. Die Intuition verriet, dass der Besuch ernste Folgen für das Schicksal der Familie haben wird. Sie hatte Recht.

Es verging keine Woche, wie in ihrem Haus wieder Unbekannte erschienen. Diesmal waren unter ihnen zwei Polizeibeamten und ein Herr, der mit seinen Manieren einem Koker – Spaniel ähnelte. Sie haben im Haus alles umgedreht, zerbrachen die Möbel und zerschlugen alle brechbaren Gegenstände.

Das, was sie suchten, befand sich, wahrscheinlich, absolut an einem anderen Ort. Nichts Verurteilungswürdiges gefunden, ist es ihnen, jedoch nicht eingefallen sich für ihre Handlungen zu entschuldigen. Der unangenehmste Moment in dieser Geschichte war die schreckliche Szene, welche geschah, als Herr Cohn den Offizier sich zu entschuldigen bat. Der sagte, dem Vater ins Gesicht geschlagen, dass der Polizei Fakten bekannt sind, für die man leicht ins Gefängnis kommen kann.

Nachdem die Wächter der Rechtsordnung gegangen waren, wurde dem Vater schlecht, man musste den Arzt rufen. Einige Stunden im Haus verbracht, ist der Arzt, bleich, hohlwangig weggefahren. In der Nacht ist Christian Cohn verschieden.

Von diesem Moment an änderte sich alles, und zwar sofort. Kaum haben sich von den Hausangehörigen alle jüdische Verwandten und die volle Anzahl verdächtigen Personen verabschiedet, wurde alles im Haus von den Beinen auf den Kopf gestellt. Dana verlor nicht nur ihr wunderbares Zimmer mit den Fenstern in den Garten, sondern auch ihr Piano, und auch ihre Freizeit, die so angenehm für französische Romane zu verbringen war.

Die Stiefmutter, wie es ihr auch zutrifft, hat nicht berücksichtigt, dass ihre Stieftochter ein Mädchen in der Zeit der Aufblühung ist und Fürsorge für ihr weiteres Schicksal braucht. Für sie war Dana ein übriger Esser, zudem noch eine Konkurrentin auf dem Frauenschönheitsmarkt. Die Stieftochter war noch zu jung, aber ihr Äußeres versprach viel: gebräunte Haut, schwarze kluge Augen, kastanienfarbiger Zopf. All das war mehr als genügend, um allein den Fakt ihrer Existenz zu hassen. Es wiederholte sich also die alte Geschichte über die Hexe – Stiefmutter und ihre wunderschöne Stieftochter. Danas unbeschäftigtes Leben wechselte sich in beschäftigtes.

* * *

Einer der wenigen Freuden, die Dana im Leben noch blieben, war die begonnene Freundschaft mit dem Nachbarjungen, Sohn des Bäckers – Simon. Der junge Grieche sah gut aus, wie alle Griechen in der Jugendzeit. Um sich all seinen Liebreiz vorzustellen, genügt es sich die Statue, die mit dem Meißel seines Landmannes geschaffen wurde, anzusehen: die gleichen tadellosen Proportionen, das gleiche Charaktere Profil und schwere Augenlider.

Simon, soweit Dana einschätzen konnte, suchte schon lange die Gelegenheit sich mit seiner schönen hübschen Nachbarin näher bekannt zu machen. So lange rümpfte Dana die Nase von dem schönen Grieche.

Es kam die Zeit, wo sich das Mädchen am liebsten in der Welt menschliche Wärme und jemandes Anbetung ersehnte. Im Eigenen Haus war darauf nicht zu hoffen. Deshalb begann Dana den Nachbar mit mehr Wohlwollen anzusehen, was der sich auch wünschte.

Wenn der Junge im Laden des Vaters nicht beschäftigt war, und die Stiefmutter keine neue Aufgaben für die Stieftochter mehr einfielen, schafften sich die Freunde aufs Dachgeschoss des Stalles, das voll mit Heu war, und tauschte sich da mit Eindrücken des vergangenen Tages aus. Da das Tägliche Leben ziemlich eintönig war, erweiterten sich die Gesprächsthemen.

In den herzlichen Unterhaltungen erzählten sie einander über ihr Leben. Simon war so naiv und hartnäckig in seinem Wunsch mehr über seine Freundin zu erfahren, dass Dana begann sich sogar über ihn lustig zu machen. - Hör mal, - gestand der beleidigte Simon, - du sagst eben „Familie“. Aber meine Mutter, zum Beispiel, und der Vater auch, sagen, dass deine Familie eine Schande für die ganze Straße ist. Ich versuchte dich zu schützen, aber der Vater schrie sofort auf mich und hat mir verboten sich mit dir zu treffen. Warum das denn, Dana?

Das Mädchen presste die Lippen zusammen und dann lächelte sie schief.

- Ja, das stimmt, - sagte sie. – Meine Familie ist ein Gewühl von Halunken und Bastarde. In den Geschäften meines Vaters wurden Schmuggelwaren verkauft. Meine Mutter, als sie noch lebte, hat gestohlene Sachen umgenäht, und der Onkel verkaufte sie. Mein Vater, Dank seinen Verbindungen und Einfluss der zahlreichen Männern meiner Schwester vertickte den gewerblichen Genossenschaften und großen Konzernen große Summen Falschgeld, woran er, eben erwischt wurde. Meine Schwester, abgesehen davon, dass sie eine berühmte Hure ist, ist auch noch eine talentierte Diebin. Und ich – Tochter meiner Eltern und Fortfahrer der Familientraditionen. Hier, schenke ich.

In die Hand des erstarrten Griechen einen kleinen Schlüssel gesteckt, rutschte Dana auf der beigestellten Leiter hinunter. Simon sah erstaunt auf das „Geschenk“ – das war der Schlüssel von der Ladenkasse seines Vaters.

* * *

Nach diesem Vorfall tat Dana eifrig so, als ob sie Simon nicht kenne. Ungeachtet der Aufregungen, erlebten nach dem letzten Treffen mit der Freundin, machte Simon seiner Naivität entsprechend lächerliche Versöhnungsversuche. Dana blieb unbeugsam.

Ein Geschehnis half dem unglücklich Verliebten doch ins Blickfeld seiner Auserwählten zu kommen, wobei in überaus romantischer Rolle. Der Grund dafür war die angeborene Neugier des Mädchens und ihre Liebe zu lauschen. Eines Tages bemerkte Dana im Treppenhaus denselben widerlichen Greis, der ihr zum Andenken so viele blaue Flecken hinterließ. Sie versteckte sich hinter dem Vorhang, und als er zur Stiefmutter hineinging, begann sie der Tür gegenüber den Schnürsenkel des Schuhes zuzubinden. Das Gehörte zwang sie sich auf den Boden zu setzen.

- Ich glaube, Frau Klaudia, es lohnt sich nicht mehr hinauszuziehen, - hörte man die Ziegenstimme des Besuchers.

- Ja, Herr Jona, Sie haben mich nicht enttäuscht und verdienen eine Belohnung. Sie wollen also Dana? – sagte die Stiefmutter mit einer Marmeladenstimme. Überlegen Sie es sich, Herr Jona. Sie ist, natürlich, jung und hübsch, aber fünf tausend liegen nicht auf der Straße herum. Vielleicht besser Geld?

- Nein, meine liebe Witwe. Das muss ich Geld anbieten für so einen Schatz. Ich überlasse Ihnen meinen Laden, und Sie bereiten als Ersatz Dana zum Traualtar vor.

- Dann soll es so auch sein, - gab die unternehmerische Witwe nach.

Dana erstarrte vor Entsetzen sich als Frau Zewi vorgestellt. Sie hörte diesem Gespräch nicht mehr zu, sondern lief, ganz außer sich, in die Nachbarbäckerei. Hinter dem Ladentisch, stand, bleich wie Piero, ihr Anbeter, Milchbrot für die Köchin ins Papier einwickelnd. Dana erblickt schlug Simon die Augen nieder und wurde dermaßen geschäftig, dass er das Einschlagpapier zerriss und dadurch den Zorn des Vaters hervor rief. Aber Dana, langsam an die Theke getreten, legte eine Münze hin und bat leise: - Mir ein Mohnbrötchen und dich für paar Minuten.

Simon, kein Wort gesagt, legte auf den Ladentisch das Brötchen in Herzform, legte die Schürze ab, murmelte etwas und ging hinaus, mit einem missbilligenden Blick des Vaters begleitend.

Ihr Gespräch fand im Hinterhof, zwischen den Säcken und verletzenden Kisten statt. Irgendwo gackerten Hühner, das Gefühl der Unruhe noch mehr verstärkend.

- Weißt du was? – fixierte Dana den vor Liebe sterbenden Bäcker mit dem antiken Antlitz. – Laufen wir doch weg von hier?

Simon blickte langsam auf sie, zum ersten Mal nach vielen Tagen, und in diesem fieberhaften Blick konnte man die Liebe und Bereitschaft auf alles lesen. Dana wartete auf die Antwort, aber der leidenschaftliche Grieche schwieg. Das Mädchen seufzte, begriffen, dass die Initiative ganz in ihren Händen liegt.

- Weglaufen muss man, unbedingt, heute noch. Wir fahren nach Krakau. Mieten uns ein Haus. Leben werden wir für das Geld deines Vaters.

Die letzte Neuigkeit wurde mit einem schnellen verwunderten Blick empfangen.

- Ja – Ja, mein Junge, - sagte hart das Mädchen, die Hand erhoben, um dem Griechen auf die Wange zu streicheln. – Du nimmst das Geld aus der Kasse.

- Nein! – Danas Hand wurde in der Luft abgefangen. – Niemals!

Lächelnd, sah das Fräulein den vor Wut glühenden Simon an und steckte die Hand in die Tasche.

- Na dann, - sagte sie ruhig, einen Schritt zurückgetreten. – Werde ich mir einen anderen Begleiter suchen müssen. Wie meinst du, wird dein älterer Bruder auch so gewissenhaft in dieser Sache, wie du sein? Ich glaube, nicht.

Simon zuckte – Die Rivalität mit dem älteren Bruder war ein krankes Thema, und deshalb die beste Bewegungskraft um Entscheidungen zu treffen, und Dana wusste das ausgezeichnet. Der Jüngling versteckte wieder den Blick hinter den gebogenen Augenwimpern - Gut, - murmelte er dumpf. – ich bin einverstanden.

 

- Ausgezeichnet! – sagte Dana lebhaft. – Ich weiß, du hast den Schlüssel. Direkt um Mitternacht erwarte ich dich auf dem Bahnhof. Die Fahrscheine kaufe ich.

Sich leicht auf den Zehspitzen hoch gestreckt küsste sie den vor zerreißenden Gefühlen schwächenden Griechen auf die zarte Wange und lief nach Hause um zu packen.

Die Flucht gelang, wie auch der Diebstahl. Das Pärchen ließ sich in einem kleinen Häuschen nieder, wo es glücklich einige Zeit lebte – genau so lange, bis das gestohlene Geld reichte. Das Leben war entzückend, so kann es nur bei einem jungen Paar, von den Verwandten ohne Aufsicht gelassenen, sein.

Dann begann die Periode der Armut. Als erster hielt es Simon nicht aus. Einige Zeit nur Kartoffeln ohne etwas anderem gegessen, sagte er:

- Weißt du, Dana, ich liebe dich sehr, aber so kann ich nicht mehr.

Dana zuckte mit den Schultern, sich beide Backen mit Kartoffeln voll stopfen. - Dich zwingt auch Niemand.

Am nächsten Morgen erwachte Dana im leeren Bett. Sie schaute lange – lange in das Fenster, und dann ihr bestes Kleid angezogen. Ging sie in die Geschäfte. Gute Augen machend, mit den Verkäufern flirtend, ging sie die größten Geschäfte der Stadt durch. Unterwegs machte sie Beobachtungen, die sie zu bestimmten Schlussfolgerungen gebracht haben.

Besonders anziehend fand Dana die Schmuckgeschäfte, wo in den Schaufenstern mit schwarzem Sammet umgeben wunderbares Schmuck glänzte. In diesen Geschäften hielt sich Dana länger auf, die Ladenhelfer bittend ihr verschiedene Schmuckstücke zu zeigen, passte sie an, berührte ihre kalten, harten Facetten, erkundigte sich über den Preis, Hersteller und Karaten. Die Ladenhelfer schütteten Komplimenten aus, auf die sympathische junge Frau schauend. Gleichzeitig beobachtete Dana, wie sich die Verkäufer mit den reichen Besucherinnen benehmen: denen erlaubte man die Diamanten wie Erbsen herumzuschmeißen, man hat ihnen den Schmuck auf Kredit gegeben, und zum Schluss sich vor ihnen noch verbeugt.

Nach Hause kam Dana mit der Beute: in ihren Taschen lagen einige zerknüllte Geldscheine, zu ihr von den Gaffern übergewanderte, gebratene Pastete vom Trödelmarkt und ein Sammethandschuh, verlorenen von einer reichen Dame. Eine geräucherte Henne und eine Flasche Wein gekauft, verbrachte Dana den Abend in Einsamkeit bei Kerzenlicht, mit Genuss den herben Wein kostend und auf den Handschuh als Symbol des für sie unerreichbaren Luxus ansehend.

Das, dass sie dem Beispiel ihrer „unsauberen“ Verwandten gefolgt ist, war keine Überraschung. Das war, eigentlich, der einzige Ausgang, beim Fehlen des Geldes, Lage in der Gesellschaft, Bekannten und Unterstützung der Verwandten in dieser Stadt. Ein Mädchen ihres Alters konnte nicht mit einer gesetzlichen Einkommensquelle rechnen. Der Begriff „arbeitende Frau“ war ihrem Milieu noch fremd, und der Gedanke von Arbeit konnte ihr gar nicht in den Kopf kommen. Übrigens, er konnte so wieso nicht in Erfüllung gehen – einen Arbeitsmarkt für Frauen gab es auch nicht. Schwankend zwischen Bürgersteig und Dieberei, wählte Dana das zweite.

Übrigens, sie testete vorerst ihre Kräfte. Das Mädchen war noch keine so erfahrene Diebin, wie ihre Schwester und wusste von der Dieberei nicht viel mehr als die Dilettanten – Kleptomanen welche Äpfel auf dem Markt stahlen. Taschendiebstahl war für sie, wie es sich herausstellte, kein Problem. Danas Finger, geübte durch Klavierübungen, waren lang, stark und leicht. Zu Hause hat sie auch einige Übungen durchgeführt, zog langsam aus den Taschen der Schwester Zetteln heraus, und aus Vaters Tasche die Schlüssel vom Schrank mit Konfitüre.

Damals waren es nur freche Streiche. Aber jetzt eines der Mitteln ihrer Existenz. Und warum auch nicht? Der jungen Jüdin hat niemand erklärt, dass man dem Kodex der Moral, angenommenen von der Gesellschaft, folgen muss. Sie wusste, natürlich, dass stehlen eine Schande und schlecht ist, aber in der Gesellschaft, in der sie lebte, war das Umgehen des Gesetzes und dabei geschickt ohne Bestrafung davonzukommen sogar ehrenhaft. Am gemeinsamen Tisch machte man sich oft über die Erzählungen der Schwester von gut durchgeführten Machenschaften lustig, und das hauptsächliche Einkommen des Vaters war Schmuggelei.

Aber heute gelang es Dana, riskierend erwischt zu werden, die Taschen der Gaffer in der Menge vor der Jahrmarktsbude zu durchstöbern, und nicht ohne Erfolg. Das war „Probe der Feder“.

Am nächsten Tag gegen Nachmittag bereitete sie sich wieder zum Gewerbe vor. Kaum setzte sie den Hut auf, als ins Zimmer ein beleibter Mann mit rotem Gesicht reinplatzte. – Verwalter und Liebhaber der Witwe, Herr Chaja.

- Na was, Rumtreiberin, bereite dich vor, wir fahren nach Hause, - pustete er, sich ans Türgestell stemmend.

Dana, ihn mit einem verächtlichen Blick messend, drehte sich weiter vor dem Spiegel.

- Komm, sage ich. Mutter wartet, sagte drohend im Basston Herr Chaja.

- Sie ist mir keine Mutter. Und du bist überhaupt Niemand für mich. Verschwinde, sagte Dana kalt, die Handschuhe anziehend.

Ein betäubender Schlag ins Genick warf sie um. Dana fuchtelte hilflos mit den Händen und fiel hin die Lippe am Toilettentischchen aufgeschlagen. Zu sich kam sie erst im Zug, im wagen der dritten Klasse. Irgendwelche Alte trat ihr schmerzhaft auf den Fuß, was das Mädchen endgültig zur Besinnung gebracht hat. Der Verwalter, saß nebenan, aß mit einem stumpfen Gesichtsausdruck eine Zwiebel. Dana bewegte sich nicht, die Lage und die Fluchtmöglichkeit einschätzend. Da erschienen hinter den schmutzigen Fensterscheiben die Türmchen des Hauptstadtbahnhofes, und ihr wurde klar, dass sie von hier nirgendwohin wegläuft.

Zu Hause angekommen, wie sie es auch geahnt hatte, musste Dana furchtbare Schläge ertragen, nach denen sie etwa einen Monat sich draußen nicht zeigte. Am ersten Mal ging sie in die Bäckerei. Dort stand an dem Ladentisch, wie immer der wunderschöne, aber für sich jeglichen Wert verlorene, Simon. Dana erblickt, entflammte er, wie ein Mädchen, und erkundigte sich mit zitternder Stimme, was sie möchte.

Das Mädchen, schweigen auf das Langbrot zeigend, legte methodisch das Geld auf den Ladentisch. Der unglückliche Simon, nah das Brot vom Regal, ließ es aber sofort fallen. Der Vater, das sich ereignete bemerkt, schob den verwirrten Sohn mit dem Bauch vom Ladentisch weg:

- Geh – geh, ich bediene selbst das Fräulein.

Gelassen das Brot genommen, drehte sich Dana um und ging ruhig aus der Bäckerei. Von da an hörte der junge Mann, wie auch seine Familie, für sie auf zu existieren.