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Französische Lyrik alter und neuer Zeit in deutschen Versen

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II

 
Die Wüste … Furcht und Schrecken,
Nur Sand und nichts als Sand,
Wie weit mag sie sich strecken,
Versengt, verdorrt, verbrannt!
Nichts Lebendes will weilen,
Die Hügel selbst zerteilen
Im Winde sich, enteilen
Wie Flugsand auf dem Strand.
 
 
Es ziehen Karawanen
Nach Mamre und Ophir,
Frech kreuzen ihre Bahnen
Das heilige Revier.
Schwer schleppt durch heiße Dünen,
Wo keine Halme grünen,
Verwegenheit zu sühnen,
Sich keuchend Mensch und Tier.
 
 
Der Wüste tiefes Schweigen
Hört Gott der Herr allein,
Ihm ist sie erb und eigen,
Er markt sie ohne Stein,
Läßt Dünste sich erheben,
Die dieses Meer umschweben,
Sie zittern und sie beben
Und hüllen alles ein.
 

Der Kaisermantel

 
Ihr, deren Werke Labsal schaffen,
Ihr, die um Beute zu erraffen
Nach flüchtigem Wohlgeruch nur strebt,
Ihr, die Ihr den Dezember fliehet,
Den Blumen ihren Duft entziehet
Und uns den süßen Honig gebt,
 
 
Ihr, deren unbefleckte Lippen
Am reinen Tau des Morgens nippen,
Ihr, denen Keuschheit Lust und Pflicht,
Der Blüten liebliche Genossen,
Ihr Bienen, die dem Licht entsprossen,
Setzt Euch auf diesen Mantel nicht!
 
 
Ihr hochgemuten, arbeitsfrohen,
Die Ihr noch keinen Feind geflohen,
Stürzt Euch, Ihr Bienen, auf den Mann!
Von Euer Flügel Gold getragen
Sollt Ihr den Schuft mit Pfeilen jagen,
Fragt ihn: „Wofür siehst Du uns an?
 
 
Verräter Du, wir sind die Bienen!
Dem Frieden stiller Hütten dienen
Mit unseren Körben wir zur Zier.
Wir schwärmen durch die klaren Lüfte,
Aus Rosen saugen wir die Düfte,
Auf Platos Lippen wohnen wir.
 
 
Zu Nero magst Du Dich gesellen,
Dich neben Karl den Neunten stellen,
Der nach des Volkes Blute lechzt.
Nicht des Hymettus Biene habe
Des Mantels Hut, sie hat der Rabe,
Der auf dem Hochgerichte krächzt.“
 
 
Ihr sollt ihn peinigen, ihn lähmen,
Das Volk, das vor ihm bangt, beschämen,
Stecht ihm die Augen aus, dem Wicht!
Sollt mitleidlos ihn jagen, hetzen,
Wenn Menschen feige sich entsetzen,
Hält Euer Stachel das Gericht.
 

Die Ordnung ist wieder hergestellt

 
Die treten uns mit frechem Hohne
Und das Verbrechen trägt die Krone,
Das Recht des Volkes wird gebeugt.
An allen Grenzen unserer Lande
Ragt heut ein Denkmal unserer Schande,
Die Ehre ist erwürgt und schweigt.
 
 
O edle Freiheit großer Ahnen,
O Republik mit deinen Fahnen,
Die einst geragt zum Himmelsblau,
Du wurdest schnöde überlistet,
Des Kaiserreiches Sünde nistet
Verräterisch im stolzen Bau.
 
 
Die Zeiten sind vom Fluch besessen,
Mein Volk, du hast dich selbst vergessen,
Du wurdest feiler Lüge Raub.
Gesetz und Recht ward dir zu nichte,
Was kümmert dich die Weltgeschichte
Und deiner Väter heiliger Staub?
 
 
Willkommen seid ihr meinem Herzen,
Verbannung, Armut, bittere Schmerzen,
Willkommen, tränenreiche Zier.
Es heult der Wind durch meine Hütte,
Die Trauer naht mit düsterm Schritte,
Stumm setzt sie sich zur Seite mir.
 
 
Im Unglück finde ich euch wieder,
Gestalten meiner ersten Lieder,
Für die das Herz so heiß entbrannt.
O Freiheit, Mannesmut und Tugend,
Geliebte meiner frohen Jugend,
Auch euch hat schnöde man verbannt.
 
 
Sei mir gegrüßt, du Wasserwüste,
Sei mir gegrüßt, o Jerseys Küste,
Wo Englands altes Banner weht!
Dem Flutgebrause will ich lauschen,
Den Wogen, die im Winde rauschen,
Der Welle, die im Sturm vergeht,
 
 
Den Möven, die sich schaukelnd wiegen,
Die schaumbespritzt gen Himmel fliegen,
Vergoldet von der Sonne Strahl;
Wie sie sich aus der Flut erheben,
So ringt empor zu neuem Leben
Die Seele sich aus ihrer Qual.
 

Lied

 
Du Waldespfad mit schwanken Zweigen,
Ihr Täler, Hügel, rings umher,
Weshalb die Trauer und das Schweigen?
– Der einstmals kam, kommt nimmermehr.
 
 
Am Fenster keiner von den Lieben,
Verwelkt die Blumen und verdorrt,
Sprich, Haus, wo ist dein Herr geblieben?
– Ich weiß es nicht, mein Herr ist fort. —
 
 
Sei wachsam, Hund! – Wozu mich plagen?
Das Haus ist leer, du siehst es ja! —
Mein Kind, wem gelten deine Klagen?
Und deine, Weib? – Ihm, der nicht da.
 
 
Wo weilt er? – Jenseits ferner Meere.
Was seufzt ihr, Wogen, um den Stein?
Wo kommt ihr her? – Von der Galeere.
Was bringt ihr? – Einen Totenschrein.
 

Lied

 
Tot sind die kleinen Täubchen,
Das Männchen und das Weibchen,
Die Katze fing sie ein;
Zernagt sind ihre Reste,
Wer kehrt zurück zum Neste?
O arme Vögelein!
 
 
Vom Hirten keine Kunde,
Tot sind die treuen Hunde,
Der Wolf bringt Euch Gefahr.
Es zittern Eure Leiber,
Wer scheucht den feigen Räuber?
O arme Lämmerschaar!
 
 
Er muß im Kerker sterben,
Sie im Spital verderben,
Im Hause pfeift der Wind;
Kein Freund betritt die Stiege,
Wer schaukelt deine Wiege,
O armes, armes Kind?
 

Ein Spiel

 
Einst machte, laßt es Euch sagen,
Der Herrgott voller Behagen
Mit Satan eine Partie.
Jedweder hielt seine Karte,
Der setzte Bonaparte,
Der andere Mastai.
 
 
Ein armer winziger Pfaffe,
Ein kleiner prinzlicher Laffe,
Welch jämmerliches Spiel!
Gott machte es, ohne Zweifel
Mit Absicht, daß dem Teufel
Der ganze Einsatz verfiel.
 
 
„Dein sind sie,“ rief mit Lachen
Der Herr, „was wirst du nun machen?“
Der Teufel blickte voll Hohn;
Er packte die beiden Kleinen,
Auf Petri Stuhl setzt er einen,
Den andern auf Frankreichs Thron.
 

Des Kaisers Zeitvertreib

 
Dumpf tönen der Verbannten Klagen,
Das Grab ist nah und Frankreich fern.
Du schwelgst bei festlichen Gelagen,
Kannst Frauen im Theater jagen,
Das Hifthorn ruft zur Hatz den Herrn.
Rom wird dich salben und dich krönen,
Die Könige duzen Dich erfreut …
Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,
Morgen dräut
Sturmgeläut!
 
 
Des Schicksals Groll trifft nur die Besten,
Nur Männerseelen das Exil.
Du wohnst in ragenden Palästen,
Hast Gärten, Wälder, bei den Festen
Treibt Venus ihr verbuhltes Spiel.
Frech rasen die bekränzten Schönen,
Der Dienst des Bacchus wird erneut …
Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,
Morgen dräut
Sturmgeläut!
 
 
In Ketten schleppen hinter Gittern
Gefangene keuchend Stein auf Stein.
Hallali tönt es, Wälder zittern,
Fanfaren schmettern, Rüden wittern,
Die Birke glänzt im Mondenschein,
Dort schwimmt der Hirsch! Hört Ihr ihn stöhnen?
Die Meute folgt, der Herr gebeut …
Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,
Morgen dräut
Sturmgeläut!
 
 
Im Kerker leert des Elends Schale
Ein Mann, vor Hunger stirbt sein Sohn.
Der Wolf füllt Tigern die Pokale,
Der Pfaffenkaiser zecht beim Mahle
Aus der Monstranz. Es blickt voll Hohn
Ein Faun auf ihre Schmach, sie frönen
Gelüsten, die sein Ekel scheut …
Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,
Morgen dräut
Sturmgeläut!
 
 
Gespenster der Erschlagnen wimmern,
Die Toten finden keine Ruh.
In prächtig ausgeschmückten Zimmern
Seh ich den Wein im Becher schimmern,
Die Dame trinkt dem Sieger zu.
Der Seele Blöße zeigt ihr Höhnen,
Des Leibes Blöße zeigt ihr Kleid …
Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,
Morgen dräut
Sturmgeläut!
 
 
Das Fieber endet Eure Klagen,
Gefangene, bald seid Ihr frei.
Es schwelgt bei üppigen Gelagen
Der Troß mit lärmendem Behagen
Und singt und lacht und küßt dabei.
Die edlen Ritter zu versöhnen,
Wird wahllos Huld und Gunst verstreut …
Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,
Morgen dräut
Sturmgeläut!
 
 
Es wandelt Männer in Skelette
Cayennes heiße Fieberglut.
In unseres letzten Ludwig Bette
Erwartet dich die Lagerstätte,
Wo auch dein Oheim einst geruht.
Du wirst dich schnell daran gewöhnen,
Horch, wie der Pöbel hurra schreit …
Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,
Morgen dräut
Sturmgeläut!
 
 
O weint, die Freiheit ward erschlagen,
Ein Dolchstoß hat sie umgebracht.
Doch jetzt ist keine Zeit zum Klagen,
Der Bräutigam steigt in den Wagen,
Der Cäsar feiert Hochzeitsnacht.
Singt Brautgesänge, Ihr Kamönen,
Dem Mörder, der um Frankreich freit …
Laßt heut von Notre Dame die Totenglocke tönen,
Morgen dräut
Sturmgeläut!
 

Die Sühne

I

 
Entglitten waren ihm zum ersten Mal die Zügel,
Zum ersten Male hingen seines Adlers Flügel.
Nur graue Tage. Langsam kehrte er zurück,
In Moskaus Flammenmeer versank des Kaisers Glück.
Es schneite. Und soweit die Ebene sich streckte,
Soweit verschwand sie in dem Schnee, der sie bedeckte.
Kein Banner fliegt und kein Kommandoruf gebeut,
Das große Heer von gestern eine Herde heut.
 
* * *
 
Im Sattel sitzen die Trompeter traumverloren,
Der bleiche Mund ist an die Hörner angefroren,
Granaten, Bomben und Kartätschen sind vereist,
Die Grenadiere wissen jetzt, was zittern heißt.
Mechanisch trotten sie des Wegs, die alten Kerle,
Im grauen Barte glänzt des Eises kalte Perle.
Es schneit, es pfeift der Wind. Barfuß ziehn sie einher,
Auf Glatteis, ohne Brot, den Weg kennt keiner mehr.
Soldaten sind es nicht, nicht Herzen, die empfinden,
Es sind nur Träume, die sich durch den Nebel winden,
Ein Zug von Schatten, matt, verblichen und erschlafft,
Ringsum die Einsamkeit, unendlich, grauenhaft.
 
* * *
 
Der Kaiser sieht die Not, stumm bleibt sein bleicher Mund.
Noch steht der Baum, doch trägt er schon des Fällers Zeichen;
Der Riese, dessen Wipfel keiner konnt erreichen,
Der nie den Hieb der Axt, den Beilschlag nie gekannt,
Er fühlte des Geschicks, des Meisters schwere Hand.
Erschauernd hörte er die dumpfen Hiebe schallen
Und sah rings um den Stamm die Äste niederfallen,
Sie alle sinken hin, ein jeder wird gefällt.
Still schleichen bis zuletzt sie um des Kaisers Zelt,
Um auf der Leinwand seinen Schatten nur zu sehen,
Und wenn sie dort dann die Gestalt, sein Bild erspähen,
Scheint ihnen noch sein Stern. Und all die Pein, das Leid
Ist Majestätsbeleidigung, des Schicksals Neid.
Doch er, den keine Kraft bis dahin übermannte,
Er wandte sich zu Gott, dess’ Zeichen er erkannte.
Daß dieses eine Buße war, das ahnte er,
Doch nicht wofür. Gebeugt frug er und sorgenschwer
Vor den Legionen, die im Schnee begraben waren:
Ist dies die Züchtigung, Gewaltiger der Scharen?
Da hörte seinen Namen er im Dämmerschein,
Und eine Stimme quoll aus Nacht und Dunkel: Nein!
 

II

 
Waterloo, Waterloo! still liegst du jetzt und träumend
Im weiten Kessel, dem die Woge überschäumend
Mit wildem Sprung entquoll! In diesem grünen Tal
Hielt der gefräßige Tod ein fürchterliches Mahl.
 
* * *
 
Gemetzel, ein verhängnisschwangrer Tag. Der Mann
Erkannte, daß der Sieg ihm in der Hand zerrann.
Noch stand als allerletzter Rückhalt seine alte
Erprobte Garde unberührt im Hinterhalte.
Vorwärts! rief er, zum Kampf, die ganze Garde vor!
Wie eine Springflut bäumte es sich wild empor.
Dragoner und Lanciers, die Helden aller Zonen,
Die Grenadiere, tapferer als Roms Legionen,
Der Donner und der Blitz im Rohr der Artillerie,
Die letzten Helden von Friedland und Rivoli,
Sie gingen in den Tod, ins sichere Verderben,
Und jubelnd grüßten sie noch ihren Gott vorm Sterben.
Ein einziger Ruf erscholl: Der Kaiser hoch! und dann
Marschierten sie in festem Tritt, Musik voran,
Die ganze Kaisergarde in den Höllenrachen,
Der englischen Kanonen spottete ihr Lachen.
 
* * *
 
Mit einem Mal durchlief Verzweiflung alle Glieder,
Das gräßliche Gespenst schlug Mut und Hoffnung nieder,
Die Bataillone wichen rückwärts, bleich, entsetzt,
Die Fahnen waren ihnen nur noch Lumpen jetzt.
Die blasse Furcht, das Riesenweib mit schwankem Schritte,
Hob das verzerrte Haupt empor in ihrer Mitte,
Die Männerherzen zwang sie plötzlich in den Bann,
Von links, von rechts ein Schrei nur: Rette sich, wer kann!
Zurück! schallt es aus tausend Kehlen. Alle wanken,
Kein Widerstand, kein Halt, es sinken alle Schranken,
Besinnungslos strömt alles hin, das Herz versagt …
Verdorrte Blätter, die der rauhe Herbststurm jagt!
Im Graben liegen schon die Protzen und Lafetten,
Ein jeder rennt, ein jeder will das Leben retten.
Sie werfen ihre Adler fort, Helm und Gewehr,
Die Veteranen fliehn, die Preußen hinterher.
Verbranntes Stroh im Wind, was einst ein Heer gewesen,
Jetzt flattert es wie Spreu, gefegt von Gottes Besen.
 
* * *
 
Napoleon sah ihren Fall. Die Woge spülte
Geschütz und Roß und Mann und Banner fort. Da fühlte
Er des Gewissens Not, die Schande und die Schmach.
Er beugte sich: Ich bin besiegt, mein Schwert zerbrach,
Mein stolzes Heer entfloh wie vor dem Wolf die Schafe,
Gib Antwort, strenger Gott, ist dieses meine Strafe?
Da drang ein Laut wie Stahl ihm kalt durch Mark und Bein.
Im Donner der Geschütze rief die Stimme: Nein!
 

III

 
Er stürzte. Gott hat für Europa andere Ruten.
Im fernen Meere liegt umwogt von wilden Fluten
Erloschenen Vulkans ein abgesprengter Teil.
Das Schicksal nahm den Hammer, Nägel, Eisen, Seil,
Es packte ihn, den bleichen Räuber seiner Blitze,
Und kettete ihn lachend an des Felsens Spitze.
Es lockte Englands Geier an; in ekler Gier
Zernagte ihm das Herz das widerliche Tier.
 
 
Erloschen ist der Sonne märchenhafter Schimmer,
Vom Morgen bis zur Nacht dieselbe Öde immer,
Der Kerker und die Einsamkeit und Schmerz und Weh,
Die Wache an der Tür, am Horizont die See,
Der nackte Fels, das Einerlei, endlose Räume,
Die Segel ziehn vorbei wie hoffnungslose Träume,
Die Woge braust, es pfeift der Wind, er heult und gellt …
Leb wohl, mein Wappenschild, leb wohl, mein Purpurzelt,
Leb wohl, du Roß, das stolz den Cäsar einst getragen,
Das Diadem zerbrach und keine Trommeln schlagen!
Kein König liegt im Staub und küßt des Mantels Saum
Verzerrten Angesichts … vorbei der Kaisertraum!
 
* * *
 
Den Bildern denkt er nach, die aus dem Nebel steigen,
O Ruhm, o Glanz, o leeres Nichts, o ewiges Schweigen!
Der Adler kennt ihn nicht, der seine Schwingen reckt,
Die Könige haben ihm den Kerker abgesteckt,
Entrinnen kann er nie den Blicken seiner Späher.
Und seine Stunde kam. Der Tod rückt immer näher,
Er wuchs in seines Lebens tiefe Nacht hinein
Wie in den Wintertag des bleichen Morgens Schein,
Die Seele fröstelte schon längst auf dunkeln Wegen.
Da eines Tages legt er auf das Bett den Degen
Und flüstert: es ist Zeit! Still hat er sich gestreckt,
Der Mantel von Marengo hat ihn zugedeckt,
All seine Schlachten standen an des Kaisers Bette.
Er aber sprach: Jetzt endlich ist gesprengt die Kette,
Sieg, Sieg, dort fliegt mein Aar, ich sehe ihn, er steigt!
Zum Sterben hatte er das müde Haupt geneigt,
Da sah er durch die Schatten, die auf’s Auge fielen,
Herrn Hudson Lowe über seine Schwelle schielen.
Laut schrie der Riese, den der Könige Fuß zertrat:
Das Maß ist voll, mir ist vergolten, was ich tat,
O Herr, genug des Zorns, laß ab von deinem Grimme.
Ich habe schwer gebüßt! Noch nicht …! rief eine Stimme.
 

IV

 
Das schwarze Mißgeschick ist wie die Nacht entflohn,
Im Tode stieg der Kaiser wieder auf den Thron.
 
* * *
 
Die Schlacken fielen ab, in hellem Glorienschein
Erstrahlte jetzt sein Bild, von dunkeln Flecken rein.
Des Ruhmes Glanz hat die Gerechtigkeit bestochen,
Verstummt ist sie, sein Urteil hat sie nicht gesprochen,
Arcole lebte nur und Ulm und Austerlitz.
Wie in die Gräber alter Zeit stieß Menschenwitz
In jener großen Jahre tiefen Schutt den Spaten.
Die Völker jubelten, die Zeugen seiner Taten,
So oft darin des Konsuls Marmorbild sich fand,
So oft daraus des Cäsars Erzgestalt erstand.
 

V

 
Es steigt der Ruhm, wenn Helden fallen!
Er hörte in des Grabes Nacht
Das Lied durch alle Lande schallen,
Das ihm Unsterblichkeit gebracht.
 
 
Die Erde sprach: Im Sturmeswehen
Ist ihm der Sieg gefolgt, das Glück,
Noch niemals sah vorübergehen
Die Weltgeschichte solch Geschick.
 
 
Auf dieses Mannes Sarg der Hügel
Sei höher noch als je getürmt,
Den Erdball leitete sein Zügel,
Den Himmel hat er fast gestürmt.
 
 
Bezwungen hat er diese Erde,
Zu eng war ihm der weite Raum,
Daß er des Schicksals Meister werde
Verlangte seiner Seele Traum.
 
 
Im Trotz hat er mit allen Sinnen
Sich wider Gottes Schluß gebäumt,
Wenn seinem herrischen Beginnen
Das Ende je zu lang gesäumt.
 
 
Er, der mehr als ein Mensch gewesen,
Sprach laut zu Rom: Die Welt war dein,
Du fällst. So hab ich es gelesen
Im Schicksalsbuch. Das Reich ist mein.
 
 
Ein Priesterkönig! zwei Idole
In einem, Leuchtturm und Vulkan!
Der Louvre ward zum Kapitole
Und St. Cloud ward zum Vatikan.
 
 
Als Cäsar hätte vor dem Volke
Stolz zu Pompejus dieser Mann
Gesagt: Siehst in der Feuerwolke
Mein Schwert Du? trag es mir voran!
 
 
In seinen wilden Phantasieen,
In seiner Seele heißem Traum
Sah er Nationen vor sich knieen,
Sie küßten seines Mantels Saum.
 
 
Die Räume wollte er, die Zeiten
Im Sturme durcheinander wehn,
Paris durch alle Welten breiten
Und in Paris die Welten sehn.
 
 
Er wollte in der Erde Mitten
Errichten seinen hohen Thron,
Zu einem Volk die Menschheit kitten
Wie Cyrus einst in Babylon.
 
 
Er wollte in vermeßnem Prahlen
Auf ewig gründen seinen Ruhm,
Jehovah sollte überstrahlen
Des neuen Gottes Heiligtum.
 

VI

 
Er kehrte im Triumph zurück zu Frankreichs Strande,
Der Ozean gab seinen Sarg dem Vaterlande.
 
 
Zwölf Jahre lag er dort, erreicht hat er das Ziel,
Geheiligt durch den Tod, geheiligt durchs Exil;
Und alle, die an seiner Gruft vorübergehen,
Sie wähnen dort im Schatten wieder ihn zu sehen,
Im Kaisermantel mit den goldenen Bienen, stumm,
Im hohen Marmordom, und Schweigen rings herum,
Ihn, jenen Mann, dem einst zu eng des Erdballs Weite,
Das Szepter in der Hand, den Degen an der Seite,
Zu Füßen sitzt mit halb geschlossnem Aug der Aar.
So schläft den Todesschlaf der, welcher Cäsar war.
 

VII

 
Des Nachts – im Grabesschweigen herrscht ja immer Nacht —
Ist plötzlich um die Geisterstunde er erwacht.
Seltsame Schatten sieht er durch das Dunkel irren,
Ein schrilles Lachen hört er durch die Halle schwirren,
Er richtet schreckensbleich sich auf in seiner Gruft,
O Grausen … eine wohlbekannte Stimme ruft:
 
 
Steh auf jetzt! Moskau, Waterloo und alle Leiden
St. Helenas, und was Du fühltest, als im Scheiden
Am Sterbebett Du Albions höhnendes Gesicht
Erblicktest, das ist nichts. Jetzt erst naht das Gericht.
Hart klang die Stimme, zischend, schneidend und zersetzend,
Sarkastisch finster war der Ton, ironisch ätzend,
Ein bitteres, scharfes Lachen, eines Halbgotts Hohn.
 
 
Sire, sie schleppen Dich aus Deinem Pantheon,
Sire, sie holen von der Säule Dich herunter,
Blick um Dich! Räuberpack, ein widerlicher bunter
Schwarm von Zigeunern, die am Aase sich geletzt,
Die haben Dich, und Du bist ihr Gefangener jetzt.
Sie winden sich um Deines Fußes Erz, die Schlangen!
Stolz wie die Sonne bist Du unter einst gegangen,
Napoleon der Große, in der wilden See,
Jetzt stehst Du auf als Clown im Cirkus Beauharnais.
Sie putzen Dich, Du bist, wenn sie die Leute locken,
Der Große, doch ein Narr, wenn sie zusammenhocken.
Der Degen rasselt auf dem Pflaster laut und scharf,
Die Bande kann ihn auch verschlucken nach Bedarf.
Sie laden alle ein, die vor der Bude stehen:
Hereinspaziert, hier ist ein Kaiserreich zu sehen,
Der Papst ist engagiert ..! Ihr zweifelt? es ist wahr,
Und etwas feines noch, es tritt auch auf der Zar!
Doch der ist ein Sergeant, der Papst ist nur ein Bonze,
Als Extranummer haben wir den Mann von Bronze!
Fould und Magnan sieht man beliebig sich verwandeln,
Und Automaten, die wie ein Senat verhandeln,
Wir sind vom großen Kaiser die berühmten Neffen …!
Hörst Du das Diebsgesindel schrein, hörst Du sie kläffen?
Der Kaiseradler, der sich in die Lüfte froh
Geschwungen einst, der ist jetzt ausgestopft mit Stroh,
Er, der das Schlachtfeld hat geschaut mit freien Blicken,
Sieht auf dem Jahrmarkt Deinen Thron zusammenflicken.
Sie haben Frankreich ausgeraubt, die feige Brut,
Du siehst ja, ihre Lumpen sind noch voller Blut,
Im Weihekessel wäscht den Trödelkram der Pfaffe,
Du, Löwe, folgst als Knecht, ihr Meister ist der Affe.
Dein Name ist ihr Bett, sie nutzen ihn mit List,
Sie düngen Austerlitz sogar mit ihrem Mist.
Dein Ruhm, Napoleon, ist Wein für ihre Schande,
Den grauen Mantel probt der Häuptling dieser Bande,
Sie sammeln Bettelgroschen in dem kleinen Hut,
Dein stolzes Banner ist zum Tischtuch grade gut.
Und an dem Spieltisch, wo die Gauner alle lauern,
Da säuft das Bettelpack und plündert frech die Bauern;
Du stehst Gevatter bei dem schnöden Beutezug,
Die Hand, die einst bei Lodi die Standarte trug,
Die Blitz und Donner hielt, die Hand, o Bonaparte,
Betrügt beim Würfelspiel und mischt die falsche Karte.
Mit ihnen mußt Du zechen, und sie stoßen dann
Dich höchst gemütlich mit dem Ellenbogen an.
Pietri duzt Deine Majestät, der Jammerlappen,
Herr Maupas darf vertraulich auf den Bauch Dich tappen.
Falschmünzer, Mörder, Schufte, Räuber … jeder denkt,
Es wird, wie Dir, was er verbrach, ihm nicht geschenkt,
Doch vorher hoffen sie den Becher noch zu leeren,
Poissy trinkt auf St. Helena, um Dich zu ehren!
Ein ewiger Sonntag, Bälle, Feste früh und spät,
Der Pöbel stößt und drängt, der vor dem Cirkus steht.
Du steigst auf das Gerüst, um das die bunte Menge
Sich dreht, sie schreit und johlt im lärmenden Gedränge,
Laut klingelt neben Dir Rouher, der Hampelmann —
So endet bei Callot, was bei Homer begann,
O welche Epopoe, o welches Schlußkapitel …!
Troplong, der Hanswurst im gestreiften Narrenkittel,
Ist obenauf. Vor dieser Bude, wo ein Wicht
Den Cäsar spielt mit schlecht gewaschenem Gesicht,
Mit einem Schnurrbart, wie ihn die Banditen tragen,
Mußt Du, Gespenst im Hermelin, die Pauke schlagen!
 
 
Die gräßliche Vision verstummte und versank.
Der Kaiser taumelte, ein lauter Angstschrei drang
Aus seiner Brust, der Blick war starr. Verstohlen tauschten
Die Siegesgöttinnen, die an der Pforte lauschten,
Und heimlich Winke aus, da sie ihn zittern sahn.
In blasser Furcht erhob die Hände der Titan,
Dumpf klang sein Stöhnen in den grauen Finsternissen.
Verzweifelnd schrie er auf: Wer bist Du, laß mich’s wissen,
Der Du mir ewig folgst, den nie geschaut mein Blick! —
Ich …? Dein Verbrechen bin ich, tönte es zurück.
Ein geisterhaftes Licht war ringsum ausgebreitet,
So klar, wie Gott, wenn er den Pfad der Rache schreitet,
Und eine Flammenschrift hob hell sich von der Wand,
Wie einst sie lohend vor Belsazars Auge stand,
Er las sie. Kalt und starr fiel er zurück ins Leere,
Geschrieben stand: Ich bin der achtzehnte Brumaire.