Buch lesen: «Heute oder nie!»
Über den Autor:
Der Name Valentin Krasnogorov ist Theaterliebhabern in Russland und vielen anderen Ländern bekannt. Seine Stücke , die in mehr als 400 Theatern aufgeführt werden, finden bei Kritikern und Zuschauern sehr positive Aufnahme. Die Aufführungen in mehr als 700 Amateurtheatern zeugen von der großen Beliebtheit des Dramatikers. So herausragende Regisseure wie Georgy Tovstonogov, Lev Dodin und Roman Viktyuk arbeiten an den Produktionen seiner Stücke.
Mit gleichem Können kreiert er Multi-Act- und One-Act-Stücke verschiedener Genres – Comedy, Drama, Tragödie. Die Spannungen und Konflikte seiner Stücke werden durch lebhaften Dialog und schnelles Handeln gelöst. Der Autor verwendet paradoxe Situationen und ungewöhnliche Handlungen, um Leser und Betrachter in die Welten zu ziehen, die durch seine Vorstellungskraft geschaffen werden. Scharfe Satire, subtiler Sinn für Humor, Groteske, Absurdität, Lyrik, tiefes Eindringen in die menschliche Natur – das sind die Hauptmerkmale von Krasnogorovs Werken.
Die Stücke des Dramatikers sind fest im Repertoire der Theater verankert und halten Hunderten von Aufführungen stand. Kritiker bemerken, dass "Krasnogorovs Stücke leicht Grenzen überschreiten" und dass sie "zu den besten zeitgenössischen Stücken gehören". Viele von ihnen wurden in Fremdsprachen übersetzt, in Theatern in verschiedenen Ländern (Australien, Albanien, England, Bulgarien, Deutschland, Indien, Zypern, Mongolei, Polen, Rumänien, Slowakei, USA, Türkei, Finnland, Montenegro, Tschechische Republik) aufgeführt und erhielten Preise bei ausländischen Theaterfestivals, darunter den "Preis für das beste Drama" und den "Publikumspreis". Krasnogorov fungiert auch als Prosaschreiber und Publizist, Autor von Artikeln über Theater, Novellen, Kurzgeschichten und Essays, die in verschiedenen Publikationen veröffentlicht wurden.
Valentin Krasnogorov ist Präsident der St. Petersburger Dramatiker-Vereinigung. Einer der Gründer der Gilde der russischen Dramatiker Gild.
Liebe bis zum Gedächtnisverlust
Любовь до потери памяти
Verrückte Komödie in zwei Akten
Aus dem Russischen von Albrecht D. Holzapfel
Von einer Komödie sollte man nicht
jedes beliebige Vergnügen erwarten,
sondern nur das ihr eigene.
Aristoteles
Inhaltsangabe
Ein an Gedächtnisverlust leidender Mann erscheint in der Arztsprechstunde mit der Bitte um Hilfe. Der Arzt versucht Symptome und Ursachen der Krankheit herauszufinden, doch erfolglos: Die Antworten des Kranken sind dermaßen widersprüchlich, dass aus ihm nichts Vernünftiges herauszubekommen ist. Zum Glück gelingt es, die Frau des Kranken hinzuzurufen. Sie antwortet auf alle Fragen klar und überzeugt, aber ihrer Meinung nach, leidet auch der Arzt an Gedächtnisverlust. Die Situation verwirrt sich noch mehr, als unerwartet noch eine Frau auftaucht und ebenfalls behauptet, die Ehefrau des Kranken zu sein. Die Lage wird vollkommen absurd. Der Arzt wird beinahe verrückt. Diese dynamische und lustige Komödie entwickelt sich zielstrebig und lebhaft, in einer unerwarteten Auflösung endend.
Handelnde Personen
Doktor
Anton
Johanna
Marina
Mann
Das Alter der Personen hat keine entscheidende Bedeutung.
Gut möglich, dass sie um die Vierzig sind, der Doktor und der Mann auch etwas älter.
Erster Akt
Reich ausgestattetes Behandlungszimmer eines Arztes, das mehr an ein geschmackvolles Wohnzimmer erinnert, als an einen sterilen ärztlichen Raum. In einem bequemen Sessel, am Schreibtisch, hat sich der Doktor niedergelassen – ein gut gekleideter entspannter Mann in den besten Jahren, sehr selbstsicher. Ein Besucher tritt ein.
BESUCHER: Herr Doktor, ich leide an Gedächtnisverlust.
DOKTOR: Seit wann?
BESUCHER: Was heißt „seit wann“?
DOKTOR: Seit wann leiden Sie an Gedächtnisverlust?
BESUCHER: (Überlegt gequält.) Ich erinnere mich nicht.
DOKTOR: Gut. Das heißt, das ist sehr schlecht. Aber alles ist behebbar. Hauptsache, dass Sie zum richtigen Arzt gekommen sind. Zu dem, der Sie heilt. Ärzte, die heilen, gibt es nicht so viele. Und solche, die vollkommen auskurieren gibt es überhaupt nicht. Lassen Sie uns zuerst, wie das so üblich ist, Ihre Krankengeschichte erfassen. (Beginnt, Daten in den PC einzugeben.) Also, Sie leiden an Gedächtnisverlust.
BESUCHER: Woher wissen Sie das?
DOKTOR: Sie haben es mir doch gerade selbst gesagt.
BESUCHER: Ja? Sehr schade. Eigentlich verberge ich das, damit ich keine Unannehmlich-keiten bekomme.
DOKTOR: Keine Sorge, das bleibt unter uns. Ärztliches Geheimnis. Ihr Name?
BESUCHER: Mein Name? (Überlegt gequält.) Den habe ich vergessen.
DOKTOR: (Beruhigend.) Regen Sie sich nicht auf, das ist nicht schlimm. Haben Sie einen Pass oder einen anderen Ausweis bei sich?
BESUCHER: Ja, natürlich. (Kramt in seinen Taschen.) Entschuldigen Sie, Doktor, ich fürchte, ich habe ihn zuhause gelassen.
DOKTOR: Ehrlich gesagt, Sie bereiten mir einige Probleme.
BESUCHER: Ich weiß selbst nicht, wie das passiert ist. Ich erinnere mich, dass der Name sehr verbreitet ist.
DOKTOR: Versuchen wir, uns zu erinnern. Vielleicht Martin?
BESUCHER: (Unsicher.) Vielleicht.
DOKTOR: Oder Peter?
BESUCHER: Ich weiß nicht.
DOKTOR: Und an den Familiennamen erinnern Sie sich auch nicht?
BESUCHER: Und an den Familiennamen erinnere ich mich auch nicht. Aber regen Sie sich nicht auf. Ich muss einen Zettel bei mir haben, mit meinem Namen und der Adresse. Meine Frau steckt mir immer diesen Zettel in die Tasche, wenn ich aus dem Haus gehe. Für alle Fälle. (Sucht in den Taschen und findet den Zettel. Triumphierend.) Hier, Sehen Sie!? Jetzt erfahren Sie, wie ich heiße. Wenn das schon so wichtig für Sie ist. (Reicht dem Doktor den Zettel.)
DOKTOR: (Entfaltet den Zettel und liest.) Also… Telefonnummer. Scheint ein Handy zu sein. Und hier ist auch der Name: „Marina“. (Verblüfft.) Aber das ist doch nicht Ihr Name!
BESUCHER: Sind Sie sicher?
DOKTOR: Sie etwa nicht? Sie sind doch ein Mann!
BESUCHER: Woher wissen Sie das? Habe ich Ihnen das gesagt?
DOKTOR: Wissen Sie denn das selbst nicht?
BESUCHER: Dass ich ein Mann bin? Wenn Sie das bestätigen, dann glaube ich Ihnen. (Grübelnd.) Falls Marina, dann ist das nicht mein Name, aber wessen dann?
DOKTOR: (Beginnt nervös zu werden.) Eigentlich wollte ich Sie das fragen.
BESUCHER: Wahrscheinlich ist das der Name meiner Frau.
DOKTOR: Was heißt „wahrscheinlich“? Erinnern Sie sich nicht an den Namen Ihrer Frau?
BESUCHER: Sie beleidigen mich. Natürlich erinnere ich mich.
DOKTOR: Also, ist sie das, oder nicht?
BESUCHER: Natürlich, sie. Meine zärtliche, liebende und geliebte Frau. Eine treue Freundin seit den ersten Jugendtagen. Sie glauben es nicht, aber ich bin mir ihr seit der ersten Klasse bekannt. Wir haben doch in ein und derselben Schule gelernt. Ach, Doktor, erinnern denn Sie sich an Ihre Flitterwochen?
DOKTOR: (Ungläubig.) Und Sie erinnern sich?
BESUCHER: Und wie! Ach, was war das für eine Zeit! Jede Vertiefung auf ihrem Körper war noch von einem Geheimnis umgeben. Jede Berührung war aufregend, und jede Nacht erschien wie ein Wunder. Ein nicht enden wollendes Wunder. Erinnern Sie sich denn an all das, Doktor?
DOKTOR: (Seufzend, mit Gefühl.) Wer von uns erinnert sich nicht daran?
BESUCHER: Glauben Sie mir, aber unsere Flitterwochen dauern auch jetzt noch an.
DOKTOR: Sie kann man nur beneiden.
BESUCHER: Jeden Abend, wenn ich mich ins Bett lege, setze ich die Brille auf und lese Zeitung, und meine Frau dreht sich die Haare ein und macht sich in der Zeit eine Gesichtsmassage.
DOKTOR: Das heißt, Sie erinnern sich trotzdem an irgendetwas?
BESUCHER: Natürlich. Sonst wäre ich ein Vollidiot. Leider kommen manchmal Aussetzer vor. Irgendwelche Teile entfallen. Dann tauchen sie auf. Dann entfallen sie wieder. Tauchen wieder auf. Entfallen wieder. Tauchen wieder auf. Entfallen…
DOKTOR: (Unterbricht ihn.) Ich hab´ verstanden. Tauchen wieder auf.
BESUCHER: Ja. Tauchen wieder auf. Aber insgesamt habe ich ein hervorragendes Gedächtnis.
DOKTOR: Tatsächlich?
BESUCHER: Natürlich. Ich liebe Literatur, Philosophie, Kunst. Haben Sie Hegel gelesen?
DOKTOR: Irgendetwas habe ich gelesen.
BESUCHER: Erinnern Sie sich, wie schön er von Architektur und Skulptur gesprochen hat?
DOKTOR: Hm… Und Sie erinnern sich?
BESUCHER: Natürlich. (Mit Gefühl.) „Die Konkretisierung der abstrakten Ideen auf dem Gebiet der Plastik erzeugt jenen Satz des sich selbst suchenden Geists, in dem er, von sich selbst abstoßend, sich auf dem Gebiet der bildenden Erkenntnis der darin enthaltenen Schönheit potenziert“.
DOKTOR: Und das hat Hegel gesagt?
BESUCHER: Ja, und?
DOKTOR: Nicht, nichts. Wenn schon, dann erinnern Sie sich vielleicht doch, wie Sie heißen?
BESUCHER: Ich?
DOKTOR: (Verliert die Geduld.) Sie. Doch nicht ich? Können Sie denn nicht irgendwie machen, dass Ihr Name auftaucht?
BESUCHER: Natürlich. Ich heiße… Ich erinnere mich nicht.
DOKTOR: Vielleicht rufen wir Ihre Frau an und erfahren Ihren Namen mit ihrer Hilfe?
BESUCHER: Gute Idee.
DOKTOR: Wer ruft an, ich, oder Sie?
BESUCHER: Besser Sie. Sonst sagt sie meinen Namen und ich vergesse ihn wieder.
DOKTOR: (Sieht auf den Zettel und wählt die Nummer.) Guten Tag. Kann ich mit Marina sprechen? Das sind Sie? Sehr angenehm. Entschuldigen Sie die Vertraulichkeit, aber ich weiß einfach nicht, wie ich Sie anders anreden soll. Ich rufe aus der Klinik an. Halten Sie mich nicht für taktlos, aber möchte erfahren, wie Ihr Mann heißt. Ja, ich verstehe, dass diese Frage etwas seltsam klingt… Ihr Mann interessiert mich ausschließlich aus medizinischer Sicht. Nein, ich spaße nicht und spiele Ihnen nichts vor… Ich bin wirklich Doktor, und meine Nummer steht in jedem Telefonbuch… (Trocken, mit Nachdruck.) Ihr Mann hat Probleme, und Sie wissen selbst, was das für Probleme sind… (Ärgerlich.) Entschuldigen Sie, aber Frechheit ist, wenn man einen unbekannten Menschen grundlos als frech bezeichnet. Ihr Mann…
Das Gespräch wird unterbrochen. Der Doktor legt verärgert den Hörer auf.
BESUCHER: Nun, was hat sie gesagt?
DOKTOR: Sie hat gesagt, dass sie überhaupt keinen Mann hat.
BESUCHER: Meine Frau hat keinen Mann? Das ist seltsam.
DOKTOR: Wirklich seltsam.
BESUCHER: Und wer ist sie denn dann?
DOKTOR: Das wollte ich von Ihnen erfahren.
BESUCHER: Und warum haben Sie sie nicht gefragt?
DOKTOR: Weil sie den Hörer aufgelegt hat. Entschuldigen Sie, aber Ihre Ehefrau ist ein ziemlich nervöses Geschöpf.
BESUCHER: Wahrscheinlich, gerade weil sie keinen Mann hat.
DOKTOR: Aber sie ist doch Ihre Frau!
BESUCHER: (Bestürzt.) Richtig. Sagen Sie, weshalb brauchen wir denn überhaupt meinen Namen? Das hilft der Behandlung, nicht wahr?
DOKTOR: Um die Krankengeschichte zu beginnen. Um Sie zu beobachten. Um Sie zur Untersuchung zu schicken. Um Ihnen die Rechnung zu schicken, verdammt nochmal!
BESUCHER: Rechnung? Ich fürchte, dann erinnere ich mich nie an meinen Namen.
DOKTOR: Mit Ihnen kann man den Verstand verlieren.
BESUCHER: Nehmen Sie das nicht zu sehr zu Herzen. Rauchen Sie eine, entspannen Sie sich. Ich habe gute Zigaretten. Möchten Sie? (Greift in die Tasche.) Hier, nehmen Sie das ganze Päckchen.
DOKTOR: (Nimmt das Päckchen.) Das sind keine Zigaretten, das sind Spielkarten.
BESUCHER: Karten? Umso besser. Lassen Sie uns spielen, das lenkt Sie ab.
DOKTOR: Ich hab keine Zeit für solche Dummheiten. Außerdem, kann ich gar nicht spielen.
BESUCHER: Ich bring es Ihnen bei. (Mischt die Karten schnell und verteilt sie.) In welcher Währung nehmen Sie das Honorar für die Behandlung, in Euro oder in Dollar?
DOKTOR: Ich bevorzuge Euro.
BESUCHER: Ausgezeichnet. Nehmen wir an, Sie setzen 10 Euro auf die Pik-Dame. Dann..
DOKTOR: (Nimmt automatisch Karten auf, aber zu sich kommend, wirft er sie auf den Tisch.) Sie befinden sich im Behandlungszimmer eines Arztes und nicht im Casino! Das haben Sie wohl vergessen? Ich bin ein Privatarzt, und meine Zeit ist teuer. Sehr teuer! Wollen Sie die verspielen?
BESUCHER: Entschuldigen Sie. (Räumt die Karten weg.)
DOKTOR: (Erschöpft.) Wissen Sie was? Lassen Sie uns wirklich rauchen. Obwohl ich es eigentlich schon lange aufgehört habe.
BESUCHER: Hier, bitte.
DOKTOR: (Erstaunt.) Aber das sind doch keine Zigaretten, das ist ein Pass. (Öffnet den Pass, vergleicht das Bild. Erfreut.) Ja, das ist Ihr Pass!
BESUCHER: Na, was hab ich Ihnen gesagt? Ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis.
DOKTOR: (Mit Blick in den Pass.) So, lieber Anton, endlich haben wir uns bekannt gemacht. (Trägt seine Daten in die Krankengeschichte ein.) Anton… Glöckner. Glöckner, das sind Sie?
ANTON: Wer denn sonst?
DOKTOR: Sind Sie sicher?
ANTON: Sie nicht?
DOKTOR: Nun, gut. Lassen Sie uns endlich zur Sache kommen. Tragen Sie Ihre Beschwerden der Reihe nach vor.
ANTON: (Entschlossen.) Höchste Zeit. Ehrlich gesagt, ich bin mit Ihnen unzufrieden. Ich zahle Ihnen regelmäßig Unsummen Geld, aber als mich der LKW gerammt hat, haben Sie keinen Finger gerührt.
DOKTOR: Erstens, Sie bezahlen mir bisher kein Geld, schon gar nicht eine Unsumme. Zweitens habe ich keine Ahnung, dass Sie ein LKW gerammt hat.
ANTON: Seltsame Vergesslichkeit Ihrerseits. Ich habe Ihnen doch darüber einen Brief geschickt, auf den zu antworten Sie nicht einmal Zeit fanden.
DOKTOR: Ich erinnere mich an keinen Brief.
ANTON: Das heißt, Sie leiden an Gedächtnisverlust. Der Aufprall war sehr stark, die Folgen schwer. Sie waren einfach verpflichtet, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen.
DOKTOR: (Trägt die Daten in die Krankengeschichte ein.) Wurden Sie schwer verletzt?
ANTON: Ernsthaft beschädigt ist die rechte Seite.
DOKTOR: (Trägt die Daten in die Krankengeschichte ein.) „Beschädigt die rechte Seite…“
ANTON: Und beide Scheinwerfer zerbrochen.
DOKTOR: (Erregt.) Bei wem ist die rechte Seite beschädigt? Bei Ihnen oder beim Fahrzeug?
ANTON: Beim Fahrzeug, natürlich.
DOKTOR: Und was passierte mit Ihnen? Haben Sie sich den Kopf angeschlagen?
ANTON: Warum das denn? Bei mir ist alles in Ordnung. Kein Kratzer.
DOKTOR: Und warum sollte ich dann unverzüglich Maßnahmen ergreifen?
ANTON: Und wer wird mir Schadenersatz leisten?
DOKTOR: Schadenersatz? Wofür? Ich hab´ doch den LKW nicht gelenkt.
ANTON: Sie nicht. Aber Sie sind mein Versicherungsagent. Wann haben Sie vor, für die Reparatur aufzukommen?
DOKTOR: Mein Lieber, ich bin kein Versicherungsvertreter. Ich bin Privatarzt. Doktor. Verstehen Sie? Doktor.
ANTON: (Bestürzt.) Doktor?
DOKTOR: Doktor, Doktor. (Redet sanft und geduldig auf ihn ein.) Sie sind zu einem Doktor gekommen. Zum Doktor und nicht zu einem Versicherungsagenten.
ANTON: Ja, richtig… Das hab´ ich völlig vergessen. Entschuldigen Sie.
DOKTOR: Ich sehe, Ihre Krankheit ist äußerst ernst. Äußerst.
ANTON: Aber sie ist heilbar?
DOKTOR: Wie soll ich Ihnen sagen… Sie haben Glück, dass Sie ausgerechnet zu mir kamen. Ein anderer Arzt hätte Sie nie und nimmer behandelt.
ANTON: Ja, das haben Sie schon gesagt.
DOKTOR: Das heißt, Sie erinnern sich daran?
ANTON: Natürlich.
DOKTOR: Das ist gut. Aber erinnern Sie sich überhaupt an irgendetwas?
ANTON: Ich erinnere mich an alles. Kindheit, Schule, Universität, Arbeit. Aber ich kann vollständig vergessen, was mit mir vor einer Woche oder Stunde passiert ist. Und dann plötzlich erinnere ich mich. Und vergesse wieder. Das ist furchtbar.
DOKTOR: Macht nichts, alles ist korrigierbar.
ANTON: Wie heißt meine Krankheit?
DOKTOR: Eine Form von Sklerose. Vorerst schwer zu sagen, welche genau. Es gibt viele. Wie fühlen Sie sich körperlich?
ANTON: Gut.
DOKTOR: (Trägt die Daten in die Krankengeschichte ein.) Wie verhält man sich Ihnen gegenüber bei der Arbeit?
ANTON: Gut.
DOKTOR: Und wie verhält sich Ihre Frau zu Ihnen?
ANTON: Gut.
DOKTOR: Wann hatten Sie mit ihr zum letzten Mal enge Beziehungen?
ANTON: (Nach längerem Überlegen.) Ich erinnere mich nicht.
DOKTOR: (Greift sich verzweifelt an den Kopf.) Mein Lieber, ehrlich gesagt, ich hab´ es mit Ihnen ein bisschen schwer. Lassen Sie uns eine kleine Pause machen.
ANTON: Weshalb?
DOKTOR: Deshalb, weil ich müde geworden bin. Und mein Kopf fängt an wehzutun.
ANTON: (Teilnahmsvoll.) Eine Tablette vielleicht?
DOKTOR: (Schreit.) Nein, danke! Fressen Sie die selbst! (Reißt sich zusammen.) Entschuldigen Sie, ich bin wirklich müde geworden. Wo sind wir stehen geblieben?
ANTON: Dass Sie baten, eine kleine Pause zu machen.
DOKTOR: Was für eine Pause? Ach, ja… Warten Sie bitte im Wartezimmer. Ich werde Sie rufen.
ANTON: (Geht zum Ausgang, bleibt dann aber stehen.) Übrigens, wegen den engen Beziehungen… Sagen Sie, ist meine Krankheit nicht ansteckend?
DOKTOR: Im Grunde nicht. Obwohl… (Denkt nach. Ein unangenehmer Gedanke kommt ihm in den Sinn. Sein Gesicht verfinstert sich.) Neulich wurde behauptet, dass einige Formen von Sklerose von Viren verursacht werden und ansteckend sein können.
ANTON: Das heißt, Sie wollen sagen…
DOKTOR: (Unterbricht ihn.) Warten Sie. Und gehen Sie weiter von mir weg. (Zieht hastig einen Mundschutz an und betrachtet sich besorgt im Spiegel.)
ANTON: Sie haben noch nicht auf meine Frage geantwortet.
DOKTOR: Ach, lassen Sie mich doch wenigstens für fünf Minuten in Ruhe!!
Anton geht hinaus. Der Doktor nimmt von einem Regal ein dickes medizinisches Nachschlagewerk und beginnt es fieberhaft durchzublättern. Nachdem er die gewünschte Information nicht gefunden hat, wirft er es zur Seite. Er gießt sich aus einer Thermoskanne Kaffe ein und versucht, ihn zu trinken, aber der Mundschutz stört ihn dabei. Er nimmt ihn ab, nimmt einen kleinen Schluck aus der Tasse und beruhigt sich langsam. Er bemerkt den Zettel Antons auf dem Tisch, schaut nach und wählt die Telefonnummer.
DOKTOR: Hallo? Marina? Verzeihen Sie. Hier ist wieder der Doktor. Ich will mich für den vorigen Anruf entschuldigen. Ja. Und ich möchte noch sagen, dass Sie, obwohl Sie mich als frech bezeichneten, eine sehr angenehme Stimme haben. Keine Ursache. Das war ein Missverständnis. Einfach weil sich in der Tasche eines meiner Patienten ein Zettel mit Ihrem Namen und der Telefonnummer befand, und er behauptete, dass Sie seine Frau seien. Anton Glöckner. Was!? Sie sind wirklich seine Frau? Aber Sie haben doch gesagt, dass Sie keinen Mann haben! Verzeihen Sie, ich wollte Sie keinesfalls beleidigen. Einer Frau zu sagen, dass sie keinen Mann hätte, bedeutet noch nicht, sie zu beleidigen. Außerdem haben Sie selbst… Verzeihen Sie. Also… Also… Verstehe. Verstehe. Verstehe. (Legt den Hörer auf.) Einen Dreck verstehe ich.
ANTON tritt ein.
ANTON: Erlauben Sie?
DOKTOR: (Zieht hastig den Mundschutz an.) Bitte.
ANTON: (Tritt nahe an den Doktor heran und flüstert ihm ins Ohr.) Doktor, ich leide an Gedächtnisverlust.
DOKTOR: (Drängt ihn von sich.) Ich weiß.
ANTON: (Verwundert.) Woher wissen Sie?
DOKTOR: Sie haben das selbst gesagt.
ANTON: Wann?
DOKTOR: Gerade eben. Und vorher auch.
ANTON: Wie konnte ich Ihnen das sagen, wenn ich Sie zum ersten Mal sehe?
DOKTOR: Mich? Zum ersten Mal?
ANTON: Und außerdem verberge ich das vor allen. Ich kann dieses Geheimnis nur einem Arzt anvertrauen.
DOKTOR: Aber ich bin doch Arzt, beim Teufel auch!
ANTON: (Erfreut.) Tatsächlich? Endlich! Also, Doktor, ich leide an Gedächtnisverlust.
DOKTOR: (Gießt sich aus einer Karaffe Wasser ein, nimmt ein Tablette und schluckt sie.)
ANTON: (Glücklich.) Ist Ihnen schlecht?
DOKTOR: (Fasst sich ans Herz.) Ja.
ANTON: Sind Sie tatsächlich Doktor?
DOKTOR: Versteht sich.
ANTON: Und warum ist Ihnen dann schlecht? Schlecht geht es nur Kranken, und Doktoren geht es immer gut.
DOKTOR: Atmen Sie mich nicht so nahe an. Was wollen Sie von mir?
ANTON: Ich? Nichts. Sie kamen selbst hierher, ich hab` Sie nicht hergerufen
DOKTOR: Ich kam hierher? Sie haben mich nicht hergerufen? (Nimmt die zweite Tablette ein.)
ANTON: Mein Lieber, Sie sehen schlecht aus.
DOKTOR: (Finster.) Wie haben Sie das erraten?
ANTON: Interessant, wovon könnte das kommen?
DOKTOR: (Ironisch.) Wirklich, wovon?
ANTON: Sie sind sehr nervös. Sie müssen sich mehr um Ihre Gesundheit kümmern. Aber werden Sie nicht missmutig. Ich helfe Ihnen.
DOKTOR: Danke.
ANTON: Atmen Sie tiefer. Entspannen Sie sich. Gut so… Schlucken Sie diese Tablette. Ist Ihnen besser?
DOKTOR: (Finster.) Besser.
ANTON: Dann können Sie gehen. Auf mich warten andere Patienten. Falls es nicht besser wird, schauen Sie morgen zu mir herein. Rufen Sie den nächsten Kranken aus dem Wartezimmer herein.
DOKTOR: (Der völlig verstörte Doktor geht zum Ausgang, kommt aber zu sich, bleibt stehen. Mit unterdrücktem Zorn.) Ich rufe. Ich rufe die Sanitäter und die stecken Sie, wissen Sie, wohin?
ANTON: Wohin?
DOKTOR: (Schreit.) Ruhe! ICH bin Arzt, ICH bin Arzt, und nicht Sie! Merken Sie sich das, zum Teufel auch! (Beherrscht sich mit Mühe.) Entschuldigen Sie, ich bin verpflichtet, Sie zu behandeln und nicht anzuschreien. Setzen wir unser Gespräch fort. (Setzt sich an seinen Platz.)
Eine Frau tritt ein, ziemlich „pikant“ und gut gekleidet.
FRAU: Guten Morgen.
ANTON: (Freudig.) Bist du das?
FRAU: Wie du siehst, Liebster.
ANTON: Wie gut, dass du gekommen bist! (Beide umarmen und küssen sich.)
FRAU: Bring das Hemd in Ordnung und kämm dich! Wie fühlst du dich?
ANTON: Wunderbar.
DOKTOR: Gestatten Sie, wer sind Sie?
ANTON: Das ist meine Frau.
FRAU: (Reicht dem Doktor die Hand.) Ich heiße, wie Sie schon wissen, Marina. Marina Glöckner.
DOKTOR: Sehr angenehm.
FRAU: Als Sie mich anriefen, war ich ganz in der Nähe. Deshalb entschloss ich mich vorbeizuschauen.
DOKTOR: Und recht so.
FRAU: Habe ich Sie nicht gestört?
DOKTOR: Im Gegenteil, Sie können sehr helfen. Bei mir haben sich viele Fragen angesammelt, auf die ich eine verständliche Antwort erhalten möchte.
MARINA: (An Anton.) Lieber, warte ein bisschen auf mich im Wartezimmer, und dann werden wir zusammen nachhause fahren. (Begleitet ihn zum Ausgang und kehrt zurück.) Möchten Sie mir nicht anbieten, mich zu setzen?
DOKTOR: (Nimmt den Mundschutz ab.) Oh, entschuldigen Sie. Setzen Sie sich. Nicht hierher, das ist der Stuhl für die Patienten. Auf das Sofa, bitte. Eine Tasse Kaffee?
MARINA: Nein, danke. Wie schreitet die Behandlung meines Mannes voran?
DOKTOR: Nicht schnell, es gibt größere Schwierigkeiten.
MARINA: Ich bin überzeugt, dass so ein glänzender Arzt wie Sie, sie überwindet.
DOKTOR: (Geschmeichelt.) Woher wissen Sie, dass ich ein guter Arzt bin?
MARINA: Das wissen alle.
DOKTOR: (Geschmeichelt.) Also nun, alle…
MARINA: Ich bitte Sie. Sie sind doch so berühmt. Außerdem, wie sollte ich Sie nicht kennen, wenn Sie meinen Mann schon eineinhalb Jahre behandeln.
DOKTOR: Ich? Ihren Mann? Eineinhalb Jahre? Das ist unmöglich!
MARINA: Entschuldigen Sie, ich habe mich geirrt, nicht eineinhalb, sondern zwei.
DOKTOR: Sie scherzen! Ich habe Ihren Mann vorher nie gesehen.
MARINA: Ich verstehe. Ärztliche Schweigepflicht. Aber doch nicht vor der eigenen Frau. Es geht doch nicht um die „französische Krankheit“, sondern um eine psychische Störung. Wenn Sie wüssten, wie ich darunter leide!
DOKTOR: Kann ich mir vorstellen. Eine so bezaubernde Frau wie Sie verdient etwas Besseres. Vielleicht doch ein Tässchen Kaffee?
MARINA: Wenn Sie darauf bestehen, dann lehne ich vielleicht doch nicht ab.
DOKTOR: (Reicht dem Gast Kaffee und Gebäck.) Hier, bitte.
MARINA: Ich danke Ihnen. Jetzt habe ich den Erfolg Ihres professionellen Erfolgs begriffen.
DOKTOR: (Bescheiden.) Der ist einfach: Wissen und Arbeit.
MARINA: Nicht ganz so. Ein Arzt sollte in erster Linie als Mann anziehend sein. Das wirkt besser als jede Medizin.
DOKTOR: Meinen Sie?
MARINA: Ich bin sicher! Mit Ihrem Charme können Sie erstaunliche Erfolge erzielen. (Verführerisch.) Wenigstens, was die Frauen betrifft.
DOKTOR: (Nicht ohne einen gewissen Stolz.) Wirklich, die Medizin erkennt an, dass die Persönlichkeit des Arztes eine gewisse therapeutische Bedeutung hat.
MARINA: Nicht gewisse, sondern entscheidende.
DOKTOR: Wissen Sie, als wir am Telefon sprachen… Ich will sagen, dass mir Ihre Stimme sehr angenehm erschien… Übrigens, ich sagte das schon … Und nun, als ich Sie sah…
MARINA: (Verführerisch.) Sind Sie enttäuscht?
DOKTOR: Im Gegenteil. Übrigens, warum haben Sie mir zuerst gesagt, dass Sie nicht verheiratet wären?
MARINA: Hätte ich Ihrer Meinung nach am Telefon jedem Unbekannten Einzelheiten aus meinem Privatleben erzählen sollen und außerdem noch den Namen meines Mannes?
DOKTOR: Sie haben Recht. Aber es tut mir sehr Leid.
MARINA: (Spielerisch.) Was tut Ihnen Leid?
DOKTOR: Wären Sie nicht verheiratet, dann würde ich Sie mit Vergnügen hofieren.
MARINA: (Streng.) Ich verstehe Sie irgendwie nicht.
DOKTOR: (Schüchtern.) Nein, ich… Ich meinte…
MARINA: (Fährt fort.) Ich verstehe Sie wirklich nicht. Hofiert man denn verheiratete Frauen nicht?
DOKTOR: Man hofiert, natürlich…
MARINA: Und wo ist dann das Problem?
DOKTOR: Verstehen Sie, es gibt bekannte Prinzipien…
MARINA: Prinzipien?
DOKTOR: Bei mir gibt es eine Regel: Vermisch nicht Arbeit und Privatleben. Deshalb, zum Beispiel, hofiere ich nie Patientinnen.
MARINA: Sehr löblich. Aber ich bin keine Patientin.
DOKTOR: Sie sind die Frau eines Patienten.
MARINA: Vergessen Sie das. Ich habe von diesen Regeln gehört: Keine Romanzen mit Arbeitskolleginnen beginnen, mit seinen Patientinnen und Studentinnen, mit den Frauen seiner Verwandten und so weiter. Wenn das alle einhalten, wer wird denn dann mit uns noch Romanzen beginnen? Merken Sie sich: Hofieren muss man immer und alle, Mitarbeiterinnen, Frauen seiner Freunde, und um so mehr, die Frauen seiner Feinde. Und, Sie werden es nicht glauben, manchmal auch seine eigene Frau.
DOKTOR: Das heißt, Ihrer Meinung nach, sind diese Prinzipien…
MARINA: Lassen Sie die Prinzipien. Sagen Sie lieber ehrlich, dass ich Ihnen nicht genug gefalle.
DOKTOR: Ich versichere Ihnen, Sie gefallen mir sehr.
MARINA: Wenn eine Frau wirklich gefällt, hofiert man sie und denkt an nichts anderes. Das ist das einzig richtige Prinzip.
DOKTOR: Aber mein Alter…
MARINA: Sie haben ein wunderbares Alter.
DOKTOR: Ich bin viel älter als Sie.
MARINA: Der Mann sollte auch älter sein.
DOKTOR: Werde ich in Ihren Augen nicht lächerlich sein?
MARINA: Lassen Sie diese Gedanken. Sie sind ein Mann in der Blüte seiner Jahre. Wir sehen fast wie Gleichaltrige aus.
DOKTOR: Das heißt, Sie werden bestimmt nicht beleidigt sein, wenn ich Ihnen vorschlage, abends irgendwo zu essen?
MARINA: Ich werde beleidigt sein, wenn Sie mich nicht einladen. Ehrlich gesagt, das hätten Sie viel früher machen sollen.
DOKTOR: Ich weiß, aber es ist schwer, sich schon beim ersten Treffen dazu zu entschließen.
MARINA: Und ab welchem Treffen muss ein Mann handeln, wenn nicht beim ersten? Das zweite kann ja auch nicht stattfinden.
DOKTOR: Aber so spontan, von „Null auf Hundert“…
MARINA: Was heißt hier von „Null auf Hundert“, Doktor? Schildkrötentempo. Und wenn schon „Hundert“, dann doch wie eine Schnecke! Wir sind schon zwei Jahre bekannt, und Sie haben erst heute beschlossen, sich für mich zu interessieren. Und das auch noch sehr undeutlich.
DOKTOR: Zwei Jahre? Sind Sie sicher? Haben wir uns denn früher getroffen?
MARINA: Jetzt erkenne ich Ihr wahres Verhältnis zu mir. Eine Frau, die gefällt, vergisst man nicht.
DOKTOR: Sie gefallen mir sehr, aber… (Verstummt. In seinem Gesicht spiegelt sich offene Verwirrung. Wirkt denn der gedächtniszerstörende Virus wirklich so schnell?)
MARINA: (Sieht sich im Zimmer um.) Und Ihr Kabinett sieht noch imposanter und beeindruckender aus. Gleich zu sehen, dass dies die Praxis eines erfolgreichen vorwärts strebenden Arztes ist.
DOKTOR: (Bestürzt.) Kamen Sie auch früher hier her?
MARINA: Natürlich, und nicht nur einmal. Erinnern Sie sich denn nicht? Diese kleine Bronzestatue, scheint mir, war vorher nicht da.
DOKTOR: Sind Sie sicher, dass Sie früher hier waren?
MARINA: Wie sollte ich denn nicht sicher sein, wenn ich selbst meinen Mann zu Ihnen gebracht habe. Erinnern Sie sich denn nicht?
DOKTOR: Ich? (Unsicher.) Weshalb denn, ich erinnere mich, natürlich. (Träufelt in ein Glas Tropfen aus einem Fläschchen, gießt Wasser dazu und trinkt aus, wobei er sich bemüht, es unbemerkt zu tun.)
MARINA: Übrigens, ich mache mir Sorgen um ihn. Entschuldigen Sie, ich muss kontrollieren, ob er nicht gegangen ist.
(Marina geht hinaus. Der Doktor fühlt seinen Puls. Marina kehrt zurück.)
DOKTOR: Ist er nicht gegangen?
MARINA: Nein. Also, Doktor, ich möchte von Ihnen eine Bescheinigung über den Zustand meines Mannes bekommen, zusammen mit der Krankengeschichte über alle diese Jahre. Ich bemühe mich um eine Invalidenrente für ihn, und das Zeugnis eines kompetenten Arztes kann dabei sehr helfen.
DOKTOR: Hm… Sehen Sie, ich habe mich noch nicht festgelegt, worin seine Krankheit besteht.
MARINA: Wie, zwei Jahre waren dazu nicht ausreichend? Einem so erfahrenen Arzt, wie Sie?
DOKTOR: „Zwei Jahre“? Sagen Sie, und Sie haben zufällig keine Probleme mit dem Gedächtnis?
MARINA: Ich? Natürlich nicht. Woher denn?
DOKTOR: Einige Formen der Sklerose können ansteckend sein.
MARINA: Ich habe ein großartiges Gedächtnis. Aber – ich werde Sie nicht stören. Geben Sie mir bitte seine Krankengeschichte, und ich werde Sie nicht weiter von der Arbeit ablenken.
DOKTOR: Ich… Ich muss sie zuerst vorbereiten.
MARINA: Was heißt da vorbereiten? Drucken Sie sie am PC aus, und fertig.
DOKTOR: Ich muss etwas prüfen… Mir scheint, mein PC ist nicht in Ordnung… Können sie denn nicht heute etwas später vorbeikommen?
MARINA: Mit Vergnügen. (Steht auf, begibt sich zum Ausgang, bleibt dann aber stehen.) Übrigens, ich habe immer noch nicht verstanden, haben Sie mich zum Abendessen eingeladen, oder nicht? Oder haben Sie das auch schon vergessen?
DOKTOR: Versteht sich, Sie sind eingeladen.
MARINA: Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, aber wenn ein Mann eine Frau einlädt, teilt er ihr gewöhnlich mit, wohin und wann er sie abholt, oder wo und wann sie sich treffen sollen. Ich muss mich vorbereiten. Ich gehe doch nicht zu einem Rendezvous mit Ihnen in so einem Aufzug, in diesen Lumpen…
DOKTOR: Mir passen diese Lumpen vollkommen.
MARINA: Nein, nein, ich muss mich umziehen. Also, ich schaue in eineinhalb Stunden herein, und wir reden über alles. Und gleichzeitig nehme ich die Krankengeschichte mit.
DOKTOR: Ausgezeichnet.
MARINA: Haben Sie die Unterredung mit meinem Mann schon beendet?
DOKTOR: Noch nicht.
MARINA: Dann lasse ich ihn Ihnen noch hier. (Mit einem vielversprechenden Lächeln.) Bis bald.