Tränen im Sommer

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Aus der Reihe: Nelly #1
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„Lass die Finger von der Kleinen!“



„Was willst du denn, du Spinner“, sagte Ricardo verärgert zu Paolo. „Was ich mache, geht dich gar nichts an. Und jetzt verpiss dich, sonst ..."



Ricardo hatte Paolo an der Jacke festgehalten und stieß ihn nun weg. Sie waren einmal beste Freunde gewesen, dann hatte sich Ricardo schon als Dreizehnjähriger mit Alkohol und Drogen amüsiert, was Paolo zuwider war, seit seine große Schwester im Vollrausch vor einen Bus gelaufen und gestorben war. Sie waren erbitterte Feinde geworden, denn Ricardo ließ keine Möglichkeit aus, den fleißigen, stillen Jungen zu demütigen. Erst in der Oberstufe hatte das aufgehört. Paolo hatte allen Grund, sich um Nelly Sorgen zu machen, hatte er doch die Blicke des verliebten Mädchens richtig gedeutet. Aber so einer wie Ricardo war kein Mann für die erste Liebe einer Fünfzehnjährigen.



„Sonst?“



Ricardo stieß Paolo noch einmal gegen die Brust, aber ehe sich Paolo wehren konnte, kamen Martin und Kevin aus dem Gebäude.



„Ich behalte dich im Auge. Wenn du Nelly irgendetwas tust, mache ich dich fertig.“



Paolo drehte sich um und lief weg. Martin trat zu seinem Freund.



„Was wollte der Penner?“



„Der hat mir gedroht, dass ich die Finger von Nelly lassen soll. Lächerlich, spielt den Helden. Der soll mir noch einmal in die Quere kommen, dann kriegt er eins auf die Fresse.“



„Ja, genau!“, brüllte Kevin Paolo hinterher. „Auf die Fresse, aber sowas von. Wichser!“



Kevin hatte glasige Augen, seine Bewegungen waren fahrig, er wirkte aber vollkommen überdreht. Martin öffnete die Autotür und drückte Kevin hinein.



„Halt dein Maul und setz dich ins Auto. Es ist unfassbar, dass du dir in der Schule was einwerfen musstest.“



„Na und, es ist Wochenende“, lallte Kevin und wollte die Tür zuziehen.



Martin setzte sich neben Ricardo und sie fuhren los. Wie immer brachte Ricardo zuerst Martin und danach Kevin heim. Dann fuhr er zurück zur Schule und hielt vor dem Tor bei der Sporthalle. Er wusste, dass die neunten Klassen heute Nachmittag noch Sportunterricht hatten. In zwanzig Minuten würde es klingeln und dann wollte er Nelly abpassen. Vielleicht hatte er die Chance, sie nach Hause zu fahren.



Da er noch Zeit hatte, nahm er sein Handy und rief Linda an.



„Hallo, Schatz“, rief diese erfreut in den Hörer.



„Liebes, ich muss dir etwas sagen. Es fällt mir sehr schwer. Ich habe jemanden kennengelernt, der mir seit Tagen im Kopf herumschwirrt. Ich dachte wirklich, du bist die Frau fürs Leben, aber ich kann nicht mit dir zusammenbleiben, es wäre eine Lüge und das hast du nicht verdient. Süße, weine nicht, ja? Wir bleiben Freunde.“



„Wer ist sie? Kenne ich sie?“, schluchzte Linda.



„Nein, meine Liebe, sie wohnt in meiner Straße und muss bald wieder ins Internat. Ich möchte so gerne noch schöne Stunden mit ihr verbringen, ehe ich wieder eine Ewigkeit warten muss.“



Ricardo grinste und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Er lauschte auf die Reaktion von Linda, die nicht lange auf sich warten ließ.



„Oh Schatz, ich bin so stolz auf dich, dass du ehrlich zu mir bist. Aber natürlich bin ich auch traurig, dass wir nicht mehr zusammen sein können. Ich verstehe dich so gut. Du bist ein toller Mann und ich wünsche euch nur das Beste.“



Sie verabschiedeten sich und legten auf, als es zum Unterrichtsschluss klingelte. Ricardo stieg aus und lehnte sich mit den Händen in den Jeanstaschen lässig an das Geländer neben dem Weg zur Bushalte­stelle. Als Nelly und Simona um die Ecke kamen, glaubten sie ihren Augen nicht zu trauen. Dort stand ihr Traummann in voller Größe und stieß sich vom Geländer ab, um lächelnd auf sie zuzukommen.



„Na, meine Schönen? Wie war Sport beim Drachen?“



Nelly klopfte das Herz bis zum Hals und sie brachte keinen Ton heraus. Ihre Hand krampfte sich um den Gurt der Sporttasche. Simona war fassungslos und starrte ihren großen Schwarm an.



„Hast du auf uns gewartet?“



„Was dachtest du denn?“



Nelly hatte ihre Sprache nun auch wiedergefunden und sagte ernst: „Ich dachte, du wartest vielleicht auf deine Freundin Linda.“



Sie hielt Simonas Arm fest, damit sie sich nicht direkt an Ricardos Hals werfen konnte. Er winkte ab und tat so, als würde er eine Träne aus dem Augenwinkel wischen.



„Sie ist eine miese Schlange. Linda hat mich nach Strich und Faden betrogen, letzte Woche habe ich sie mit einem anderen Typen in einer Ecke erwischt.“



Nelly runzelte die Stirn und entgegnete: „Du hast doch heute noch mit ihr geknutscht.“



„Wir wollten es noch einmal probieren, aber es hat nicht funktioniert. Ich musste auch ständig an ein anderes Mädchen denken.“



Simona streckte die kleinen Brüste heraus und lächelte umwerfend. Sie dachte immer noch, sie wäre gemeint. Darum schob Nelly sie nun vorwärts.



„Na, so eine tolle Neuigkeit, da wird sich Simona aber freuen. Sie ist schon lange in dich verliebt.“



Simona drehte sich zu Nelly um und schaute sie böse an. Sie dachte: Nelly ist ja so eine peinliche Person, die blamiert mich hier vor dem tollsten Mann der Welt, aber sie meint es sicher nur gut.



„Nein, nein“, hörte sie Ricardo sagen, „es ist nicht deine Freundin, die ich nicht mehr aus dem Kopf kriege. Du bist es, Nelly. Ich möchte dich gerne näher kennenlernen. Darf ich euch heimbringen?“



Nelly schluckte. Simona schaute sie wieder an und hatte Tränen in den Augen. Der Mann ihrer Träume stand auf ihre beste Freundin, es war einfach ungerecht. Nelly war das alles unangenehm.



„Ähm, nein, du kannst mich nicht heimfahren. Wenn mein Vater das mitbekommt, dann erschlägt er dich und ich bekomme drei Jahre Hausarrest. Das geht nicht, aber danke. Vielleicht magst du Simona heimfahren?“



„Gut, dann horche ich sie ein wenig über dich aus. Simona, sei nicht traurig, ich finde dich nett, aber ich habe mich unsterblich in deine Freundin verliebt. Darf ich dich nach Hause bringen?“



Simona nickte, küsste Nelly auf die Wange und winkte ihr traurig und enttäuscht zu, ehe sie in den Sportwagen schlüpfte. Ihre Eltern waren um die Zeit noch nicht zuhause. Da war egal, dass sie aus dem Auto eines fremden Jungen stieg. Nelly winkte den beiden. Als sie an ihrer Bushaltestelle stand, hielt Ricardo nochmal neben ihr und ließ die Scheibe herunter.



„Bis morgen, meine Schöne. Jetzt freue ich mich noch viel mehr auf die Schule.“



Sein Lächeln war umwerfend, er zwinkerte und dann rollte er davon, neben sich Simona, die immer noch nicht zufriedener aussah. Aber wenigstens hatten die anderen Mädchen sie gesehen. Die steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Nelly atmete auf, als der Sportwagen um die nächste Ecke verschwunden war. Dann grinste sie verliebt vor sich hin.








Am Abend saß Simona aufgelöst neben Nelly auf deren Couch. Sie hatte eine Tafel Schokolade und eine große Tüte Chips vor sich und futterte vor lauter Frust alles durcheinander.



„So ein Scheiß, da denke ich die ganze Zeit nur an diesen Typen und merke nicht, dass er auf dich abfährt. Was gedenkst du nun zu tun?“



„Keine Ahnung. Ich mache mir ein bisschen Sorgen um dich. Bist du jetzt böse auf mich?“



„Nein, du bist meine beste Freundin und so eine Mädchenfreundschaft ist wichtiger als Jungs. Wir müssen zusammenhalten und ich gönne dir den coolsten Kerl von der Schule auf jeden Fall.“



„Echt?“, fragte Nelly und umarmte ihre Freundin. „Danke, Simona, ich mag ihn nämlich auch. Ich habe nur nichts gesagt, weil du ihn ja geliebt hast. Schlimm?“



Simona schüttelte den Kopf und kam sich mächtig großzügig vor. Es war ein gutes Gefühl, Nelly mit so einem tollen Mann zusammengebracht zu haben. So sah sie das jedenfalls, das machte den Verlust ein wenig leichter.



„Was wollte er denn über mich wissen?“



Nelly platzte fast vor Neugier, jetzt, wo sie den Segen ihrer besten Freundin hatte.



„Alles! Einfach alles. Wo du wohnst, wer deine Eltern sind, ob du Geschwister hast und so weiter. Ich habe ihm deine Telefonnummer gegeben und soll dir sagen, er ruft dich später an, um Gute Nacht zu sagen.“



„Oh mein Gott, wirklich? Wann?“



„Um zehn. Also bleib locker, es sind noch drei Stunden bis dahin.“



„Die ich nicht überleben werde. Wie aufregend.“



„Nelly, essen kommen“, hörten sie Christian von unten rufen.



„Ja, Papa, wir kommen gleich! Ich kann doch jetzt nichts essen!“



„Du musst, sonst merkt dein Vater gleich, was los ist. Du hast doch selbst gesagt, er findet es zu früh, dass du dich verliebst. Wenn der herausfindet, wie alt Ricardo ist, brennt die Luft.“



„Du hast recht. Ich muss das erstmal für mich behalten. Ob ich wenigstens Mama davon erzählen kann?“



„Bloß nicht, die reden doch sicher miteinander über dich. Und denk dran, das Handy lautlos zu stellen, sonst kriegen sie mit, wenn er dich anruft. Du kannst ja fragen, ob du noch mit Wuschel vor die Tür kannst. Erzähl irgendwas, damit du ungestört bist.“



Nelly wusste nicht, was sie denken sollte und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, darum kamen ihr die Vorschläge ihrer Freundin absolut logisch vor. Sie ahnte nicht, dass es genau die Heimlichkeiten waren, die ihr Probleme bringen würden. Beim Essen taten die Mädchen vollkommen unschuldig und berichteten vom langweiligen Schulleben. Dann verabschiedete sich Simona und Nelly verschanzte sich auf ihrem Zimmer.



Kurz vor zehn rief sie laut in den Flur: „Ih, Wuschel, du Ferkel, du hast gepupst! Mama, Wuschel hat gepupst, ich glaube, der muss nochmal um die Ecke.“

 



„Schatz, es ist gleich zehn, dann musst du dich aber sehr beeilen. Zehn Minuten, nicht länger und nimm die Taschenlampe mit.“



Katja begleitete Nelly und Wuschel zur Tür. Sie schaute ihnen nach, wie sie schnellen Schrittes um die Ecke verschwanden. Katja ging zurück ins Wohnzimmer und setzte sich zu Christian auf die Couch, der erstaunt sein Buch weglegte, als sich seine Frau an ihn schmiegte.



„Ich liebe dich wie am ersten Tag, mein Schatz“, flüsterte Katja ihm ins Ohr.



Christian nahm Katja in den Arm und sie küssten sie liebevoll.



„Wo ist Nelly hin?“



„Schnell um die Ecke mit Wuschel, er hat gepupst. Ich finde es erstaunlich, wie gut sie sich um den kleinen Hund kümmert. Nelly ist ein gutes Mädchen.“



Statt einer Erwiderung griff Christian intensiver nach seiner Frau und küsste sie vom Ohr abwärts. Er dachte: Ja, unsere Tochter hat sich gut entwickelt, wir können stolz auf sie sein.



Vor der Tür hatte Nelly das Handy in die Hand genommen und auf den Anruf von Ricardo gewartet. Pünktlich um zehn Uhr klingelte es leise und sie ging sofort dran.



„Hallo, meine Schöne“, meldete er sich mit tiefer, angenehmer Stimme. „Ich wollte dir noch gute Nacht sagen. Bist du schon im Bett?“



„Hallo, Ricardo, ich bin noch mit dem Hund draußen, weil meine Eltern nichts von dir wissen dürfen. Ich weiß nicht, wie sie reagieren würden. Wir sollten uns erst ein bisschen besser kennen, ehe ich ihnen von dir erzähle. Ist das in Ordnung?“



„Klar, meine Süße, das ist gut so. Alles, was du willst. Sag mir aber eines: Habe ich eine Chance, dass du dich in mich verliebst?“



„Ich … ich … ich bin schon eine Weile in dich verliebt. Seit dem Tag an der Tischtennisplatte.“



„Ich wusste es, mein Engel, mir geht es genauso. Ich liebe dich wirklich sehr und muss immer an dich denken. Am liebsten würde ich dich jetzt in meinen Armen halten und küssen.“



Nelly atmete heftig ein und aus. So etwas hatte ihr noch kein Mann gesagt. Sie hatte zwar schon den einen oder anderen Schwarm gehabt, aber bis auf ein schüchternes Küsschen war nichts passiert. Wenn Ricardo küssen sagte, dann hörte es sich wahnsinnig aufregend und sinnlich an. Sie hatte Gänsehaut.



„Ich muss wieder rein. Ich … ich … liebe dich auch. Sehen wir uns Montag?“



„Natürlich, meine Süße, ich warte vor der Schule auf dich. Darf ich dich dann küssen?“



„Ähm, ja, ich glaube schon. Aber nicht so sehr, wenn Simona dabei ist. Gute Nacht.“



„Bis morgen, schlaf schön, Engel. Ich melde mich morgen wieder.“



Sie legten auf, Nelly zitterte immer noch vor Aufregung, aber es half ja nichts, sie musste wieder ins Haus.



„Wir sind wieder da! Gute Nacht, Mama und Papa!“



„He, kriege ich keinen Kuss?“, fragte Christian aus dem Wohnzimmer.



Nelly sah in den Spiegel. Sie war leicht errötet, aber sonst ging es. Freundlich lächelnd öffnete sie die Tür und sah Katja und Christian eng umschlungen auf der Couch sitzen. So wollte sie in Zukunft mit Ricardo sitzen und sich küssen.



Sie beugte sich zu ihren Eltern herunter und sagte nun richtig gute Nacht. Christian lächelte und winkte seinem Mädchen hinterher. Dann nahm er Katja auf den Arm und trug sie ins Schlafzimmer.



„Ich liebe dich. Wie gut, dass Nelly jetzt im Bett ist. Lass mich mal …“



Er zog Katja das Shirt über den Kopf und presste seine Lippen in die kleine Kuhle am Schlüsselbein. Katja lehnte sich wohlig zurück und genoss eine wunderbare Nacht voller Liebe und Zärtlichkeit.



Nelly lag in ihrem Bett, neben sich Wuschel, und dachte unentwegt an Ricardos Worte. Sie stellte sich mit geschlossenen Augen seine Lippen vor, die ihre berührten. Ein leises „Pling“ ließ sie aufschauen. Er hatte ihr eine Nachricht geschickt: „Ich denke an dich und deinen wunderbaren Körper. Noch niemals habe ich ein so schönes Mädchen gesehen. Kuss.“



Sie schrieb zurück: „Du bist der aufregendste Mann, den ich kenne. Kuss zurück.“



Dann blieb das Handy still. Mit einen Lächeln schlief Nelly ein.








„Siehst du, sie frisst mir jetzt schon aus der Hand und du musst doch zugeben, dass sie echt scharf ist für ihr Alter.“



Ricardo hatte Martin die Nachricht gezeigt. Der nickte nur. Er machte sich wirklich Sorgen, weil Nelly noch so jung war, aber er wusste auch, dass Ricardo alle haben konnte, die er wollte. Kevin saß vor der Spielkonsole in Martins Wohnzimmer und spielte unkoordiniert Autorennen. Ständig musste er neu beginnen, weil er das Auto zu Schrott fuhr. Er hatte sich immer noch nicht wieder im Griff, war durch die Pillen, die er genommen hatte, aufgedreht und wirr. Die beiden anderen beachteten ihn nicht. Solche Exzesse waren sie von Kevin gewohnt, besonders am Wochenende. Sie selbst hatten heute nichts genommen, aber der Abend war noch lang. Nun erhob Ricardo seine Bierflasche und prostete Martin zu.



„Auf die Weiber!“



„Ach, scheiß auf die Weiber!“, entgegnete Martin.



„Komm, sei nicht so, du könntest dir auch mal wieder ein bisschen Spaß gönnen. Die Freundin von Nelly ist doch auch nicht zu verachten. Die hat süße, kleine Titten …“



„Halt die Klappe, ich stehe nicht auf kleine Mädchen.“



„Spielverderber. Komm, wir hauen ab und gucken, wo Party ist. Ich mache dich besoffen und schubse dich zu einer Tussi ins Bett.“



Martin murmelte irgendetwas Unverständliches, ging zur Spielkonsole und schaltete sie einfach aus, dann nahm er Kevin den Controller aus der Hand und warf ihn auf die Couch.



„Komm, Alter, Party. Gib mir mal eine von den bunten Drops!“, forderte er seinen Kumpel auf, der sofort in die Hosentasche griff und ihm die kleine Tüte zuwarf.



Draußen hupte das Taxi. Sie fuhren lieber nicht mit dem eigenen Auto, denn die Polizei kontrollierte in letzter Zeit häufiger. Und drei junge Kerle in einem Sportwagen wurden immer sehr streng durchgecheckt. Keiner hatte Lust, seinen Führerschein zu verlieren.



„Komm, Ricardo, gönn dir auch ein bisschen Glücksgefühle. Kevin, wo hast du bloß immer das geile Zeug her? Nein, erzähl es mir nicht, ich will es gar nicht wissen. Ich wette, du weißt die chemischen Bestandteile, auch wenn du noch so dicht bist, oder?“



„Wetten, dass … ich weiß alles“, lallte Kevin fröhlich, „das ist Methyl-Benzo-Dioxol-Butanamin, die beste Zusammensetzung überhaupt. Bin ich gut, Alter, oder bin ich gut?“



Martin nahm ihn am Arm, als sie zum Taxi gingen, das nun schon dreimal gehupt hatte. Ricardo setzte sich nach vorne, die beiden anderen rutschten auf die Rückbank.



„Du bist der Beste und Schlauste von uns“, sagte Martin und klopfte Kevin anerkennend auf die Schulter.



Sie landeten in der Stadtmitte, wo eine Hausparty angekündigt war. Martin kannte den Bewohner des Hauses zwar nur vom Sehen, aber jeder kannte die drei jungen Männer. Gegen Morgen waren Kevin und Martin auf der Couch eingeschlafen. Ricardo stand wild knutschend mit einer rothaarigen Schönheit auf dem Balkon. Ihre Hände griffen nach seinem Hosenbund und rissen am Reißverschluss herum.



„Komm, lass, Nora, ich habe eine Freundin. Tut mir leid, wir können nicht vögeln. Das wäre Scheiße, also hau ab.“



„Arschloch“, sagte Nora und verschwand.



Ricardo sah das Morgenrot und wollte nur noch in sein Bett. Er hatte sich gegen eine Pille entschieden, denn er wollte klar im Kopf sein, wenn er mit Nelly telefonieren würde. Nach einem Blick auf Martin und Kevin rief er sich ein Taxi und ließ sich heimfahren, wo er sich den Wecker auf drei Uhr nachmittags stellte. Dann schlief er ein.








Das Handy vibrierte auf dem kleinen Schränkchen neben Nellys Bett. Verschlafen tastete sie danach. Es war still, sonntags regte sich kaum etwas im Haus, nur Christian war schon kurz bei Benjamin. Er würde zum Mittagessen wieder das sein. Danach hatten sie sich bei Bea und Hannes verabredet, denn Besuch war da: Lauren, Nick und die zwölfjährige Polly. Oliver würde in den Semesterferien kommen und ein paar Wochen im Weingut arbeiten.



„Hallo, Nelly, du glaubst nicht, was mir passiert ist!“



„Och, Simona, es ist acht Uhr, warum bist du schon wach?“



„Ich habe vor einer halben Stunde schon mal angerufen. Sag mal, warum hörst du dein Handy nicht?“



„Er hat gestern Abend noch angerufen. Ich musste rausgehen, damit wir reden können. So, wie du es gesagt hast.“



„Super! Was sagt er denn?“



„Er will mich Montag in der Schule küssen.“



Nelly musste den Hörer ein wenig weghalten, denn Simona kreischte begeistert. Warum war dieses Kind schon so unanständig wach?



„Du wolltest mir sagen, was dir passiert ist, also schieß los!“



„Ich war schon saufrüh wach und bin zum Bäcker gegangen. Als ich zur Tür rein wollte, kommt mir ein wahnsinnig gutaussehender Typ entgegen und rennt mich fast um. Meine Brötchentüte fällt zu Boden und er hilft mir, alles wieder aufzuheben. Er ist so süß, ich bin verliebt.“



„Ein gutaussehender Junge bei unserem Bäcker? Das gibt es ja gar nicht. Wie alt?“



„Ähm, das ist das Problem.“



„Was? Spann mich nicht auf die Folter.“



„Er ist sicher schon dreißig. Erwachsen. Scheiße, oder?“



„Ja, Simona, das ist Scheiße. Also bitte vergiss ihn. Das geht ja gar nicht.“



„Bleib im Bett, ich komme und wir reden über alles. Willst du ein Brötchen oder ein Croissant?“



„Nein, bitte keine Krümel im Bett. Komm her, ich stehe auf. Bring mir ein Brötchen mit. Beeil dich.“



Nelly sprang aus dem Bett, Wuschel streckte und schüttelte sich, dann liefen die beiden die Treppe hinunter und Nelly öffnete dem Hund die Terrassentür, damit er in den Garten laufen konnte. Sie eilte ins Bad, putzte sich die Zähne und wartete auf Simona. Zehn Minuten später riss sie die Haustür auf, ehe ihre Freundin klingeln konnte.



„Sei leise, meine Mutter schläft noch. Willst du einen Tee oder lieber Kakao?“



„Ich bin fast erwachsen, mach bitte eine Tasse Kaffee für mich.“



Simona ließ sich auf den Stuhl am großen Esstisch sinken und seufzte theatralisch. Dann schaute sie Nelly zu, die Kaffee machte, sich selbst einen Kakao zubereitete und im Kühlschrank nach Butter und Frischkäse kramte. Sie begannen zu frühstücken.



„Er war so süß, ich hoffe, ich sehe ihn wieder. Ich hätte nicht gedacht, dass mir ein älterer Mann mal gefallen könnte.“



„Simona, er ist doppelt so alt wie du. Vergiss ihn. Kannst du dich nicht in einen aus der Schule verlieben? Wie wäre es denn mit dem Kumpel von Ricardo.“



„Nein, iiiih, der ist doch ekelhaft. Kevin ist ein Penner.“



„Ach, den meine ich doch gar nicht. Was denkst du über Martin?“



„Hm, er sieht gut aus, aber er ist doch so ein reiches Söhnchen, der interessiert sich eh nicht für mich. Außerdem ist er einmal hängengeblieben, also voll alt.“



Nelly musste lachen.



„Das sagt eine, die vor zwei Minuten in einen alten Mann verliebt war. Ich kann ihn ja mal fragen, ob er dich mag.“



„Bloß nicht. Das war schon mit Ricardo peinlich genug, da hast du mich ausreichend blamiert.“



„Guten Morgen, wobei hast du Simona blamiert?“, hörten sie Katja von der aus Tür fragen.



„Guten Morgen, Frau Hardeg. Nelly hat einem Jungen gesagt, dass ich in ihn verliebt bin.“



Katja setzte sich zu ihnen und griff nach einem Croissant.



„Ja, ich stimme dir zu, das ist peinlich. Was hat der Junge gesagt?“



„Er meinte nur, er liebt … ähm … eine andere.“



Nelly hatte Simona unter dem Tisch gegen das Schienbein getreten und sie böse angesehen.



„Dumm gelaufen, vergiss ihn“, erklärte Katja, die nichts von Nellys Blick mitbekommen hatte, weil sie sich gerade an der Kaffeemaschine zu schaffen machte. „Seit wann trinkst du denn Kaffee, Simona?“



„Seit ich erwachsen bin, naja, fast erwachsen. Kaffee trinkt die Frau, die etwas auf sich hält, nur Kinder trinken Kakao.“



Nelly und Katja lachten schallend. Sie fanden es immer wieder herrlich, mit welchem Nachdruck Simona ihre Weisheiten kundtat. Dann küsste Katja Simona auf die Wange und setzte sich mit einer großen Tasse Kaffee neben sie.



„Auf das Erwachsensein, meine Liebe!“



Simona und Katja stießen an und betrachteten mitleidig das „Kind“ auf der anderen Seite des Tisches. Die rollte mit den Augen und ließ Wuschel auf ihren Schoß springen, der aus dem Garten wieder hereingekommen war.

 



„Wuschel, was soll man da machen? In zwanzig Jahren trinkt sie wieder Kakao, denn dann will sie für jünger gehalten werden.“



„Es ist schon in Ordnung so. Frau Hardeg, ich finde es toll, dass sie junggeblieben sind. Ich habe eine viel jüngere Mutter, aber die ist uncool.“



„Danke, Mädels, und jetzt schnappt euch den Hund und lauf

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