Neues von C o o n

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Es ist eine klare Frostnacht und als ich nach oben sehe leuchtet ein funkelnder Sternenhimmel. Ich strolche die ganze Nacht herum und weder Mensch noch Tier scheinen heute ebenfalls unterwegs zu sein. Die Menschen tief eingemummelt in ihren Häusern, die Tiere entweder im Winterschlaf oder in warmen Verstecken. Einzig ein schwarzer Kater schaut nach dem rechten und bestaunt am nächsten Morgen den Raureif der sich auf einigen Tannenzweigen, Blättern und Grashalmen gebildet hat. Weiße Bäume ohne Laub, die Äste und Zweige, filigrane Kunstwerke einer einfallsreichen Natur, die Stämme wie festlich hergerichtet. Feste Formen scheinen sich in dem besonderen Licht aufzulösen. Ein etwas undichter Wasserhahn in einem Garten hat jetzt eine große Eisstalaktite entstehen lassen. Wasserreste die in Pflanzgefäßen noch vorhanden waren sind gefroren und es wird in den nächsten Tagen für die noch anwesenden Vögel schwerer werden an freies Wasser zu kommen. Die Natur scheint den Atem etwas anzuhalten und ein leichter Wind scheint doch zu sagen: „Nur Geduld, in einigen Wochen werden die Säfte wieder nach oben gelangen und dann wird mit Macht ein neues Wunderwerk entstehen“. Nur in einem Garten steht ein blattloser Baum mit rot-orangem Farbenspiel der Blüten: Nochmals muß ich mir die Hamamelis, auch Zaubernuss genannt, ansehen: Leicht duftend der Kälte trotzend. Erst vor rund 150 Jahren kamen diese Pflanzen aus Asien zu uns. Damit die Blüten die Kälte überstehen können, haben sie sich eine Besonderheit ausgedacht: Bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes rollen sich die einzelnen Blütenfäden ein. Wird es während des Tages wärmer, entrollen sie sich wieder. Die Einzelblüten sitzen büschelweise zusammen und bilden dichte Horste. Erst nach der Blüte erscheinen dann die gerundeten Blätter, die an die Haselnuss erinnern. Im Oktober werden die Blätter dann besonders farbig und dann abgeworfen. Die holzigen, ausgereiften Früchte schleudern unter lautem Knacken große Samen meterweit heraus. Die leeren Hülsen bleiben aber oft noch solange am Strauch haften, bis neue Blüten ihre farbige Magie zeigen.

Mitte Januar: Es ist seit einigen Tagen wärmer geworden und die Menschen lassen länger die Fenster zum lüften offen, um frische Luft einzulassen. Die Gartenböden sind aufgetaut und seit gestern sehe ich auch wieder die grünen Spitzen meiner geliebten Hyazinthen. Bereits vor 2.500 Jahren wurden diese Blumen von den Persern kultiviert und mein heutiger Respekt gehört ihnen, denn das haben sie gut gemacht. Keck haben sie Ihre grünen Blattspitzen nach oben gereckt – wohlgemerkt die Hyazinthen und nicht die Perser - fast wie kleine Königskronen, als wollten sie sagen: Wir trotzen dem Winter, das Frühjahr kann beginnen. Ich hoffe daß die Nächte nicht mehr eisig kalt werden, denn sonst sind meine geliebten Blumen in Gefahr. Wenn es erforderlich sein sollte, werde ich in besonders kalten Nächten vorbeikommen und die grünen Blattspitzen etwas mit meinem warmen Atem erwärmen. Auch einige Haare werde ich mir aufheben um diese rings um die Blumen zu verteilen und etwas zum Schutz der Pflanzen beizutragen, die mich im vergangenen Jahr so erfreut haben.

Soeben gibt es stärkeren Regen und gehe ich wieder vom Garten zurück ins Haus um auch hier nach meinen anvertrauten Mitmenschen zu sehen. Martina und Manfred sitzen auf der Couch und haben eine Bedienungsanleitung in der Hand: „Sieh mal Martina, jetzt haben wir einen Staubsaugroboter hier, und Du brauchst nicht mehr selbst Staub zu saugen!“ Hoppla, denke ich, eigentlich hat doch Manfred die Aufgabe des Staubsaugens übernommen, wieso soll dieser Roboter dann ein Vorteil für Martina sein? Aber auch Martina scheint fasziniert von der Maschine zu sein. Die Station scheint bereits aufgeladen zu sein und so bewegt sich ein kreisförmiger Gegenstand mit einem Durchmesser von 35 cm, einer Höhe von 10 cm und einem Gewicht von 7 kg durch den Raum. Manfred klatscht begeistert in die Hände: „ Laser-Navigationssystem, mehrere Kameras, saugt auch auf Teppichboden, beutellose Technik, gegenseitig rotierende Borsten. Das Wunderding fährt selbständig und rechtzeitig in die Ladestation und selbst herumliegende Kabel sind kein Problem. Sogar die Absturzgefahr bei Treppen wird erkannt und die Maschine kehrt rechtzeitig von selbst um damit nichts passieren kann. Die Pinsel kann man herausdrehen und sorgen deshalb auch für die zuverlässige Reinigung der Ecken“. Auch Martina ist hin und weg von der Maschine: „Endlich mal ein vernünftiges technisches Gerät das Du gekauft hast. Wenn wir nachher auf Besuch zu meinen Eltern fahren, lassen wir den Staubsaugroboter im 1. Stock laufen, damit alles durchgesaugt wird“. Manfred trägt die Maschine nach oben, steckt den Stecker der Ladestation in eine Gangsteckdose und lässt den Roboter sein Werk beginnen. Alle Zimmertüren sind geöffnet und ich schaue interessiert der Maschine zu, die emsig herumfährt. Als sie an der obersten Treppenstufe arbeitet, wendet sie sich rechtzeitig um und sie stürzt nicht ab, sondern verrichtet an anderer Stelle ihre Arbeit weiter. „Martina, hör´ mal wie leise sie ist, nur 60 Dezibel und der automatische Neustart nach dem Ladevorgang, einfach der Hit“! Nur selten erlebe ich Manfred so begeistert bei einer Sache, aber schön, auch wenn es nur eine Maschine ist die ihm Spaß macht, ich gönne es ihm von Herzen ein neues Spielzeug zu haben. Während ich Manfred zuschaue, der sich wie ein kleines Kind an dem Gerät begeistert, hat Martina aus der Küche einige schmackhafte Thunfischstückchen für mich kleingeschnitten und bringt diese auf einem flachen Brettchen mit nach oben, wo ich immer noch dem Staubsauger und besonders Manfred zusehe, der wie ein Kind am Gabentisch, sich an dieser technischen Errungenschaft erfreut.

„Coon, hier auf diesem Brettchen stelle ich dir noch einige kleingeschnittene Häppchen hin, denn wir gehen jetzt fort zu meinen Eltern und werden erst spät am Abend zurückkommen. Bleib bitte brav und stelle nichts an“! – Was die Menschen immer nur haben denke ich mir. Wie ist denn die genaue Definition für brav? Brav im Sinne eines Menschen? Also still in eine Ecke legen und schlafen bis man wieder geweckt wird, oder brav im Sinne einer Katze, heißt aufmerksam die Umgebung beobachten, untersuchen ob alles in Ordnung ist und keine Gefahren bestehen? Nun ja, bestimmt denkt sie an die fortschrittlichste Variante, also die für Katzen. Am liebsten würde ich dazu salutieren und rufen: Ganz wie Madame befehlen - aber ich lasse es bei einem kurzen Nicken, was ausdrücken soll: Natürlich werde ich wie immer mein bestes geben. Dann schaue ich nach den kleingeschnittenen Fischstückchen und probiere auch die ersten. Mein fachkatersches Urteil: Schmackhaft, häppchenweise zerteilt, kann man wieder beim nächsten Einkauf mitnehmen und mir ab und zu präsentieren.

Kurze Zeit später höre ich Manfred und Martina mit dem Auto davonbrausen, während ich weiter nach dem neuen Spielzeug von Manfred, seinem Staubsaug-Roboter sehe. Ich stelle mich davor, der Apparat fährt mir direkt an meine Pfoten, hat ganz schön Kraft denke ich mir, dann drehe ich mich schnell und stemme mich mit meinem Hinterteil gegen die Maschine um zu sehen wie groß die vorhandene Kraft wirklich ist. Als die Maschine erkennt, daß ich nicht von meinem Platz weiche, erkennt die Technik offensichtlich ein Hindernis und umkurvt dieses nun endlich. Beim nächsten Versuch setzte ich wieder mein Hinterteil ein um ein Hindernis zu erzeugen. Dann beginne ich Gegenstände wie Kissen auszulegen. Bei leichten Gegenständen werden diese weggedrückt, schwerere wie ein stabiles Möbelstück werden angefahren, dann dreht die Maschine und versucht an anderer Stelle alles aufzusaugen. Einen Versuch habe ich dann noch gestartet, als ich aufgesprungen bin und mich auf dem Sauger festgehalten habe. Ich kann Euch nur sagen, versucht das nicht, es hat etwas von einem Kreisel an sich, der sich an größeren Hindernissen mal hierhin, mal dahin bewegt und dazwischen anstößt, kurz abbremst und dann seine Reise, in anderer Richtung fortsetzt. Noch einige weitere Thunfischbröckchen nehme ich zu mir, dann lege ich mich etwas hin, denn die Erforschung von Gegenständen wie zum Beispiel bei diesem Staubsaug-Roboter macht müde. Im Unterbewusstsein höre ich die Maschine weiter saugen und ab und zu wache ich durch die Anstoßgeräusche auch wieder auf. Ein unruhiger Schlaf denke ich mir. Eigentlich müsste die Maschine abgeschaltet werden wenn ich ruhen möchte denke ich noch, dann nicke ich wieder ein.

Nach einiger Zeit erwache ich gestärkt und will nach meinen restlichen Fischstückchen sehen um mir diese zu Gemüte zu führen – doch zu meinem Schreck, sie sind weg. Einfach verschwunden. Wenn ein Eindringling im Haus gewesen wäre, hätten mich meine Instinkte rechtzeitig wach werden lassen, also nachforschen wo die Leckerli geblieben sind. Hier schnuppern, dort nachsehen, nur das leere Brettchen wo die Stückchen gelegen hatten, ist verschoben, an anderer Stelle wieder auffindbar, eindeutig leer. Jetzt kommt der Staubsauger, fährt über mein Essensbrettchen und verschiebt das leere Holzblättchen erneut. Aha – der Täter ist eindeutig überführt. Dieses laut Manfred „technische Wunderwerk“ stiehlt meine Nahrung. Ich springe zur Maschine und versuche sie anzuhalten und mit Zähnen und Krallen zu öffnen – ohne Erfolg. „Na warte mein Freund“ knurre ich, „mich zu bestehlen soll dir gedenken! Mit mir laufen solche Scherze bestimmt nicht. Das kannst du vielleicht mit Menschen machen aber doch nicht mit einem Kater! Gefährlich ist´s den Coon zu verärgern“! Ich postiere mich hinter den Staubsauger und drücke nun mit meinem ganzen Gewicht, die Maschine herunter. Vielleicht kann ich so mein Essen aus dem Roboterbauch herausdrücken denke ich mir. Nach einigen weiteren Versuchen erkenne ich jedoch daß die Maschine nicht bereit ist auf die Fischbeute zu verzichten. Ich knurre wieder: „Du selten dämliche Maschine, weißt Du denn nicht, daß man seine Herrschaften nicht bestiehlt? Na warte, wenn es nicht mit verbaler Überzeugung funktioniert, muß ich andere Seiten aufziehen“! Etwas resolut dränge ich mit meinem Körper den Roboter immer mehr in Richtung Treppe. Seine Elektronik versucht immer wieder die Richtung abzuändern, aber ich bin schließlich Winkelzüge bei Beutetieren gewöhnt und verhindere so daß mir der Sauger entwischt. Vor der obersten Treppenstufe versucht die Maschine ein rasches Umdrehmanöver, aber ich bin als erfahrener Jäger auf der Hut. Mit einem kräftigen Schubs meines Hinterteils schleudere ich das Gerät fest über die oberste Stufe. Der Schwung reicht sogar aus daß sich die Maschine mehrfach in der Luft überschlägt, krachend und scheppernd auf einige Treppenstufen knallt und unten im Gang, vor dem Treppenaufstieg, teilweise auseinandergeklappt liegenbleibt. Selbst der Inhalt im Sauger ist nun offen. Eine große Staubwolke fliegt herum und zerkleinerte Fischstückchen liegen dazwischen, eingestaubt auf dem Boden herum. Als ich nachsehe stelle ich fest, daß die eingestaubten Fischreste für mich nicht mehr brauchbar sind. Ich lasse sie mitsamt der räuberischen, nun defekten Maschine einfach liegen. Jetzt liegt das zerstörte, diebische Ding einfach so da und es lohnt sich nicht mehr sich darum zu kümmern. Brummelnd gehe ich Richtung Katzenklappe um im Außenbereich etwas meinen Zorn abzureagieren: Das hast du jetzt davon mich zu bestehlen du dummes Spielzeug. Es soll dir eine Lehre sein. Dann bin ich auch schon im Garten und atme die frische Luft dort ein. Wenn Marina und Manfred nach Hause kommen, können sie ihre diebische Maschine begraben und dann den freigesetzten Staub zusammenkehren, damit mein Heim wieder wohnlich und sauber ist bis ich zurückkomme.

 

Nachdem ich wieder meine gesunde Mitte gefunden habe, laufe ich in die 5. Querstraße zu Elvira, die mit meiner „Scottish Fold“-Katze Natasha zusammenlebt. Am geschlossenen Fenster erwartet mich mein Schatz auch schon: Mein Herzschlag erhöht sich sofort: Weiße Faltöhrchen mit gerundeten Spitzen, ein großer Kopf mit kurzer, breiter Nase, ein kurzes, breites Schnäuzlein, muskulöser Körper mit dichtem, kurzen Fell. Breite Brust, kräftige Beine, runde Pfoten, mittellanger, dicker Schwanz, die großen, runden Augen – ach ich bekomme schon wieder „Gänsehaut“ bei diesem Anblick. Auch ihr Herz scheint schneller zu schlagen bei meinem Anblick. Neben ihr sitzt ein schwarzes Katerchen mit weißen Pfötchen, bei dem auch die Mundpartie und die Ohren weiß sind. Es ist Charles, das Junge von Natasha und mir. Ich springe außen auf die Fensterbank und nur durch Glas sind meine Liebste mit ihrem Sohn und ich voneinander getrennt. Wir zwinkern uns gegenseitig an und unterhalten uns etwas miauend miteinander. Eben springt Charles innen vom Fensterbereich herunter, vielleicht hat er etwas gehört. Einige Augenblicke später höre ich die Außentür aufgehen und während sich noch Natasha und ich uns gegenseitig in den Augen des anderen verlieren, höre ich einen erschreckten Frauenschrei: „Charles nicht hinausgehen, komm´ zurück“, doch Charles scheint die günstige Gelegenheit der kurzfristig offenstehenden Türe genutzt zu haben um aus dem Haus zu entkommen. Elvira versucht den jungen Kater noch einzufangen, doch der ist trotz seiner Jugend schon erstaunlich gewitzt und entkommt ihr indem er in ein Gebüsch und von dort weiter in eine weitere Gebüschgruppe sprintet. So schnell ist Elvira – vor allem in ihren Filzpantöffelchen natürlich nicht. Sie ruft mehrfach nach Charles, doch der ist weg. Es wird Zeit für mich nun ebenfalls zu gehen und mich Charles etwas anzunehmen, denn bislang konnte ich ihm nur einige, wenige, kleine Kniffe beibringen die ein Kater unbedingt können sollte. Ich verabschiede mich von meiner Natasha und bedeute ihr sich keine Sorgen zu machen, denn schließlich werde ich mich selbst um Charles kümmern. Schon nach wenigen Minuten habe ich den „Flüchtling“ eingeholt und nachdem wir uns kurz begrüßt haben, nehme ich ihn für einige Lerneinheiten auf meinen Rundgang mit.

Der Junge friert und doch ist seine Neugierde geweckt. Fremde Lichter, Gebäude, Gerüche und Geräusche erstaunen ihn sichtlich, auch wenn er natürlich versucht mit seinen wenigen Monaten weltmännisch aufzutreten und einen auf „cool“ zu machen. Ein Auto nähert sich mit eingeschaltetem Licht und ich erkläre Charles, daß er rechts am Licht vorbeisehen soll, damit er nicht zu sehr geblendet wird. Als er nicht schnell genug hinter einen kleinen Baum springen will, helfe ich mit einem herzhaften Schubser nach. „Junge ermahne ich ihn nochmals, bei Autos nicht direkt ins Licht sehen, denn sonst bleibst Du zu lange am Boden kleben und die Autos fahren Dich tot“! Während wir den Weg Richtung Wald einschlagen, teste ich seine Reaktionen noch mehrmals bei entgegenkommenden Fahrzeugen. Schon nach kurzer Zeit, manchmal zu seinem eigenen Schutz durch einen kleinen Hieb von mir unterstützt, scheint er die überlebenswichtige Lektion richtig begriffen zu haben und er hastet stets rechtzeitig in Sicherheit, bevor ihm ein Fahrzeug zu Nahe kommen kann. Auch an die Temperaturen gewöhnt er sich allmählich, während ihm die vielen neuen Gegenstände und Gerüche noch Probleme bereiten. Vögel die auf Bäumen sitzen miaut er an und erwartet daß diese herunterkommen und mit ihm spielen. Natürlich wartet er darauf vergebens, denn welcher Vogel mag es schon wenn ihm während eines rauen Spiels die Schwanzfedern ausgerupft werden?

Wir marschieren an freiliegenden Wiesen vorbei, auf denen durch die Windverhältnisse noch ein kalter Schauer liegt. Raureif hat aus einigen kleineren, vertrockneten Büschen Miniaturbäume entstehen lassen und mancher unserer Schritte auf dem Gras erzeugt ein sanftes knirschen. Charles ist an allem interessiert. Hält sein Näschen in ein Wegerichgewächs und ist überrascht wie kalt und nass dieses weiße Pulver darauf ist. Es hört sich fast wie niesen an, als er die kalte Feuchtigkeit von seinem Näslein zu bekommen versucht. Innerlich muß ich lachen, wenn er seine nassen Füsslein emporhebt und das feuchte Nass abzuschütteln versucht. Allmählich nähern wir uns der Weide meiner Shetlandpony-Freunde, doch weder Kasper noch seine Stuten sind derzeit hier. Vielleicht wurden sie über die strengen Frosttage in einen geschützten Stall gebracht überlege ich mir. Charles besieht sich die leere Koppel und marschiert dann tapfer weiter mit mir an den Waldrand. Hier ist nochmals eine andere Welt die er kennenlernen muß. Moos unter vielen Nadelbäumen, während vertrocknete Blätter unter Buchen liegen. Welch ein Geruch, die Lunge reicht fast nicht aus die frische Waldluft einzuatmen. Irgend etwas raschelt im Gebüsch und im weiten Bogen nähern wir uns der betreffenden Stelle. Dabei zeige ich Charles, daß er immer auch auf die Windrichtung achten muß damit er nicht zu bemerkt wird. Als wir im Sichtfeld einige Wildschweine sehen und auch riechen können, entschließe ich mich im noch weiteren Bogen von dieser Stelle wegzukommen. Charles muß ich fast wegzerren vom Anblick dieser großen Wildtiere. Im Falle eines Angriffs durch die Wildschweine wäre er noch nicht erfahren genug diesen wehrhaften Tieren zu entkommen. Zudem wäre es ein großes Problem meiner geliebten Natasha zu erklären warum ich nicht besser auf ihren Sohn aufgepasst habe, wenn er verwundet nach Hause kommt.

Auf dem Rückweg zu ihr zeige ich Charles noch einige Vorgärten und erkläre ihm auch wer schlimme Hunde hat und auch sonst ein schlimmer Mensch ist. Immer langsamer trippelt der junge Kater jetzt hinter mir her und zeigt sichtlich Ermüdungserscheinungen. „Ja mein Kleiner“ meine ich nur „auch Lernen erfordert Energie und kann erschöpfen“.

Als wir uns der 5. Querstraße nähern wo Natasha wohnt, sehe ich ihre Mitbewohnerin Elvira, die an einige Laternenpfähle bedruckte Blätter aufhängt. Als wir uns einen der Aushänge ansehen, erkenne ich darauf ein Bild von Charles auf einem kurzen Text, mit Telefonnummer steht, wo Charles abgegeben werden kann. Nicht aufgeführt ist natürlich wie amateurhaft Elvira die Wohnungstüre gesichert hatte, denn Menschen geben nicht gerne Fehler zu die sie begangen haben.

Damit uns Elvira auch weiterhin nicht sieht, schleichen wir uns in einige, kleinere Zwischenverstecke, bis wir jetzt im Garten meiner Natasha stehen. Dort bedeute ich dem kleinen Charles jetzt ein lautes, klägliches miauen anzustimmen, damit ihn Elvira bemerkt und dann wieder ins Haus lässt, denn der Junge muß schließlich sein Futter bekommen, er ist schließlich noch im Wachstum. Schon nach kurzer Zeit wird er bemerkt und Elvira lässt ihn unter Tränen ins Haus hinein. „Du Ausreißer, ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht“ höre ich sie rufen, während ihr Charles mit seinem Miauen klarzumachen versucht, daß ihm nichts passieren konnte, da er mit mir unterwegs war. Doch sie versteht seine Sprache nicht. Ich hoffe er wird auch die schönen Grüße von mir an meine kleine Natasha ausrichten die ich ihm aufgetragen habe. Zudem, ganz ehrlich, etwas stolz bin ich schon auf den Kleinen, daß er bei unserem ersten gemeinsamen Ausflug sich doch ganz tapfer gehalten hat. Bei Gelegenheit werde ich ab und zu eine lebende Maus ins Heim von Natasha und Charles einschmuggeln, damit der Junge auch das Jagen richtig erlernt, denn das wird er auf alle Fälle gut gebrauchen können. Elvira stellt manchmal ein Fenster schräg auf, was eine hervorragende Ausganglage für den Mäuseschmuggel darstellen würde.

Da ich mich schon in der 5. Querstraße befinde, gehe ich einige Häuser weiter zu Elke und ihren beiden Kindern: Sven und Silke. Als ich an der Gartentüre miaue, öffnet Sven fast sofort die Türe. „Da bist Du ja endlich wieder einmal“ und er ist sichtlich erfreut. „Mama, Silke, ratet mal wer uns besuchen kommt? Hat ein schwarzes Fell und ist der beste Kater der Welt“. Diese Jubelarien machen mich doch etwas verlegen, denn da ich nicht alle anderen Kater der Welt kenne, kann ich natürlich kein objektives Urteil abgeben, doch in der Spitzengruppe bin ich bestimmt. Zudem ist es immer besser wenn andere dich loben, als wenn du dich selbst lobst. Gemütlich trete ich ein und sehe mich um, alles ist aufgeräumt, Elke und die Kinder wirken zufrieden. „Coon komme doch bitte mit in mein Zimmer ruft Silke, dann kann ich Dir zeigen was mir Mama zu Weihnachten geschenkt hat“. Natürlich folge ich einer so galanten Bitte einer jungen Lady und schreite hinter ihr her. „Fällt Dir etwas auf“? fragt sie und als mich umschauen, zeige ich mit der Pfote auf eine schöne Halskette, die um eine Porzellanbüste hängt. „Silber“, meint Silke, „aber sieh mal, wie die tollen Steine hier eingearbeitet sind, es sind alles Tigeraugen die da glänzen“. Ich sehe mir die Kette an und muß gestehen, sie gefällt mir, besonders als sie Silke jetzt umlegt. Wird eine richtige kleine Dame denke ich mir. Sven steht hinter uns und meint nur: „Frauen und Schmuck, wie langweilig“. Daran erkenne ich daß er noch nicht in der Pubertät ist, weil dann eher die Überlegung wäre ob er Mädchen noch verhauen sollte oder schon küssen will. Doch wenn der Junge so weitermacht wird auch diese Übergangszeit nicht mehr zu lange auf sich warten lassen. Sven gibt keine Ruhe, bis ich ihm auch in sein Zimmer folge. Jetzt zeigt er mir seine Geschenke, es handelt sich um einige bemalte Reiterfiguren aus Zinn. „Das ist ein Lanzenreiter, aus Napoleons „Junger Garde“ aus dem Jahr 1813. Die weiß rote Fahne unterhalb der Lanzenspitze und die tolle rote Uniformhose machen schon etwas her. Das Oberteil der Uniform ist am Wams rot, außen schwarz. Die rot-gelbe, quadratische Abdeckung der Schirmmütze sieht einfach prima aus. Sven erklärt sichtlich stolz: „Sieh mal, an einer Seite hat er ein Gewehr im Halfter und an der anderen Seite hängt sein Säbel herab. Hinten am Pferdesattel ist eine Deckenrolle für die Nacht befestigt und er wirkt so kraftstrotzend und unnahbar. Warte mal, jetzt stelle ich ihm gegenüber einen Preußischen Leutzoy Uhlan aus dem Jahr 1815 auf, unterhalb seiner Lanzenspitze ist eine schwarz-weiße Fahne angebracht. Fast alles an seiner Uniform ist in schwarz gehalten. Nur der Hut der Uniform hat einige gelbe Borde herabhängen. Auch er hat ein Gewehr dabei und einen Säbel an der Seite. In der Schlacht bei Waterloo, in heutigen Belgien, waren sich die beiden wohl feindlich gegenübergestanden“. Allein an diesen Äußerungen sehe ich daß Elke offensichtlich auch für Sven am Weihnachtstag das richtige herausgesucht hatte, denn er beschäftigt sich nicht nur direkt mit den Zinnfiguren, sondern will sich jetzt auch etwas mehr mit der damaligen Zeit beschäftigen. „Mama will mir in den nächsten Jahren noch einige Figuren kaufen, wenn ich Interesse an Geschichte habe“, meint Sven, während ich einen verführerischen Geruch durch Haus wittere. Ich nähere mich den Figuren und drücke ganz leicht mit der Pfote gegen die Berittenen, dann bewege ich die Figuren ganz vorsichtig über den Tisch, damit sie nicht herabfallen und beschaue mir alle Einzelheiten der kleinen historischen Erinnerungen. „Mama, Mama, ruft Sven, Coon ist ganz begeistert von den Figuren und sieht sie sich ganz genau an“! Was er natürlich nicht weiß: Ich will das pädagogische Vorhaben seiner Mutter damit natürlich unterstützen, denn sie will daß er sich mit mehr als nur Fernsehen und elektronischen Ablenkungen beschäftigt.

 

„Kommt bitte alle herunter“, ruft jetzt Elke, „das Essen ist fertig. Bringt bitte Coon mit“.

Als ob ich allein in den Zimmer geblieben wäre, denke ich bei mir, denn auf mein fachliches, geschmackliches Urteil, die Speisen betreffend, kann Elke mit Sicherheit nicht verzichten. Die Teller klappern noch etwas als der gebackene Fisch auf sie gelegt wird. Meine Portion ist dabei etwas größer, da ich so gut wie keinen Kartoffeln-Karotten-Stampf habe. Ich teste kurz auf meinem Teller den Fisch an und zeige mit der Pfote auf den Pfeffer und auf Muskat. Nachdem Elke leicht nachgewürzt hat, setzen wir uns zum Essen nieder. Die Kinder sind begeistert von der Essenszubereitung, und mit gutem Appetit schlagen sie zu. Auch bei Elke glänzen die Augen, vor allen Dingen, wenn sie zu mir hersieht. Nach dem Essen kümmere ich mich etwas mehr um sie und umschleiche und drücke mich an ihre Beine, bis sie schließlich lachend sagt: „Genug geschmeichelt, Du alter Charmeur, war ja nur ein einfaches Essen“, doch meine fachmännische Meinung fällt dafür wesentlich besser aus. Noch einige Zeit bleibe ich bei der kleinen Familie und Elke zeigt mir noch was die Kinder für sie gebastelt haben: „Eine gläserne Blumenvase, auf die außen, farbige Motive aus Papier, aufgeklebt wurden. Danach wurde das Papier besonders imprägniert, damit es sich nicht auflöst. „Die Glasvase haben meine tollen beiden auf einem Flohmarkt gefunden und dann selbst hergerichtet, ist das nicht ein tolles Geschenk“? Ich sehe mir das Werk an und muß gestehen, ich hätte es nicht so gut hinbekommen, aber dafür habt ihr ja auch vom Herrgott extra Finger bekommen. Noch einige Zeit bleibe ich in der Runde, bevor ich mich verabschiede, denn sie Kinder müssen morgen wieder in die Schule und auch Elke wird morgen wieder einen anstrengenden Tag vor sich haben.

Einige Tage später bin ich bei Metzger Josef und er freut sich sichtlich, auch wenn ich heute kein Sonntagsgeschenk für ihn in Form einer erbeuteten Maus oder Ratte aufweisen kann. Daran könnt ihr wahre Freunde erkennen, wenn ihr nur Euch selbst mitbringt und sie sich trotzdem über Eure Anwesenheit freuen. „Gerda, mein Schätzchen“, ruft er laut nach oben, „unser schwarzer Freund ist gekommen um uns zu besuchen“. „Hat er denn schon wieder eine grässliche Ratte oder eine Maus mitgebracht“? höre ich Gerda´s Stimme. Ich denke bei mir: Bestimmt hat sie sich versprochen und wollte eigentlich statt grässlicher Ratte das Wort prächtige Ratte gebrauchen. Schön wenn meine Geschenke so gut ankommen denke ich mir und nehme mir selbst das Versprechen ab, bei nächster Gelegenheit eine besonders prächtige, eindrucksvolle Beute mitzubringen. Josef lacht nur, geht in sein Kühlhaus und kommt in unsere Gemeinschaftsküche zurück, wo er ein kleines Mahl für uns bereitet. Seiner Frau ruft er zu: „Gerdalein, ich mache einige Fleischstreifen in der Pfanne zurecht. Wenn sie fertig sind, werde ich Dich informieren. In der Zwischenzeit werde ich auch Kaffee durchlassen und Brötchen aufbacken“. Von oben die Antwort: „Ich werde kommen, aber wirklich nur wenn Du mir hoch und heilig versprichst, daß kein Untier bei uns im Hof, oder in der Küche herumliegt“. Josef verspricht dies gerne lachend und wuselt gezielt in der Küche herum, während ich seinem Treiben zusehe. Aha, dort im großen Kühlschrank die Eier und Butterschmalz, in der Mühle ist Pfeffer, in einer auf einem Nebentisch stehenden Flasche ist offensichtlich Olivenöl in einer dunklen Flasche gelagert. Rötliche Zwiebeln und einige gefrorene Kräuter die mit in die Pfanne kommen, lassen schon bald einen verführerischen Geruch durch die Räumlichkeiten strömen. Gerda ist auch ohne herbeirufen bereits angekommen und hat sich in einen flauschigen Morgenmantel gehüllt. Die Haare rasch gekämmt, etwas Duft aufgelegt und die Zähne geputzt. Braves Mädchen denke ich mir und auch Josef freut sich sie so gut gelaunt zu sehen. Gemeinsam nehmen wir dann das Essen ein und habe ich schon gesagt daß es nicht verkehrt sein kann einen guten Metzger als Freund zu haben? Gerda und Josef sehen sich während des Frühstücks strahlend an und auch hier scheint ein harmonischer Sonntag vorprogrammiert zu sein. Ich lasse mich zwischendurch von beiden streicheln, weil dies oft beruhigend und harmonisierend auf Menschenkinder wirkt – und wenn ich dann wie jetzt auch noch ein wenig schnurre, weil auch mir das Streicheln gefällt, so ist jeder glücklich. Nach einiger Zeit lasse ich das erblühende Sonntagsglück wieder allein und gehe die nächsten Häuser und Grundstücke kontrollieren, während Josef und Gerda sich zärtlich in den Armen liegen.

Im Obstgeschäft bei Familie Friedrich, am Marktplatz 9, scheint ebenfalls ein geruhsamer Sonntag vorhanden zu sein. Daisy, eine asiatisch, dunkel gestromte Katze und Lilly, die den Perser-Anteil in ihrem Erbgut nicht verleugnen kann, antworten mir durch die geschlossenen Fenster als ich sie miauend rufe. Auch einige weitere Rufe kann ich hören, die vom Katzennachwuchs aus dem letzten Jahr kommen. Beide Katzen teilen mir mit, daß sie vor wenigen Tagen sterilisiert wurden und daß in ihrem Empfinden alles durcheinandergeht. Übrigens wurden sie vom gleichen groben Tierarzt sterilisiert, der mir vor wenigen Tagen die unnötige Vitaminspritze verpassen wollte und den ich deshalb ordentlich aufgemischt hatte. Als ich meinen Damen die Geschichte zurufe, sind sie sichtlich erfreut und meinen unisono, daß dieser Bursche genau auch dies verdient hat, weil er immer uns Katzen solche Schmerzen zufügt. Die Jungkatzen trösten ihre Mütter, da ich dies durch die geschlossenen Fenstern und Türen natürlich nicht tun kann. Wenn ich hinein könnte überlege ich mir, wäre ich bestimmt ein guter Trost für die beiden, doch die Menschen im Haus machen keine Anstalten uns heute zusammenkommen zu lassen. So singe ich zum Abschied den beiden sterilisierten Damen noch ein trostreiches Ständchen und kann sehen, daß Karl und Irma Friedrich oben am geschlossenen Fenster stehen und sich die Ohren zuzuhalten scheinen. Wie toll dabei Karl mit seinen Augen rollen kann, ist von hier unten beeindruckend zu sehen. Da mein Liedchen offensichtlich auch den Menschen gefällt, denn sonst wären sie ja nicht an Fenster gekommen, gebe ich nochmals eine größere Zugabe und jetzt kann ich soeben sogar erkennen, wie sich Karl, vor lauter Begeisterung über meine sängerischen Leistungen, die Haare rauft. Diese Geste sehe ich als besondere Wertschätzung an und gebe dafür noch eine weitere, besonders lange und laute Zugabe, bevor ich weitermarschiere.

Einen Tag später besuche ich zunächst das Anwesen von Jürgen, der heute in der Metzgerei Josef arbeitet. Großzügig frische ich im Garten alle Duftmarken auf, während sich im Hausinnern zwei Boxer-Hunde fast die Kehle herausbellen, weil sie mich im Garten bemerken und ich auch überhaupt keine Anstalten mache Geräusche oder Gerüche zu unterdrücken. Nur von der Nachbarschaft lasse ich mich nicht sehen, denn die sollen lieber auf Jürgen und seine Hunde sauer sein als auf mich.