Buch lesen: «Operation Jerusalem»
Jörg H. Trauboth
OPERATION JERUSALEM
Thriller
Jörg H. Trauboth
Operation Jerusalem
Thriller
Cover von Julika Riedel, Pudel & ARTig Webdesign, unter Verwendung des Photos von Marc O’Connell Photography mon_Rising_Sun_at_Sunset_St_Barts
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Impressum
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eISBN 978-3-96136-053-6
Print-ISBN 978-3-96136-052-9
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Wie immer für Dich
Der Polit-Thriller OPERATION JERUSALEM ist der zweite in sich abgeschlossene Roman mit dem ehemaligen Elitesoldaten Marc Anderson aus dem Deutschland Thriller „Drei Brüder“, erschienen bei ratio-books, ISBN 978-3-939829-64-5, englisch THREE BROTHERS, ISBN 978-3-96136-031-4, sowie als Hörbuch im GESAFA Verlag, ISBN 978-3-943273-05-2. (2019)
Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen, Organisationen und Personen sind frei erfunden, sofern sie nicht als reale Personen oder Institutionen genannt werden. Eine Ähnlichkeit von erdachten Handlungen mit realen Personen wäre zufällig und ist unbeabsichtigt.
Regierung ist nicht Vernunft, nicht Beredsamkeit – sondern Gewalt!
Wie Feuer ist sie ein gefährlicher Diener und ein angstvoller Herr;
Niemals, auch nicht für einen Moment, sollte sie unverantwortlichem Handeln überlassen werden.
George Washington
Erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
Abbildung 1: Israel heute. (Quelle: Wikipedia)
INHALT
HAUPTPERSONEN
PROLOG
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
ANMERKUNGEN UND DANKSAGUNGEN
ABBILDUNGEN
Karte: Israel heute
Karte: Israel fiktiv
Karte: Flug des ALPHA-Teams
HAUPTPERSONEN
PRÄSIDENT DER VEREINIGTEN STAATEN
Familienangehörige
GEORGE F. SUMMERHILL: Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
MARION SUMMERHILL: Ehefrau des Präsidenten
DAVID G. SUMMERHILL: Sohn und Berater des Präsidenten
SUSAN SUMMERHILL: Ehefrau von David G. Summerhill
JANE MAYER: Tochter des Präsidenten
ROBERT MAYER: Ehemann von Jane und Berater des Präsidenten
WILLIAM: Sohn der Mayers
FLORENCE: Tochter der Mayers
JELLY BEAN: Jack Russel-Hündin der Familie Mayer
Regierung/Mitarbeiter/Kongress
JOHN F. MARTIN: Stabschef im Weißen Haus
CHUCK JACKSON: Chef Secret Service
HENRY JOHNSON: Verteidigungsminister
MARTIN MC LAIN: Außenminister
MAX CAPITO: Direktor Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten (Central Intelligence Agency/CIA)
SALLY GIBSON: Pressesprecherin des Weißen Hauses
ANNE BROWN: Sprecherin des Repräsentantenhauses
TOBIAS HUNTER: Persönlicher Secret Service Agent des Präsidenten
YACHT „SUNDOWNER“
1. Besatzung
GERT RAIMUNDS: Kapitän (Deutschland)
DIMITRI ROMANOV: 1. Offizier (Ukraine)
MICHAEL FISCHER: 2. Offizier (Deutschland)
KARINA MARIE ANDERSON: Hotelmanagerin (Deutschland), Ehefrau von Marc Anderson
BOŠKO IMAMOVIĆ: 1. Ingenieur (Montenegro)
DARKO MARIĆ: 2. Ingenieur (Serbien)
SERGIO FABRINO: Koch (Italien)
DR. ULRIKE FELDHOFEN: Schiffsärztin (Deutschland)
2. U.S. Navy SEALs Begleitpersonal
PETER PATTERSON: Commander und Teamführer
BRIAN SMITH: Ingenieur
DICK WALKER: Kommunikation
DR. LUKE STEVENSON, LIEUTENANT COLONEL: Schiffsarzt
BILL: Medizinischer Assistent
BENJAMIN: Medizinischer Assistent und Physiotherapeut
JOHNNY BENETTI: Koch
MARITIME SECURITY SERVICES (MSS)
(Hamburg/Deutschland)
MARC ANDERSON: Team-Leader/Ex-Elitesoldat Kommando Spezialkräfte (KSK), Ehemann von Karina Marie
THOMAS (TOM): Ex-Elitesoldat Kommando Spezialkräfte (KSK)
HERMANN (HERMY): Ex-Elitesoldat Kommando Spezialkräfte (KSK)
ALE: Ex-Kampfschwimmer Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM)
THUNDER: Ex-Kampfschwimmer Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM)
MIKE: Ex-Kampfschwimmer Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM)
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
DR. HENRIETTE BEHRENS: Bundeskanzlerin
PAUL VOSS: Bundesverteidigungsminister
SUSANNE EHRLICH: Leiterin Kanzlerbüro
IRAN
HASSAN SCHIRAZI: Präsident und Regierungschef
MOHAMMAD HUSSEINI: Staatsoberhaupt/Oberster Religionsführer
ALI NAZ: Brigadegeneral, Führer der Revolutionsgarden.
ISRAEL
EHUD STRAUSS: Ministerpräsident
QUARTO STORCH: Chef des Auslandsgeheimdienstes Mossad
WEITERE WICHTIGE PERSONEN
HALIM MANSUR: Milliardär (USA)
CECILIA MANSUR: Ehefrau von Halim (USA)
PORTER: SEALs Team Leader (USA)
DR. ANDREAS BAKER: Diplom-Psychologe und Paartherapeut
TONI: Pilot (Kap Verde)
PROLOG
Nicht wenige ersehnten in diesen Jahren die Zeit des Kalten Krieges zurück, als sich die beiden großen Weltmächte bis an die Zähne hochgerüstet im Patt gegenüberstanden. Als Nikita Chruschtschow in den Vereinten Nationen mit seinem Schuh auf den Tisch eindrosch und später dennoch unter dem Druck von John F. Kennedy seine Raketen vor der Haustür der USA aus Kuba abzog. Angst vor der eigenen Vernichtung war damals der Garant für den Weltfrieden.
Jetzt hatte sich die Welt vollkommen verändert, und das hatte einen Grund. George F. Summerhill war der erste Präsident in der Geschichte der USA, der keine außenpolitische Machtpolitik mehr betrieb, sondern auf die völlige Erneuerung des in vielen Bereichen maroden Landes setzte. Diese Erneuerung gründete sich auf einer weltoffenen Handelspolitik. Das machte die USA zu einem beliebten globalen Handelspartner, aber der mächtige Einfluss als ehemalige militärische Supermacht war geschwunden.
Die amerikanischen Bürger freute die Entwicklung, denn es ging ihnen unter diesem parteilosen Präsidenten so gut wie nie zuvor. Die amerikanische Flagge wehte stolz im ganzen Land. Anders als in den vielen Jahren zuvor waren die Häuser und modernen Farmbetriebe zumeist bezahlt, denn die Menschen standen in gut entlohnter Arbeit. Und auch der Staat hatte die Verschuldungspolitik gestoppt.
Sicherheitspolitisch unterhielten die USA mit modernsten konventionellen und nuklearen Waffen den wohl effektivsten Heimatschutz der Welt, aber hielten sich konsequent aus den internationalen Konfliktherden heraus.
Die signifikante Reduzierung der militärischen Präsenz in ausländischen Regionen führte allerdings dazu, dass sich auch die militärischen Blöcke in der Welt verändert hatten. Mit dem Ausscheiden der USA aus der NATO hatte sich diese schnell aufgelöst. Die neu gebildeten Vereinigten Staaten von Europa verfügten über eine eigene Verteidigungsarmee mit nuklearer Potenz, und sie kooperierten neben den USA auch mit dem einstigen Erzfeind Russland, der wiederum ein Bündnis mit der neuen Supermacht China und auch mit dem erstarkten Iran eingegangen war.
Dessen Mullah-Regime hatte mit Hilfe Russlands aufgerüstet und zusätzlich gelernt, dass man die entscheidenden Schlachten kostengünstiger als Cyberwar führen konnte. Sorgen bereiteten dem Westen die modernen Topol-M-Interkontinentalraketen der Russen, die im Iran atomar abschussbereit standen. Auf jeder dieser Raketen war der Name einer israelischen Stadt zu lesen.
Nie war in der Welt die Kriegsgefahr durch Cyberwar, atomare, biologische und chemische Kriegsführungskompetenz größer. Jederzeit konnte ein kleiner Auslöser in den nächsten großen Krieg führen.
Das neue amerikanische Konzept, mehr Frieden durch Konzentration auf die eigene Verteidigung zu schaffen, stand somit in Zeiten der globalen Abhängigkeit und verfeindeten Ländern auf dünnem Eis.
Die US-Außen- und Verteidigungsminister forderten deswegen, mit zunehmender Unterstützung von Abgeordneten beider Lager, die Rückkehr der USA als militärische Supermacht. Und die Hardliner, die Falken im politischen Washington, hofften insgeheim auf einen konkreten Anlass zum Schaden der Vereinigten Staaten von Amerika, um den parteiunabhängigen Präsidenten George F. Summerhill von dem Richtungswechsel zu überzeugen.
Doch nur wenige wussten, dass der mächtigste Mann der Welt nur eine einzige offene Flanke hatte, an der er zu packen war: die Liebe zu seiner Tochter Jane und den beiden Enkelkindern, William und Florence.
KAPITEL 1
1.1
Washington D.C. lag an diesem kalten Januartag unter einer leichten Schneedecke. Der blaue Himmel mit den ersten Sonnenstrahlen täuschte aufkommende Wärme vor. Tatsächlich sorgte der über den Potomac fegende Wind für eine gefühlte Temperaturdifferenz, die David G. Summerhill beim Joggen über die Arlington Memorial Brücke fast den Atem verschlug.
Auch den beiden Beamten vom Secret Service, die dem Sohn des US-Präsidenten in wenigen Metern Abstand hinterherliefen. Sie mussten sich ziemlich anstrengen, denn der durchtrainierte David machte sich einen Höllenspaß daraus, sie abzuhängen. Meistens geschah das hinter dem Lincoln Memorial auf den kurvigen Wegen durch den Park. Heute war dieser drahtige, kleingewachsene Typ, der wegen seiner Glubschaugen und seines großen Gebisses im Weißen Haus süffisant als Haifisch betitelt wurde, offensichtlich besonders einfallsreich. Er rannte, stoppte, schlug Haken, überquerte wie wahnsinnig die Constitution Ave NW und lachte, wenn er seine beiden Verfolger wieder einmal getäuscht hatte.
David war ein Täuscher. Intelligent und erfolgreich hinzu. Er hatte zum Stolz seiner Familie die Zulassung zur Harvard Universität bekommen, wo er Politikwissenschaft studierte. Zum Entsetzen seiner Eltern hatte er jedoch das Studium nach vier Semestern beendet, wechselte in die Finanzwelt und verdiente in seinen wenigen Berufsjahren als Börsenmakler bereits Millionen. In der Branche galt er als Shooting Star. Vor ihm lag eine glänzende Finanzkarriere.
Doch dann kam alles anders. Der Präsident der Vereinigten Staaten wurde während eines Golfspiels von einem traumatisierten Kriegsheimkehrer ermordet, und der Vizepräsident, Davids Vater, wurde noch am selben Tag als Präsident vereidigt.
Damit öffneten sich für den zweiunddreißigjährigen David auf einmal ganz neue Wege. Das Schicksal hatte ihn mit einer kurzen, heftigen Welle in das größte Machtzentrum der Welt gespült.
David hatte dem Angebot seines Vaters, dessen Berater zu werden, sofort zugestimmt. Denn er sah die einzigartige Option, seine Israel-Visionen umzusetzen. Ideen, die an der Universität als irreal gegolten und allenfalls Erstaunen hervorgerufen hatten.
Die Familie Summerhill war jüdischen Ursprungs. David war der einzige in der Familie, der als strenggläubiger Jude galt. Dennoch sah er sich nicht als orthodoxen Juden an. Im politischen Washington spielte der Sohn des Präsidenten geschickt die Rolle des loyalen fachlichen Beraters. Er galt als der Nahost-Experte mit uneingeschränktem Zugang zu allen geheimen Dokumenten.
Sein Vater wusste allerdings nicht, dass sein Sohn seit Monaten mit Politikern aus dem nächsten Umfeld des israelischen Ministerpräsidenten einen neuen Nahost-Plan ausgehandelt hatte, der es in sich hatte. Kein Nahost-Friedensplan, sondern die kompromisslose Berichtigung einer falschen Landkarte, wie David meinte.
Sein Gott hatte im Alten Testament den zwölf Stämmen Israels ein Land zugesprochen, das weitaus größer war als das Israel von heute. Nach Gottes Willen reichte der israelische Landanspruch sogar bis in die Nähe von Damaskus und schloss fast den gesamten Libanon und Jordanien ein. Und nach Gottes Willen ist das Westjordanland Eigentum Israels. Das bedeutete für David, dass die Araber unrechtmäßig israelisches Land besetzt hatten. Das Volk Israel würde sehr bald für immer in seinem angestammten gelobten Land wohnen können. Die Verheißung Gottes an Abraham hätte sich endlich erfüllt, durch ihn, den Sohn des Präsidenten.
In den schlaflosen Nächten hatte er sich die neue Landkarte vorgestellt, in der es keine arabischen Gebiete in Israel mehr geben würde. Ein neuer Staat Israel mit Jerusalem als ungeteilte Hauptstadt.
Sein Plan war so einfach wie genial. Er musste nur durchgesetzt werden. Ohne die Vereinten Nationen oder endlose internationale Abstimmungen. Vater musste ihn nur wollen. Heute ging es ihm besonders gut, denn sein Plan ruhte fix und fertig auf einem USB-Stick in der Innentasche seiner Jacke.
David schaute sich um. Die beiden Agents hingen jetzt keuchend an seinen Fersen. Wieder und wieder fühlte er an die Innentasche. Er spürte über seinem pochenden Herzen diesen einen Datenträger, mit dem sich eine zweitausend Jahre alte Geschichte fügen würde.
An diesem Morgen fühlte sich David, als er das Machtzentrum der Welt erreichte, wie ein Gesandter Gottes.
Ich muss nur noch den richtigen Augenblick finden, um Vater zu überzeugen.
Als er in die Pennsylvania Avenue einbog und auf das Weiße Haus zu rannte, konnte er nicht wissen, dass heute sein Tag sein würde.
1.2
Sie blickten sich in Lauerstellung an. Verharrten wie eingefroren. Plötzlich griff Thomas mit beiden Armen zu, zog Marc mit einer blitzschnellen Bewegung über seinen Rücken und ließ ihn mit einem Tai-otoshi-Körpersturz auf den Boden krachen. Marc rappelte sich hoch.
Wieder standen sie sich gegenüber. Der schlanke durchtrainierte Marc wehrte den Angriff vom dem im Kraftraum gestählten Hünen Thomas ab, indem er dessen Handgelenk griff, ihm einen Schlag auf die Brust versetzte, sich unter Thomas Schulter schob und ihn mit einem perfekten Jiu-Jitsu-Schulterwurf zu Boden brachte.
Es krachte gewaltig in der Halle.
Marc zog seinen Freund nach oben.
Beide verneigten sich.
Die anderen vier Männer, allesamt ehemalige Elitesoldaten der deutschen Spezialkräfte, klatschten.
„Schluss für heute, Männer! Das war ein langer Tag. Nächstes Mal mit Waffen!“
Sie gingen unter die Dusche und waren wenig später auf dem Weg durch das dunkle Hamburg nach Hause. Doch sie blieben in Abrufbereitschaft.
Marc Anderson, der ehemalige Hauptmann des Kommandos Spezialkräfte (KSK) war mehr als zufrieden. Seitdem er als Chef seiner eigenen Firma Maritime Security Services (MSS) weltweit mit diesen Männern unterwegs war und MSS zu einer Marke unter den Reedereien werden ließ, ging es ihm in jeder Hinsicht gut. Fast so wie damals, als er mit seinen beiden KSK-Brüdern Thomas und Tim noch am Hindukusch gegen die Taliban gekämpft hatte.
Doch sie waren nur noch zwei. Tim lag nur wenige Kilometer weiter auf einem Hamburger Friedhof.
Marc hatte lange gebraucht, um die traumatischen Ereignisse mit Tim zu verkraften. Das Bild an der algerischen Felsenküste hatte sich derartig eingebrannt, dass er nachts oft hochschreckte. Er sah Tims Gesicht, den entsetzten Blick vom zögernden Thomas, die wirbelnden Geldscheine und Tims hilfeschreiende Augen unter Wasser. Immer und immer wieder.
Aber jetzt war es gut. Er half Thomas, den Verlust zu verarbeiten und Thomas ihm. Für Tim war Hermann, der ehemalige Hauptfeldwebel des Kommandos Spezialkräfte ins Team gekommen. Marc hatte ihn in Spanien wiedergefunden und ihn nach Deutschland geholt. Die neue Brüderschaft bewährte sich bestens.
Die drei hatten sich auf Schiffssicherheit spezialisiert. Aber anders als die Konkurrenz, fuhren sie eher selten auf den Schiffen mit, die auf gefährlichen Routen operierten wie in Südostasien und im Golf von Guinea und besonders in den Gewässern vor Nigeria. Sie wurden gerufen, wenn der Ernstfall eingetreten war. Der Trupp hatte sich darauf spezialisiert, gekaperte Schiffe zu entern, aus der Luft, aber am liebsten vom Wasser aus. MSS hatte damit ein Alleinstellungsmerkmal in der ohnehin sehr überschaubaren Branche.
Die Einsätze wurden so gut bezahlt, dass sich die Gruppe logistisch und personell auf einem Stand befand, den man eher nur bei den U.S. Navy SEALs kannte oder den Spezialkräften der Deutschen Marine. Bei denen hatte sich der Ruf der Hamburger MSS unter Leitung des legendären Marc Anderson so weit herumgesprochen, dass regelmäßig Bewerbungen eintrafen.
Inzwischen waren sie zu sechst. Die anderen drei kamen aus dem Kommando Spezialkräfte Marine (KSM) Eckernförde zu Marc. Ehemalige Kampfschwimmer (KS), die über zwölf Jahre stolz den Fisch, das Abzeichen der Kampfschwimmerkompanie, getragen hatten und aus Strukturproblemen eher ungern ausgeschieden waren.
Die drei Marinesoldaten waren hervorragende Schwimmer und Taucher und, wie die drei anderen Kameraden, herausragende Einzelkämpfer.
Fachlich verfügte die Maritime Security Services über Spezialisten für Tauch- und Waffentechnik, Kommunikation und medizinische Grundversorgung. Jeder war neben seiner spezifischen Aufgabe in der Lage, die Aufgabe des anderen zu übernehmen.
Marc hatte großen Wert darauf gelegt, dass in der MSS die modernste Ausrüstung und Waffentechnik sowie eine umfassende Kenntnis über neueste Einsatztaktik vorhanden waren, denn die Piraten lernten schnell. Ziel von MSS war es, ihnen immer ein Stück voraus zu sein. Da alle sechs im Großraum Hamburg wohnten, konnten sie innerhalb weniger Stunden ausrücken.
Einmal in der Woche war Übung unter härtesten Einsatzbedingungen angesagt. So wie heute Nacht, als sie im sieben Grad kalten Wasser blasenfrei tauchend mit dreißig Kilogramm Gepäck am Körper ein in der Elbmündung havariertes Containerschiff enterten. Das Entern erfolgte relativ zügig, aber dieses Mal hatte Marc eine „Feinddarstellung“ an Bord gebracht, die es zu überwinden galt. Hier zeigte sich das ganze Können des Teams.
Und trotzdem hätten zwei es nicht überlebt.
Als Marc in die Garage einfuhr, stand Karina Marie bereits in der Haustür, zog ihre langen schwarzen Haare nach hinten und breitete die Arme einladend aus.
„Komm rein“, sagte sie geheimnisvoll, „es gibt Neuigkeiten.“
„Marie, du wirst doch nicht das Schiff wechseln?“
„Ja, Marc, ich habe eine Anfrage der Hamburg Executive Lines bekommen, drei Monate als Hotelmanagerin zu arbeiten.“
Marc hob ihr Kinn, sah in ihre strahlend braunen Augen und strich ihr liebevoll über die Stirn. In ihrer weißen Bluse und sieben Achtel-Hose sah sie bezaubernd aus.
Karina Marie war inzwischen auf verschiedenen Schiffen als Hotel- und Kreuzfahrtdirektorin gefahren. Sie liebte diese Arbeit auf See, und sie erinnerte sich, wie schwer die Entscheidung für diesen Job gewesen war, nachdem sie eine Entführung auf der Princess Charlotte überstanden hatte. Das war inzwischen lange her und auch kein Thema mehr, zumal ihr Leben sich völlig verändert hatte.
„Und was treibt dich auf dieses Schiff?“, wollte er wissen.
Sie gingen durch das Wohnzimmer und schauten durch die Sprossenfenster auf die Elbe hinunter. Unten fuhr elbabwärts majestätisch die schwarz-rot bemalte Queen Mary 2, sicherlich wieder unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, in den Hamburger Hafen. Zwei Containerschiffe kamen ihr entgegen. Karina Marie liebte diesen Ausblick. Sie war Hamburgerin, entstammte einer Kapitänsfamilie, und sie liebte das Wasser.
„Ganz einfach, dreitausend Menschen und mehr sind mir einfach zu viel. Ich organisiere vierundzwanzig Stunden durch und lerne niemanden kennen. Meine Gäste kennen mich überwiegend nur von Lautsprecherdurchsagen. Die Zusammenarbeit mit der Crew ist wunderbar, meine Kapitäne waren bisher einsame Spitze, sofern ich sie gesehen habe, aber ich bin schon länger bereit für etwas Kleineres“, sagte sie.
„Um welches Schiff geht es?“
Sie zog ihn ins benachbarte Esszimmer zum gedeckten Abendtisch und nahm im Vorbeigehen aus dem kleinen Kapitänsschreibtisch ihres Vaters einen Prospekt aus der Schublade.
Er sah das Bild einer Megayacht mit einer unglaublich eleganten Linie.
„Wow! Das ist doch die brandneue deutsche SUNDOWNER der Hamburg Executive Lines! Der angeblich aktuell aufregendste private Schiffsbau der Welt! Mega!“
„Genau das Richtige für deine Mega-Frau!“
Marc las die technischen Daten:
140 Meter lang,
18 Meter breit,
25 Knoten,
40050 PS,
zwei Propeller,
bis zu 35 Mann Besatzung.
Räume für 20 Gäste, sechs Decks, Pool, Kino, Disco, Jet-Ski, vier mitgeführte Motorboote, Hubschrauberlandeplatz mit Hangar, Tendergarage mit Klein-U-Boot und ein All Around Security System. Wird nur pro Woche vermietet, so der Text.
Er schaute sich die Zeichnungen unter dem Sicherheitsaspekt genauer an. Viel wurde nicht verraten, aber vermutlich verfügte das Schiff über gepanzerte Bullaugen. Außerdem Scheinwerfer unter der Wasserlinie, um Taucher in der Nähe erfassen zu können. Weiter hieß es noch kurz und knapp im Kleingedruckten:
U-Boot und das Raketenabwehrsystem wurden von einer französischen Werft nachgerüstet. Nutzung jedoch aufgrund des deutschen Kriegswaffenkontrollgesetzes auf einer Privatyacht nicht möglich. Alle militärischen Komponenten für Charter deaktiviert.
„Meine Güte, das ist ja ein Zerstörer mit Wellness-Ambiente!“
„Richtig, Marc, und das ist ziemlich wichtig für meine Entscheidung. Auf diesem Schiff darf ich mich auf einen Top-Ser-vice für exklusive Gäste konzentrieren.“
Er legte den Prospekt zur Seite.
„Du willst es also wirklich, Liebes?“
„Ja, ich will!“
„Warum kommt mir dieses ICH WILL irgendwie bekannt vor?“, grinste er, „und warum weiß ich, dass das bei dir endgültig ist?“
„Weil ich hier bei dir bin, Marc“, lachte sie zurück, „komm lass uns das in Ruhe beim Abendessen besprechen.“
Im Gehen schaltete er über sein Smartphone die Surround-Anlage ein.
„Magst du etwas spanische Gitarrenmusik hören?“
Sie überlegte kurz:
„Noch lieber etwas von unserer Fado-Musik.“
„Fado, heute Abend? Das hat bestimmt einen Grund.“
„Ja, die SUNDOWNER wird in Lissabon für den nächsten Einsatz vorbereitet. Ich möchte mich schon einmal einstimmen“, bemerkte sie betont gelassen. Sie mochte kaum zeigen, wie sehr sie das Angebot freute, auf der weltbesten Megayacht die Hotelmanagerin zu sein.
„Wann soll es eigentlich losgehen?“
„Die Reederei sagt, wenn ich den Job möchte, soll ich mich ab sofort für einen Einsatz in den nächsten Wochen bereithalten. Die Kern-Crew sei schon in Lissabon. Sobald ein neuer Charter unter Vertrag sei, will man mich informieren.“
Er blickte zu ihr hinüber. Ihre Wangen waren leicht gerötet, die Augen strahlten. Mit ihren knapp dreißig Jahren wirkte sie jetzt wie ein kleines Mädchen, das das ganz große Los gezogen hatte.
Karina Marie war dankbar, dass Marc so vorbehaltlos hinter ihr stand. Bevor sie zusammenzogen waren, hatten sie vereinbart, dem anderen größtmögliche berufliche Freiheit zu lassen. Vor allem so lange sie noch kinderlos waren, auch wenn sie bereits auf ihr erstes Kind hofften.