Veyron Swift und die Todeszwei

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Aus der Reihe: Veyron Swift Shorts #3
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Veyron Swift und die Todeszwei
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Tobias Fischer

Veyron Swift und die Todeszwei

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Inhaltsverzeichnis

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Veyron Swift und die Todes-Zwei

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Veyron Swift und die Todes-Zwei

Tobias Fischer

Veyron Swift

und die Todeszwei

Tom Packard sollte nicht dazu kommen, seinen Hunger zu stillen. Es war ein schneereicher Tag und das Jahr 2013 gerade einmal achtzehn Tage alt, als er die Haustür hinter sich schloss.

»Unterricht ist zum Kotzen«, maulte er, warf seinen Rucksack mit den verwünschten Heften und Büchern in die Ecke. Endlich Wochenende! Wie wahrscheinlich jeder gesunde Sechzehnjährige dachte er nach einem so langen – vor allem langweiligen – Tag erst einmal ans Essen. Er wusste ja, dass Mrs. Fuller, die stets umsorgende und wohlmeinende Nachbarin, sicherstellte, dass im Hause Veyron Swift die Nahrungsmittel nie ausgingen. Schnurstracks schlug er den Weg in die Küche ein. Aus dem Vorratsschrank nahm er eine Packung Stapelchips. Jemand hatte auf dem Deckel einen Zettel mit geschwungener Schrift angebracht.

Finger weg – ungesund!

Es war nicht Mrs. Fullers Handschrift, das erkannte Tom gleich.

»Ach, Veyron. Als wenn mich das aufhalten würde«, lachte er über den vergeblichen Versuch seines Patenonkels, ihn zu gesünderer Ernährung zu erziehen. Von jemanden, der selbst unregelmäßig aß, würde sich Tom ganz bestimmt nicht umerziehen lassen. Er zog an der Deckellasche, doch die Packung ging nicht auf. Er sog weiter und fester. Nichts tat sich.

»Ich dachte mir schon, dass du meine Warnung ignorieren würdest.«

Die dunkle Stimme Veyron Swifts ließ Tom herumwirbeln. Obwohl es bereits später Nachmittag war und die Sonne allmählich hinter dem Horizont versank, stand Veyron Swift tatsächlich im Morgenmantel vor ihm, unrasiert und das schwarze Haar fettig. Mit dunklen Augenringen, die seine schmale, gebogene Raubvogelnase einrahmten, wirkte er regelrecht furchterregend.

»Aha. Haben wir mal wieder einen faulen Tag eingelegt, was?« entgegnete Tom frech. Frustriert stellte er die Chips auf die Anrichte. Was sollte er jetzt essen? Wie es aussah, müsste er sich tatsächlich ein Brot streichen oder sogar etwas kochen. Wie furchtbar. Für alles was länger als fünf Minuten Zubereitungszeit benötigte, fehlte Tom ganz ehrlich die Geduld.

»Seit unserem letzten Fall und seines niederschmetterten Ausgangs gab es nichts mehr zu tun. Deshalb habe ich mich mit zahlreichen häuslichen Angelegenheiten beschäftigt«, versuchte sich Veyron zu rechtfertigen.

»Ja, ich seh’s«, knurrte Tom. »Was haben Sie mit den Chips gemacht, Mann?«

»Ich habe den Deckel mit Verbundklebstoff verleimt. Der geht nie wieder ab. Wenn du an die Chips willst, musst du die Verpackung schon zerstören. Dann bleiben Sie nicht frisch und knusprig, sondern werden mit der Zeit weich und ...«

»Bäh«, machte Tom. »Sie Unmensch, Sie Monster! Ihretwegen muss ich jetzt verhungern!«

Er hatte es kaum ausgesprochen, als es an der Haustür klingelte. Wer immer dort draußen stand, er wollte auf keine Reaktion warten. Noch ehe Veyron oder Tom reagieren konnten, läutete es wieder und wieder. Jemand hämmerte mit der Faust gegen die Tür.

»Ah, endlich Arbeit«, seufzte Veyron. Anstatt sich zu wundern oder gar zu ärgern, begann er zu grinsen und rieb sich voller Vorfreude die Hände. Es hämmerte und klingelte weiter. Der ungestüme Besucher rief irgendetwas, das Tom durch das dicke Holz nicht verstehen konnte.

»Führe den Gentleman bitte ins Wohnzimmer; in exakt dreißig Sekunden«, wies Veyron Tom an. Schnell wie ein Fuchs huschte er aus der Küche, durch den engen Flur und verschwand ins Wohnzimmer. Tom atmete entnervt durch. Ein letztes Mal ging sein sehnsüchtiger Blick zu den Chips.

»Egal«, knurrte er. »Sour Creme. Die Sorte mag ich eh nicht.« Er ballte kurz die Fäuste und stapfte zur Haustür, wo der Jemand noch immer sturmläutete. »Ja, ja, ja. Deshalb geht’s auch nicht schneller«, schimpfte Tom.

»Aufmachen, aufmachen! Um Gottes Willen, machen Sie endlich auf!«, hörte er die panische Stimme rufen. Es hämmerte wieder gegen die Tür.

»Verdammt! Gleich, Mann!«, plärrte Tom zurück. Er zählte die Sekunden. Eins … zwei … drei … Er öffnete.

Die Tür schwang auf, knallte gegen das Mauerwerk und ein hochgewachsener, korpulenter Mann stolperte herein. Tom musste zurückweichen, als der Kerl ausgestreckt zu Boden stürzte. Ein großer, schwarzer Cowboyhut fiel ihm dabei vom Kopf und Tom direkt in die Hände. Tom stieg über den beleibten Körper hinweg, der sich ungeschickt hin und her wandte und wieder auf die Beine zu kommen versuchte. Kopfschüttelnd schloss Tom die Haustür, hängte den Hut des Besuchers an den nächstbesten Kleiderhaken.

»Aalter. Immer mit der Ruhe. Alles okay bei Ihnen?«`

»Trapstone, Bernie Trapstone. Das bin ich«, stellte sich der Besucher vor. Endlich gelang es ihm, sich aufzusetzen. Sein dünnes, rötliches Haar bedeckte nur mehr die hintere Hälfte seines runden Kopfs, der lange, geflochtene Bart unter dem Kinn besaß dagegen mehr Volumen. Auf groteske Weise sah Mr. Trapstone fast wie ein Zwerg aus; nur wesentlich größer. Unter einem martialisch wirkenden Ledermantel wölbte sich ein wohlgenährter Bauch und dicke, mit Totenkopf-Ringen verzierte Wurstfinger streckten sich nach Tom aus. Er ergriff sie und half Trapstone auf die Beine.

»Ich muss zu Veyron Swift. Sofort!«

»Er erwartet Sie bereits, Mr. Trapstone.« Tom deutete in Richtung Wohnzimmer. Der große Mann nickte eifrig mit dem Kopf und eilte durch den Flur, trat ins Wohnzimmer und stellte sich Veyron erneut vor.

Wie ein strenger Schuldirekter saß Veyron in seinem großen Ohrensessel, die Beine übereinandergeschlagen, so dass man deutlich seine Filzpantoffeln sehen konnte – der linke von anderem Design als der rechte. Die Hände aneinander gefaltet, der Blick streng, die schmalen Lippen ausdruckslos, musterte Veyron Trapstone einen Moment, bevor er etwas sagte. Nach einem kurzen Moment deutete er auf die alte Couch gegenüber.

»Setzen Sie sich, Mr. Trapstone. Ich bin Veyron Swift. Meinen Assistenten, Tom Packard, kennen Sie ja bereits. Ich bedauere, dass wir nicht schnell genug waren, Sie sofort hereinzulassen. Immerhin haben Sie Ihr Leben riskiert, um zu mir zu kommen und können von Glück sagen, dass Sie es überhaupt unbeschadet überstanden haben. Keine Sorge, hier sind Sie sicher und gut beschützt. In dieses Haus kann man nicht so einfach einbrechen.«

Trapstone wischte sich Schweiß von der Stirn und atmete tief durch. Einen Moment hielt er inne.

»Sie wissen bereits, was los ist? Wie ist das möglich?«

»Ihre Augen sind geweitet, Ihr Atem rast wie auch Ihr Puls, Sie zittern. Dennoch ist Ihr Gesicht kreidebleich und Sie schwitzen mit deutlicher Ausdünstung, und die kommt nicht vom Leder. Mr. Trapstone, Sie stehen Todesängste aus, und das nicht erst seit ein paar Minuten.«

»Sie sind hinter mir her«, bestätigte Trapstone. »Sie jagen mich seit letzter Nacht, belagern mein Haus. Nichts hilft, um sie abzuwehren. Knoblauch macht ihnen nichts aus und über das Kruzifix lachen sie nur.«

Zitternd holte Trapstone ein kleines Kettchen unter seinem Mantel hervor; ein Rosenkranz samt angebrachten Kreuz aus Silber.

»Vampire«, erkannte Veyron nüchtern und hob eine Augenbraue.

Trapstone nickte wieder, hustete kurz.

»Ich bin Vampirjäger, Mr. Swift.«

Stille im Wohnzimmer. Tom spürte zunächst eine gewisse Aufregung; doch die verflog schlagartig, als Veyron einen einzelnen Lacher ausstieß und sofort wieder ernst wurde. »Vampirjäger? Sie?«

»Ja, allerdings.« Trapstone verzog keine Miene, er meinte es vollkommen ernst. »Ich wurde von Eldor Coolidge ausgebildet, dem vielleicht größten Vampirjäger unserer Zeit.«

»Ah, Mr. Coolidge mal wieder. Vampirjagd ganz einfach, Online-Kurs, drei Jahre lang für hundertfünfzig Pfund pro Monat, im Abo um zehn Prozent günstiger.«

Trapstone machte große Augen. »Sie kennen das?«

»Ich kenne Mr. Coolidge, Mr. Trapstone.«

»Nennen Sie mich Bernie.«

»Wie Sie wünschen. Haben Sie denn je einen echten Vampir gesehen, gejagt oder gar getötet?«

Verlegen kratzte sich Trapstone am Hinterkopf. »Äh … nein. Ich bin noch neu im Geschäft. Aber seit letzter Nacht, da weiß ich wie sie aussehen und wie verdammt schnell sie sind. Ich habe Coolidge angerufen und ihm alles erzählt. Er meinte, ich sollte mich sofort an Sie wenden.«

Tom konnte seine Neugier nicht mehr zügeln. »Wer um alles in der Welt ist denn dieser Eldor Cooldige?«

»Ein Hochstapler und Betrüger. Ich kenne ihn von einigen früheren Fällen. Zumindest hat er sofort begriffen, dass Sie sich in wirkliche Schwierigkeiten gebracht haben, und Sie an mich an mich verwiesen.«

Veyrons Erklärung sorgte schnell für Ernüchterung bei Tom. Sein Interesse verwandelte sich in Langeweile. Wieder nur ein Spinner, dachte er seufzend.

»Also schön, Bernie. Dann berichten Sie bitte wie es dazu kam, dass Sie von Vampiren gejagt werden«, forderte Veyron den Möchtegern-Vampirjäger auf. Tom lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Türstock. Jetzt bin ich mal gespannt

 

Trapstone spielte nervös mit den Fingern. »Ich hatte meine Dienste online angeboten und lange passierte gar nichts, bis es auf einmal einen Anruf gab. Anonym, ich habe die Stimme nicht erkannt. Verzerrer, verstehen Sie? Mir wurde der Auftrag erteilt eine Vampirin in der Strathnairn Street zu töten. Das liegt in Bermondsey, am südlichen Themseufer …«

»Ich bin mit den Örtlichkeiten Londons bestens vertraut, Bernie«, unterbrach ihn Veyron barsch. »Bleiben Sie dabei, was geschehen ist.«

Der Vampirjäger nickte hastig, nestelte an seinem Ledermantel herum, machte die Knöpfe auf und danach gleich wieder zu. »Das Geld kam online und detaillierte Anweisungen erfolgten per E-Mail, mit Fotos von der Adresse. Also schnappte ich mir meine Armbrust und zog los. Am sichersten ist es, einen Vampir aus der Ferne zu töten, verstehen Sie? Sie im Sarg zu pfählen ist verrückt. So lehrt es Coolidge.«

»Ausnahmsweise bin ich seiner Meinung. Und weiter?«

»Ich fand die Adresse und hab das Haus ausgekundschaftet. Doppelhaushälfte, alt und scheinbar verlassen. Aber mich täuscht man nicht so leicht. Auf dem Grundstück gegenüber gibt es eine Garage, etwa hundert Meter entfernt. Da habe ich mich auf die Lauer gelegt. Die Anweisungen meines Auftraggebers waren sehr spezifisch: Ich sollte das Biest töten, sobald es sich am Fenster zeigte. Eine junge Frau, sehr hübsch anzuschauen. Ach was rede ich, ein richtig heißer Feger. Wie eines der Mädchen von Seite Drei, verstehen Sie?«

Ein Seufzen verließ Veyron, Mit völligem Desinteresse gab er Bernie ein Zeichen fortzufahren. Toms Fantasie dagegen lief auf Hochtouren und er versuchte sich das Opfer von Trapstone genau auszumalen.

»Auf jeden Fall, um kurz nach Mitternacht, bekam ich sie zu Gesicht. Sie schaute aus dem Fenster, beobachtete vielleicht die Wolken. Man mag gar nicht glauben, dass ein so schönes Wesen ein Vampir sein könnte. Doch dann bleckte sie ihre Zähne und ich sah ihre spitzen Hauer, ihre Augen leuchteten wie die einer Katze. Ich habe abgedrückt. Das Fenster zersplitterte und sie brach zusammen. Ein Volltreffer! Mann, war ich aufgeregt. Mein erster Vampir! Und dann gleich noch in der allerersten Nacht meiner Jagd. So ein Glück muss man mal haben.«

Plötzlich fröstelte es Trapstone und er schüttelte sich. »Ich hatte meine Waffe gerade wieder eingepackt, als keine fünf Minuten später diese Furie auftauchte, ein weiteres Vampir-Weib mit gefletschten Zähnen. Sie sprang aus dem zerstörten Fenster und stürmte direkt auf mich zu. Mein Gott, war die schnell. Es blieb keine Zeit, die Armbrust noch einmal auszupacken. Also flüchtete ich, sprang von der Garage und rein in meinen alten Kombi. Eine Sekunde später war sie da, sprang auf mein Auto. Ich habe überall Knoblauch im Wagen aufgehängt, aber das hat das Biest gar nicht gestört. Ich holte mein Kruzifix hervor – das zeigte keinerlei Wirkung. Ich habe Weihwasser in meiner Scheibenwischanlage, verstehen Sie? Hab sie vollgespritzt; hat ihr nichts ausgemacht. Sie schlug mir die Seitenscheiben ein, packte mich am Kragen. In letzter Sekunde konnte ich Gas geben und abhauen, aber erst mit über sechzig Meilen Geschwindigkeit konnte ich sie abschütteln, so verdammt schnell war dieses Monster, verstehen Sie?«

Veyron schaute finster über seine Fingerspitzen hinweg. »Fahren Sie bitte fort, Bernie.«

»Bin nach Hause geflüchtet und hab mich verschanzt. Stundenlang habe ich versucht Coolidge zu erreichen, bis ich ihn endlich an der Strippe hatte und alles erzählte. Er meinte, ich sollte schleunigst zu Ihnen kommen. Mein Gott, das war die längste Nacht meines Lebens, wird ja momentan erst um sieben Uhr hell. Ich habe alle Fenster verrammelt und verbarrikadiert – nur für den Fall, dass sie mich doch noch finden sollte. Mr. Swift, Sie müssen mir helfen. Ich werde gejagt.«

* * *

»Vielleicht magst du Bernie eine Tasse Tee zubereiten? Er könnte etwas zur Beruhigung brauchen«, wies Veyron Tom an. Er schnaubte, drehte sich auf den Absätzen um und sah zu, dass er in Richtung Küche kam. Gerade jetzt wo’s spannend wird, dachte Tom beleidigt. Kaum betrat er die Küche, kam ihm sofort wieder sein Hunger in den Sinn und sein erster Gedanke galt dem Kühlschrank und nicht dem Regal mit den Teetassen. Draußen war es inzwischen fast vollkommen dunkel, durch das Fenster fiel nur noch ein schwacher Schein Restlicht. Wieder läutete es an der Tür.

»Oh, Mann. Was ist denn heut los?«, schimpfte Tom, machte kehrt, hinaus in den Flur und vor die Tür. Durch den Türspion konnte er ein junges Mädchen stehen sehen, vielleicht ein oder zwei Jahre älter als er selbst. Ihr schmales Gesicht, geziert mit großen, grünen Augen und mit einer geraden, spitzen Nase, wurde von langem, türkis gefärbten Locken eingerahmt. Sie trug ähnlich schwarze Lederklamotten wie Bernie. Ein unpassenderes Outfit hätte sie nach Toms Auffassung gar nicht wählen können. Alles schien ihr viel zu groß und die blau gefärbten Haare wollten erst recht nicht dazu passen. Pausenlos kaute sie auf einem Kaugummi herum. Blue-Belle, dachte er schelmisch, so werde ich sie nennen.

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