Buch lesen: «Nassbert, der Wannenwichtel»

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Nassbert, der Wannenwichtel

Geschichten in und aus der Badewanne

Thorsten Meier (Hrsg.)


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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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© 2021 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2015.

Titelbild: Sven Roth

Herstellung: CAT creativ - cat-creativ.at

ISBN: 978-3-86196-536-7 Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-402-3 E-Book

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Inhalt

Kaperfahrt auf dem Nonnenbach

Majestätische Plastikente

Das Einhorn

Das sprechende Quietschentchen

Entdeckungsreise im Badewannenmeer

Ich bin ein Troll

Der Geist im Abflussrohr

Die Abenteuer der dicken Bertha

Vom Wannenrand ins Glück!

Das Schiffsunglück

Der geheimnisvolle Meeresrochen

Kapitän Uschi

Vier Tage, vier Nächte

Und Frösche küsst man doch ...

Sauber, sauber!

Badespaß mit Überraschung

Finchen und das Kettenmonster

Das Quietscheentchen

Die Badezeit

Regenbogenfarben wollen baden

Hannes unterwegs

Mojang Cai aus Afrika

Fantastische Reise zu den Drachen

Tief unten

Der Schwimmwettkampf

Lea und der Frosch

Der Badewannen-Blues

Drachengeblubber

Schaumi

Jonas, der Kapitän

Janne in der Wanne

Eins, zwei, drei, vier ...

Es ist wieder Frühling ...

Königreich unter der Badewanne

Hexenschaum ...

Der dreckige Manuel ...

Das Abenteuer in der Badewanne

Schaumi, das Schaummonster

Der Schatz

Der Tag des Quietscheentchens

Schrumpelfinger

Nassbert, der Wannenwichtel

Opa Wilhelms Flugwanne

Sparsam ist nicht geizig

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Kaperfahrt auf dem Nonnenbach

„Das ist aber ein kleines Boot“, sagte Tim, während er die Badewanne skeptisch musterte.

„Na ja, eigentlich badet meine Mutter meinen kleinen Bruder darin“, antwortete Tomte. „Aber sie ist gut geeignet. Du wirst schon sehen. Die Ränder sind so hoch, dass garantiert kein Wasser rüberkommt. Paddel habe ich uns auch mitgebracht.“ Stolz wies er auf zwei Zaunlatten.

Die Freunde hatten letztens zusammen einen Piratenfilm angeschaut und wollten jetzt eine Kaperfahrt auf dem Nonnenbach, einem kleinen und seichten Gewässer am Dorfrand, unternehmen. Dazu hatte Tomte sich die Badewanne seines kleinen Bruders ausgeliehen.

„Wir können es ja mal probieren. Wenn wir uns beide hinstellen, dann passen wir bestimmt rein“, stellte Tim fest.

So ließen die Jungen ihre Piratenwanne zu Wasser, wobei sie feststellten, dass der Stöpsel fehlte. Schnell zogen sie die Wanne wieder an Land.

„Das macht nichts. Ich setzte mich einfach auf das Loch, dann bin ich der Stöpsel und halte das Wasser ab“, wusste Tomte sich zu helfen, setzte sich kurzerhand hin und hielt die Zaunlatten griffbereit. „Du musst das Boot jetzt nur noch in den Bach schieben und schnell reinspringen.“

„Meinst du?“, fragte Tim und kratzte sich den Kopf. „Was ist, wenn du nicht dichthältst? Oder wenn ich nicht schnell genug springe?“

„Jetzt komm schon, wir sind Piraten und gehen auf große Kaperfahrt“, munterte Tomte seinen Freund auf. „Und unser Boot ist garantiert unkaputtbar.“ Also nahm Tim Anlauf und gab der Wanne einen beherzten Schubs. Die machte einen gewaltigen Hopser und landete ein Stück weit im Bach. Wieder kratzte sich Tim den Kopf. Wie sollte er jetzt in das Boot kommen, ohne nasse Füße zu bekommen? Das Wasser war bestimmt so tief, dass es ihm in die Gummistiefel laufen würde, wenn er zum Boot hinaus watete. Hilflos schaute er zu seinem Freund hinüber, der damit beschäftigt war, das schwankende Schiff auf Kurs zu bekommen.

„Warte, ich hole dich. Du kannst mir ja schon entgegenkommen.“ Tomte paddelte eifrig mit einer Zaunlatte. Mit einiger Mühe gelang es ihm tatsächlich, das Boot etwas näher ans Ufer zu manövrieren.

Tim, der vorsichtig ins Wasser gestiefelt war, bekam es zu packen und hielt sich am Rand fest. Jetzt musste er nur noch ins Boot hineingelangen. Er hob das Bein und versuchte, es über den Rand zu bekommen, was den Kahn gefährlich ins Schlingern brachte.

„Vorsicht, sonst kentern wir“, schrie Tomte, dann hatte er eine Idee. „Mann über Bord! Es wimmelt von Haien, wir müssen ihn retten, bevor er aufgefressen wird. Werft ihm den Rettungsring zu.“ Mit diesen Worten hielt er seinem Freund eine Zaunlatte hin, die Tim mit beiden Händen ergriff. Er schaute um sich. Tatsächlich schäumte das Wasser um ihn herum verdächtig weiß. Es schien von Haifischen nur so zu wimmeln.

„Hilfe, sie kreisen mich ein und Piranhas sind auch dabei“, rief er. „Schnell, zieh mich aufs Boot.“ Wieder versuchte er über den Rand zu gelangen, was das Boot gewaltig schlingern ließ. „Vorsicht, sie greifen uns an. Sie wollen unser Schiff versenken und uns alle fressen.“

„Ja genau, wir müssen sie verjagen.“ Tomte schlug mit einem Zaunlattenpaddel aufs Wasser. Tim ergriff mutig das andere Paddel uns tat es ihm gleich. Damit schienen die schrecklichen Ungeheuer nicht gerechnet zu haben, denn nach einiger Zeit war kein einziges mehr zu sehen.

Tomte ließ das Paddel sinken. „Wir haben sie besiegt“, strahlte er.

Tim nickte. „Dann kann ich jetzt in Ruhe einsteigen. Ich ziehe es nur noch etwas näher ans Ufer, damit das leichter geht.“ Er machte sich gleich daran und hatte das Boot bald ganz nah am Ufer. Von hier aus war alles einfach. Er brauchte nur einen großen Schritt zu machen und schon stand er mitten im Boot. „Das ist aber wackelig“, stellte er fest, während er versuchte, das Gleichgewicht zu halten.

„Stimmt“, bekräftigte sein Freund diese Feststellung. „Und übrigens bin ich untenrum ganz nass. Ich tauge wohl doch nicht so gut als Stöpsel.“ Er wies auf seine nasse Hose.

„Macht nix, obenrum bist du auch nass, weil du die Monsterfische bekämpft hast“, stellte Tim fest. „Vielleicht sollten wir die Plätze tauschen. Ich setzte mich auf das Loch und du stellst dich hin und hältst Ausschau nach feindlichen Schiffen, die wir kapern können.“

Tomte nickte zustimmen. „Oder nach noch anderen Monstern. Es gibt auch noch Seeschlangen. Die sind riesengroß. Das habe ich neulich in einem Buch gesehen.“ Er versuchte vorsichtig, sich hochzustemmen, ließ sich aber schnell wieder auf den Allerwertesten plumpsen, denn das Boot geriet gefährlich ins Schwanken, was Tim um ein Haar über Bord gehen ließ.

„Ich habe eine Idee“, schlug Tim vor. „Ich setzte mich erst mal hin, dann stehst du auf. Kannst du deine Beine noch mehr einziehen? Sonst habe ich keinen Platz.“ Er setzte seinen Gedanken gleich in die Tat um, fasste rechts und links fest an den Rand des Bootes und ließ sich vorsichtig in die Hocke sinken. Tomte zog die Beine an, so gut es ging.

„Mehr kann ich nicht“, japste er. „Setz dich jetzt hin. Auf drei stehe ich auf und du rutscht ganz schnell auf das Loch.“

Er holte tief Atem. „Fertig? Eins – zwei – drei ...“ Nun geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Tomte stand mit einem Ruck auf, Tim versuchte gleichzeitig, auf das Loch zu rutschen. Das Boot geriet in Schieflage und kippte um. Mit einem gewaltigen Platsch landeten die beiden Jungen im Wasser. Sie prusteten. Zum Glück war der Nonnenbach nicht breit und sie sowieso nicht weit vom Ufer entfernt. So waren sie ruck, zuck auf allen vieren aus dem Wasser gekrabbelt.

„Mist, jetzt ist unser Boot wohl gekentert“, stellte Tomte fest.

„Ich hab es dir ja gleich gesagt, es ist zu klein für uns beide“, sagte Tim, zog sich die Gummistiefel aus und kippte sie um, damit das Wasser aus ihnen herauslief. „Ich glaube wir sollten jetzt lieber nach Hause gehen, wir sind ganz schön nass geworden.“

„Stimmt.“ Tomte stiefelte noch einmal in den Nonnenbach und rettete das Badewannenboot. „Ich glaube wir gehen erst einmal in unsere Garage. Da können wir die Heizung anmachen und unsere Sachen trocknen. Die Wanne müssen wir auch noch sauber machen.“

Tim nickte ihm aufmunternd zu. „Klar, das machen wir. Nachher kriegst du noch Ärger, wenn deine Mutter deinen kleine Bruder baden will. Das nächste Mal probieren wir es mit einem größeren Boot, einem ohne Loch.“

„Ja, ein größeres Boot muss es schon sein“, stimmte ihm Tomte nachdenklich zu. „Aber wenn das doch ein Loch haben sollte, dann bringe ich meinen kleinen Bruder mit, damit er sich draufsetzt. Ich glaube, der ist als Stöpsel besser geeignet als ich.“

Angie Pfeiffer wurde in Gelsenkirchen geboren. Heute lebt sie mit ihrem Mann, vier Söhnen, zwei Dackeln und einer Katze im Münsterland.

Bisher hat sie vier Romane, ein Kinderbuch, achtzehn eBooks und zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und Literaturzeitschriften sowie der Tagespresse veröffentlicht.

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Majestätische Plastikente

Es badet in der Zinkwanne

meine Plastikente Hanne

im Regenwasser bis zum Kinn

so stolz wie eine Königin.

Seit einer langen Zeitspanne

dümpelt sie in dieser Wanne,

die mittendrin im Garten steht,

drum herum ein Gemüsebeet.

Ingrid Baumgart-Fütterer aus Östringen.

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Das Einhorn

Melanie saß in der Badewanne und zählte munter die Schaumblasen, die der blaue Badeschaum hervorbrachte. Ihre Mutter hatte ihr das Badewasser mit dem blauen Badeschaum eingelassen und Melanie hörte sie jetzt nach ihr rufen: „Melanie, wie lange willst du noch in der Wanne sitzen?“

Melanie wollte noch lange in der Badewanne sitzen und dem blauen Badeschaum zusehen, wie er die Seifenblasen machte. Komischerweise waren die Seifenblasen, die aus dem blauen Badeschaum hervorgingen, in den schönsten und schillerndsten Farben. In den unterschiedlichen Seifenblasen konnte sie vieles noch entdecken. Gerade jetzt erschien es Melanie, als würde ein Einhorn in der Seifenblase sitzen und sie anlächeln. „Ja sicher“, dachte Melanie, „das ist ein Einhorn.“ Sie saß im warmen Wasser, es duftete so gut nach Blumen im Badezimmer und Melanie träumte vor sich hin.

Sie war die kleine Prinzessin mit dem Einhorn. In der Seifenblase galoppierte das Einhorn direkt im Badezimmer herum. Melanie lächelte überglücklich. Für ein kleines Mädchen von fünf Jahren war ein Einhorn schon etwas Besonderes.

Sie träumte sich in ein wunderschönes Kleid einer Prinzessin hinein und wie sie dem Einhorn den Kopf streichelte. Melanie hatte in der Badewanne sitzend tatsächlich ein Einhorn für sich ganz alleine.

Weiß war das Einhorn natürlich und hatte eine Mähne in den Farben des Regenbogens, die Mähne wehte nur so dahin, denn das Einhorn galoppierte nun an der Decke entlang, in seiner Seifenblase.

Melanie lachte. Sie war einfach nur froh, das Einhorn in der Seifenblase sehen zu können.

Da, plötzlich, noch ein Einhorn, ein weiteres stieg mit den Seifenblasen in die Höhe, und noch ein Einhorn. Es stiegen viele von ihnen aus den Seifenblasen hervor und nun war es eine wunderschöne Herde Einhörner. Die Mähnen schillerten und Melanie war es, als würde sie leise ein sanfte Wiehern hören.

Da rief ihre Mutter: „Melanie, Zeit für dich, aus der Badewanne zu steigen und zu Abend zu essen.“ Ihre Mutter stand nun im Badezimmer mit einem Handtuch.

Das Abendessen war bald vorbei, Melanie war satt und müde. Sie freute sich jetzt auf die Träume. Auf die Nacht.

Kuschelig lag sie im Bett und sie träumte davon, wieder die Prinzessin zu sein, und die Einhörner liefen um sie herum. Leicht lächelte sie im Schlaf.

Dani Karl-Lorenz wurde in einer Kleinstadt in der Oberpfalz (Bayern) geboren. Sie ist Autorin aus Leidenschaft und veröffentlichte ihre Texte bereits in verschiedenen Anthologien und auf ihrer Homepage: http://www.danilyrik.de.

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Das sprechende Quietschentchen

Lotte hatte ein Problem. Sie saß in der warmen Badewanne und blickte traurig auf ihre gelben Schwimmenten, die fröhlich um sie herumschwammen. Lotte hatte immer gerne gebadet und sie liebte ihre gelben Enten über alles. Doch seit einer Woche war alles anders. Sie musste nämlich einen Schwimmkurs besuchen. Ihre Mutter hatte gesagt: „Du bist jetzt schon fast sieben Jahre alt und alle anderen Kinder können bereits schwimmen. Es wird Zeit, dass du es jetzt auch einmal lernst!“

Lotte waren Tränen in die Augen geschossen. „Aber wieso gerade jetzt? Kann ich nicht bis zum Sommer warten?“ Doch ihre Mutter hatte darauf bestanden, den Kurs sofort anzufangen, weil sie endlich einen Platz bekommen hatten. Und im Sommer hätte Lotte sicher wieder eine andere Ausrede gehabt.

Die erste Schwimmstunde war schrecklich gewesen. Der Bademeister hatte sie dauernd mit Wasser bespritzt und dann musste sie auch noch vom Beckenrand ins Wasser springen! Dabei schluckte sie viel Wasser und das schmeckte gar nicht! In der nächsten Stunde sollte sie sogar tauchen und deshalb sollte sie in der Badewanne schon einmal üben. Allein die Vorstellung von Wasser in Nase, Augen und Ohren war entsetzlich! Was sollte sie nur tun? Die Mutter saß neben der Badewanne auf einem Hocker und redete unermüdlich auf Lotte ein. „Jetzt tauch endlich dein Gesicht unter Wasser, es wird ganz sicher nichts passieren! Ich bin doch hier!“

Lotte schüttelte den Kopf. „... und wenn das Wasser in meine Nase läuft?“, fragte sie angstvoll.

Die Mutter war verzweifelt. Wieso hatte Lotte so große Probleme mit dem Tauchen? Bei ihrem großem Bruder war das damals ganz anders gewesen ... Die Mutter seufzte. Plötzlich klingelte das Telefon. „Ich bin gleich wieder da, dann tauchen wir!“, erklärte die Mutter und lief eilig in den Flur, um den Hörer abzunehmen.

Lotte starrte auf die gelben Enten. Da hatte sie plötzlich eine Idee.

„Ich steige schnell aus der Wanne aus und ziehe mich an. Dann wird Mama es für heute aufgeben!“, dachte sie bei sich. Sie war gerade aufgestanden, da hörte sie plötzlich eine Stimme.

„Bleib hier!“

Lotte fuhr zusammen. Wer hatte da gesprochen? Die Stimme kam irgendwie aus der Wanne ...

„Bleib hier, wir üben jetzt das Tauchen!“, fuhr die Stimme freundlich aber bestimmend fort. Die Stimme klang lustig, irgendwie wie Micky Maus.

„Wer hat gesprochen?“, fragte Lotte aufgeregt.

„Ich, deine Badeente!“, antwortete eine der gelben Enten. Lotte Herz schlug schneller. Sie setzte sich augenblicklich wieder in die Wanne und blickte die Ente an. Die schien ihr zuzulächeln und tauchte plötzlich den Kopf unter Wasser. Dann tauchte sie wieder auf und sah Lotte an. „Siehst du, so einfach ist das!“

„Wieso kannst du sprechen?“, wunderte sich Lotte. „Ist das ein Trick? Hast du eine Batterie?“

„Das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass du jetzt deinen Kopf unter Wasser hältst! Es ist ganz einfach!“, fuhr die Ente fort. Sie redete, ohne den Plastikschnabel zu öffnen. Lotte konnte aber jedes Wort verstehen. Und schon machte die Ente alles noch einmal vor.

Lotte überlegte. „Was die Ente kann, kann ich auch!“, dachte sie und dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen. Sie zählte leise bis drei, kniff die Augen zusammen und tauchte unter. Überglücklich, ihre Angst überwunden zu haben, tauchte sie wieder auf und blickte die Ente strahlend an.

In diesem Augenblick kam die Mutter zurück und sah, dass Lotte ganz nasse Haare hatte. „Du hast es geschafft!“, rief sie fröhlich aus und klatschte in die Hände.

Lotte tauchte gleich noch einmal und dann noch einmal. Es machte ihr richtig Spaß.

„Lotte, ich bin so stolz auf dich, wie hast du das nur geschafft?“, fragte die Mutter aufgeregt.

„Mama, du wirst es kaum glauben, aber eine von den Enten hat mit mir gesprochen und mich zum Tauchen überredet!“, erzählte Lotte begeistert.

Lottes Mutter lächelte. Die Fantasie dieses Kindes war immer wieder unglaublich!

„Die Ente hat mit mir gesprochen, genau wie damals der Teddybär, der mir gesagt hat, dass ich zum Kinderarzt gehen muss und mich nicht immer verstecken darf!“, fuhr Lotte fort und dachte an das Erlebnis vor zwei Jahren, als der große Plüschbär plötzlich angefangen hatte zu sprechen.

„Oder weißt du noch, als der Brillenschlumpf dir gesagt hat, dass du mehr Gemüse essen musst?“, erinnerte sie die Mutter. Lotte nickte glücklich. „Und dann hat dir doch auch die Reiterbarbie einmal erklärt, dass kein Monster unter deinem Bett ist!“, erinnerte sich die Mutter lächelnd.

„Das war nicht die Reiterbarbie, das war das Pferd!“, berichtigte Lotte ihre Mutter mit wichtiger Miene und tauchte wieder unter. Als sie nach einer Stunde stolz aus der Wanne stieg, hatte sie das Gefühl, dass die Ente ihr vertrauensvoll zugezwinkert hatte. Dann lief sie in ihr Kinderzimmer, um sich den Schlafanzug anzuziehen.

Lottes fünfzehnjähriger Bruder krabbelte erlöst aus dem Badezimmerschrank, in den er sich mit seiner Fernbedienung und dem kleinen Mikrofon hineingezwängt hatte. Stundenlang hatte er am Tag zuvor an dieser kleinen Hightechente gebastelt. Er streckte sich und murmelte: „Was tut man nicht alles für seine kleine Schwester!“

Dörte Müller wurde 1967 geboren und lebt mit ihrer Familie in den Niederlanden. Sie unterrichtet Deutsch, Englisch und Kunst und hat bereits zwei Kinderbücher und ein Jugendbuch veröffentlicht.

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Entdeckungsreise im Badewannenmeer

Warmes Wasser strömt über meinen ganzen Körper, der Schaum steht schon über dem Rand. Ich muss lachen, denn im Spiegel kann ich erkennen, dass ich einen Schaumbart habe. Ich will ihn abwischen, es gelingt mir aber nicht, also tauche ich unter.

Dann, als ich ein zweites Mal untertauche, mache ich ein Experiment, ich will wissen, ob man unter Wasser sieht, wenn man die Augen öffnet, und tatsächlich – es funktioniert.

Plötzlich schwimmt ein Delfin an mir vorbei, ich traue meinen Augen kaum, doch dann sehe ich auch schon Korallen und andere bunte Fische. Ich hoffe ganz fest, dass kein Hai an mir vorbeischwimmt, und tatsächlich geschieht es nicht. Der Delfin kommt immer näher, er nimmt mich mit und es ist mir etwas unheimlich, denn wir sind schon ganz schön tief unten und es wird immer dunkler. Dann sehe ich auf einmal ein helles Licht und gleich darauf erkenne ich auch das Schloss, das in einem Goldton glitzert.

Als wir näher zum Schloss kommen, glaube ich nicht, was ich sehe: Da stehen doch tatsächlich Meerjungfrauen vor mir. Ich muss lachen und bemerke erst jetzt, dass ich unter Wasser atmen kann. Einerseits verwirrt mich das, andererseits bin ich froh, nicht zu ertrinken.

Als ich mich umdrehe, schwimmt der Delfin auch schon davon. Die Meerjungfrauen nehmen mich herzlich auf und laden mich zu Korallenkeksen und Salzwassertee ins Schloss ein, na wenn das nicht vielversprechend klingt.

Nur sitze ich also da auf dem Algenblattstuhl und weiß noch immer nicht wirklich, mit der Situation umzugehen. Ich versuche, einen Schluck zu trinken, und es funktioniert. Doch bei den Keksen ist es schon komplizierter, mit jedem Bissen habe ich auch einen Schluck Meerwasser im Mund. Irgendwann gebe ich auf.

Tessa, einer der Meerjungfrauen fragt mich, ob ich Lust habe, mit ihr shoppen zu gehen, und ich muss schon wieder lachen, da ich nicht wirklich glaube, dass es hier was zum Anziehen gibt in den Tiefen des Meeres. Doch neugierig wie ich bin, nicke ich und geh mit. Draußen wartet auch schon wieder Filippo, der Delfin, der mir wahrscheinlich helfen will, im Meer voranzukommen, denn ohne Flosse ist es nicht so einfach, sich so tief unten voran zubewegen. Ich halte mich an seiner Rückenflosse fest und los geht die Fahrt.

Als wir endlich ankommen, glänzen mir die schönen Outfits schon entgegen. Es sind keine gewöhnlichen Sachen, es sind Meerjungfrau-Flossen und Schuppenbikinis in allen Farben und Formen. Tessa sucht ungefähr 10.000 verschiedene Sachen für mich aus, nach Stunden bin ich endlich fertig und habe den ganzen Laden einmal anprobiert. Ich entscheide mich dann aber, die violette Flosse und den violetten Schuppenbikini zu nehmen, den ich übrigens schon ganz am Anfang anprobiert hatte.

Tessa ist so fasziniert, dass ich alles gleich anlassen muss, und sie ist überzeugt, dass ich Filippo jetzt nicht mehr brauche, da ich mit meinem Fischschwanz selbst schwimmen kann. Aber schon bei meinem ersten Versuch, mich fortzubewegen, klappt es nicht ganz so, wie ich gedacht habe, und Filippo wäre vielleicht doch ganz hilfreich. Doch zu spät, er ist schon wieder weg, also muss ich sehen, dass ich selbst klarkomme. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten gelingt es mir dann aber doch, durch die Meere zu gleiten, wie es auch Tessa macht.

Wieder im Schloss angekommen sehen mich alle mit großen Augen an. Ich bekomme eine Kette geschenkt, der Anhänger zeigt eine kleine Meerjungfrau mit einem violetten Stein. Ich weiß nicht, warum er violett ist und woher die anderen gewusst haben, welche Flosse ich mir aussuche, aber ich bin mir sicher, der Stein soll zu meinem neuen Outfit passen. Und dann passiert plötzlich das, wovor ich die ganze Zeit am meisten Angst hatte – ein Hai taucht vor meinen Augen auf.

Ich bin ziemlich froh, als ich dann im Badezimmer die Augen öffne und alles nur ein Traum war. Doch als ich zu meinen Beinen hinabsehe, erblickte ich nur eine lila Flosse und auch die Halskette ist noch immer da. Was ist bloß los? War es doch nicht nur ein Traum? Ich versuche mühevoll, aus der Badewanne zu kommen, und irgendwie gelingt mir das dann auch. Ich versuche, mich sitzend am Boden abzutrocknen und plötzlich, als ich trocken bin, verschwindet auch meine Flosse. Ehrlich gesagt bin ich froh, wieder Füße zu haben, und stehe auf. Im Spiegel erkenne ich dann, dass die Kette noch immer da ist.

Von diesem Tag an war ich im Wasser immer eine Meerjungfrau und konnte von diesem Schloss nicht nur träumen, sondern Tessa und meine anderen Freunde auch besuchen. Zu Hause war ich dann wieder die ganz normale Lea. Manchmal gehen Träume eben im wahrsten Sinne des Wortes in Erfüllung.

Laura Hinteregger aus St.Stefan in Österreich

8,99 €