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Kapitel 4) Entscheidung durch Erfahrung

Enrice sah den Baum fragend an: „Was meinst du mit Entscheidung durch Erfahrung?“ Babu antwortete: „Für mich ist es ganz klar. Weisheit bedeutet Wissen anzusammeln, zu lernen und daraus die Dinge herauszunehmen, die du zur Umsetzung deines Lebens brauchst. Sei es um materiellen Reichtum anzusammeln oder einfach die große Liebe deines Lebens zu finden oder einfach nur glücklich zu sein. Wenn du Weisheit besitzt, dann weißt du auch, was Glück oder Unglück für dich bedeutet. Was schwarz oder weiß ist, was dunkel oder hell ist, jedes hat seine eigene Daseinsberechtigung. Hätten wir immer nur Sonne 24 Stunden am Tag, die Erde, der Mensch könnte sich nicht mehr regenerieren. Du brauchst die dunklen Seiten, auch wenn sie für viele Menschen unproduktiv, seltsam oder angstbehaftet sind. Sie gehören dazu wie die Nahrung zum Leben. Jeder Baum hat seine Schattenseite, wie auch jeder Mensch seine Schattenseite hat. Allerdings wollen die meisten Menschen ihre Schattenseiten nicht sehen oder mit ihnen nichts zu tun haben, da sie die Dunkelheit fürchten und symbolisch für die dunkle Vergangenheit steht. Dabei könnte es doch so schön sein, im kühlen Schatten eine Weile zu verweilen, Kraft zu tanken und wieder neu Ideen und Energien zu sammeln. Für den nächsten weiteren Weg im Lebensabschnitt, den jeder Mensch in seinem Leben vorhat. Wäre es nicht schön, alle Menschen würden jedes Jahr genüsslich zu ihren eigenen Schattenseiten gehen, sich ihnen zuwenden, auch wenn es manchmal heiß hergeht und diese vollkommene Offenbarung ihrer Seele selbst genießen?“

„Was meinst du damit genau?“, fragte Enrice mit erstauntem Gesicht. Er wusste nicht so genau, was damit gemeint war. Er selbst liebte es, unter dem Baum zu sitzen, vor allem im Schatten und die Gedanken kreisen zu lassen, so als gebe es kein Morgen.

„Mit Erfahrungen der Schattenseite meine ich die Dinge und Situationen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens erfährt, die er selbst herbeigeführt hat. Sei es durch Zorn, Liebe, Wut oder auch Angst. Denke einmal in Ruhe darüber nach, ob nicht auch du etwas einmal im Zorn gesagt hast, was dir dann im Nachhinein leidgetan hat. Diese Erfahrung musstest du sammeln, damit du weißt, was gut oder schlecht für dich ist. Im Prinzip gibt es zwar kein Gut oder Schlecht, allerdings hilft diese Vorstellung deinem Verstand, der nur logisches Denken kennt, so wie ein Computer, der nur 0 oder 1 kennt, damit du, dein Geist, deine Gedanken und deine Seele das verarbeiten können. Die Menschheit ist leider noch lange nicht so weit entwickelt. Es müssen wohl noch einige Jahrhunderte vergehen, bis der Mensch nicht mehr in schwarz oder weiß denken muss, sondern nur mehr in der Harmonie und Glück des Lebens lebt. Aber jetzt wieder zurück zum Ursprung des Themas, der Weisheit und Erfahrung. Weißt du, was ich damit meine, Enrice?“, fragte Babu.

„Ehrlich gesagt, bin ich momentan ganz schön verwirrt“, entgegnet Enrice mit offenen Augen und Mund.

„Das verstehe ich“, meinte Babu, „ich brauchte auch einige hundert Jahre, bis ich das Grundprinzip des Lebens, dessen Aufgabe und die Sinnhaftigkeit dahinter verstanden hatte, was für mich und das Leben wichtig ist und was nicht. Ich meine damit, suche dir die Dinge aus, die ich dir erzähle, die dich ansprechen und interessieren und die anderen Dinge lass einfach einmal weiterziehen, bis der richtige Moment gekommen ist, um diese Dinge zu verstehen. Das musste ich auch erst einmal in meinen vielen Jahren lernen, einfach geduldig zu sein und nicht zu versuchen alles sofort zu verstehen. Vieles erledigt sich von selbst oder kommt zu einem späteren Zeitpunkt wieder. Manche Dinge verursachen nur Kopfschmerzen und bringen dich nicht weiter, aber auch nicht näher zu deinem Ziel in deinem Leben.“

Wieder riss Enrice seine Augen ganz weit auf. „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Wie kann ich beurteilen, was gut oder schlecht für mich ist?“

„Ganz einfach“, sagte der Baum, „höre auf dein Herz und dein Gefühl und alles ist klar. Schließe jetzt deine Augen für einen kurzen Moment und denke an eine Situation, in der du dich sehr wohl gefühlt hast. Fühle dich ganz hinein. Wo fühlst du das Gefühl, ist es in deinem Herzen, in deinem Bauch, in deinen Füßen? Egal wo es ist, es ist nur wichtig, dass du es fühlst. Ist es schwer, ist es leicht, oder ist flockig weich und hat das Gefühl vielleicht sogar eine Farbe, wenn du das Gefühl beschreiben müsstest?“

„Ja, jetzt spüre ich es, es ist ein warmes, wohliges Gefühl in meinem Herzen und die Farbe ist rosa. Habe ich es richtig erkannt?“, fragte Enrice nach.

Der Baum antwortet: „Du selbst entscheidest, ob es richtig oder falsch ist. Fühlst du dich wohl dabei, oder hast du eher den Eindruck, dieses Gefühl und die Farbe schadet dir?“

„Nein, ich fühle mich pudelwohl in dem Rosa und mit diesem angenehmen Gefühl in meiner Brust, mitten in meinem Herzen.“

„Siehst du“, sagte der Baum, „schon hast du gelernt, mit dem Herzen zu denken und zu fühlen. Wenn du das nächste Mal vor einer Entscheidung stehst, dann fühle dich hinein in diese Entscheidung. Sagen wir, du stehst vor einer Weggabelung, du könntest links oder rechts gehen. Welchen Weg würdest du nehmen? Den Weg, der sich gut anfühlt oder den, der sich nicht so gut anfühlt?“

„Ist ja ganz klar“, antwortete Enrice, „den der sich gut anfühlt, den würde ich nehmen.“

„Na siehst du“, sagte Babu, „so einfach ist die Entscheidung. Und schon bist du ein Stück weiser und um eine praktische Erfahrung reicher in deinem Leben.“

Kapitel 5) Reichtum zum Glück

Babu fragte seinen neuen kleinen Freund: „Weißt du eigentlich, was materieller Reichtum für die Menschen bedeutet?“

Enrice schaute kurz mit erstauntem Gesichtsausdruck und sagte dann: „Ich weiß nicht so genau, aber ich denke, das ist, wenn man ganz viel Geld hat und sich alles kaufen kann, was man möchte?“

„Und was würdest du dir kaufen, lieber Enrice, wenn du ganz viel Geld hättest? Also ich würde mir ganz viel Eiscreme kaufen, eine schöne neue Eisenbahn, und meiner Mutter würde ich ein neues Auto kaufen und für Papa würde ich gern einen neuen riesengroßen Fernseher kaufen, da er so gern fernsieht.“

„Und was würdest du noch kaufen“, fragte Babu nach.

„Na ja vielleicht noch ein neues Fahrrad, aber mit meinen alten bin ich eigentlich sehr zufrieden und ich mag es so, wie es ist!“

„Warum denkst du, habe ich dir diese Frage gestellt, lieber Enrice?“

„Ich weiß nicht so genau“, antwortete Enrice.

„Ich möchte dir jetzt erklären, was es mit dem materiellen Reichtum auf sich hat.“

„Oh ja bitte“, antwortete Enrice mit lauter Stimme, „dann kann ich mir all diese Wünsche erfüllen und wäre der glücklichste Mensch der Welt.“

„Siehst du, da fängt schon das Problem an, sehr viele Menschen denken, sie wären nur dann glücklich, wenn sie ganz viel Geld hätten! Glaubst du, das stimmt?“, fragte Babu?

„Na ja, ich denke, das stimmt nur teilweise, ich kann ja auch glücklich sein, wenn ich nur mit dir ein interessantes Gespräch über Reichtum führe. Das bereichert mich ja eigentlich auch schon, oder?“

„Du bist aber ein sehr schlauer Junge, und auch viele andere Kinder denken so, aber leider ist es so, dass wir im Laufe unseres Lebens immer wieder Menschen begegnen, die anders denken. Und die Eigenschaften dieser Denkweise werden dann von diesen Menschen liebend gern übernommen. Warum auch immer wir diese Denkweisen von anderen Menschen übernehmen, sie prägen uns dann ein Leben lang, bis wir an einem Punkt angekommen sind, und unser ganzes Leben dem Geld hinterhergejagt sind, um dann plötzlich feststellen zu müssen, wenn wir all diese Dinge erschaffen haben, und all diese erschaffenen Dinge, die uns glücklich machen sollten, besitzen, dass wir doch nicht glücklich sind. Ist doch komisch, oder? Der Gedankengang und die Lösung sind ganz einfach, es sind nicht die Dinge von außen, die dich glücklich machen. Sie können dich nur dabei unterstützen, letztendlich muss das Glücklichsein von deinem Innersten kommen, von deinem Herzen. Nur dann kannst du vollkommen glücklich sein.“

„Gibt es hierzu vielleicht wieder eine kleine Übung dazu?“, fragte Enrice. „Dass man nicht in das Denkmuster fällt, Geld macht glücklich, wenn man genügend hat.“

„Ja natürlich“, antwortete Babu, „wenn du magst, können wir diese Übung gleich machen.“

„Oh ja gern“, sagte Enrice und wartete schon gespannt, was jetzt passieren würde.

„Also zunächst einmal musst du dich entspannen, folge jetzt einfach meinen Worten und stelle dir nach Möglichkeit eine entspannende Situation vor. Du schließt deine Augen und zählst langsam von zehn rückwärts auf eins. Wenn du bei eins angekommen bist, nimmst du nochmal einen kräftigen Atemzug und sagst zu dir selbst ‚Ich bin jetzt ganz tief entspannt und gehe die Reise meines Lebens, die mich finanziell und materiell unabhängig macht vom meinem Glücklichsein. Ich sehe mich jetzt selbst in dem Alter, in dem ich Glück von materiellen Dingen abhängig gemacht habe. Ich sehe die Situation, die dazu geführt hat, dass ich bis zum heutigen Tage dachte, nur Geld macht mich wirklich glücklich. Nun gehe ich in diese Situation hinein und fühle, wie ich mich damals gefühlt habe in dieser Situation. Was habe ich gefühlt, wo habe ich es gefühlt und wie hat es sich angefühlt? War es locker und leicht oder schwer und schmerzhaft?‘ Fühle nochmals genau hin auf diese Körperstelle und wenn du dieses Gefühl hast, dann sage zu diesem Gefühl ‚Danke, dass du da warst und mich wieder auf den richtigen Weg gebracht hast. Ich weiß jetzt ganz genau, wie es sich anfühlt, auch ohne materielle Dinge glücklich zu sein und sende Licht, Liebe und Geborgenheit in meine Körperstelle und mein Gefühl.‘ Nun zähle ich wieder von eins bis drei und wenn ich bei der Zahl drei angekommen bin, bin ich wieder im Hier und Jetzt. Eins, zwei, du öffnest wieder die Augen und drei, du bist wieder im Hier und Jetzt.“

 

Enrice öffnete die Augen und war wieder ganz glücklich in seinem Herzen und in seinem Gesichtsausdruck.

Kapitel 6) Mitleid und Mitgefühl

Im Traum wurde Enrice von Kapitel zu Kapitel immer älter und beschäftigte sich daher immer mehr mit komplexeren Lebensthemen, die einen Jugendlichen oder auch Erwachsenen, der auf der Suche nach dem Sinn des Lebens war, durchaus Gedanken bereitete.

„Lieber Babu, kannst du mir vielleicht sagen, was Mitleid bedeutet?“, fragte Enrice.

„Natürlich kann ich das. Warum möchtest du denn das unbedingt wissen?“, fragte Babu nach.

„Na ja, weißt du, Mama sagt immer zu Papa, er solle nicht immer so viel Mitleid haben mit den anderen Leuten und ihnen Geld borgen oder ständig helfen. Dadurch hat er leider immer so wenig Zeit für die Familie. Sie streiten über dieses Thema sehr oft. Ich weiß aber nicht wieso?“

„Kannst du dich noch erinnern, lieber Enrice, wie ich dir die Geschichte von der Selbstliebe erzählt habe?“

„Ja sicher kann ich mich erinnern, aber was hat das mit Mitleid zu tun? Was hat Leiden mit Liebe zu tun?“

„Ich möchte dir das anhand einer neuen Geschichte erzählen, lieber Enrice.“ Babu fing an zu erzählen. Enrice wartete schon wieder ganz gespannt, sein Gesichtsausdruck, seine Hände, sein ganzer Körper war angespannt, denn dieses Thema lag ihm sehr am Herzen und er wollte absolut nicht, dass Mama und Papa stritten. Schon gar nicht um ein Wort, das er nicht verstand. Er wollte den beiden helfen, konnte aber nicht, da er nicht wusste, was damit gemeint war.

„Weißt du“, sagte Babu, „es gibt leider sehr viel Leid auf dieser Welt und dann passiert es manchmal, dass Personen so wie dein Papa mit diesen Leuten mitleiden. Allerdings ist es so wie bei der Selbstliebe, wenn du mitleidest mit einer Person, dann leidest du letztendlich selbst und kannst dieser Person nicht wirklich gut helfen. Nehmen wir das Beispiel mit dem Borgen des Geldes. Das ist im Prinzip ein eigenes bzw. großes Thema, da viele Menschen davon betroffen sind. Stelle dir vor, jemand möchte nicht arbeiten gehen und borgt sich ständig Geld von anderen Leuten, um Leben zu können. Glaubst du Enrice, dass dieses Verhalten auf lange Sicht gesehen zielführend ist?“

„Na ja“, antwortete Enrice, „aber er muss ja dann das Geld wieder irgendwann zurückzahlen.“

„Aber wenn er nie arbeiten gehen möchte, wie soll das denn dann funktionieren? Siehst du, genau das ist der Haken bei dieser Geschichte, diese Leuten verursachen mit Mitleid, dass die anderen mit ihnen leiden, ihnen Aufmerksamkeit schenken und Geld geben, denn ohne das Geld geht es ihnen schlecht. Deswegen fällt es anderen Menschen wie deinem Vater schwer, nein zu sagen. Da er ja so zusagen auch mitleidet bzw. leidet – das möchte er natürlich nicht. Das Mitleiden ist nur eine kurze Lösung, die aber auf lange Sicht den Betroffenen nicht helfen kann, denn der Helfer leidet dann mit der Zeit auch zu viel und kann dem anderen nicht mehr helfen. Stell dir vor, dein Papa gibt jedem Geld, der ihn fragt, am Ende hat er selbst kein Geld mehr und leidet dann vielleicht sogar noch viel mehr als die anderen, da er selbst keines mehr hat und den anderen auch keines mehr geben kann. Das tut ihm wiederum leid.“

„Das ist natürlich ein Teufelskreis, aus dem man dann wieder schwer herausfindet. Wie kann ich ihm helfen bzw. den beiden, dass sie nicht mehr streiten wegen des Mitleids und des Geldes?“

„Vielleicht erzählst du deinem Papa mal die Geschichte von der Selbstliebe und er versteht dann, was du meinst. Oder du sagst: ‚Mitgefühl ist besser als Mitleid.‘“

„Was ist das, Mitgefühl?“, fragte Enrice ganz erstaunt.

„Wie der Name schon sagt: mitfühlen. Dein Papa kann gern mitfühlen, wie es den Menschen geht, wenn sie kein Geld haben, aber er darf absolut nicht mitleiden, denn dann gerät er in die Gefahr, nicht mehr klar denken zu können und dann geht es ihm nicht besser als all den anderen Menschen da draußen, die unbedingt unsere Hilfe benötigen. Es ist zwar wichtig, den Menschen auf jeden Fall zu helfen, aber man darf nie vergessen, sich auch selbst zu helfen. Stell dir vor, du bist mit einer Gruppe von Menschen in einem schönen großen Boot auf einem wunderschönen Gebirgssee unterwegs.“

„Oh ja“, sagte Enrice, „das wäre jetzt schön.“

„Plötzlich kommt ein böser starker Windstoß und bringt das schöne Boot zum Kentern und alle Personen außer dir fallen in den tiefen kalten See. Was würdest du jetzt tun?“

„Ich würde jedem Einzelnen helfen, wieder ins Boot zu kommen, oder?“, antwortete Enrice dem Baum und sah ihn fragend an, ob er die richtige Antwort gegeben hatte.

„Richtig, du hast hier richtig entschieden und gehandelt“, sagte der Baum. „Es war ganz logisch, oder?“

„Ja sicher“, sagte Enrice.

„Ja, weil du mitgefühlt und erkannt hast, dass diese Leute nass sind und wieder ins Boot wollen. Jetzt stelle dir vor, du hättest mitgelitten. Was wäre dann passiert?“

„Ich wäre auch hineingesprungen und hätte so mitgelitten, dass ich den Leuten selbst nicht mehr ins Boot helfen konnte. Und mir wäre selbst ganz kalt gewesen in der nassen Kleidung.“

„Siehst du, das ist der Unterschied zwischen Mitfühlen und Mitleiden. Mitfühlen ist im Boot bleiben und helfen und Mitleiden ist aus dem Boot springen und ebenso hilflos sein wie die anderen Passagiere. Vielleicht merkst du dir das als kleine Eselsbrücke für die Zukunft oder erzählst diese Geschichte von dem Boot deinem Papa.“

„Oh ja, das mache ich sicher“, entgegnete Enrice und freute sich sehr, dass er wieder etwas dazugelernt hatte.

Kapitel 7) Freunden verzeihen

Babu fragte mit Blick auf Enrice: „Und Enrice, was sind liebens- und lebenswerte Freunde für dich?“

„Ich weiß nicht so genau, was du damit meinst“, sagte Enrice.

„Na, überlege mal in Ruhe und gib mir dann die Antwort“, sagte Babu mit sanfter tiefer Stimme leise zu Enrice. Dieser begann darüber nachzudenken, wer seine Freunde sind und was sie ihm bedeuten würden. Und plötzlich fiel ihm ein Freund ein, mit dem er sich vor Jahren noch gut verstanden hatte, aber plötzlich wie aus heiterem Himmel der Kontakt zu diesem Freund abgebrochen war. Was war geschehen in diesem Moment? Er konnte sich absolut nicht daran erinnern, warum der Kontakt zu seinem damaligen Freund so plötzlich abgebrochen war. Er war wie aus den Wolken gefallen. Er überlegte und überlegte, kam jedoch zu keinem Ergebnis und gab schließlich auf, darüber nachzudenken und versuchte sich an andere Freunde zu erinnern. Doch dieser eine Freund ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Warum wohl, war dieser Freund so wichtig in seinem Leben, oder hatte es etwa einen bösen Zwischenfall in seinem Leben gegeben, der zum Abbruch dieses Kontaktes geführt hatte? So sehr er auch seinen Kopf zermarterte, ihm fiel es einfach nicht ein. Doch plötzlich, wie aus heiterem Himmel konnte er sich an eine Szene erinnern, die wie aus dem Nichts sein Herz höher schlagen ließ. Was war geschehen? Er sah sich und seinen Freund auf einem Spielplatz sitzen und gemeinsam eine wunderschöne Sandburg bauen. Mit dabei war auch der Vater seines Freundes, der ihnen half. Auch ihn hatte Enrice sehr in sein Herz geschlossen. Dieser Vater motivierte Enrice immer wieder und lobte ihn, wie toll er die Burg gebaut hätte: von der schönen Burgspitze bis zum Burgtorbogen und den Innenhof mit dem Wunschbrunnen.

Da fiel Enrice plötzlich wieder etwas ein. Er erschauderte und erstarrte wie eine Salzsäule, als ihm der Gedanke von damals überkam. Er hatte sich damals einen ganz tollen Papa, der ihn auch so loben sollte wie der Vater seines Freundes, gewünscht. Leider hatte sein Vater nie so viel Zeit für ihn übrig und wenn, dann tat sich sein Vater sehr schwer, Enrice zu loben. Er war einfach nicht der Mensch, der Gefühle und Lob ausdrücken bzw. Personen oder speziell seinem Sohn gegenüber ein Kompliment aussprechen konnte, dass er schöne Dinge gut basteln oder bauen konnte. Enrice hatte daher ganz laut an seinen Wunsch gedacht und eine Münze in den Brunnen in der Sandburg geworfen, die er kurz zuvor mit seinem Freund und dessen Vater gebaut hatte. Er hatte laut gesagt: „Ich wünsche mir auch einen Papa, so wie deiner ist, dann wäre ich viel, viel glücklicher auf dieser Welt.“ Plötzlich hatte sein Freund Angst, Enrice würde ihm oder wollte ihm seinen Papa wegnehmen, allerdings war das nur der Gedanke seines Freundes und nicht der Gedanke von Enrice. Sein Freund jedoch stand auf, war bitterböse und zerstörte die Sandburg mit den Füßen und schrie: „Meinen Papa wirst du nie kriegen!“ Er stapfte und sprang und hüpfte ganz wild auf der schönen Sandburg auf und ab, bis sie nicht mehr erkenntlich war. Enrice fing an zu weinen und sagte zu seinem Freund: „Dich will ich nie wiedersehen, du hast unsere wunderschöne Sandburg kaputt gemacht, nur weil ich mir etwas gewünscht habe. Du bist so gemein und kein guter Freund für mich und ich möchte dich nie wiedersehen.“

Enrice bekam feuchte traurige Augen, obwohl dieser Vorfall doch schon einige Zeit zurücklag. Denn er hatte ja seinen Freund sehr gern und mit ihm sehr gerne gespielt.

„Babu, du weiser Baum, kannst du mir verraten, was hier passiert ist?“, fragte Enrice mit weinerlichen Augen den großen weisen Baum.

Babu sagte: „Weißt du, du konntest es nicht wissen, aber der Vater deines guten Freundes wollte damals die Familie verlassen wegen einer anderen Frau mit einem Kind. Dein Freund hatte das kurz zuvor erfahren. Dadurch bekam er Panik und Wut und Ärger, da er ja seinen Vater so sehr liebte und dieser ihn verlassen wollte. Er war im Prinzip gar nicht böse auf dich, sondern dieses Thema war ein ganz wunder Punkt zu diesem Zeitpunkt in seinem Leben und durch deinen Wunsch hast du diesen Punkt getroffen. Er wurde dadurch ganz böse und zerstörte deswegen eure Sandburg, weil er seinen Gefühlen freien Lauf lassen wollte. Da ja sein Vater die Burg mitgebaut hatte und er im Prinzip nur auf seinen Vater böse war, wollte er damit unbewusst seinem Vater etwas zeigen, nämlich dass er nicht möchte, dass er ihn verlässt.“

„Achso“, antwortete Enrice, „jetzt tut es mir aber sehr leid, dass ich das damals zu ihm gesagt habe, dass ich ihn nie mehr sehen möchte.“

„Na ja“, sagte Babu, „du kannst ihm ja mal einen Brief schreiben, wenn du möchtest und ihm noch einmal erklären, was damals passiert ist. Wenn er wirklich ein guter Freund ist, dann wird er es verstehen und vielleicht werdet ihr wieder und gute Freunde und spielt wieder zusammen – so wie damals.“

„Oh ja danke“, sagte Enrice, „das werde ich machen. Kannst du mir vielleicht bei dem Schreiben des Briefes noch helfen?“, fragte Enrice.

Und der Baum antwortete: „Ja gern, folgende Übung hilft dir, damit der Brief an deinen Freund so verständlich ist, dass auch er ihn versteht. Bevor du diesen Brief schreibst, entspanne dich, zähle langsam von zehn bis eins rückwärts und wenn du bei eins angekommen bist, atme noch einmal tief ein und aus und versuche dich in die Situation hineinzuversetzen, in der du den Streit mit deinem Freund hattest. Wenn du soweit bist, dann sage dir leise ‚Jetzt möchte ich spüren und wissen, was mein Freund damals gefühlt und gedacht hat.‘ So bekommst du die Gedankengänge deines Freundes zu spüren und zu fühlen. Du weißt dabei, wie sich der andere gefühlt hat, damit tust du dann wesentlich leichter einen Brief zu verfassen, da du ja die Situation auch aus seinen Augen wahrgenommen hast und dadurch mehr auf ihn eingehen kannst. Das, was ich dir damit mitgeben möchte, ist, dass du jedem besser verzeihen und auch dir verzeihen kannst, wenn du dich und dein Gegenüber besser verstehst bzw. weißt, wie er denkt. Denn jeder Mensch und jedes Lebewesen denkt anders, und mit dieser Übung kannst du das praktisch immer tun, wenn du dich von einem anderen Menschen verletzt fühlst.“

„Das ist super“, sagte Enrice und suchte gleich aufgeregt ein Blatt Papier, damit er diesen Brief an seinen Freund schreiben konnte.

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