Private Security

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Ging man damals die Listen der Firmen durch, die Ende 2004, Anfang 2005 im Irak tätig waren, so stieß man auf viele bekannte Namen. Aber auch auf einige, die gar nicht mehr existieren. Sie haben Zeit? Dann stöbern Sie die Liste durch und staunen Sie: Aegis (GB), American Intl Security Corp (US), American-Iraqi Solutions Group (US), Ake ltd (AUS), Babylon Gates (GB), BH Defense (US), Blackwater (US), Blue Hackle Group (US), CastleForce Consultancy (GB), Centurion (GB), Cochise Consultancy (US), Control Risks Group (GB), Custer Battles (US), Diligence Middle East (US), DS Vance Iraq (GB), DynCorp (US), Edinburgh Risk (UAE - GB), Eodt (US), Erinys (UAE – GB), Genric Security (GB), Hart GMSSCO (GB), Greystone (gehörte damals zu Blackwater), Hill & Associates Iraq (gehört zu G4S HQ in Hong Kong), Special Projects and Services (GB), Iraqex LLC (US - IRAK), Richard Galustian&Omar Hadi (ISI Group of Iraq), Janusian (GB), Kroll Security International (US), MVM (US), Olive (GB), Omega (Hongkong), OSSI-Safenet (US - ZA), Peak Group (GB), Pilgrims (GB), Ronco (US), Reed (US), Rubicon International (GB), Sabre International Security (GB), Sentinel Security, SOC-SMG, Inc (US), TOR Iraq (GB), Triple Canopy (US), Unity Resources Group (AUS), US Investigations Services (US), Perini Security (US).

Habe ich KBR vergessen? Die Liste ist bei weitem nicht vollständig. Ich möchte damit nur aufzeigen, wie wild es im Irak damals zuging. Blackwater war wohl die begehrteste aller Firmen. Doch wer den Bewerbungsbogen ausfüllen wollte, der stieß zunächst auf drei Worte: US Citizen only! Damit war alles gesagt. Für US Bürger gab es in späteren Jahren eine Alternative zu Blackwater. IRI! Das International Republican Institute bezog Sicherheitsleute aus eigener Rekrutierung. Das zumindest berichteten mir zwei Kameraden aus der Branche, die für das IRI arbeiteten. Auch Blackwater (Xe) vermittelte PMCs ans IRI … Senator John Sidney McCain lässt grüßen!

Vier Jahre nach Falludscha, am 16. September 2007, war auf dem belebten Nisur-Platz in Bagdad die Hölle los. Blackwater Angestellte feuerten mit ihren Sturmgewehren willkürlich in die Menge. Alte Menschen, Frauen und Kinder rannten um ihr Leben. Angeblich hatten die Blackwater ´Contractors` einen Diplomatenkonvoi beschützen wollen. Angemessen und im Einklang mit dem Gesetz hieß es nach dem fürchterlichen Gemetzel. Was für ein Gesetz, dürfte man sich zu Recht fragen, wurden doch einer US-Untersuchung zufolge in weniger als einer Viertelstunde siebzehn Zivilisten getötet, zwei Dutzend andere schwer verletzt. Das FBI bewies in einer Untersuchung, dass kein Zivilist je das Feuer auf Blackwater eröffnet hatte. Professionell? Alles im Griff? Dieser Vorfall zeigte der Öffentlichkeit, dass Blackwater nichts im Griff hatte. Gar nichts. Aus Helfern im ´globalen Krieg gegen den Terror` wurden an diesem Tag skrupellose Killer. Blackwater verlor den Auftrag im Irak, doch, Ironie im Spiel, erlitt der Ruf dieser Firma durch all die Skandale kaum einen Schaden. Im Gegenteil. Nur knapp drei Jahre später, im Juni 2010, unterzeichnete die Firma unter der neuen Bezeichnung Xe Services einen Vertrag mit der CIA. Es ging um die Bewachung von US Konsulaten in Afghanistan, genauer gesagt in Masar-e Scharif und Herat.

Doch das alles nur am Rande und nun schnell wieder zurück ins kühle Deutschland.

Blitz, Donner und Bill Gates in Saudi-Arabien


Der Winter 2004 / 2005 begann mit einem Intermezzo aus Schnee- und Graupelschauern. Zwei Monate nach dem vermasselten Job im Irak gab es Neuigkeiten. Mich überraschte es gar nicht. Überraschend war nur, dass es so lange gedauert hatte. Ich war gerade beim Schneeschaufeln als meine Frau das Fenster aufriss. Sie war voller Unmut, erzürnt, leichenblass. „Telefon für dich.“ Ich legte die Arbeitsgeräte beiseite, klopfte mir den Schnee von den Stiefeln und ging ins Haus. Wieder war es Bernd und erneut handelte es sich um ein Jobangebot. Es ging um die Bewachung des Botschafters der Delegation der Europäischen Kommission in Riad, Saudi-Arabien. Der EU-Botschafter war damals der Ire Bernard Savage. Ohne nach Details zu fragen, sagte ich zu. Bereits ein paar Tage darauf packte ich meine Koffer, stieg ins Auto und wühlte mich durch den freitagmorgendlichen Frühverkehr Richtung Frankfurt Flughafen, wo ich einen Flieger der Gulf Air bestieg. Mein Ziel war der King Khalid International Airport. Bevor ich zum ersten Mal Fuß auf saudischen Boden setzte, hatte ich mich natürlich etwas über Land und Leute und vor allem über die Sicherheitslage vor Ort schlaugemacht. Hier einige Vorfälle, die dem Leser die Situation damals in Riad und generell in Saudi-Arabien, etwas näher bringen.

12. Mai, 2003 - elf Uhr siebzehn. Riad, Al Hamra Oasis Village Compound. Sie waren angezogen wie Männer eines x-beliebigen Sicherheitsdienstes, unauffällig und bescheiden. Genauso benahmen sie sich auch. Nachdem sie es erstmals geschafft hatten, in den Compound zu gelangen, zeigte sich das Killerkommando von seiner wahren Seite. Die bis an die Zähne bewaffneten Männer unter dem Befehl von Khalid Al-Juhani, Sohn einer einflussreichen saudischen Familie und verschworenes Mitglied der Terrorzelle Al-Qaida Saudi-Arabien, eröffneten das Feuer auf alles was sich bewegte. Und vor allem auf alles was westlich aussah. Gleichzeitig erschütterten gewaltige Explosionen die Nachbar Compounds Dorrat Al Jadawel und Vinnell Arabia. Die Jagd auf Menschen, die westliche europäische Werte verfochten, hatte begonnen.


Mitglieder unseres KSA Security-Teams. Auch hier klappt die Zusammenarbeit von Männern aus verschiedenen Ländern perfekt. Ein Ire, ein Tscheche, ein Engländer und ein Spanier schmeißen den Laden an diesem Tag. Langwaffen und genügend Munition befinden sich im Toyota.

Unser Arbeitgeber war Strike-Level-4 ltd (Name geändert). Strike-Level-4 ltd war eine private Sicherheitsfirma mit Sitz in London. Der Auftrag? Der Schutz und die Sicherheit des Botschafters der Delegation der Europäischen Kommission in Saudi-Arabien. Dieser Auftrag beinhaltete auch die Sicherheit seiner Familie und deren Zuhause (die Residenz); die Bewachung der Gebäude der Botschaft sowie der Schutz aller Diplomaten und Zivilpersonen die in der Botschaft arbeiteten. Es war eine heikle Angelegenheit, denn Europa - und somit die Kommission, verkörperte, was viele arabische Länder ablehnten oder gar verabscheuten: Frauenrechte, Gleichbehandlung oder Gleichstellung der Geschlechter, Religions- und Pressefreiheit und uneingeschränkte kulturelle Entfaltung. Unsere Befürchtungen, dass die Schutzpersonen und die von uns beschützten Einrichtungen jeden Tag ein Ziel, ein Target, sein konnten, waren also begründet. Ohne uns Männer der Private Security stand der Botschafter schon mit einem Fuß im Grab. Er wusste es nur noch nicht, trug diesbezüglich eine rosarote Brille. Unsere beiden Teams waren im Arabian Homes Compound im Al-Mursalat Quartier untergebracht. Das war keine fünfhundert Meter von dem Buchladen entfernt, in dem nicht einmal ein Jahr zuvor, am 22. Mai 2003, der deutsche Küchenchef Hermann Dengl ermordet wurde, hinterhältig niedergestreckt mit sechs Schüssen in den Rücken. Dies angeblich nur aus dem Grund, weil er ein Ungläubiger aus dem Westen war.


Die Zufahrt zum Arabian Homes Compound. Stacheldrahtverhaue, Maschinengewehre, Sandsäcke und Fahrzeugsperren.


Ein Mann der Private Security auf einer Patrouillenfahrt in Tikrit / Irak zur Bewachung eines Compounds.

Unweit von hier wurde im Juni 2004 auch der Körper des US-Bürgers Paul Johnson, eines Hubschrauber Ingenieurs des Lockheed Martin Corps, gefunden. Mudschaheddin der AQAP hatten ihn einige Tage vorher entführt und ihn dann vor laufender Kamera enthauptet. Den Kopf fand man nur wenig später im nördlichen Riad im Kühlschrank einer Villa. Die Liste dieser Verbrechen ist unendlich lang. Seit Mai 2003 waren sie quasi an der Tagesordnung, wobei hauptsächlich zwei Ziele gleichermaßen darunter litten: westliche Ausländer und Einrichtungen und den USA wohl gesonnene Häupter. Ein weiteres Beispiel, das wir ständig auf dem Schirm hatten, war der Angriff auf das US-Konsulat in Jeddah im Dezember 2004. Bei dem Angriff, ausgeführt von Kämpfern der Terrororganisation Al-Qaida, wurden damals zwölf Menschen getötet. Die Terroristen stürmten das Gebäude, schossen wild um sich und lieferten sich beinharte Feuergefechte mit den Männern der Private Security. Fünf Angestellte, drei Angreifer sowie vier Security Leute starben im Kugelhagel. Natürlich hatte ich auch diesen Angriff still für mich analysiert. Später, als ich schon etwas länger in Riad war, sprach ich darüber mit Polizisten, mit Angehörigen der deutschen Botschaft und mit einigen Amerikanern die in Saudi-Arabien tätig waren. Angeblich wurde das Konsulat schon seit langer Zeit von AQAP beobachtet. Unweit davon, in einer nur hundert Meter entfernten, parallel laufenden Gasse, standen einige unauffällig Schutt Container.

Die Terroristen hatten sie dazu benutzt, über Wochen hinweg Waffen, Munition und Sprengstoff einzulagern. Als die Zeit dann gekommen war, spazierten sie auf dem Weg zum Konsulat einfach an den Containern vorbei, holten ihre ´Waren` ab und statteten den verhassten Amerikanern einen Besuch ab. Das Resultat kennen wir.

 

Zwölf Sterne für Europas Einheit?

Steve war Security Operations Director von Strike-Level-4 ltd und somit verantwortlich für die Planung und Durchführung aller laufenden Operationen. Und das waren nicht wenige. Die Firma war eines der wohl renommiertesten Sicherheitsunternehmen Englands und somit der Welt, wenn man berücksichtigte, dass die größten und einflussreichsten Unternehmen dieser Art damals entweder aus den USA, aus Frankreich oder eben aus England kamen. Sie wiesen eine typische, privatwirtschaftliche Unternehmensstruktur auf, nur dass es sich bei ihren Chefs ganz ob oben an der Spitze, sowie unter den Teamleitern im Gelände und auch bei den ganz normalen Sicherheitsangestellten um Ex-Militärs handelte. Nicht um irgendwelche branchenfremde ´Elemente`. Ausnahmen bestätigen diese Regel. Ausnahmen bildeten, wenn es um die wirklich großen Firmen ging, eine ganze Armada von irgendwelchen Anwälten. Oder Spezialisten in Sachen Logistik, Computer- und sogar Luftfahrtechnik, wenn es, um ein Beispiel zu nennen, um die Bedienung sogenannter Spy Ballons ging, (z.B. via Persistent Surveillance System – PSS von Rheinmetall). Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass auch Blackwater im Jahr 2006 sogenannte ´battlefield airships` testete. Das waren nichts anderes als Zeppelins (Typ Polar 400 – unbemannt) ausgestattet mit jeder Menge High-Tech Kameras, Infrarot Sensoren und Radars. Einsatzort: Irak! Der Sinn dahinter? Aufklärung des Gefechtsfeldes. Echtzeit Bilder aus der Luft. Die Lokalisation von Truppenansammlungen, von Menschenmengen und Demonstranten und nicht zuletzt das Aufspüren von IEDs. Mittels SPYs wurden wichtige Fragen wie - Wie ist der Zustand und die Befahrbarkeit von Verkehrswegen, im Auftrags-Vorfeld bereits beantwortet. Nun, das machte Sinn. Doch auch hier gilt: viele dieser Spezialisten konnten einen Armee-Background vorweisen, hatten ihr Handwerk an irgendwelchen Militärschulen gelernt. Die Masse und die Qualität dieses geballten Spezialwissens lassen jede reguläre Armee blass vor Neid. Selbst einige Sekretärinnen, die mir in Hauptgeschäftsstellen solcher PMC oder PSC Unternehmen über den Weg liefen - und es waren derer nicht wenige, waren militärisch angehaucht. Der Markt zu der Zeit, ich spreche von den Jahren 2004- 2005, war enorm, doch nur eine Handvoll wirklich hervorragender ´Companies`, teilten den ergiebigen Kuchen ´Security` unter sich. Millionen-Aufträge an Land ziehen … das und nichts weniger war der Anspruch der Chefs. Unsere Firma operierte in Afghanistan, in Israel (Ostjerusalem, Westbank und Gazastreifen), in Saudi-Arabien, in Sri Lanka und in Haiti, in Ländern also, in denen die Sicherheitslage alles andere als überschaubar war. In Sri Lanka und in Afghanistan tobten Kriege. In Haiti war die Lage nicht besser. Schwere Ausschreitungen mit zahlreichen Todesopfern waren an der Tagesordnung. Saudi-Arabien war für Europäer und Amerikaner feindliches Gebiet, ihr Leben dort, ein Tanz auf dem Pulverfass. Die Chefs in London hörten es gar nicht gerne wenn man Strike-Level-4 ltd mit einer typischen PMC in denselben Topf warf. PMCs, vor allem die, die Wert auf eine solche Bezeichnung legten, jene, die dieses Image nach außen hin pflegten, sei es durch das Erscheinungsbild der einzelnen Contractors, sei es via Skandale vom Typ Nisur-Platz, Bagdad 2007, arbeiteten oft hart am Rande der Legalität. Hier von einer Grauzone zu sprechen ist irrelevant, denn dieses Grau war längst pechschwarz. Die Liste solcher zweifelhaften PMCs ist jedoch kurz, Insider wissen das, Insider kennen sie. Sie und nur sie verunglimpfen den Berufszweig Security. ´Unseriös` und ´unprofessionell` stand ihnen nicht auf der Stirn zu lesen, es sah und fühlte sich für mich aber genauso an. Jedes Mal, wenn ich Typen mit Multifunktionswesten, auffallenden Tätowierungen, Basecaps, Oakleys, sichtbaren ´Muckis`, mit ungepflegtem Vollbart, mit durchgeladener Waffe im Arm und irgendwelchen schrägen Uniformteilen am Leib kreuzte, bekam ich Bauchschmerzen. Was mir in PMC Kreisen an schrägen und völlig inkompetenten Typen in meiner Security Karriere so alles über den Weg gelaufen ist, war galaktisch. Grant, der Gründer und Generaldirektor unserer Firma, ein Veteran von ´Scotland Yard` und der ´British Army’s Royal Military Police` war da ziemlich kompromisslos. Für ihn waren PMCs, in erster Linie die Blackwaterleute, Cowboys und Möchtegern-Rambos. Das ließ er auch bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit laut werden. Er vergaß zu erwähnen, dass sein Unternehmen, wenn schon keine PMC, dann doch eine PSC war. Der Unterschied ist flagrant. Man bemerke, dass in der Bezeichnung PSC der Begriff ´Militär` fehlt. Diese Tatsache raubt dem Ganzen sichtbar die Schärfe. PMCs oder ´Contractors` wie sie auch gerne genannt werden, sind - nicht nur im weitläufigen Sinn, Angehörige einer Privatarmee. Sprechen wir hingegen von einer PSC, dann dürfen die für den Contractor gerne verwandte Begriffe wie Mercenary, Mercenaire oder Söldner getrost gestrichen werden.


Im Einsatz in Riad. Unsere Jungs tragen hier ausnahmsweise mal keinen Anzug, denn der Auftrag führt sie ins Gelände. Bei der Waffe handelt es sich um eine Heckler & Koch MP5 K-PDW. Jeder der beiden trägt außerdem eine Pistole vom Typ USP Compact, Kaliber 9 mm x 19 bei sich.


Der Unterschied zwischen PMCs und PSCs ist für Außenstehende manchmal sofort, manchmal gar nicht zu erkennen. Vor allem dann nicht, wenn man keinen Bezug dazu hat. Grob beschrieben besteht er aus dem angebotenen Leistungsspektrum, (ich komme darauf noch zu sprechen). Erstere tragen lieber den Kampfanzug, Letztere sehr gerne Anzug und Krawatte. PMCs bieten Dienste an, die als offensiv und militant einzustufen sind und die eine militärische Wirkung erreichen können oder sollen, ja müssen. De facto erhalten einige dieser PMCs den angestrebten ´combat contract`. Einen Vertrag also, der Kampfhandlungen beinhaltet. Und, sagen wir es mal ganz salopp, eine damit verbundene ´License to kill`, die Lizenz zum Töten. Es ist die Nähe zum Kampfgeschehen die sie von den PSCs unterscheidet. Doch das sind wirkliche Ausnahmen. Gegebenenfalls aber stört die Krawatte nur. Eine saubere Weste womöglich auch. PMCs arbeiten oft für den Profit verschiedener Armeen damit diese sich ganz auf ihre militärischen Kernaufgaben konzentrieren können. ´Sich auf ihre militärischen Kernaufgaben konzentrieren`, diesen unstimmigen Satz hört man nur allzu oft. Doch hier stellt sich uns die Frage, was denn eine solche Kernaufgabe ist. Fallen nicht auch Support, Logistik und Transport zumindest teilweise in diese Domäne? Ja! Und zwar ohne Wenn und Aber. Das ist umso wahrer, je näher man an das Kampfgeschehen rückt. Gerade in Sachen Logistik und Transport sind vermehrt PMCs tätig. Also doch: Ex-Militärs für militärische Kernaufgaben!


Ein Deutscher, Ausbilder in Tikrit, 2005.

Viele Contractors, ob sie nun einer reinen PMC oder einer PSC angehören, sind Auslands- Ausbilder und Berater am Mann. Unter anderen bringen sie Einheimischen das A und B zum Einsatz von Waffen bei. Dazu gehört die generelle Handhabung von Handfeuerwaffen, insbesondere die Sicherheitsbestimmungen, der schnelle Magazinwechsel, die Beseitigung von Störungen, die Anschlagsarten, etwas Ballistik und ein Hauch von Taktik. Alles halt, was im Bereich ´Schießen mit Handfeuerwaffen` anzusiedeln ist. Und natürlich kommt es vor, dass diese Ausbildung in dem Sinn weiterbetrieben wird, dass sie zur klassischen Gefechtsausbildung führt. Für den PSC-Ausbilder endet hier der Job. Für den Angestellten einer PMC hingegen, beginnt er erst. Für ihn ist eine Ausbildung ein Kreis. Der beginnt bei, „heute lernen wir, wie das Gewehr auseinander und wieder zusammengebaut wird“ und schließt sich mit „Jungs, ihr habt nun alles gelernt, was ihr benötigt, um …! Da vorne ist die Hölle los. Von X gedeckt, von Y gesichert greifen wir linksumfassend an!“ Am D-Day begleiten die Ausbilder ihre ´Locals` also gerne mal bis hin an die Front. Das versteht sich von selbst. Dass dann aus dem Ausbilder im Saal ein in der Praxis an der Front zu folgendes Vorbild wird, ist auch klar. PMCs (bei denen das ´M` noch deutlich steht) sind also in der Tat ´Provider`, Lieferanten von Kämpfer für den Einsatz an der Front. Ob sie sich nun Security Officer, Security Consultant, Ausbilder, Berater, Ingenieur, technischer Support oder gar Geschäftspartner nennen, es kommt alles auf dasselbe heraus. Sicher, auf dem Papier handelte es sich um Zivilisten. Zivilisten jedoch, die Waffen tragen. Um Zivilisten, die diese Kriegswaffen auch benutzen. Und das tun sie ohne Skrupel. Und ja, haben sie denn einen Kampfauftrag, dann agieren sie taktisch wie eine gutgeölte, im Armeeeinsatz zusammengeschweißte Einheit. Eine Einheit, die, politisch instrumentalisiert, eine Botschaft an das Publikum des jeweiligen Krisengebiets bringt. Und die spricht ebenso von der Schwäche und den Unzulänglichkeiten (Ressourcen) regulärer Armeen westlicher Mächte im Angesicht terroristischer Bedrohungen, Staatenbildung und Wiederaufbau, wie auch von der Stärke der zivilen Sicherheits- und Rüstungsindustrie, die sich ebenso kontinuierlich wie skrupellos am Krieg oder an der Nachkriegsära bereichert. Reine PSCs, im Gegensatz zu PMCs, arbeiten abseits vom Kampfgeschehen. Sie bieten defensive Dienste an. Außer es wird von Umständen forciert auf die die PSC keinen Einfluss hat, kommt es zu keiner Zeit zu einer aktiven Teilnahme an einem Kampfgeschehen. Im Vordergrund stehen die Risikominimierung und die Aufklärung. Der Schutz und die Gefahrenabwehr sind dabei die beiden Kerngedanken. Gelänge es dem Leser, den Ausdruck ´Soft Power` nicht falsch zu interpretieren, so würden diese zwei Worte in Verbindung mit einer typischen PSC durchaus Sinn ergeben. Und sinngemäß würde ich diese Worte um ein weiteres bereichern: Operations! Soft-Power-Operations in Hinblick auf Friedensmissionen, Katastrophenhilfe und Hilfe bei Staatenbildung, das bringt die angebotenen Dienste einer PSC genau auf den Punkt. PSCs und ihre Männer sind Architekten eines Gebildes mit der Aufschrift ´globale Sicherheit`. PMCs bringen dieses Gebilde höchstens zum Einstürzen. Wenn man vom rasiermesserscharfen Gesicht absieht, schaut ein PSC-Mann weniger kriegerisch aus als der Contractor einer PMC. Nur selten sieht man ihn auf Bildern mit vollautomatischen Kriegswaffen in der Hand posieren. Sein moderates Image ist gewollt. Und auch gerechtfertigt. Wobei ´moderat` eines vor allem nicht heißt: Weniger qualifiziert, weniger effizient. Im Gegenteil. Angestellte einer PSC wie ich sie kenne, können jederzeit den Anzug wechseln und die Aufgaben eines PMC Contractors erledigen. Gelernt ist gelernt. Im Umkehrfall ist das nicht so selbstverständlich. In der Realität und in der Hitze des Einsatzes, und das habe ich leider allzu oft erlebt, entstehen im PSC-Business Situationen, die man nur offensiv angehen kann. Dann hilft die Allrounder-Kultur eines PSC Mannes. Es entstehen also auch hier Grauzonen. Diese Grauzonen beinhalten ein reichhaltiges Spektrum an Dienstleistungen, die denen der PMCs ähnlich sind. Betritt ein unbeteiligter Zuschauer diese Grauzonenarena, dann ist er verwirrt. Es ist für ihn schwer, eine Zuordnung zu treffen. Auch ist der Unterschied offensiv – defensiv meistens nicht oder nur vage definiert. Ob es für diese Begriffe überhaupt eine treffende Definition gibt, das wage ich zu bezweifeln. Eines hatten beide Organisationen gemeinsam. Sie rekrutierten vornehmlich Ex- Soldaten verschiedener Spezialeinheiten. Und das aus mehreren Gründen. Ob in Frankreich, Deutschland, England, Australien, in den USA oder anderswo, das taktische und strategische Know-how, vor allem aber das praktische Wissen lag, beziehungsweise liegt in den Händen derer, die in einer Profi-Armee gedient haben. Man musste ihnen das Handwerk nicht mehr beibringen. Sie waren ´tough` ausgebildet, sparten den Firmen somit Zeit. Zeit ist Geld und glauben Sie mir, im Business der Private Security geht es ausschließlich ums gute Geld, ´Pecunia non olet`. Rassismus in den Reihen einer PMC? Das gibt es leider viel zu oft! Rassismus in den Reihen einer PSC? Auch das ist nicht ausgeschlossen, kommt aber seltener vor. Kahl rasierte Typen aber, mit ganz weit rechts liegendem Gedankengut werden in PSCs sofort entlarvt, Nestbeschmutzer nicht toleriert. Auf was bei der Ausführung des Auftrages besonders Wert gelegt wird, sind ein guter Zwirn und gute Manieren. Und ein strahlendes Lächeln. PSC-ler haben kein Feindbild. Ein Feindbild ist irreführend. Wer eines hat, ist unsicher. Und er hat Angst. Und ich bin sicher, dass die Unsicherheit beim Massaker auf dem Nisur-Platz in Bagdad eine große Rolle gespielt hat. Vielleicht auch die Angst. Oder der Druck, sich beweisen zu müssen. Siehst du irgendwo zehn bärtige, grimmig aussehende Mudschaheddin, die dich beobachten, dich gar mit Blicken töten und gleich daneben steht ein lächelnder, gut angezogener glattrasierter Gentleman, dann richte dein Augenmerk auf Letzteren. In neunzig Prozent aller Fälle geht die größte Gefahr von denen aus, die völlig unspektakulär auftreten. Von denen, die sich unauffällig benehmen. Von denen, die nach vorne hin freundlich sind. So viel hatte ich schon gelernt. Das ständig und überall lauernde Gefühl der Gefahr und der Unsicherheit sollte einen wirklichen Profi nicht für knallharte Realitäten verblenden. Egal wen Strike-Level-4 ltd anheuerte, ob Ex-Polizisten der inzwischen neu organisierten, tschechoslowakischen Antiterroreinheit URNA, ob britische Fallschirmjäger in Rente, ob Veteranen der Royal Marines, ob ehemalige, hauptsächlich irische und englische Polizisten oder, wie es bei mir und einigen anderen der Fall war, Ex-Fremdenlegionäre: man wollte einen sauberen Anzug und entspannte Gesichtszüge sehen. Auch und vor allem dann, wenn die Lage nicht gerade danach schrie. Und, man glaube es oder nicht, wir rasierten uns täglich. Immerhin war der Job diplomatisch angehaucht. Unser Afrika-Gehabe musste also außen vor bleiben. Was zählte, war eine gewisse Weltläufigkeit. Was zählte, waren gute bis exzellente Englischkenntnisse. Was zählte, war das diskrete Auftreten. Der Klient zu dieser Zeit, die verschiedenen Delegationen der Europäischen Kommission in mindestens vier Ländern und auf drei verschiedenen Kontinenten, war anspruchsvoll. Besonders was den Background ihrer Sicherheitsmitarbeiter anging. Private Sicherheitsfirmen, die die Europäische Kommission mit ihren Leistungen bedienten, konnten es sich theoretisch nicht leisten, faule Eier in ihren Reihen zu haben. Dafür war das Risiko zu hoch. Die traurige Wirklichkeit sah jedoch, wie ich noch erfahren sollte, ganz anders aus. Generell unterlagen die Kandidaten einer strengen Auswahl. Das Auswahlsystem für die Anwärter war nach außen nicht einsehbar, doch die RSOs, die dafür in erster Linie verantwortlichen Sicherheitsbeauftragten, hatten ein wachsames Auge auf jeden einzelnen von den neu Angeheuerten. Passte einer von ihnen nicht ins Konzept, wobei die Kriterien vom RSO festgelegt wurden, fiel er gnadenlos durchs Raster: Der Nächste bitte! Im Normalfall gab es ein individuelles Interview des Kandidaten mit dem RSO. Er war es, der das grüne Licht gab. Nicht etwa die Firma.

 

Szenario: Geiselnahme. Wir üben das Eindringen in einen von Terroristen entführten Linienbus. Private Security wie wir sie verstehen, hat mit wilden Schießereien à la Rambo gegen irgendwelche Taliban wenig zu tun. Bei uns ist die Finesse gefragt. Hirn. Fingerspitzengefühl. Analyse und der Verzicht auf das sich profilieren. Der ´collateral damage` liegt idealerweise bei null.


Bild oben: während der Ausbildung im Tactical Shooting in Sachen Counter Piracy. Auf diesem Bild sind nur Ex-Legionäre zu sehen, die sich im Rahmen der ´Wiedereingliederung´ auf einen Job in der Private Security Branche vorbereiten. Ein Deutscher (der Autor links im Bild), ein Franzose und ein Pole. Rechts im Bild ´Slavo`, ein exzellenter Nahkämpfer, den man besser nicht auf die Füße tritt.

Ein RSO, der, geografisch- und personalbedingt verschiedene Delegationen abdeckte, arbeitete generell unter peinlich genauen Vorgaben. Er war so ziemlich unabhängig, fungierte aber in erster Linie als technischer Berater der verschiedenen EU-Botschafter. Zu seinen Aufgaben gehörte aber nicht nur die Beratung der Delegationsleiter ihres Zuständigkeitsbereichs hinsichtlich der Gefahrensituation. Ein RSO trug auch Sorge für das Einhalten der geeigneten Sicherheitsmaßnahmen. Er war verantwortlich für die regelmäßige Konzeption, für die Evaluierung und Überwachung des Einsatzes. Er war verantwortlich für die Ausrüstung, für die Durchführung von wichtigen Verfahren und für die Sicherheit von Personen, von Informationen und Gütern. Doch sein ganzes Arbeitsspektrum lässt sich eben nicht in ein paar Zeilen definieren. Ich möchte hiermit nur die Wichtigkeit des Sicherheitsbeauftragten unterstreichen, denn vom Einhalten seiner Rolle, oder eben vom Unterlassen seiner Pflichten - und welche Konsequenzen beides haben kann, darüber wird in diesem Buch noch die Rede sein. Von Beginn an gab es Probleme.

Vom anfänglich geplanten Sechsmannteam waren zunächst nur Jean, ein Franzose und ich in Riad eingetroffen. Aufgrund massiver administrativer Schwierigkeiten und wegen der Langsamkeit der saudischen Behörden, vor allem des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, sah die Bewachung der Delegation zwei Wochen lang so aus, dass wir nur mit einem Messer bewaffnet fast Tag und Nacht Wache standen. Es war tragisch-komisch. Zusammen mit dem Teamchef Mart war ich der erste Sicherheitsoffizier vor Ort. Bevor es an dieser Stelle weitergeht, ein Wort zu Mart. Zunächst arbeitete der Brite für Strike-Level-4 ltd in Riad und ab 2009 in Afghanistan. Nach massiven Problemen in den Führungsetagen trennte er sich von der Firma. Kurz darauf engagierte er für ein Sicherheitsunternehmen, zu deren Klienten auch die Aga Khan Agency (Bank) gehörte. Als mich Mart lange Zeit nach meinem Job in Riad, im März 2014 wieder kontaktierte, bot er mir einen Job als Security Manager für die der Aga Khan Agency zugehörigen FMFB Mikrofinanzbank Afghanistan an. Er kannte meine Fähigkeiten, wusste, dass mir dieser Job wie auf dem Leibe geschneidert war. Aus persönlichen Gründen lehnte ich damals sein Angebot ab. Mart kam 2016 in Afghanistan ums Leben, doch nun weiter mit unserem Riad Abenteuer. Jean erschien eine Woche nach mir in Riad. Die Situation war alles andere als erfreulich, denn eine gepanzerte Limousine war an der jordanischen Grenze blockiert, Waffen und Munition hatten wir noch keine, der ganze Rest der Ausrüstung kam nur zögernd, Stück für Stück. Warten war also angesagt. Und improvisieren auf Teufel komm raus. Ich tat also das, was wir bereits in der Fremdenlegion als faire la guerre avec le couteau et la bite oft genug getan hatten. Vom Sinne her heißt das so viel wie „hilf dir selbst dann hilft dir Gott.“ Das waren die Anweisungen und ich hatte gelernt, Anweisungen nicht zu diskutieren, sondern sie zu befolgen. Punkt. Low Profile wie es besser nicht mehr ging. Die Kommission befand sich in einem Viertel, nahe am alten Flughafen, fast im Zentrum der Stadt. Klein und unauffällig war sie, und genauso sollte es auch sein, aber dennoch. Ich hatte so meine Bedenken. Es gab nur eine Front. Das war eine Mauer mit dem Hauptgebäude unmittelbar dahinter. Und es existierte nur ein Ein-und Ausgang. Würde jemand die Botschaft angreifen, wäre es das wohl, denn Fluchtwege gab es keine. Da das Gebäude auch noch auf allen Seiten von sechs Meter hohen Mauern umgeben war, fühlte man sich wie eine Maus in der Falle. Einen schlechteren Ort für eine Botschaft hätte man kaum wählen können. Was geschieht, wenn? Wir gingen hunderte von Szenarien durch: ein Mauerdurchbruch der zum Nachbargelände führte. Eine Evakuation per Helikopter vom Flachdach aus. Einen Panikraum für Mann und Maus im Inneren des Gebäudes, etc. Unsere Wahl fiel auf die letzte Möglichkeit. Den Panikraum. Das Büro des Botschafters bot sich dazu an. Kurz darauf rückte auch schon die mit dieser Arbeit beauftragte Firma an. Was das Personal anging, so bestand die Delegation anfangs nur aus dem Botschafter selber, seinem Fahrer (einem sehr symphytischen Syrer, der wenig später ums Leben kam) und einer sudanesischen Sekretärin. Erst nach und nach kamen Beamte, Vertreter für Menschenrechte, für Administration, Presse, Politik, Handel und Wirtschaft. Zu Beginn, nachdem abends alle das Gebäude verlassen hatten, durchsuchten wir von der Security gründlich alle Räume und verschlossen sämtliche Türen. Ich besorgte durchsichtiges Klebeband, das wir unsichtbar an den Haustüren sowie am einzigen Fahrzeug (damals ein nicht- gepanzerter Mercedes, Dienstfahrzeug), an genau definierten Stellen befestigten, die wir morgens, lange bevor der Betrieb in der Botschaft losging, überprüften. Erst als dann einige Wochen später das Team komplett war, begannen wir mit der 24/24 Stunden Bewachung. Da wir noch keine Schusswaffen besaßen, schlug ich vor, auf dem Dach des Gebäudes mehrere MG-Attrappen anzubringen. Als Abschreckung. Bog man, von welcher Seite auch immer kommend, in die Straße ein, in der die Delegation ihren Sitz hatte, so sah es tatsächlich so aus, als wären Maschinengewehre und irgendwelche Männer dahinter in Stellung. Irgendwann jedoch platzte der Knoten und dann ging es Schlag auf Schlag. Eine Berliner Firma lieferte zwei Limousinen der gepanzerten B6 Klasse: ballistischer Stahl, Titan, Keramik, Panzerglas, Topqualität. Es folgten schutzsichere Westen vom Typ 3A High Level und nagelneue Maschinenpistolen Heckler & Koch MP5 K-PDW. Im Einsatz trugen wir diese Waffe verdeckt unter der Weste. Hinzu kamen Pistolen vom Typ HK-USP Compact. Letztere, die Universal-Selbstlade-Pistole war eine kleine aber feine Nahkampfwaffe, die für unsere Sicherheitsaufgaben wie optimiert schien. Es war halt deutsche Qualität: sicher, zuverlässig, präzise. Tödlich. Wir bekamen jedoch nur wenig Munition. Lächerlich wenig. Das saudische Innenministerium hatte wohl Angst, mitten in Riad eine Handvoll bewaffneter Ausländer zu wissen, aber dennoch: Jeder von uns erhielt in kürzester Zeit einen Waffenschein und das ach so nötige ´Iqama`. Es handelte sich um die Aufenthaltsgenehmigung, nicht zu verwechseln mit Iqâma, dem zweiten Gebetsaufruf. Wir Ex-Legionäre, inzwischen waren wir vier, waren mit all diesem Material gut vertraut, konnten blind damit umgehen.

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