Buch lesen: «Die kleine Insel unserer Fantasie (Band 2)»

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Susanne Zeitz ist 1960 in Schwäbisch Hall geboren.

Sie ist in Stuttgart aufgewachsen und lebt seit 1997 mit ihrem Mann und ihrer Familie in Konstanz am Bodensee.

Ausbildung zur Kunst, Mal- und Gestaltungstherapeutin und Burnout- und Stresspräventionstrainerin.

Sie malt und fotografiert, schreibt Romane, Gedichte und märchenhafte Erzählungen für Erwachsene.

Susanne Zeitz

DIE KLEINE INSEL UNSERER FANTASIE BAND 2

Märchenhafte Erzählungen

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2017

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Über die Autorin

Titel

Impressum

Vorwort

Korfu und das Wunder der Leuchtkäfer

Der Wolkengarten

Firlefanz

Das Mädchen mit dem Kaleidoskop

Der Kater mit dem goldenen Herz

Das Schneckenschloss

Eine kleine Spiegelgeschichte

Der Gondoliere oder Karneval in Venedig

Das kleine Glück

Eine besondere Nacht

Eulen in Athen

Postkarten aus Italien

Kleine Mainauimpression

Der Singvogel

Zwei Eichhörnchen im Gespräch

Carpe Diem oder die Geschichte der Familie Nando

Der Fischreiher vom Bodensee

Der Schlüssel zu den Drei Türen

Das kleine Blau

Tajin, der orientalische Traum

Pepita und Margarete

Der Cellist

Weitere Informationen

Vorwort

Wenn wir uns an einem kalten Winterabend die Zeit nehmen, um einem anderen Menschen ein Märchen zu erzählen oder eine Geschichte vorzulesen, dann erwärmen wir sein Herz und bauen eine goldene Brücke von Seele zu Seele.


Korfu und das Wunder der Leuchtkäfer

An einem Freitag, vor genau sechs Jahren, saßen mein Mann und ich gemütlich bei einem späten Frühstück.

Es war einer der Tage, der dem Monat Juni keine Ehre machte.

Es regnete in Strömen und kühler Ostwind pfiff um das Haus.

Ich weiß nicht mehr, wie wir auf das Thema kamen, doch mit einem Mal lag das Wort Korfu im Raum und eroberte schnell seinen Platz.

Ich erzählte von früher, von den Ferien mit meinen Eltern, die ich in Griechenland und vor allem auf der Insel Korfu verbrachte. Ich schwelgte in Erinnerungen an warme Nächte, die wir Sirtaki tanzend und Ouzo trinkend in lauschigen Tavernen am Meer verbrachten. Ich sah den funkelnden Sternenhimmel des Südens vor mir, der durch die Klänge der Bouzouki noch leuchtender und romantischer wurde. Ich spürte das Salz des blauen Meeres förmlich auf meiner Haut. Der Duft des frischgebackenen Brotes stieg mir wieder in die Nase und ich hatte plötzlich die reifen Pfirsiche, Aprikosen und die saftigen, roten Tomaten vor Augen, die auf dem Markt angeboten wurden.

Von meiner Begeisterung angesteckt, ermunterte mich mein Mann, alte Fotoalben hervorzuholen. Die Bilder verstärkten die erzählten Eindrücke. Gerührt blickte ich wieder in die Gesichter meiner alten Freunde, die ich so lange Zeit nicht mehr gesehen hatte.

Lebte die alte griechische Mama noch?

Wie ihr Leben wohl verlaufen war?

Waren sie mittlerweile verheiratet, hatten Kinder oder sogar schon Enkel?

Plötzlich verwandelten sich die wohligen Gefühle in Heimweh, in schmerzhaftes Sehnen, das die aufgelegte Musik CD von Mikis Theodorakis noch verstärkte.

Ach, ich wollte wieder nach Korfu, wollte meine Freunde wiedersehen und mit ihnen nach Sirtaki Musik tanzen!

Mein Mann, meine Gefühle spürend, sprach plötzlich aus, was ich nicht zu hoffen wagte.

„Lass uns doch nach Korfu fliegen“, schlug er vor.

Die Idee wirkte regelrecht elektrisierend auf uns.

Ich rief beim Reisebüro an. Wir hatten Glück!

Der Mitarbeiter hatte noch zwei freie Plätze für den Hin- und Rückflug und zwar genau in der Woche, in der mein Mann noch Urlaub hatte. Ich reservierte sie sofort.

Aus unserer Träumerei am Frühstückstisch war plötzlich Wirklichkeit geworden.

Kaum hatte ich das Telefonat beendet, kamen wir ins hektische Tun: Hund und Kaninchen mussten zur Ferienpflege in die nahe Schweiz gebracht werden. Die Nachbarn wurden gebeten, die Pflanzen zu gießen, wir mussten auf die Sparkasse, Flugtickets im Reisebüro abholen und so weiter.

Da unsere Reise am nächsten Morgen um fünf Uhr in der Frühe begann, verbrachten wir den Abend ruhig und voller Vorfreude zuhause.

Nach dreistündigem Flug war ich endlich wieder auf der Insel Korfu.

Ich fühlte mich sofort wieder daheim, trotz der sechzehn Jahre, die seit meinem letzten Besuch vergangen waren. Auf den ersten Blick hatte sich fast nichts verändert. Der unverkennbare Geruch von Thymian, Oregano und Minze stieg mir in die Nase, das Meer glitzerte in der Sonne und die Wärme hüllte mich ein. Ich fühlte mich glücklich.

Wir wohnten in einem typisch griechischen Häuschen mit verwitterten, blauen Fensterläden und blau gestrichener Holztür. In dem kleinen Garten wuchsen Geranien in alten Tontöpfen, blühten Kakteen in kleinen, verrosteten Ölfässchen und ein schief gewachsener Feigenbaum lehnte an der Hausmauer. Unter seinem Schattendach nahmen wir an einem wackeligen Holztisch unsere Mahlzeiten ein. Es war einfach wunderschön.

Der erste Tag war ausgefüllt mit Wiederentdecken von Altem und Kennenlernen von Neuem, denn natürlich hatte sich auf der Insel einiges verändert. Die alten Freunde jedoch waren dieselben geblieben. Älter zwar, nicht mehr in der Jugend von damals, doch ohne Fremdheit.

Voller Freude und Gastfreundschaft wurden wir wieder von der Familie aufgenommen. Die Mama grillte auf einem alten Grill frischen Fisch, den wir mit Weißbrot und griechischem Landwein genossen.

Haus und Garten hatten sich auch nicht verändert, sogar der alte Holztisch mit der bunten Plastikdecke war noch derselbe. Die Zeit schien hier stehengeblieben zu sein.

In den darauffolgenden Tagen eroberten wir die Insel:

Wir besuchten das Schloss der Kaiserin Sissi, verweilten in einem alten Kloster, bestaunten dort die Ikonen, beteten in der kleinen Kapelle im matten Licht der glänzenden, kunstvoll verzierten Öllampen und erfreuten uns an der üppigen Blumenpracht des Klostergartens.

Mit einem kleinen Schiff fuhren wir zu den Nachbarinseln Paxos und Antipaxos und badeten dort im türkisfarbenen Meer. Wir trafen Freunde und lagen faul, die Sonne und das Meer genießend, am Strand.

Es waren schöne und erfüllte Tage und doch fehlte mir die Magie, das besondere Erleben aus meiner Jugendzeit. Mir war bewusst, dass ich die Zeit nicht zurückdrehen konnte und doch, ein wenig davon wollte ich zurückbekommen.

Und meine geliebte Insel enttäuschte mich nicht!

Sie zeigte uns ihr wahres Gesicht an einem Abend, der mir und meinem Mann bis heute unvergesslich geblieben ist. Bouzoukispieler kamen in die Taverne, dazu Sirtakitänzer.

Eine warme Nacht unter einem weiten Sternenhimmel, leises Rauschen und Plätschern des Meeres und dazu die Klänge der Bouzouki.

Mal klagend, melancholisch, dann wieder freudig klingend, mitreißend im Tempo. Sie trug uns in die höchsten Höhen. Sehnsucht, Traurigkeit, Freude und Glück, alles lag an diesem Abend so nahe beieinander. Die Musiker entführten uns in die Sphären der Klänge. Sie offenbarten uns die wahre, griechische Seele.

Noch heute klingt diese Musik in meinem Herzen und ich spüre die darin enthaltene Sehnsucht.

Meinem Mann musste ich nach diesem Erlebnis meine Liebe zu Griechenland nicht mehr erklären. Er hatte sie selbst erfahren dürfen.

Am letzten Abend machte uns die Insel ein ganz besonderes Geschenk.

Das Abendessen in unserer Lieblingstaverne und der Abschied von den Freunden lagen bereits hinter uns.

Wir unternahmen einen letzten Spaziergang in das Nachbardorf. Unser Weg führte uns erst am Strand entlang, dann mussten wir einen kleinen Weg passieren, der zwischen Häusern und Gärten entlangführte.

Wir kamen zu einer Wiese, auf der ein kleines, halbverfallenes Haus stand. An seiner Vorderseite lehnte ein krumm gewachsener Feigenbaum.

Irgendetwas zog unsere Aufmerksamkeit an und so blieben wir vor den Resten eines alten Holzzaunes stehen. Wir kannten das Haus, waren einige Male bei Sonnenschein daran vorbeigegangen, doch heute erschien es uns geheimnisvoll. Etwas Magisches lag in der warmen Dunkelheit.

Mit einem Mal umkreisten uns viele kleine Leuchtkäfer. Kleine, schwirrende Lichtchen in der Nachtdunkelheit. Plötzlich unterbrachen sie ihren Flug, blieben leuchtend, in einigem Abstand zu uns in der Luft stehen und beobachteten uns. Gegenseitiges Staunen!

Wir trauten uns kaum zu atmen, aus Angst, sie durch irgendein Geräusch oder durch eine Bewegung zu erschrecken, und damit zu vertreiben. Es war ein geheimnisvolles Bild.

Kurz darauf löste sich ein Käfer aus der Gruppe, kam auf uns zugeflogen und blieb in geringem Abstand vor uns in der Luft stehen. Ein kleines zitterndes Licht.

Ein flüchtiger Moment der Begegnung und der Zusammengehörigkeit. Wir Menschen als Teil dieser geheimnisvollen Schöpfung.

Ich kann mit Worten kaum beschreiben, wie es uns um das Herz war. Freude, Rührung und Verbundenheit mit diesen Wesen. Es war einfach wunderschön.

Dann kehrte dieser einzelne Käfer wieder zu seinen Gefährten zurück. Alle zusammen flogen in unsere Richtung, blieben noch einmal einen kurzen Augenblick in der Luft stehen, um anschließend in der Dunkelheit zu verschwinden.

Wir blieben zurück, noch ganz im Banne des Erlebten, starrten ihnen nach, hofften auf ihr Zurückkommen wohl wissend, dass dieses Erlebnis einmalig war.

Ein Geschenk.

Wir sind sehr dankbar, dass wir so etwas Schönes erleben durften und die Erinnerung daran, berührt heute noch unsere Herzen.

Erfüllt kehrten wir in unser griechisches Häuschen zurück und ließen den Abend in der Geborgenheit des kleinen Gartens bei einem Glas griechischem Landwein ausklingen.

Am nächsten Tag verließen wir die Insel.

Allerdings war unser Abschiedsschmerz nicht allzu groß, denn wir hatten uns vorgenommen, nächstes Jahr unseren Urlaub wieder hier zu verbringen.

Die schönsten und wertvollsten Souvenirs, die wir nach Hause brachten, waren die Erinnerungen an die Sirtaki Nacht und an die Begegnung mit den Leuchtkäfern.

Sie sind darum so kostbar, weil sie nicht im Laden gekauft werden können.

Diese Erlebnisse sind Geschenke, die wir erhalten, wenn wir unsere Seele für die zarten, feinen Schwingungen öffnen.

Der Wolkengarten

Einst schlenderte ich, in dunklen Gedanken versunken, über die Insel Mainau.

Ich wusste, dass ich mich in einem kleinen Paradies befand, doch mein Blick hatte sich auf den Weg gesenkt und so sah ich die Schönheit der Blumen, das Blühen der Sträucher und die majestätischen, alten Bäume nicht. Sorgen und Traurigkeit hatten mein Herz in dunkle Tücher gehüllt. Nichts Schönes und Leichtes konnte die Tür meiner Seele öffnen, auch nicht das fröhliche Singen der Vögel.

Grübelnd wandelte ich über die Insel und wäre beinahe über etwas Funkelndes gestolpert, das direkt vor meinen Füßen lag.

Achtlos wollte ich mit einem großen Schritt darüber hinwegsteigen, als mich ein leises Stimmchen aufforderte, das Silberding aufzuheben. Erstaunt blickte ich mich um. Es war niemand zu sehen.

Ich bückte mich und sah, dass es sich um einen großen, silbernen Schlüssel handelte. Ich hob ihn auf. Er wog schwer in meiner Hand. Als ich ihn näher betrachtete, entdeckte ich auf seinem Schaft eine feine Gravur. Ich konnte das Wort Wolkengarten entziffern.

Was hatte das zu bedeuten? Was war ein Wolkengarten? Wer hatte den Schlüssel verloren und welche Tür würde er wohl öffnen?

Als ich ihn so fragend betrachtete, begann es wieder hinter mir zu flüstern: „Komm und folge mir.“

„Wer bist du?“, fragte ich und drehte mich um mich selbst. Doch ich konnte auch dieses Mal niemanden entdecken.

„Ich bin die Hüterin des Wolkengartens. Komm mit mir. Ich möchte dich dorthin führen.“

Eine unsichtbare Gestalt ergriff meine Hand und zog mich sanft mit sich.

Die Hüterin des Wolkengartens! Ich hatte schon von Elfen, Feen und Blumenköniginnen gehört, aber eine Hüterin des Wolkengartens kannte ich nicht.

Wir verließen den Hauptweg, überquerten eine kleine, hölzerne Brücke und gelangten schließlich zu den Geheimen Gärten.

Sieben Gärten verbargen sich hinter hohen Hecken und altem Gemäuer und konnten nur durch schwere, hölzerne Tore betreten werden. Über jedem Tor war auf einer Steintafel eine Inschrift eingraviert.

Auf einer Tafel las ich Glücksgarten, auf einer anderen stand Garten der Wahrheit und wieder auf einer anderen Garten der Tränen.

Die Hüterin zog mich weiter zu einer alten, von Efeu und rosa blühender Clematis überwachsenen Steinmauer.

Ich sah eine schwere Holztür mit einem silbernen Schloss. Darüber stand in silbernen Lettern Wolkengarten geschrieben.

Das Stimmchen forderte mich nun auf, den Schlüssel in das Schlüsselloch zu stecken. Ich tat, wie mir geheißen, steckte ihn in das Loch, drehte ihn herum und die Tür sprang mit einem lauten Quietschen auf.

Neugierig trat ich ein und sah mich um. Ein wenig enttäuscht stellte ich fest, dass es nicht viel zu bewundern gab. Er war nicht so wie andere, üppig blühende Gärten. Keine Blumen, keine Bäume und Sträucher, nur sich leise im lauen Wind wiegende hellgrüne und rote Gräser. Sonst nichts.

Fragend blieb ich auf dem weiß gekiesten Weg stehen. „Und nun?“

„Setz dich auf die Bank und betrachte“, sagte das leise Stimmchen hinter mir.

Ich blickte mich um und entdeckte eine kleine, blaue Holzbank.

Ich nahm Platz und sah dem sanften Wiegen der Gräser zu. Der innige Gesang einer Amsel drang an mein Ohr, der Wind streichelte sanft mein Gesicht und mit einem Mal überkam mich eine große Ruhe und Gelassenheit.

Nun hörte ich wieder die leise Stimme.

„Sieh nach oben“, forderte sie mich auf.

Ich legte den Kopf in den Nacken und schaute in den Himmel.

Ich sah viele Schäfchenwolken ziehen. Sie leuchteten weiß, rosarot, violett und segelten mit Leichtigkeit über die Weite des Himmels. Über den Bergen formierten sich graue, hochaufgetürmte, mächtige Wolkengebilde, die rasch den freien Raum für sich in Anspruch nahmen. Als ich sie genauer betrachtete, konnte ich in ihnen pausbackige Kobolde und Tiergesichter erkennen. Eine Wolke sah aus wie eine dicke, schlafende Frau, eine andere baute sich zu einem weißen Schloss mit Türmchen und Zinnen auf.

Der Himmel malte geheimnisvolle Wolkenbilder.

Es war faszinierend, ihnen zuzusehen.

Bewundernd und voller Freude betrachtete ich diese feinen Traumgebilde und spürte, wie die Sorgen und Nöte mein Herz verließen und in den Himmel flogen. Die Wolken nahmen sie auf und trugen sie mit sich in die unendliche, blaue Weite.

Je länger ich nach oben blickte, desto freier und leichter wurde meine Seele.

Ich schloss die Augen und gab mich dem neuen inneren Frieden hin.

Als ich sie nach einer Weile wieder öffnete, waren die Wolken verschwunden und die Sonne schien heiß in mein Gesicht.

Es wurde Zeit, den Garten zu verlassen.

Voller Dankbarkeit stand ich auf und trat hinaus auf den Weg.

Die Tür fiel hinter mir ins Schloss.

Der silberne Schlüssel aber war plötzlich verschwunden.

Die Hüterin des Wolkengartens hatte ihn mitgenommen.

Jedem steht die Tür zum Wolkengarten offen. Die Hüterin wird sie gerne aufschließen, denn sie freut sich über jeden Besucher, der seine Sorgen und Nöte hinter sich lassen möchte.

Sollten die Sorgen meine Seele mal wieder zu sehr bedrängen, werde ich den Wolkengarten aufsuchen. Das habe ich mir fest vorgenommen.

Firlefanz

Firlefanz, ein Glitzertanz von Talmi und Klimbim.

Ein Sirren und Flirren.

Glitter und Flitter.

Venedig im Glanz auf des Karnevals Tanz.

Firlefanz und Trallala,

Brimborium und Trivia,

Nippes, Schwippes und so weiter

machen unser Leben heiter.

Firlefanz, ich muss es sagen,

liebe ich an allen Tagen!

Kinkerlitzchen groß und klein

bereiten mir ein leichtes Sein.

Firlefanz, mein Lieblingswort,

trage ich an diesen Ort,

dass es flittrig, glitzernd schwebe

und uns aus dem Alltag hebe.


Das Mädchen mit dem Kaleidoskop

Es war einmal eine große, graue Stadt, die aus vielen schmalen Gassen und langen Straßen bestand. Die Häuser standen eng und hoch nebeneinander und machten es der Sonne schwer, ihr Licht und ihre Wärme zu verschenken.

So gab es hier keine Bäume und die wenigen Blumen, die am Straßenrand wuchsen, waren mickrige Wesen mit geringer Strahlkraft.

Die Menschen, die in dieser Stadt lebten, verließen des Morgens das Haus und eilten geduckt, die Köpfe zwischen hochgezogenen Schultern und aufgestellten Mantelkragen versteckt, zur Arbeit in die große Fabrik. Abends geschah dasselbe, nur in die andere Richtung. Selten bemerkte man ein Lächeln oder hörte ein lustiges Grüßen.

Die Fabrik hatte die Freude und die Lebendigkeit der Menschen mit ihrem Ruß dunkelgrau übermalt.

Doch eines Tages geschah etwas Außergewöhnliches, etwas, das die Menschen aus ihrem Alltagstrott aufrütteln sollte!

Ein kleines Mädchen zog in eine der dunklen Gassen. Seine Eltern hatten hier endlich Arbeit gefunden. Während nun Vater und Mutter jeden Morgen in die Fabrik eilten, war das Kind auf sich allein gestellt. Da es sich zuhause langweilte, lief es durch die Straßen und erkundete die neue Umgebung.

Das kleine Sonnenkind bemerkte sehr schnell, dass hier die Liebe und die Leichtigkeit unter den Menschen verloren gegangen waren. Es spürte ihre Traurigkeit und nahm sich vor, dieser Stadt wieder Freude zu bringen.

So ging es nun jeden Tag durch die dunklen Gassen und sang mit seiner hellen und reinen Stimme Lieder von der Liebe, vom Blühen der Bäume und vom Rauschen der Bäche.

Die Menschen reagierten sehr verschieden auf diese neuen Töne.

Einige waren irritiert, andere bekamen regelrecht Angst und schlugen schnell ihre Fenster zu. Sie versuchten, das Kind zu vertreiben und warfen sogar mit Steinen nach ihm.

Doch das kleine Mädchen ließ sich nicht beirren. Es sang mit solch einer Liebe und Innigkeit, dass sich die Herzen seiner Mitmenschen immer mehr öffneten. Immer häufiger geschah es, dass sie ihre Fenster weit öffneten, aus ihren Häusern kamen und das Kind auf seinen Wegen durch die Stadt begleiteten.

Der kleine Platz vor dem Wohnhaus des Kindes wurde allmählich zu einem Treffpunkt. Immer mehr Arbeiter kamen nach Fabrikschluss vorbei. Ein kleines Abendritual. Feierabend und Gesang. Mit frohen Herzen gingen sie anschließend nachhause.

Es gab aber noch etwas anderes, das die Menschen in ihren Bann zog und das sich wie ein Lauffeuer unter ihnen verbreitete: Das Kind besaß ein kleines, magisches Kupferrohr. Durch dieses ließ es die Menschen schauen und eröffnete ihnen damit einen Blick in wunderschöne, geheimnisvolle Welten.

Mal sahen sie hell glitzernde Kristalle in allen Farben, mal funkelten Diamanten. Durch Bewegung und Drehung des Rohres entstanden die schönsten Blüten, dann wieder Mosaike wie aus Tausendundeiner Nacht.

Das Kind ließ jeden durch das geheimnisvolle Rohr schauen und erzählte von buntblühenden Wiesen, wo die Elfen in Vollmondnächten ihre Feste feierten und auf denen sich die prächtigsten Vögel zu ihren Balztänzen trafen. Sie berichtete von türkisfarbenen Libellen, die wie kleine Hubschrauber über rosarote Seerosen schwirrten und von grünen Fröschen, die eine goldene Krone trugen.

Das Mädchen führte die Menschen in das Reich der Fantasie und der Farben und machte sie wieder froh.

Die Stadt blieb zwar grau, doch seine Einwohner veränderten sich.

Das Kind hatte ihnen ihre Träume wiedergegeben.

Das geheimnisvolle Rohr wurde nachgebaut und in der ganzen Stadt verteilt.

Wenn die Menschen dem Grau des Alltags für einen Moment entfliehen wollten, dann genügte oft schon ein kurzer Blick in das Rohr.

Sie nannten es Kaleidoskop.

In unserer modernen Zeit ist es leider ein wenig in Vergessenheit geraten.

Doch wer sich für dieses kleine, magische Rohr interessiert, soll seinen Wunsch einfach in die Weite des Himmels senden und darauf vertrauen, dass das Kaleidoskop den Weg zu ihm findet.

Der kostenlose Auszug ist beendet.