Kurzgeschichten, wie sie das Leben so schreibt

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Es waren kuschelige und saubere Zimmer mit einem schönen Bad. Voller Freude hüpften Manuela und Tarkan ins Bett. Diesmal ging es richtig zur Sache. Auf diese Nacht waren sie schließlich vorbereitet gewesen. Sie waren beide genug verliebt, dass alles wie von allein klappte. Manuela wurde sogar etwas misstrauisch. „Sag’ mal, hast du mir die Wahrheit gesagt?“ „Warum? Bin ich denn so gut gewesen?“ Schelmisch, aber auch mit Stolz in der Stimme zwinkerte er ihr zu. „Hm.“ Mehr sagte Manuela nicht. Aber insgeheim wünschte sie sich, dass sich jeder so viel Zeit beim Lieben genommen hätte, wie es Tarkan getan hatte. Und sein sicheres Gespür hatte ihn gut geleitet. „Glaub’ mir, Süße, du bist meine erste Frau. Und ich muss sagen, das Warten hat sich gelohnt.“ Verliebt schaute er sie an. Sie schmusten und alberten noch etwas herum, dann schliefen sie zufrieden aneinandergekuschelt ein.

Am nächsten Morgen fuhren sie wieder zurück zum Hotel. Während die Männer ihre Arbeit in der Boutique aufnahmen, machten sich die Frauen in ihrem Zimmer frisch und frühstückten danach ausgiebig auf der Restaurant-Terrasse. Sie tuschelten wie Teenager und kicherten ab und zu. Fränzi konnte es immer noch nicht glauben, dass Tarkan noch Jungfrau gewesen war. Ihr Mehmet war da ein ganz anderer! Sie fühlte sich jetzt genauso beschwingt wie ihre Cousine. Sie besprachen, was sie am heutigen Tag unternehmen wollten. „Ach du meine Güte! Jetzt fällt mir gerade ein, dass wir noch unbedingt zur Anprobe meines Lederanzugs in die Stadt müssen. Am Nachmittag, wenn Siesta herrscht und die Männer ihre Boutique für ein paar Stunden zumachen können, könnten wir ja die Kolosseum-Ruine besuchen und ein paar heiße Fotos schießen.“ Manuela war einverstanden. Sie informierten noch schnell Mehmet und Tarkan, verabschiedeten sich mit ein paar heißen Küssen und fuhren dann mit einem Taxi in die Stadt.

Im Ledergeschäft wurden sie schon erwartet. Der Anzug war zwar angefertigt, sass aber nicht besonders. Fränzi machte einen Schmollmund. Sie verlangte, dass die Änderungen so schnell wie möglich gemacht wurden, sonst würde sie den Rest nicht bezahlen. Manuela war inzwischen mit Tee versorgt worden. „Nimm’s gelassen, Cousinchen. Wir haben ja Zeit. Wenn wir in 2 Tagen wieder erscheinen, ist bestimmt alles in Ordnung. Gehen wir noch ein wenig bummeln.“ Dazu musste Fränzi erst gar nicht ermuntert werden. Sie hakten sich unter und schlenderten gemütlich von Stand zu Stand. Sie kauften ein paar Kleinigkeiten als Andenken. „Hast du eigentlich schon deine Ansichtskarten gekauft?“ Fragend schaute Manuela Fränzi an. „Wenn nicht, dann hätte ich dir hier, gerade die Richtige.“ Fränzi schaute neugierig die Karte an, die Manuela aus einem Kartenständer genommen und ihr entgegengestreckt hatte. Dann prustete sie los. „Manuela, was für schmutzige Gedanken hast du nur?“ Gespielt entrüstet wehrte sie ab. Auf der Karte war das Bild einer kleiner Statue aus einem Museum zu sehen. Ganz offensichtlich handelte es sich dabei um einen nackten Mann, dessen Penis länger als er selber zu sein schien. „Aber weißt du was? Du hast recht, bis jetzt bin ich noch gar nicht dazu gekommen, Karten zu kaufen geschweige denn zu schreiben und abzugeben. Ich nehme die und schicke sie meiner spröden Nachbarin. Na, die wird sich freuen!“ Ohne zu erröten ging sie mit dieser Karte zur Kasse, um zu bezahlen. Den verruchten Blick des Verkäufers ignorierte sie geflissentlich.

Wie sie später erfuhren, war diese Nachbarin beim Erhalt der Karte gar nicht erfreut gewesen. Ausgerechnet an jenem Tag hatte sie einen Einschreibebrief bekommen, für den sie quittieren musste. Darum hatte ihr der Postler alle Post persönlich überbracht – zuoberst hatte demonstrativ diese Karte gelegen und die Nachbarin schön in Verlegenheit gebracht!

Sie fuhren zurück zum Hotel und holten etwas später ihre beiden Freunde ab. Mit Mehmets Auto fuhren sie zum Kolosseum. Dort spielten sie Verstecken, lachten und machten viele schöne Erinnerungsfotos. Da sie noch genug Zeit hatten und Fränzi einmal erwähnt hatte, dass sie regelmässig reite, fuhren sie danach weiter zu einem Reiterhof. Dort mietete sich Fränzi für eine halbe Stunde ein Pferd. Mehmet stand am Holzzaun und feuerte sie an. Doch alles nützte nichts. Anscheinend war es das Pferd gewohnt, nach jeder Runde kurz eine Pause zu machen. Fränzi konnte machen, was sie wollte, das Pferd blieb einfach nach jeder Runde für 1 Minute stehen. Tarkan und Manuela hatten es sich bei einem Tee gemütlich gemacht. Mit großer Belustigung schauten sie den verzweifelten Bemühungen von Fränzi zu. Irgendwann gab sie resigniert auf. So kam sie gar nicht richtig zum Reiten. Trotzdem hatte es ihr gefallen, wieder mal auf einem Pferd zu sitzen. In der Zwischenzeit hatte Tarkan Manuela beigebracht, wie „Ich liebe dich“ auf Türkisch heißt. Etwas später fuhren sie wieder zurück zum Hotel.

Spät am Abend wurde den Hotelgästen wieder einiges geboten. Es wurde gesungen und getanzt. Als Mehmet und Tarkan endlich ihre Boutique schließen konnten, waren die beiden Frauen schon ganz ausgelassen. Sie packten ihre beiden Freunde und schleppten sie zum Strand hinunter, wo sie ganz ungeniert schmusten. Schließlich waren sie nicht die Einzigen, die diese Idee gehabt hatten. Überall sah man Liebespaare an mehr oder weniger versteckten Plätzen. „Heute schlafen wir wieder mal in unseren Hotelbetten, denn in unserem Alter braucht man den Schönheitsschlaf.“ Mehmet und Tarkan schauten ganz enttäuscht. Doch als ihnen die Frauen versprachen, dafür die nächste Nacht wieder im selben Hotel mit ihnen zu verbringen, hellte sich ihre Miene zusehends auf. Sie verabschiedeten sich voneinander und gingen getrennten Weges davon.

Im Zimmer erzählte Fränzi, sie hätte gehört, dass es in der Nähe eine Schmuckfabrik gebe. Dort könne man direkt zusehen, wie Schmuck entsteht. Diesen könne man dann auch gleich kaufen, und zwar zu einem günstigen Preis. Manuela, die bis dahin von Schmuck nicht so viel gehalten hatte, schlug vor, Mehmet und Tarkan zu fragen. Vielleicht wussten sie, wo diese Fabrik stand und würden sie dorthin begleiten. Beide gähnten wie auf Kommando, es machte sich bemerkbar, dass sie in den letzten Tagen zu wenig Schlaf bekommen hatten. Fränzi war so müde, sie hätte im Stehen schlafen können! Prompt bekam sie von ihrer Cousine zu hören, dass sie im Moment wirklich nicht gerade vorteilhaft aussähe. Spontan nahm sie ihr Kissen und warf es Manuela an den Kopf. Doch die wich geschickt aus und konterte. Lachend fielen sie auf ihre Betten. Es dauerte keine 30 Sekunden, bis sie eingeschlafen waren.

Sie schliefen aus und verpassten beinahe ihr geliebtes Frühstück. Das Personal war nicht begeistert, als sie knapp vor dem Abräumen noch auftauchten. Sie genossen die warme Sonne und ließen es sich schmecken. Danach machten sie einen Besuch in der Boutique, wo sie schon sehnsüchtig erwartet wurden. Die Männer waren sofort einverstanden, sie an diesem Tag während der Siesta in die Schmuckfabrik zu begleiten. Es war wirklich nicht allzu weit weg. Sie durften sich überall umsehen. Selbst Manuela, die ja kein Schmuckfan war, konnte nicht widerstehen und kaufte sich eine hübsche Filigran-Halskette für wenig Geld. Sie fuhren weiter an den Strand, wo sie im Wasser plantschten und sich an der Sonne bräunen ließen. Für einen Imbiss an einem Stand in der Nähe mussten sie einen kleinen Platz mit allerlei Unrat und Scherben überqueren. Da Manuela barfuß war, Tarkan hingegen Sandalen anhatte, nahm er sie kurzerhand auf die Arme und trug sie bis vor den Stand. Von dort erscholl Musik von Chris Rea, der „On the Beach“ sang. Wie passend, fand Manuela. Sie genoss es sichtlich, auf Händen getragen zu werden.

Während die Männer etwas zu essen und trinken holten, setzten sich die beiden Frauen in den Sand. Fränzi erzählte ihrer Cousine ganz aufgeregt, dass Mehmet mit seiner Mutter telefoniert und ihr gesagt hätte, er habe nun endlich seine Traumfrau gefunden! Mit großen Augen schaute Manuela ihre Cousine an: „Ja, hoppla, seid ihr denn schon soweit? Ist dir bewusst, was das heißt?“ Fränzi schaute etwas verlegen drein. „Ich weiß, es geht alles so schnell. Aber ich habe das Gefühl, dass einfach alles zusammenpasst. Und was soll ich mich denn noch dagegen sträuben? Ich will ja schließlich nicht als alte einsame Jungfer sterben. Und mindestens ein Kind möchte ich auch noch haben. Aber sicher bin ich natürlich noch nicht. Mehmet und ich müssen das noch genau miteinander besprechen.“ Spät am Nachmittag fuhren sie wieder ins Hotel zurück. Die beiden Frauen duschten und machten es sich bei leiser Musik mit einem Liebesroman auf ihren Betten bequem. Der Abend verlief dann wie üblich. Sie aßen auf der Restaurant-Terrasse und trafen sich nachher wieder mit ihren Freunden. Die Zeit verging wie im Flug.

Am nächsten Tag gönnten sich Manuela und Fränzi wieder einmal eine „Erotik“-Stunde im Pool mit Patric und den anderen Hotelgästen. Danach mussten sie leider ihre Runden im Pool allein drehen. Der Hoteldirektor hatte mitbekommen, dass da etwas zwischen seinen Angestellten und Touristinnen lief. Die Liebe konnte er ja nicht verbieten, aber dass sich seine Angestellten am Pool aufhielten, schon. So vereinbarten sie, dass sie sich am Nachmittag am öffentlichen Strand treffen würden. Vorher fuhren die beiden Frauen noch einmal in die Stadt, wo sie den Lederanzug von Fränzi abholen wollten. Diesmal klappte alles. Der Anzug saß, und Fränzi bezahlte die Restschuld. In einem anderen Geschäft sahen sie glänzende Jogging-Anzüge. Da diese in der Schweiz ziemlich teuer waren, betraten sie den Laden und fragten nach dem Preis. Frech handelten sie den Preis hinunter bis auf 30.- pro Anzug. Da hatten sie wirklich ein gutes Geschäft gemacht! Schnell ließen sie sich wieder zum Hotel zurückchauffieren. Dort verstauten sie ihre neuen Errungen-schaften, packten ihre Badesachen und fuhren wie verabredet weiter zum Strand.

 

Mehmet und Tarkan warteten schon. Beide hatten ein Geschenk mitgebracht. Fränzi bekam ein rotes T-Shirt, Manuela ein weißes. Als sie ihnen von ihrem Handeln im Laden berichteten, schauten sie die Männer ganz stolz an: „Ihr benehmt euch ja schon wie echte Türkinnen!“ Sie hielten sich eine Weile im Wasser auf. Danach fragte sie plötzlich Mehmet, ob sie Lust hätten, mit ihm etwas weiter weg zu fahren. Seine Mutter (die Witwe war) hätte sich nämlich dort eine Wohnung gekauft. Der Wohnblock werde gerade jetzt gebaut. Ob es sie interessieren würde? Alle waren einverstanden, und so fuhren sie weiter. Sie fanden den Wohnblock schnell und bestiegen die Treppe in den 3. Stock. Dort befand sich die 5-Zimmer-Wohnung. Alles war noch im Rohbau. Stolz zeigte ihnen Mehmet die Zimmer. Wenn es mal fertig war, würde es sicher schön aussehen.

Besonders Fränzi schaute sich alles sehr genau an. Wer weiß, dachte sie, vielleicht werde ich mich in nicht allzu ferner Zukunft auch ab und zu dort aufhalten. Danach schauten sie sich noch etwas die Stadt an und aßen eine Kleinigkeit. Bald mussten sie aber wieder zurückfahren. Wieder in ihrem Zimmer, erfrischten sich die beiden. Komischerweise wirkten beide lustlos. „Ist dir eigentlich klar, dass unsere Woche hier in der Türkei bald vorbei ist?“ Fränzi schaute ihre Cousine traurig an. Auch Manuela wirkte bedrückt. Zu ihrem Erstaunen gefiel es ihr in der Türkei immer besser. All ihre Vorurteile hatten sich in Luft aufgelöst. Die Menschen waren meist guter Laune und sehr entgegenkommend. Das Land gefiel ihr auch immer besser. Sie fühlte sich schon fast wie eine Einheimische hier. Das war bestimmt nicht das letzte Mal, dass sie in der Türkei weilte, dachte sie. Und sie sollte recht behalten. In den nächsten Jahren flog sie noch über ein halbes Dutzend mal dorthin.

„Ich weiß zwar nicht, wie es mit mir und Tarkan weitergehen wird. Es ist mir im Moment auch nicht so wichtig wie dir mit deinem Mehmet. Aber du hast recht. Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wieder in die kleine Schweiz zurückzufliegen.“ Beide hingen ihren Gedanken nach.

Den letzten Abend vor der Abreise hatten sich Mehmet und Tarkan freigenommen. Doch es wollte einfach keine gute Stimmung aufkommen. Sie waren zu einem kleinen romantischen Restaurant gefahren. Sie waren dort die einzigen Gäste. Nach dem Essen blieben Fränzi und Mehmet eng umschlungen am Tisch sitzen, während Manuela und Tarkan sich draußen ein Plätzchen suchten. Völlig überrascht stellte Manuela fest, dass Tarkan Tränen in den Augen hatte. „Wie soll es nur weitergehen ohne dich? Du weißt, ich habe keine guten Familienbande. Das Geld für meinen Job reicht kaum zum Essen. Den Pass habe ich schon vor einer Weile verloren. Und ohne den kann ich dich nicht mal in der Schweiz besuchen. Die Leute vom Militär haben gesagt, erst müsse ich meinen Militärdienst von 2 Jahren absolvieren. Erst dann bekäme ich einen neuen Pass. Aber als Kurde, der ich bin, wird es mir garantiert schlecht unter den Türken im Militär gehen. Ich habe solche Zukunftsangst.“

Tarkan hatte seinen Kopf in Manuelas Schoß gelegt und vergoss weitere Tränen. Sie wusste erst gar nicht, was sagen. Sie strich ihm übers Haar und überlegte. Anscheinend erhoffte sich Tarkan Hilfe von ihr. Doch dazu war sie nicht bereit. Sie mochte ihn sehr, aber wenn er nicht selber sein Leben in den Griff bekam, war ihre Beziehung sowieso chancenlos. Auch wusste sie nicht, ob Tarkans Gefühlsausbruch echt war oder nur eine momentane Regung. Sie tröstete ihn und versuchte ihm Mut für die Zukunft zu machen.

Wie sich später herausstellen sollte, hatte Tarkan tatsächlich mehr als genug Gründe für seine Tränen gehabt. Er hatte eine sehr schwere Zeit.

Nachdem sich Tarkan etwas beruhigt hatte, u. a. deshalb, weil ihm Manuela versprochen hatte, ihn fleißig aus der Schweiz anzurufen, gingen sie wieder hinein ins Restaurant. Fränzi schaute mit glänzenden Augen auf und teilte ihnen mit, dass Mehmet ihr einen Heiratsantrag gemacht und sie diesen soeben angenommen hätte. Meine Cousine, dachte Manuela liebevoll und gratulierte. Tarkan bemühte sich, nicht schon wieder zu weinen. Seine Zukunft sah nicht so rosig aus wie die der beiden Verliebten. Sie fuhren weiter in das Hotel, wo sie schon mehr als einmal übernachtet hatten. Bei einer guten Gelegenheit nahm Manuela ihre Cousine schnell zur Seite: „Du weißt, wir müssen morgens um 4.00 Uhr aufstehen und zurück zum Hotel gehen. Dort packen wir schnell, bevor wir vom Bus abgeholt werden. Tarkan ist derart traurig, dass ich denke, dass es besser ist, wenn ich ihn nicht wecke, wenn ich fortgehe. So kann er ausschlafen, und der Trennungsschmerz ist dann auch nicht so groß. Also weck’ mich bitte ganz leise.“ Fränzi verstand sie und war einverstanden. Als dann der Wecker klingelte, weckte sie zuerst Mehmet, der versprochen hatte, sie zum Hotel zurückzubringen. Dann ging sie rüber ins andere Zimmer und stupste sachte ihre Cousine an, die sofort wach wurde. Leise zog sie sich an, schrieb ein paar Zeilen für Tarkan und verschwand mit Fränzi und Mehmet in die Nacht.

Der Abschied von Mehmet fiel beiden Frauen nicht sonderlich schwer. Beide wussten ja, dass er, sobald er das Visum von Fränzi erhalten hatte, in die Schweiz kommen würde und sie ihn wiedersehen konnten. Manuela hatte Tarkan seine Lieblingskassette geklaut, die sie während des ganzen Heimflugs hörte. Wieder in der Schweiz, fielen sich die beiden in die Arme und verdrückten ein paar Tränen. Beide hofften, dass alles nicht nur ein schöner Traum gewesen war, sondern noch eine Fortsetzung hatte …

Nachtrag: Es hatte eine Fortsetzung gegeben. Schon am nächsten Tag bekamen beide Anrufe von ihren Freunden. Sie wurden schrecklich vermisst. 3 Monate später kam Mehmet für ein paar Monate in die Schweiz. Weitere 2 Monate später folgte in Ankara die türkische Verlobung im Familienkreis von Mehmet. Selbstverständlich waren Manuela und Tarkan (als zukünftige Trauzeugen) auch eingeladen. 1 Jahr später heirateten Fränzi und Mehmet und bekamen in der Folge 2 Kinder. Zum selben Zeitpunkt gab es ein Missverständnis zwischen Tarkan und Manuela. Als dieses ein paar Monate später aufgeklärt wurde, war es allerdings schon zu spät.

Manuela hatte in der Schweiz einen Türken kennengelernt, der total in sie vernarrt war und mit dem sie sich kurze Zeit später einließ.

Ein kleiner Augenblick voller Seligkeit

Diese Augen! Es hatte sie fast umgehauen. Eigentlich wollte sie nur Tennis spielen. Mit ihrem Bruder. Was sie dann auch tat. Die Stunde war schnell vorüber. Sie verließen den Platz. Gingen Richtung Ausgangstür. Bevor sie diese öffnen konnten, wurde sie von der anderen Seite aufgetan. Ein Rudel Leute kam ihnen entgegen. Man wurschtelte sich aneinander vorbei. Ein Mann ging an ihr vorüber. Ihre Augen begegneten sich. Das genügte. Wie magnetisch angezogen drehten sich beide wieder um. Beide blieben einen winzigen Augenblick stehen, schauten sich einfach nur tief in die Augen. Dann gingen sie weiter. Er auf den Platz. Sie in den ersten Stock ins Restaurant. Von dort konnte sie direkt auf den Tennisplatz sehen. Gerade unter ihr der Mann. Bei jedem Schlag hob er den Kopf und schaute ihr direkt in die Augen. Und sie war immer bereit, den Blick zu empfangen. Eine ganze Stunde lang. Dann verließ er den Platz, sie ihren kalten Kaffee. Noch ein intensiver Blick als Abschied. Sie sahen sich nie mehr. Wie er ausgesehen hatte – keine Ahnung. Mit wem er dort gewesen war – keine Ahnung. Was um sie herum geschehen war – keine Ahnung. Aber diese Augen vergaß sie nie mehr.

Skiferien mit Tante

„Das letzte Mal war wirklich super! Und noch schöner wäre es, wenn du diesmal auch mitkommen würdest.“ Cornelia, genannt Connie, schaute Manuela eindringlich an. „Dir würde ein Skiurlaub auch gut tun. Und da dein Sohn im gleichen Alter ist wie mein Walterli, könntest du ihn doch mitnehmen. Deine Tochter ist ja sowieso bei ihrem Vater. Na komm, sei doch kein Frosch!“ Manuela überlegte. Ihre Tante hatte recht. Warum eigentlich nicht? Und ihrem Sohn Albert konnte sie bei dieser Gelegenheit gleich das Skifahren beibringen. Es war ihr schon klar, dass es Connie auch darum ging, dass sie eine Gratisfahrgelegenheit fand. Denn weder konnte sie Auto fahren noch hatte sie ein Auto. Sie selber aber fuhr schon lange und besaß ein Auto. Aber sie liebte ihre Tante und wusste auch, dass es mit ihr nie langweilig würde. Sie hatten auch sonst die gleiche Wellenlänge und würden es bestimmt lustig haben. Sie lächelte. Sie nannte Connie ab und zu liebevoll „Tanti“. Bevorzugt dann, wenn noch andere Leute um sie herum waren. Die guckten dann immer so konsterniert. Und sie und Connie konnten vergnügt über deren Mimik lachen.

Connie war die jüngste Schwester ihrer Mutter. Als Manuelas Mutter geheiratet hatte, war Connie erst 4 Jahre alt. 6 Jahre alt war sie, als sie selber geboren wurde. Und so wuchsen sie praktisch zusammen auf wie Schwestern. Manuela erlebte alle ihre Männerbeziehungen von Anfang an. Und als sie dann in das Alter kam, wo sie ihren ersten Liebeskummer hatte, holte sie Rat und Trost bei Connie. Sie übernachtete auch ab und zu bei ihr. Denn mit ihrer Mutter hatte sich Manuela nie besonders verstanden. So war Connie für sie nicht nur die Tante, sondern vor allem die Schwester, Freundin und Ersatzmutter. Manuela heiratete vor Connie. Als sie das zweite Kind bekam, heiratete Connie, die mit ihrem ersten (und letzten) Kind schwanger war. Connie ließ sich später wieder scheiden. Manuela kurz danach auch. Sie besprachen alles miteinander, waren eine verschworene Gemeinschaft.

Sie besuchten sich häufig, machten Spiele und Ausflüge miteinander oder gingen mit Vorliebe und regelmäßig abends tanzen. Sie waren sich wirklich sehr ähnlich. Nur in einem Punkt unterschieden sie sich sehr. Während Connie am laufenden Band Affären hatte und ständig in irgendwelche Beziehungskisten verwickelt war, lief bei Manuela gar nichts außer mal ein Flirt mit 1 oder 2 Küssen. Aber auch das höchst selten. Connie sah sich deshalb als Vollblutfrau, während sie Manuela als spröde bezeichnete. Aber Manuela war sich halt mehr wert. Für eine billige Affäre war sie sich viel zu schade. Sie hatte keine Zweifel, dass irgendwann mal der richtige Mann bei ihr auftauchte. Sie konnte warten. Das alles hatte allerdings den Vorteil, dass sie sich auf diesem Gebiet nie in die Quere kamen.

Und nun wollte also Connie zusammen mit ihr in die Ferien gehen. Das Ziel war eine kleine Pension in Österreich mit einem kleinen, aber schönen Skigebiet. Manuela hatte den Verdacht, dass ihre Tante nicht nur wegen des Skifahrens dorthin wollte. Sie hatte ihr nämlich vom hübschen Pensionsbesitzer erzählt. Er war Ausländer, liebte angeblich seine österreichische Ehefrau, die er aber regelmäßig betrog. Und Connie stand schon immer auf Ausländertypen. Abgesehen davon, dass in 9 von 10 Fällen ihre Freunde jeweils schon anderweitig gebunden waren. Mit anderen Worten: Genau der Typ Mann, den Connie bevorzugte. „Gut. Du hast mich überredet. Ich und Albert kommen mit.“

Es war schönes Wetter, als sie am Sonntagmorgen in die Ferien fuhren. Und es war immer noch schönes Wetter, als sie ein paar Stunden später dort ankamen. Doch leider sollte es der einzige schöne Tag bleiben für den Rest der ganzen Woche. Sie wurden vom Pensionsbesitzer Orlando nett empfangen. Auch seine Frau ließ sich kurz blicken. Alle waren guter Laune. Sie bezogen ihr Zimmer und packten aus. Es war ein Vierer-Zimmer mit einem französischen Bett und einem Kajütenbett. Oben sollte Walterli, unten Albert schlafen. Danach machten sie einen Rundgang durch den Ort. Manuela hatte sich vorgenommen, auch während der Ferien zu trainieren. Seit 1 ½ Jahren machte sie nämlich mindestens 3 x wöchentlich Bodybuilding. Deshalb hielt sie Ausschau nach einem Fitnesscenter.

Es gab tatsächlich eins, ganz in der Nähe ihrer Pension. „Ferien sind doch zum Genießen da. Wie kannst du dir bloß eine solch harte körperliche Betätigung antun“, bemerkte Connie etwas abschätzig. Manuela lächelte in sich hinein. Anscheinend hatte ihre Tante im Moment nicht gerade ihre beste Zeit. Das kam zwar selten vor, aber wenn, dann musste man ihr aus dem Weg gehen. Manuela kannte das und wusste, wie damit umgehen. Connie war ausgesprochen unsportlich. Abgesehen vielleicht von ihrem Sexleben. Doch was das betraf, hatte Manuela schon lange den starken Verdacht, dass sie auch auf diesem Gebiet nicht so aktiv war, wie sie ihr immer weismachen wollte.

Sie selber hatte immer etwas Sport betrieben, mal mehr, mal weniger. Nur der wöchentlichen Gymnastik war sie treu geblieben, seit sie aus der Schule gekommen war. Und nun kam eben noch Bodybuilding dazu. Dass ihre Tante nur neidisch war, weil sie selber sich dazu aufraffen konnte, während Connie das nicht schaffte, war ihr klar. Sie atmete tief durch und bereitete sich auf eine etwas „angriffige“ Woche mit Connie vor. Zum Abendessen fanden sie sich im kleinen Essraum der Pension ein. Es waren nur wenige Leute dort. Beim Dessert gesellte sich Orlando zu ihnen. Während Connie rote Ohren bekam und sich angeregt mit ihm unterhielt, hielt sich Manuela etwas zurück. Orlando war nicht ihr Typ. Sie schauten noch fern, danach ging’s ab ins Bett. In der Nacht musste Manuela zu ihrem Leidwesen feststellen, dass Connie ganz schön schnarchte. „Auch das noch“, stöhnte sie leise. Dann aber musste sie lachen. Ach, was soll’s, dachte sie, das nehm’ ich doch mit Humor, schließlich sind Ferien. Sie drehte sich um und schlief kurz danach wieder ein.

 

Am nächsten Morgen waren es die Buben, die zuerst aufwachten. Mit lautem Getöse sprangen sie aus dem Bett und rannten zum Fenster. „Huch, ist das aber lausiges Wetter!“, schrien sie empört. „He, Mami, schau’ mal, es regnet und schneit zugleich!“ Albert rüttelte seine Mutter. Sie war sofort wach und bemerkte die Bescherung. „Ach, macht doch nichts. Gehen wir halt erst morgen Ski fahren. Machen wir es uns einfach so gemütlich. Ich wasche mich schnell, und dann gehen wir frühstücken.“ Manuela war schon im Badezimmer, als sie die missmutige Connie hörte: „Aber ohne mich. Lasst mich gefälligst noch etwas schlafen.“ Als sich auch ihr Sohn Walterli wieder ins Bett legte, schauten sich Albert und seine Mutter kurz an. Das konnte ja heiter werden!

Sie ließen es sich schmecken. Sie genossen die frischen Brötchen und all die Zutaten. Danach machten sie einen kleinen Spaziergang. Ein größerer Bach ging mitten durchs Dorf. An einem Kiosk kauften sie sich eine Zeitung bzw. ein Comic-Heftli und betraten danach ein gemütliches kleines Restaurant. Manuela bestellte sich einen weiteren Kaffee und ein Stück Kuchen, Albert genehmigte sich eine Cola. Dann vertieften sie sich in ihre Zeitung bzw. ins Heft. Die angenehme Atmosphäre behagte ihnen so, dass sie beschlossen, dies jeden Tag zu wiederholen. Was sie dann auch taten. Es war kalt draußen, windete und schneite. Sie kämpften sich durch den Schneematsch in die Pension zurück. Welch ein Wunder, Connie und Walterli hatten sich aufgerafft und warteten im Aufenthaltsraum auf sie. „Na, habt ihr euch amüsiert?“, fragte Connie schnippisch. Mit zuckersüßer Honigstimme konterte Manuela: „Aber ja doch! Es war herrlich, frische Luft zu tanken. Das solltest du auch tun. Mit deinem Glimmstängel im Mund siehst du auch nicht gerade taufrisch aus.“ Und als Draufgabe flunkerte sie, sie hätte bereits gut aussehende Typen angetroffen, die sie nett gegrüßt hätten.

Connie riss die Augen auf. „Wirklich? Wo? Wie?“ Albert schaute seine Mutter stirnrunzelnd an. Was sollte das? Das stimmte doch gar nicht. Sie aber zwinkerte ihm spitzbübisch zu. Schließlich wusste sie ganz genau, wie sie ihre Tante wach bekam. Und das Thema Männer zog immer. Connie verzog sich nach oben, wusch sich endlich und kam angekleidet wieder runter. „So, ich bin bereit.“ Fragend schaute Manuela sie an. „Na, zum Spazierengehen. Was denn sonst?“ Manuela lachte heimlich, dann versetzte sie ihrer Tante einen weiteren „Stoß“: „Albert und ich waren doch schon spazieren. Jetzt spielen wir eine Runde. Aber geht nur ruhig ohne uns, das macht uns nichts aus.“ Connis Augen funkelten böse. „Also allein macht’s doch keinen Spaß. Jetzt habe ich mich extra fein gemacht, und du lässt mich im Stich. Nicht die feine Art!“

Manuela war die Ruhe selbst. „Aber liebes Tanti, am Morgen haben Albert und ich extra –und zwar auch alleine – einen Spaziergang gemacht, damit ihr euch noch etwas ausruhen könnt. Da war ich auch nicht beleidigt. Und jetzt wollen wir halt etwas ausspannen, was ist denn dabei? Ich kann mich doch nicht immer nach dir richten, nicht wahr? Das wäre doch nicht fair, das findest du doch sicher auch!“ Connie schaute sie misstrauisch an. Bildete sie sich die Ironie in Manuelas Stimme nur ein, oder meinte sie es ernst? Connie war perplex und wusste nicht recht, was antworten. Da kam Orlando und lenkte sie gerade zum richtigen Zeitpunkt ab. Der Nachmittag verflog wie im Flug. Die beiden Buben spielten zusammen, während es sich Manuela mit einem Roman gemütlich gemacht hatte. Nach dem Nachtessen teilte sie Connie mit, dass sie sich zum Fitness-Training begebe. Sie packte ihre Turnsachen und ließ die drei im Aufenthaltsraum zurück.

Gut gelaunt betrat sie das Fitness-Studio. Ohne sich um die anderen zu kümmern, zog sie sich um und begann zu trainieren. Der Leiter des Studios kam auf sie zu und fragte freundlich, woher sie denn komme. Manuela gab bereitwillig Auskunft. Als er sie jedoch fragte, ob sie seine Hilfe brauche, schüttelte sie den Kopf. Sie käme ganz gut allein zurecht. Anscheinend glaubte er es ihr aber nicht so recht. Je länger er sie beobachtete, desto mehr erstaunt war er. Er pfiff anerkennend. Dafür, dass sie erst seit 1 ½ Jahren trainiere, stemme sie schon ganz gehörig Gewichte. Dann verließ er sie. Er hatte genug gesehen. Manuela brauchte ihn wirklich nicht. Locker zog sie ihr Programm durch. Die verschämten, aber neugierigen Blicke der anderen trainierenden Männer bemerkte sie zwar schon, doch sie tat, als hätte sie sie nicht gesehen.

Einer gefiel ihr besonders. Ein großer junger Mann mit schwarzen Haaren und einem schelmischen Blick. Trotzdem ließ sie sich nicht ablenken. Schließlich war sie ja zum Trainieren gekommen. Vom Flirten hielt sie sowieso nichts. Auch war sie es nicht gewohnt, dass Männer ihr nachstellten. Also warum sich Hoffnungen machen? Sie beendete ruhig ihr Programm, packte ihre Sachen zusammen und verließ das Studio. Wegen der Bezahlung hatte sie schon am Vortag mit jemandem gesprochen. Die körperliche Ertüchtigung hatte ihr gut getan. So ging sie entspannt durch die Nacht zur Pension zurück. Im Aufenthaltsraum saßen alle vor dem Fernseher. Sie begrüßte sie kurz und ging dann weiter ins Zimmer, um ausgiebig zu duschen. Dann cremte sie sich genüsslich ein und legte sich mit einem Schmöker ins Bett. Kurze Zeit später kamen dann die Buben. Sie alberten noch etwas rum, dann legten sie sich zu Bett. Sie alle schliefen schon eine Weile, als Connie nachkam.

Am nächsten Morgen mussten sie leider feststellen, dass es noch mehr schneite als am Vortag. Beim Frühstück versprach Manuela ihrem Sohn, dass sie es trotzdem wagen würden, etwas Ski zu fahren. Sie zogen sich warm an, holten ihre Skier und schritten mit den schweren Skischuhen langsam zum Lift. Dass Connie und Walterli etwas sauer reagierten, weil sie wieder allein die Zeit verbringen mussten, war ihnen egal. Schließlich waren sie ja nicht deren Babysitter und auch nicht von ihnen abhängig. Mit dem Lift fuhren sie bis zum obersten Punkt. Es schneite wie verrückt. Sie konnten kaum ihre eigene Hand vor ihren Gesichtern sehen. Es hielten sich nur wenige Leute dort auf. Dazu noch ein Skilehrer mit ein paar Schützlingen. Übrigens wieder ein so hübscher junger Kerl. Ob das wohl an Österreich lag? Sie schüttelte die Gedanken ab und packte ihren Sohn.

Sie suchten sich in der Nähe einen kleinen ungefährlichen Hügel. Zu ihrer Freude war Albert mit Freude dabei. Zuerst nahm sie ihn zwischen ihre Skier. Etwas später ließ sie ihn jeweils die letzten Meter allein fahren. Und am Schluss schaute sie von oben zu, wie er den kleinen Hügel allein runterfuhr. Unten angekommen, rief er ihr zu, ob sie ihn nicht nach oben ziehen könne, es sei ihm zu anstrengend. Manuela lachte und schüttelte den Kopf. Auch der Skilehrer, der gerade in ihrer Nähe weilte, hatte Alberts Frage mitbekommen und grinste. Sie zwinkerten sich zu. So musste Albert in den sauren Apfel beißen und sich langsam wieder nach oben kämpfen. Er hatte Hunger. Sie begaben sich ins warme Restaurant und bestellten sich Suppe und Würstchen. Trotz des Hudelwetters hatte es ihnen Spaß gemacht.

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