Das letzte Echo des Krieges. Der Versailler Vertrag

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Konkurrierende Ziele

Die unterschiedlichen Meinungen und Ziele der Konferenzteilnehmer lösten wie erwähnt einige heftige Krisen aus. Letztere wurden überwunden, indem die Delegierten Kompromisse schlossen, denn sie wollten um jeden Preis vermeiden, dass die Verhandlungen scheiterten. Einig waren sich alle darin, dass Deutschland die Schuld trug, das war das schmale und zerbrechliche Band, das die Sieger zusammenhielt. Aus diesem Grund konnten und wollten sie nicht mit Deutschland diskutieren. Jedes Gespräch mit den Deutschen, so ihre Überzeugung, würde die Verhandlung in einen Zustand zurückversetzen, in dem die Schuld noch zu ermitteln wäre. Die meisten Gesandten fürchteten, dass eine so offene Debatte einen Friedensschluss in weite Ferne rücken würde.

Die Rückgewinnung Elsass-LothringensElsass-Lothringen, eines der zentralen französischen Ziele, war bereits mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages erreicht worden. Für ClemenceauClemenceau, Georges spielte nun die Sicherheit FrankreichsFrankreich eine zentrale Rolle, ebenso wie die Wiedergutmachung der im Krieg und durch deutsche Besatzung verursachten Schäden. Wie die zukünftige Sicherheit zu gewährleisten sei, darüber gingen die Meinungen auseinander. FochFoch, Ferdinand plädierte für eine dauerhafte Abtrennung der linksrheinischen Gebiete zum Schutz FrankreichsFrankreich vor zukünftigen Angriffen.89 »Kurz, Deutschland bleibt noch für lange Zeit, bis zu einer völligen Wandlung seiner Politik und seiner Weltanschauung eine furchtbare Drohung für die Zivilisation«,90 erklärte der Marschall. Nur wenn der RheinRhein die neue deutsche Westgrenze bilde, könne verhindert werden, dass die Deutschen wie 1914 rasch in BelgienBelgien und LuxemburgLuxemburg einfielen, die Nordseeküste erreichten, EnglandGroßbritannien bedrohten, NordfrankreichFrankreich eroberten und nach ParisParis vordrangen.91 Im Februar umriss ClemenceauClemenceau, Georges im Auswärtigen Ausschuss, wie das SaargebietSaargebiet und die SüdpfalzSüdpfalz an FrankreichFrankreich angegliedert werden solle. Die übrigen linksrheinischen Gebiete sollten ein autonomer Staat werden, der mit FrankreichFrankreich durch eine Zollunion verbunden war. »Man wird das Gebiet so lange besetzt halten, bis es bereit ist, sich mit FrankreichFrankreich zu vereinen.«92

Doch ClemenceauClemenceau, Georges musste erkennen, dass er diese Forderung nicht würde durchsetzen können. Lloyd GeorgeLloyd George, David entgegnete wiederholt, er wolle kein neues Elsass-LothringenElsass-Lothringen schaffen, er sah voraus, dass ein besetztes Gebiet Konflikte hervorrufen und möglicherweise innerhalb weniger Jahre einen Revanchekrieg provozieren könne.93 Er wandte sich entschieden gegen die französischen Annexionspläne. Allerdings konnte der britische Premier das französische Sicherheitsbedürfnis durchaus nachvollziehen. WilsonWilson, Woodrow wiederum argumentierte, der Völkerbund werde die Sicherheit FrankreichsFrankreich garantieren. Der amerikanische Präsident orderte demonstrativ ein Schiff nach BrestBrest, um zu signalisieren, dass er jederzeit abreisen könne. Das war auch der Presse nicht verborgen geblieben, die Nachricht in der Times schlug ein wie eine Bombe.94

Mehrere Wochen lang beschäftigte das Thema die Großen Drei und ihre Berater. Im April erarbeiteten sie einen Kompromiss: Zum einen solle die Besatzung an die Reparationszahlungen gebunden werden. Sollte Deutschland seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, so hielte FrankreichFrankreich ein Pfand in der Hand. ClemenceauClemenceau, Georges verzichtete auf eine dauerhafte Abtretung der Gebiete, die stattdessen für 15 Jahre besetzt werden sollten. Der zweite Teil des Kompromisses sah vor, dass WilsonWilson, Woodrow und Lloyd GeorgeLloyd George, David FrankreichFrankreich als Gegenleistung für die Aufgabe dauerhafter Teilungs- und Annexionspläne ihre Unterstützung im Fall eines deutschen Angriffs zusicherten. Diese Garantieerklärung wurde mit dem Versailler Vertrag am 28. Juni unterzeichnet, trat aber aufgrund der ausgebliebenen Ratifizierung durch die USAUSA nicht in Kraft.

Schon während der Diskussion um ein Bündnisversprechen fürchteten die Berater, dass der amerikanische Senat einer solchen Unterstützungszusage seine Zustimmung versagen könne. ClemenceauClemenceau, Georges wusste bereits seit langem, dass WilsonWilson, Woodrow innenpolitisch unter Druck stand und dass der Senat dem Vertrag seine Zustimmung verweigern könne.95 Für die Zustimmung des Senats war eine Zweidrittelmehrheit notwendig. WilsonWilson, Woodrow würde also in jedem Fall um Stimmen aus den Reihen der Republikaner werben müssen. Für ClemenceauClemenceau, Georges bedeutete die Garantieerklärung viel, umso größer war seine Enttäuschung, als das Sicherheitsversprechen zerstob, noch bevor die Friedenskonferenz beendet war. Der französische Präsident hatte ein unumstößliches Bild von Deutschland: Der Nachbar war aggressiv, und ohne massive Veränderungen würde auch in Zukunft eine große Gefahr von dem Kriegsgegner ausgehen.

Die Friedensmacher beobachteten genau, was in Deutschland geschah, die dortige Presse wurde gründlich gelesen. ClemenceauClemenceau, Georges ereiferte sich Ende März über ein Interview mit Albrecht Graf von BernstorffBernstorff, Albrecht von, Adjutant des früheren Staatssekretärs Wilhelm SolfSolf, Wilhelm und später im Auswärtigen Amt tätig. »Er spricht mit der Arroganz eines Eroberers«, tobte ClemenceauClemenceau, Georges. »Aber wir sollten die Deutschen nicht mehr fürchten als notwendig. Wir müssen jeder möglichen Gefahr gewahr sein; aber da wir den Sieg zu so einem hohen Preis errungen haben, müssen wir uns auch seiner Früchte versichern.« ClemenceauClemenceau, Georges glaubte, dass sein Urteil für alle Deutschen gelte:

»Die Deutschen sind ein unterwürfiges Volk, sie brauchen Druck, um einem Argument zu folgen. Leider wird dieser aggressive deutsche Geist nicht so rasch verschwinden. Schauen Sie sich die deutschen Sozialdemokraten an, die behaupten, die Brüder unserer und Ihrer Sozialisten zu sein. Wir haben sie im Dienste der kaiserlichen Regierung gesehen, und heute stehen sie im Dienst von ScheidemannScheidemann, Philipp, umgeben von den alten Beamten des Kaiserreiches. Und RantzauBrockdorff-Rantzau, Ulrich von ist der Kopf.«96

ClemenceauClemenceau, Georges erklärte, dass er seit vielen Jahren regelmäßig Deutschland zu besuchen plane, weil er die Deutschen verstehen wolle. Und manchmal hoffe er, einen Weg zu finden, der die beiden Völker einander näherbringe. Aber er sei zu der Erkenntnis gelangt, dass die Vorstellung der Deutschen von Gerechtigkeit nicht der französischen entspreche. »Ich kenne die Deutschen«, erklärte der 78-jährige Ministerpräsident überzeugt.97 Dementsprechend war er auch sicher, dass die Deutschen nie offen Auskunft über ihre Guthaben und andere Besitztümer geben würden. Ein weiterer Vorteil einer alliierten Besatzung, davon versuchte er Lloyd GeorgeLloyd George, David und WilsonWilson, Woodrow zu überzeugen, bestehe darin, überprüfen zu können, über welche Reichtümer das Land verfüge.98

ClemenceauClemenceau, Georges stimmte dem Kompromiss zu, weil er keinen Bruch mit den USAUSA und GroßbritannienGroßbritannien riskieren wollte. Er begnügte sich mit der Entmilitarisierung des RheinlandsRheinland und einer Besetzung des linken RheinufersRhein sowie der Brückenköpfe auf 15 Jahre. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, dass Deutschland die Reparationen nicht zahlen könne oder wolle, so dass FrankreichFrankreich dauerhaft das Gebiet besetzen könne.99 Die Kompromissbereitschaft der Großen Drei wurde im April 1919 befördert, als sich die Lage in Osteuropa verschärfte: In UngarnUngarn war am 21. März unter Béla KunKun, Béla eine Räteregierung aus Sozialisten und Kommunisten gebildet worden. Bei den Siegermächten wuchs deshalb die Furcht vor einem weiteren Vordringen des Bolschewismus. Entsprechend arrangierten sie sich, um dem Frieden schnell näherzukommen.100

Auch die Unterstützung PolensPolen und die Gebietsforderungen zu Lasten des Deutschen Reiches waren FrankreichsFrankreich Sicherheitsbedürfnis geschuldet. PolenPolen wurde fast das gesamte ehemalige Großherzogtum PosenPosen und weite Teile WestpreußensWestpreußen links der WeichselWeichsel und ein freier Zugang zum Meer, der sogenannte Danziger KorridorDanzig, zugesprochen. Die Unterstützung der neuen Staaten in Osteuropa diente wie beschrieben dem Ziel, einen Sicherheitsgürtel um Deutschland zu errichten. Auch die Rüstungsbeschränkungen dienten der Garantie der französischen Sicherheit. Eine ebenfalls zentrale Forderung für die französische Seite betraf die Wiedergutmachung für die im Krieg verursachte Zerstörung. Zehn Departements waren schwer verwüstet worden, einige Gebiete, die Rote Zone, waren so von Munition verseucht, dass es unwahrscheinlich schien, dass dort jemals wieder Menschen leben könnten. Die Kohlegruben im SaarlandSaarland, wichtige Industrieanlagen, Straßen und Schienen waren zerstört oder demontiert worden. Für den Aufbau benötigte das hoch verschuldete FrankreichFrankreich dringend Wiedergutmachungszahlungen von Deutschland.

Im Unterschied zu FrankreichFrankreich hatte Lloyd GeorgeLloyd George, David kein Interesse an einem dauerhaft geschwächten oder gar geteilten Deutschland. Vor der Gewerkschaftskonferenz unterstrich er am 5. Januar 1918:

»Wir führen keinen Angriffskrieg gegen das deutsche Volk, das von seinen Führern überzeugt wurde, es kämpfe einen Verteidigungskrieg gegen eine Vereinigung neidischer Völker, die die Zerstörung Deutschlands beabsichtigen. Das ist nicht der Fall. Eine Zerstörung Deutschlands oder des deutschen Volkes war niemals unser Kriegsziel, vom ersten Tage des Krieges an bis heute. Wir wurden tatsächlich äußerst widerstrebend und äußerst unvorbereitet für die schreckliche Feuerprobe gezwungen, in diesen Krieg einzutreten, zur Selbstverteidigung, zur Verteidigung des vergewaltigten öffentlichen Rechtes in Europa und zur Rettung der feierlichen Vertragsverpflichtungen, auf welche die politische Struktur Europas gegründet ist. Deutschland dagegen hat mit seinem Einfall in BelgienBelgien dieses rücksichtslos zu Boden getreten. […] Deutschland hat eine große Stellung in der Welt. Es ist nicht unser Wunsch oder unsere Absicht, diese Stellung in Zukunft in Frage zu stellen oder zu zerstören, sondern Deutschland von seinen Hoffnungen und Plänen einer militärischen Beherrschung abzulenken, damit es alle seine Kräfte den großen gemeinnützigen Aufgaben der Welt widme.«101

 

Dem britischen Premierminister schwebte ein Gleichgewicht in Europa vor, allerdings mit britischer Vormacht. Folglich durfte FrankreichFrankreich weder zu stark noch Deutschland zu schwach sein. Nicht nur als Markt für britische Produkte wünschte er sich ein kräftiges Deutschland, er fürchtete zugleich, dass ein schwaches Land anfällig für kommunistisches Gedankengut werden könne. Eine instabile Region in Europa wollte der britische Premier auf jeden Fall vermeiden. Wichtige Ziele waren ja mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes aus seiner Sicht bereits erreicht: Die Rückgabe Elsass-LothringensElsass-Lothringen wurde ab November 1918 umgesetzt. Die Auslieferung der deutschen U-Boote, die Internierung der Hochseeflotte und die Wegnahme der Handelsschiffe waren ebenfalls beschlossen, sie mussten durch den Friedensvertrag nur noch bestätigt werden. Und auch die Kolonien würden in den Besitz der Sieger übergehen. Die Gründung eines unabhängigen PolensPolen, die von GroßbritannienGroßbritannien unterstützt worden war, befand sich ebenfalls auf einem erfolgversprechenden Weg. Deutschland als Konkurrent war aus Sicht des Premierministers bereits ausgeschaltet.

Als sich jedoch abzeichnete, dass möglicherweise nicht nur für die Beseitigung der Kriegsschäden in BelgienBelgien und FrankreichFrankreich, sondern auch für Renten und Pensionen Wiedergutmachung beansprucht werden könnte, schraubte Lloyd GeorgeLloyd George, David die Forderungen hoch. FrankreichFrankreich und BelgienBelgien dürften nicht alles bekommen, fand der Premier, dessen Land ebenfalls hoch verschuldet war. Bereits im Wahlkampf hatte Lloyd GeorgeLloyd George, David die Erwartungen hoch gesteckt: Ende November 1918 stellte er bei einer Wahlkampfveranstaltung seine Forderungen vor, die eine Aburteilung des Kaisers, die Vertreibung aller Deutschen aus GroßbritannienGroßbritannien und die Rückforderung der gesamten Kriegskosten umfassten.102 Die Zeitungen verbreiteten die Versprechen rasch. Dabei hatte Lloyd GeorgeLloyd George, David zunächst keineswegs zu den politischen Kräften gehört, die hohe Forderungen an Deutschland stellen wollten. Kurz nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes hatte er einen gerechten Frieden gefordert, der weder von Rache noch von Gier geprägt sei.103 Sein Wahlprogramm umfasste noch im November Wohnungsbaupläne, eine Reform des Oberhauses, die Ankurbelung der Wirtschaft, Land für Soldaten und die Lösung der irischen Frage.

Aber im Wahlkampf positionierte sich der liberale Lloyd GeorgeLloyd George, David an der Seite der Konservativen, also gegen Labour und die konkurrierenden Liberalen unter Herbert AsquithAsquith, Herbert Henry, dem Vorgänger Lloyd GeorgesLloyd George, David im Amt des Premierministers. In GroßbritannienGroßbritannien durften im Dezember 1918 nach der Reform des Wahlrechts 20 Millionen Wähler abstimmen. Bei den letzten Unterhauswahlen im Jahr 1910 waren es lediglich acht Millionen Wahlberechtigte gewesen. Erstmals durften auch Frauen wählen, sofern sie älter als 30 Jahre waren,104 und sie vertraten offensichtlich konservativere Ansichten als viele Männer. Die Wählerinnen waren unerbittlicher gegenüber dem besiegten Deutschland. Der Premierminister galt bei den Briten als der Mann, der den Krieg gewonnen hatte. Er tat nun alles, um mit diesem Ansehen im Wahlkampf Kapital zu schlagen. Er mobilisierte die Wähler mit markigen Parolen und Versprechen, die Presse wurde gezielt in den Wahlkampf einbezogen. 17 Millionen Briten hatten Kriegsanleihen gezeichnet, und Lloyd GeorgeLloyd George, David konnte sich ausmalen, wie seine Wähler auf einen harten Sparkurs reagieren würden, der notwendig gewesen wäre, um die Schulden zu tilgen und seine Aufbaupläne umzusetzen. Steuererhöhungen waren ebenso undenkbar wie die Vorstellung, dass die von den Briten gezeichneten Kriegsanleihen ohne Gewinne zurückgezahlt würden. Also ließ sich der Premierminister zu immer härteren Forderungen hinreißen. Der konservative Politiker und Erste Lord der Admiralität Eric GeddesGeddes, Eric versprach: »Wir pressen alles aus Deutschland heraus, was aus einer Zitrone herauszuquetschen ist und etwas mehr […] Ich werde sie auspressen, bis die Kerne quietschen.«105

Die Liberalen unter Lloyd GeorgeLloyd George, David und der konservative Koalitionspartner errangen einen hohen Wahlsieg, der die Erwartungen des Premierministers um mehr als das Doppelte übertraf. Allerdings hatten sich nur rund 50 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt, aber aufgrund des britischen Wahlsystems gewann die Koalition des neuen Premierministers 336 Sitze.106 Lloyd GeorgeLloyd George, David schränkte damit seine Handlungsfreiheit ein, denn das nach der Wahl von Konservativen beherrschte Unterhaus und die konservativen Boulevardzeitungen des Viscount NorthcliffeHarmsworth, Alfred (Viscount Northcliffe) erinnerten den Premierminister später in ParisParis an seine Wahlversprechen. Lloyd GeorgeLloyd George, David hatte sich Frankensteins Monster erschaffen, kommentierte ein britischer Journalist nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse.107 An den territorialen Fragen in Europa, die in ParisParis intensiv diskutiert wurden, zeigte Lloyd GeorgeLloyd George, David kein großes Interesse, auch wenn er die weitreichenden französischen Forderungen ablehnte.108 Seine Pläne für Deutschland waren geprägt von dem Ziel, wirtschaftliche Stabilität zu erlangen, was aus seiner Sicht der beste Schutz vor Revolution und Bolschewismus war. Die Briten forderten ebenfalls eine dauerhafte Entwaffnung und wollten die eigene ökonomische Überlegenheit gewährleistet sehen, doch ihnen fehlte ein klares Konzept für die Nachkriegsordnung.109

Für den amerikanischen Präsidenten hatte die Schaffung eines Völkerbundes oberste Priorität, der nicht nur die Sicherung des Friedens, sondern auch die Verhinderung von Konflikten gewährleisten sollte. Alle Unzulänglichkeiten des Versailler Vertrages werde der Völkerbund korrigieren, dem auch die neutralen Staaten und später die ehemaligen Gegner beitreten sollten. WilsonWilson, Woodrow hoffte, dass Deutschland nach einer Bewährungszeit in den Völkerbund aufgenommen werde, dem dann die ehemaligen deutschen Kolonien unterstellt werden sollten. Dabei müssten die Interessen der Einwohner der Kolonien Vorrang haben. Noch an Bord der George Washington betonte der Präsident im Dezember 1918, dass er sich jedem Plan widersetzen werde, von Deutschland Entschädigungen zu fordern, die über den tatsächlichen Schaden hinausgingen. Zwar stimmte WilsonWilson, Woodrow zu, dass PosenPosen PolenPolen zugesprochen wurde, aber die Abtrennung OstpreußensOstpreußen, um PolenPolen freien Zugang zu der Hafenstadt DanzigDanzig zu ermöglichen, lehnte er ab. Er schlug stattdessen vor, PolenPolen Transitwege auf Schienen oder Wasserwegen zu garantieren.

WilsonWilson, Woodrow sah grundsätzliche Unterschiede zwischen den USAUSA und den anderen Ententemächten. Er war überzeugt, dass die Vereinigten StaatenUSA weniger eigennützige Interessen als die anderen Siegermächte verfolgten. Daher maß er sich und seinem Land für die Verhandlungen eine besondere Rolle zu. Außerdem, so betonte er, habe er den Eindruck, dass die anderen Vertreter der Siegermächte ihre Völker nicht umfassend repräsentierten. Der amerikanische Präsident war sich bewusst, dass eine schwierige Aufgabe vor ihnen allen lag:

»Ich bin davon überzeugt, dass dieser Frieden auf den höchsten Prinzipien der Gerechtigkeit geschaffen werden muss. Gelingt dies nicht, wird er innerhalb einer Generation von den Völkern der Welt hinweggefegt werden. Ich selbst werde fortlaufen und mich an einem weit entfernten Ort verstecken wollen, etwa auf der Insel GuamGuam. Auf einen anders gearteten Frieden wird nicht nur ein Konflikt folgen, sondern eine Katastrophe.«110

Er werde verbissen für seine Überzeugung kämpfen, wenn möglich freundlich, wenn nötig rau, lautete WilsonsWilson, Woodrow Fazit.

Die Absicht, Deutschland als Hauptschuldigen am Kriegsausbruch dauerhaft zu schwächen und für die Aggression zu strafen, spiegelte sich in der Wahl des Ortes und des Eröffnungsdatums wider: Am 18. Januar 1919 wurde die Konferenz eröffnet, am Jahrestag der Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Spiegelsaal von VersaillesVersailles. 48 Jahre zuvor, mitten im deutsch-französischen Krieg, hatte man am 18. Januar 1871 auf Betreiben Otto von BismarcksBismarck, Otto von das Land geeint und Wilhelm I.Wilhelm I. zum Kaiser gekrönt. Der deutsche Kanzler erfüllte damals eine Forderung der Nationalbewegung, doch sein Ziel war nicht Demokratisierung und Parlamentarisierung. Durch die von oben verfügte Einheit wollte er die Monarchie retten. Die Wahl des Ortes für die Kaiserkrönung, die hohen Reparationen, die FrankreichFrankreich dem Sieger 1871 zahlen musste und die Abtretung Elsass und LothringensElsass-Lothringen an das Kaiserreich verschlechterten die Beziehungen nachhaltig. Sie begründeten die Erbfeindschaft zwischen den Nachbarn und nährten auf beiden Seiten die Überzeugung, dass ein neuer Krieg kommen werde.

In diesem prächtigen Spiegelsaal nun unterzeichneten zwei deutsche Minister am 28. Juni 1919 den Vertrag. Die Eröffnung der PariserParis Friedenskonferenz fand hingegen im Uhrensaal des französischen Außenministeriums statt. Die Delegierten, die am Kopf der hufeisenförmig angeordneten Tische saßen, wurden überragt von einer übergroßen Friedensstatue. Bereits die Sitzordnung führte vor Augen, wer die einflussreichsten Männer in ParisParis waren: ClemenceauClemenceau, Georges saß in der Mitte und die wichtigsten amerikanischen und britischen Delegierten unter Leitung von WilsonWilson, Woodrow sowie Lloyd GeorgeLloyd George, David an seiner Seite. Der französische Präsident PoincaréPoincaré, Raymond erinnerte an den 18. Januar 1871 und erklärte in seiner Eröffnungsrede, dass das Deutsche Reich in Ungerechtigkeit geboren und in Schande untergegen werde.111

Allerdings war die Eröffnung erst kurzfristig auf den 18. Januar gelegt worden. Zunächst hatte die Teilnahme WilsonsWilson, Woodrow und der Wahlkampf in GroßbritannienGroßbritannien den Konferenzbeginn herausgeschoben, dann verzögerte die Anreise des italienischenItalien Premierministers OrlandoOrlando, Vittorio Emanuele die Eröffnung um eine weitere Woche.112 Es steht jedoch außer Frage, dass die Wahl der Orte und auch der späteren Daten symbolisch die Forderung Frankreichs Frankreichunterstreichen sollte: Die deutsche Militärmacht, ja das ganze Reich, das Werk BismarcksBismarck, Otto von, sollte zerschlagen werden.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?