Die Rache der Mondgöttin

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Die Rache der Mondgöttin
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Die Rache der Mondgöttin

Stefanie Kullick














Copyright © 2020 by








Drachenmond Verlag GmbH



Auf der Weide 6



50354 Hürth



http: www.drachenmond.de



E-Mail: info@drachenmond.de



Lektorat: Stephan R. Bellem



Korrektorat: Michaela Retetzki



Layout: Michelle N. Weber



Umschlagdesign: Alexander Kopainski



Bildmaterial: Shutterstock



ISBN 978-3-95991-699-8



Alle Rechte vorbehalten






Für Donatha,







weil wir uns rund um die Uhr zutexten können







und du mich verstehst,







auch wenn du manchmal so tust,







als wäre es nicht so.






Inhalt





Register der Namen







Playlist







Vor dreitausend Jahren







Prolog





1.

Vom Skorpion, der auszog, einen Stier zu finden



2.

Vertraue niemandem – schon gar nicht den eigenen Gefühlen



3.

Du brauchst einen Plan



4.

Du spielst zu viel GTA!



5.

Eine unfreiwillige WG



6.

Warum suchst du mich nicht?



7.

Bei gebrochenen Knochen sparen Sie sich den Gang zum Apotheker und suchen Hilfe bei Ihrem Stern



8.

Und wo geht’s hier nach Hause?



9.

Typisch Stier



10.

Wenn dein Gegenstück sich sorgt, mach dir Gedanken



11.

Komm mir nicht zu nahe, du verrücktes Glühwürmchen!



12.

Erwachen oder auch: Der Sprung ins Eiswasser



13.

Eine geschafft, fehlen noch drei



14.

Willkommen daheim



15.

Merze aus, was dir Schmerzen bereitet



16.

Vergangenes Leid ist heutiges Leid



17.

Damals in Costa Rica



18.

Spiel mit dem Feuer



19.

Sieh mich an!



20.

Auftragsmord für Anfänger



21.

Die Waagschale kippt



22.

Klappe halten, Herz, du bist nicht dran!



23.

Ach, wärst du doch Mein



24.

Wenn die Welt kopfsteht



25.

Ja, ich will dich wirklich



26.

Sobald du deinem Herz das Ruder überlässt, geht alles den Bach runter



27.

Neu erwachende Gefühle



28.

Wenn der Zweifel an dir nagt



29.

Von verlorener Liebe



30.

Wenn wir uns verlieren



31.

Wasser, verdammt viel Wasser



32.

Der Raserei verfallen



33.

Ausgeliefert in mehrfacher Hinsicht



34.

An deiner Seite



35.

Freier Fall



36.

Wohin des Weges?



37.

Ich hab dich!



38.

Wenn du nicht weißt wohin, halte dich an deine Freunde – vielleicht kennt einer von ihnen den Weg



39.

Wer bist du für mich?



40.

Das Orakel – muss man es vorher abfüllen?



41.

Unbequeme Wahrheiten



42.

Es war einmal



43.

Und wenn wir fallen, dann gemeinsam



44.

Ja, ich hab dich lieb und jetzt hau ab!



45.

Alles auf eine Karte



46.

Du hast zehn Minuten



47.

Verzweifelte Zeiten erfordern verzweifelte Maßnahmen



48.

Deine Entscheidung



49.

Frei, endlich frei





Epilog







Anmerkungen zum Buch







Danksagung







Register der Namen





Sternzeichen und Sterne







 Konstantin: Scorpio, der Skorpion; Schutzstern: Antares



 Arianna: Taurus, der Stier; Schutzstern: Aldebaran



 Leon: Leo, der Löwe; Schutzstern: Regulus



 Viktoria: Virgo, die Jungfrau; Schutzstern: Spica



 Antonia: Libra, die Waage; Schutzstern: Zubeneschamali



 Pollux & Castor: Gemini, die Zwillinge; Schutzstern: Alhena



 Jana: Cancer, der Krebs; Schutzstern: Altarf



 Finn: Capricorn, der Steinbock; Schutzstern: Deneb Algedi



 Laura: Sagittarius, der Schütze; Schutzstern: Kaus Australis



 Emma: Aries, der Widder; Schutzstern: Hamal



 Pisces, die Fische - aktueller Name unbekannt; Schutzstern: Kullat Nunu



 Aquarius, der Wassermann - aktueller Name unbekannt; Schutzstern: Sadalsuud







Götter







 Selene: Mondgöttin, der die Sternzeichen die Treue geschworen



 haben



 Zelos: Gott des Eifers



 Nike: Göttin des Sieges



 Kratos: Gott der Macht



 Bia: Göttin der Gewalt







Menschen aus Konstantins bisherigem Leben







 Julia: Jugendliebe und langjährige Freundin



 Lukas: Bester Freund, studiert ebenfalls Jura



 Philipp: Älterer Bruder







Playlist



Demons – Imagine Dragons Cover Version von KHS, MAX



und Sam Tsui (DER Song zu diesem Buch)



Bang Bang – Cover Version von KHS, MAX und Sam Tsui



Rewrite The Stars – Zac Efron & Zendaya



(The Greatest Showman OST)



Sweet But Psycho – Ava Max



Natural – Imagine Dragons



Look What You Made Me Do – Taylor Swift



Power Over Me – Dermot Kennedy



Be Alright – Dean Lewis



Without Me – Halsey



Ich bin bereit – Debby van Dooren (Vaiana OST)



Monster – Caissie Levy (Frozen The Broadway Musical)



Hold My Girl – George Ezra



Forgive Me Friend – Smith & Thell



Donner und Blitze – Vincent Malin



Willkommen Zuversicht – Kroner



Hurricane – Fleurie



A Million Pieces – Sam Tsui



Someone You Loved – Lewis Capaldi





Vor dreitausend Jahren



Nacht für Nacht zog Selenes Wagen über den Himmel. Mit ihr kamen die Dunkelheit, der Mond und die Sterne. Eifrig erfüllte die Göttin ihre Pflicht, bis sie eines Nachts über den Berg Latmos wanderte. Dort traf sie auf den Hirten Endymion und die beiden verliebten sich unsterblich ineinander. Von da an verbrachten sie die Nächte gemeinsam, umgeben von größtem Glück.



Doch war Endymion nur ein einfacher Mensch und somit sterblich. Von Angst erfüllt, den Geliebten zu verlieren, wandte die Mondgöttin sich an Zeus, damit er ihr in seiner Allmacht den Wunsch nach ewiger Jugend für Endymion gewährte. Der Göttervater erhörte ihr Flehen, doch verdrehte er das Ansinnen auf gar grausame Art.

 



Zwar segnete er den Hirten mit ewiger Jugend, doch die verbrachte er nicht an Selenes Seite, sondern in ewigem Schlaf. Betrogen und ihrer Liebe beraubt, verfluchte sie die Götter und schwor Rache. Selene holte die verbannten Sterne vom Himmel, auf dass diese ihr die Treue hielten, sie im Kampf unterstützten und zum Siege führten.













Prolog





Frankfurt am Main, Goethe Universität







12. März 2018 etwa 23:40 Uhr





Konstantin



Die Musik dröhnte aus den Boxen in den Ecken und die kleine Lichtorgel ließ fast so etwas wie Discoatmosphäre aufkommen. Gut, nicht wirklich, die sinkende Luftqualität sorgte eher für dieses Gefühl. In dem Kellerraum wurde es immer voller und stickiger.



Konstantin nippte an seinem Bier und beobachtete die Gäste. Heute war Montag, woran sich niemand störte. Die meisten von ihnen schwänzten morgen früh einfach die erste Vorlesung und schliefen aus. Die Leute ließen sich kaum noch zählen und sie alle waren wegen seiner Party gekommen. Nur mit Ellbogeneinsatz bahnte man sich einen Weg durch den Raum. Garantiert verstieß das gegen irgendwelche Brandschutzvorschriften. Andererseits hatte Konstantin beim Hausmeister des Studentenwohnheims einen Stein im Brett, sonst hätte er den Raum gar nicht erst nutzen dürfen.



Dieses Privileg gestattete Herr Schulz, der mit Argusaugen über den ihm zugewiesenen Gebäudekomplex wachte, nur wenigen. Konstantin wusste, wie man sich Freunde machte, und hatte direkt am Tag des Einzugs ins Wohnheim damit begonnen. Das Ergebnis der fast zweijährigen Bemühungen fand sich heute geballt auf knapp fünfzig Quadratmetern.



Von der Seite wurde er umschlungen und Julia drückte ihm einen Kuss auf den Hals. »Hallo, Geburtstagskind«, säuselte sie ihm beschwipst ins Ohr. »Genießt du die Party?«



Konstantin wollte sich zu seiner Freundin umdrehen, doch wurde er durch den Klammergriff daran gehindert. Daher rief er über die Schulter: »Noch habe ich nicht Geburtstag, aber ja, es ist nicht schlecht geworden.«



»Diese fünfzehn Minuten zählen doch nicht.« Julia verdrehte übertrieben die Augen. »Freust du dich auch schon aufs Geschenkeaus­packen?« Sie drückte sich fester an ihn und presste die Brüste gegen seinen Arm. Dadurch gewährte sie Konstantin einen ausgezeichneten Blick in ihr Dekolleté. Unter dem tief ausgeschnittenen Top lugte ein roter Spitzen-BH hervor, den er ganz sicher noch nicht kannte. Anlässlich seines Geburtstags hatte sie sich in Schale geschmissen.



Sie waren seit dem Abi ein Paar, folglich kannte er sich mit Julias Unterwäsche bestens aus. »Auf dieses Geschenk freue ich mich ganz besonders«, beantwortete er die Frage grinsend. Konstantin, der einen Kopf größer war, beugte sich zu ihr und küsste sie.



Daraufhin lockerte Julia den Griff und gab ihm die Möglichkeit, sich in ihren Armen zu drehen. Kichernd öffnete sie die Lippen und neckte ihn mit der Zunge, dasselbe zu tun. Julia wusste, welche Wirkung sie auf ihn hatte, und nutzte das oftmals schamlos aus.



»Nehmt euch ein Zimmer!«, rief einer seiner Kumpel.



Jemand haute ihm kräftig auf die Schulter und beendete abrupt den Kuss. Sie schlugen mit den Zähnen aneinander und Konstantin drehte sich fluchend um.



»Das ist Erregung öffentlichen Ärgernisses!« Lukas sah ihn mit leuchtenden Augen an. Ganz offensichtlich hatte sein bester Freund schon tief ins Glas geschaut – oder eher in den Pappbecher.



»Sag mal, geht’s noch?!«, echauffierte sich Julia, wobei sie sich eine Hand auf den Mund drückte.



Lukas ignorierte sie komplett. Das Grinsen wurde immer breiter. »Kon, dafür könnte ich dich anzeigen.«



»Als ob, und selbst wenn, hättest du keine Chance. Meine Kreuzverhöre sind besser als deine. Das weißt du ganz genau.«



Bevor sein Kumpel etwas hätte erwidern können, kam Julia ihm zuvor: »Wenn das wieder ausartet, haue ich ab! Die Einzigen, die es lustig finden, sich Paragrafen und Gesetzestexte um die Ohren zu hauen, seid ihr selbst.« Ihr Schnauben war durch den Lärm nicht zu hören. Konstantin erkannte es daran, wie sich Julias Nasenflügel blähten.



»Lass dich nicht ärgern, Schatz. Lukas ist einfach neidisch und erträgt den Zustand als Dauersingle mit steigendem Pegel immer schlechter.« Er griff seine Freundin um die Taille und zog sie an sich. Ein kleiner Kuss auf die Wange würde die Wogen ausreichend glätten.



Julia wurde wieder locker und ließ die verschränkten Arme sinken. Jedoch ließ sie es sich nicht nehmen, Lukas einen finsteren Blick zuzuwerfen. Nüchtern waren sie ein Herz und eine Seele, besoffen gingen sie einander regelmäßig auf den Geist. Lukas wurde nervig und Julia zickig. Dann war es an Konstantin, zu vermitteln und zu verhindern, dass einer von beiden etwas sagte, was ihm mit klarem Kopf leidtäte.



Schlagartig verstummte die Musik und jemand rief laut: »Zehn!« Weitere Gäste stimmten ein. Bei »Acht!« hatte es auch der letzte begriffen und zählte den Countdown mit. Sobald sie bei null an­­kamen, wurden alle möglichen Glückwünsche durcheinandergebrüllt.



»Happy birthday!« Julia umfasste sein Gesicht und küsste ihn.



Konstantin war davon etwas überrumpelt und erwiderte den Kuss mit offenen Augen. Julia löste sich schnell von ihm. Offenbar wollte sie den anderen auch die Chance geben, ihm persönlich zu gratulieren. Seine Freunde hatten ihn umringt und warteten darauf, an die Reihe zu kommen.



»Alles Gute zur zweiten Null, Alter!«, rief Lukas hinter ihm und war der Meinung, ihm schon wieder auf die Schulter hauen zu müssen.



In ihrer Mitte leuchtete ein orangenes Licht auf und blendete ihn. Schützend hob er die Hand und schirmte die Augen ab. Konstantin befürchtete, etwas hätte Feuer gefangen. Das Licht wurde blasser und schrumpfte in sich zusammen, bis es einen Radius von etwa zehn Zentimetern hatte. Trudelnd schwebte es in der Luft.



»Hast du einen Geist gesehen?«, fragte Julia irritiert.



Konstantin konnte kaum den Blick abwenden. Trotzdem zwang er sich, seiner Freundin ins Gesicht zu sehen. »Woher soll ich denn wissen, ob das ein Geist oder was auch immer ist?« Nervös fuchtelte er in Richtung des Lichts, das gar nicht einsah, wieder zu verschwinden.



Julias Blick huschte in die Richtung, in die er deutete. Ihr Stirnrunzeln verstärkte sich. »Was siehst du denn da? Ist mit dir alles in Ordnung, Kon? Hast du zu viel getrunken?«



Gerade wollte Konstantin sie fragen, wie man diese Beinahe­explosion hätte übersehen können. Er klappte den Mund wieder zu. Stattdessen starrte er in die Gesichter seiner Freunde. Keiner von ihnen sah zum Licht. Sie alle blickten ihn an. Und die Blicke sprachen Bände. Von spöttisch über zweifelnd bis mitleidig war alles dabei.



Erlaubten sie sich einen Scherz mit ihm? War es ein Test? Nein, dann hätte spätestens jetzt einer von ihnen gelacht oder zu dem Licht gesehen, doch das tat niemand. Sie wollten ihn weder verarschen noch hielt irgendjemand das Handy hoch für eines dieser dämlichen Prank-Videos.



Außer ihm selbst sah niemand den fliegenden Lichtball. Aus dem erklang ein leises Kichern und Konstantin gingen fast die Augen über. Das Licht setzte sich in Bewegung und schwebte auf ihn zu. Er wich einen Schritt zurück und rempelte jemanden an.



»Kon, jetzt lass den Scheiß! Langsam machst du mir Angst.« Julias Stimmung schwankte zwischen wütend und besorgt.



Unbeeindruckt hielt das Licht auf ihn zu. Am liebsten wäre Konstantin weiter zurückgewichen. Spätestens dann hätten seine Freunde ihn für komplett irre erklärt. Jetzt schwebte es direkt vor seinem Gesicht. Es strahlte eine leichte Wärme aus. Konstantins Augen tränten, weil er den Blick nicht von dem Leuchten abwenden konnte. Das Licht stupste gegen seine Stirn. Wo es ihn berührte, prickelte die Haut.



Und dann geschah es.



»Antares«, hauchte Konstantin fassungslos.



Alle sahen ihn verwirrt an, aber das bekam er gar nicht mit. Bilder durchfluteten seinen Kopf in einem Tempo, das ihn schwindeln ließ. Konstantin fasste sich an die Stirn und stöhnte. Es war zu schnell, zu viel. Er vergaß, wo und wer er war. Was ging hier vor sich?



Als es vorbei war, wusste er nicht mehr, wie lange es gedauert hatte. Seine Gäste standen alle noch am selben Fleck. Es waren höchstens Minuten vergangen, falls überhaupt. Doch es hatte ausgereicht, ihn maßgeblich zu verändern.



Konstantin war nicht länger der Jurastudent aus gutem Haus, Bester seines Jahrgangs, in einer festen Beziehung mit dem hübschesten Mädchen der Sozialwissenschaftsstudenten. Alles, was er während der letzten zwanzig Jahre gewesen war oder hatte sein wollen, war nicht mehr wichtig. Dafür wog die Last der Erinnerungen von Jahrtausenden zu schwer.



»Immer wieder lustig zu sehen, was für ein blödes Gesicht du in diesem Moment machst, Scorpio«, begrüßte ihn das Licht spöttisch.



Sein Begleitstern hatte ihn pünktlich zum zwanzigsten Geburtstag geweckt. Konstantin zählte nicht mehr, wie oft sie sich schon in dieser Situation befunden hatten. Die Menschen, die ihn umringten, verloren jegliche Bedeutung. Er spürte nur einen schwachen Widerhall seiner Gefühle für sie, und auch dieser würde allzu bald verblassen.



»Es ist lange her. Lass uns gehen.« Mit einem letzten Blick in die Runde setzte Konstantin sich in Bewegung. Antares schwebte über seiner Schulter und begleitete ihn.



Weit kamen sie nicht. Jemand hielt ihn am Arm fest. Es war Julia. »Mit wem redest du?« Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen.



Konstantin seufzte. Wenigstens ein paar letzte Worte schuldete er ihr. »Es tut mir leid, ich kann nicht länger mit dir zusammen sein. Ich mach Schluss.«



Ihre Hand zitterte auf seiner Haut. Sie käme über ihn hinweg und fände schon bald einen anderen. Verehrer hatte Julia mehr als genug. Konstantin löste sich von ihr und steuerte die Tür an.



»Was soll das denn jetzt?!«, rief Lukas ihm hinterher.



»Am besten ihr vergesst alle, dass es mich jemals gegeben hat«, sagte Konstantin, ohne sich umzudrehen. Er verließ den stickigen Kellerraum und ging zur Treppe.



»Kon? Hey, Kon, ich rede mit dir!« Lukas steckte den Kopf durch den Türrahmen.



Konstantin ignorierte ihn und setzte seinen Weg fort.



Endlich war er aus dem Wohnheim draußen. Die kühle Nachtluft tat ihm gut. Er atmete tief ein und ordnete die endlosen Erinnerungen im Kopf.



»Das Dream-Team ist wieder vereint«, summte Antares fröhlich und das orangene Leuchten pulsierte leicht. Wie immer, wenn der Stern besonders guter Laune war.



Konstantin lächelte schief. »Das sind wir. Bring mich zu den anderen.« Das Bedürfnis, zu Selene zu eilen, wurde mit jeder Minute drängender. Nur wenn der Pakt erneuert wurde, ließ das Ziehen in der Brust nach. Die Magie der Mondgöttin band ihn schon jetzt. Gemeinsam verschwanden sie in der Nacht.



Scorpio war erwacht und mit ihm zehn weitere seiner Gefährten. Doch was war mit dem zwölften geschehen?





Zur selben Zeit in einer Höhle auf dem Berg Latmos





Selene



Die abnehmende Mondsichel war noch nicht aufgegangen, doch das war nicht von Belang. Sobald die Nacht anbrach, übernahm Selene die Herrschaft über den Himmel. Nur dann war es ihr möglich, hier zu sein. Sie saß am Lager ihres geliebten Endymion und betrachtete das vom Sternenlicht erleuchtete Antlitz. Zärtlich strich sie mit den Fingerspitzen über die schwarzen Locken.



Er hatte die Augen geschlossen und es fiel Selene schwer, sich an deren Farbe zu erinnern. Viel zu lange schon hatten sich diese wunder­schönen Augen nicht mehr geöffnet. Nur das leichte Heben und Senken der Brust und der sanfte Herzschlag zeugten von Leben.



Mit bebenden Lippen küsste Selene ihn. Es war ein kurzer und einseitiger Kuss, der nicht erwidert wurde – noch nicht.



»Dieses Mal gelingt es. Das muss es einfach. Ich werde endlich den Bann brechen.« Langsam erhob sich Selene und verließ die Höhle. Sie sah über die Schulter und prägte sich das Bild ihres Geliebten gut ein. Bis zum Sommer bliebe sie diesem Ort fern. Man würde sie erwarten und ihr auflauern, nun, da ihre Getreuen erwacht waren.

 



Zeit für Besuche hatte sie ohnehin nicht. Es gab jede Menge zu tun und die Frist betrug lediglich vier Monate.







1










Vom Skorpion, der auszog, einen Stier zu finden





Frankfurt am Main, Sachsenhausen







29. März 2018





Konstantin



Mit dem Smartphone vor der Nase lief Konstantin am Mainufer entlang. Noch ein paar Hundert Meter und er erreichte die nächste Adresse. Die App führte ihn direkt in die verwinkelten Gassen von Sachsenhausen. Hoffentlich hatte er dieses Mal mehr Glück. Es war die siebte Frau, die er überprüfte. Die vorherigen hatten sich nicht als die gesuchte erwiesen. Die Wochen zogen ins Land, ohne dass er vorankam. Es war nervtötend.



Bei ihrem Zusammentreffen waren nur acht der Zeichen erschienen. So wenige wie nie zuvor. Mit Pisces und Aquarius rechnete ohnehin niemand mehr, die mussten zu ihrem Glück gezwungen werden. Bei Libra war es ein Glücksspiel, mal war sie motiviert, mal nicht. Doch es war zum ersten Mal passiert, dass es von Taurus’ Wiedergeburt kein Lebenszeichen gab.



Deshalb hatte Scorpio – oder Konstantin, wie er in diesem Leben hieß – beschlossen, Taurus als Erstes zu suchen. Wären sie in länd­licher Gegend geboren worden, würde es ihn vor keine große Herausforderung stellen. In einer Metropole wie Frankfurt und dem dicht besiedelten Umland wurde es ungleich schwieriger. Hier gab es zu viele Menschen, die am selben Tag Geburtstag hatten. Am effektivsten war das Ausschlussverfahren. Konstantin klapperte eine Adresse nach der anderen ab und hoffte aufs Beste.



Dabei nahm er sich zuerst diejenigen Zeichen vor, die in der Nähe geblieben waren. Zwar war es schon mal vorgekommen, dass eines der Zeichen in den ersten zwanzig Jahren seines Lebens nicht nur die Gegend, sondern das Land verlassen hatte. Zum Glück passierte das eher selten. Instinktiv blieben sie in der Nähe ihres Geburtsortes. Dieser war nicht zufällig. Schon überall auf der Welt waren sie wiedergeboren worden. Es geschah fast in jedem Jahrhundert. Immer in der Nacht einer Mondfinsternis, sofern dort zwanzig Jahre später eine totale Finsternis stattfände.



In ganz seltenen Fällen hatte eines der Zeichen den zwanzigsten Geburtstag gar nicht erst erlebt. Schon dreimal war einer von ihnen vorher durch Krankheit oder Unfall verstorben. Das war der beschissenste Fall von allen. In diesen Zyklen hatten sie von Anfang an verloren.



Die Navi-App führte Konstantin in die Paradiesgasse, was er irgendwie passend fand. Bisher war er nur nachts zum Feiern in diesem Viertel gewesen. Bei strahlendem Sonnenschein sah alles ungewohnt aus. Sein bisheriges Leben hatte sich größtenteils auf der anderen Seite des Mains abgespielt.



Die Karte auf dem Smartphone verschwand. Stattdessen lachte ihm ein Foto von Julia entgegen. Sie versuchte schon wieder, ihn anzurufen. Konstantin drückte sie weg und die Karte erschien erneut. Seit seinem Erwachen ignorierte er die Nachrichten und Anrufe von Freunden und Familie konsequent. Irgendwann würden sie aufgeben. Alle unerwünschten Nummern sollte er einfach blockieren. Dann hätte er seine Ruhe. Ein Rest Nostalgie für die Menschen aus seinem bisher unbeschwerten Leben hielt ihn noch davon ab.



Von sich selbst genervt sah Konstantin sich um und suchte nach der richtigen Hausnummer. Sobald er sie entdeckte, stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Es handelte sich um einen kleinen Blumenladen mit hübsch dekoriertem Eingangsbereich. Der Altbau war wie die meisten anderen Häuser der Straße mit Schiefer verkleidet. Das war vielversprechend!



Sollte es sich bei der Frau, die hier wohnte, tatsächlich um Taurus handeln, war Konstantin schon auf ihre Ausrede gespannt. Ihre Reaktion dürfte ebenfalls interessant werden, wenn man bedachte, wie sie beide zueinanderstanden. Astrologen sagten der Kombination von Stier und Skorpion feurige Leidenschaft voraus. Darüber konnte Konstantin nur müde lächeln, feurige Verachtung traf es besser.



Dabei konnte Taurus sich doch denken, dass es Scorpio wäre, der sie heimsuchte, wenn sie sich Selenes Ruf verweigerte. Seit Jahrtausen­den war er die rechte Hand der Göttin.



Zielstrebig betrat Konstantin das kleine Geschäft. Ein Glöckchen klingelte, sobald es von der Tür angestoßen wurde. Hinter dem Tresen stand eine Frau mit welligen dunkelbraunen Haaren und band einen Blumenstrauß. Die Haarfarbe passte schon mal. Ganz egal, wie oft sie auch wiedergeboren wurden, sie sahen in jedem ihrer Leben ähnlich aus. Sie hob den Kopf und ihre Blicke trafen sich.



Volltreffer! Sein Gefühl bestätigte ihm augenblicklich, dass sie die Richtige war. Die Zeichen erkannten einander auf Anhieb. Dieses Mal hatte sie eindeutig Vorfahren aus dem Mittelmeerraum. Ihre Haut war gebräunt, was die Haare gut zur Geltung brachte.



Taurus lächelte ihn freundlich an. »Guten Tag! Kann ich dir helfen?«



Wie jetzt? Eigentlich müsste sie bei seinem Anblick genervt das Gesicht verziehen. Das machten sie immer so! Konstantin konnte es gar nicht leiden, wenn man jahrhundertealte Gewohnheiten ohne Vorankündigung einfach ablegte.



»Ich bin auf der Suche nach einem Blumenstrauß«, sagte er langsam und wartete darauf, Taurus aus der Reserve zu locken.



Sie lachte fröhlich. »Stell dir vor, ich habe so viele Blumen, dass ich sie sogar verkaufe.«



Okay … Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Taurus und er scherzten nicht. Nein. Niemals. »Kannst du mir etwas empfehlen?«



»Sicher, für wen sollen die Blumen denn sein? Deine Freundin?« Ihre braunen Augen leuchteten neckisch.



Flirtete sie ernsthaft mit ihm? Konstantin musterte sie noch einmal von Kopf bis Fuß. Sie war es. Daran bestand kein Zweifel. Die einzige Erklärung, die jetzt blieb, war diejenige, die ihm am wenigsten schmeckte. Taurus erkannte ihn nicht.



Vorsichtig sah er sich im ganzen Laden um. Es waren nur sie beide zusammen mit unzähligen bunten Blumen im Verkaufsraum. Das hieß jedoch nichts. Eines war sicher, er hatte sie zu spät gefunden. Jetzt wurde die Sache kompliziert.



»Nein, ich bin Single«, beantwortete Konstantin die indirekte Frage. »Sie sind für meine Mutter.«



Das Lächeln in ihrem Gesicht wurde breiter. »Hat sie Geburtstag?«



Klar, warum nicht? »Ja.«



»Kennst du zufällig ihre Lieblingsblumen?«



»Nicht wirklich.« Es war vollkommen egal, wie dieser blöde Strauß letztendlich aussah. So oder so würde er im nächsten Müll­eimer landen.



»Okay, dann sag mir einfach, wie viel du ausgeben möchtest. Ich stelle dir etwas Schönes zusammen.« Während sie miteinander sprachen, hatte sie den Strauß, mit dem sie bisher zugange war, fertig gebunden.



»Dreißig Euro.« War das genug, um ihn wie einen liebenden Sohn aussehen zu lassen? Andererseits fragte Konstantin sich, ob er überhaupt so viel Geld im Portemonnaie hatte. Noch funktionierten seine Kreditkarten. Die Ungewissheit, wie lange das so blieb, verfolgte ihn seit ein paar Tagen. Gern hätte er einen größeren Betrag als Polster abgehoben. Bisher hatte er das nicht gewagt. Damit würde er eine Sperrung durch seinen Vater nur unnötig provozieren. Dieser hatte auf Konstantins Sinneswandel alles andere als positiv reagiert. Um vor Julia und den Studenten Ruhe zu haben, war er bisher nur ein Mal mitten in der Nacht ins Wohnheim zurückgekehrt. Dort hatte er die meisten seiner Klamotten in eine Reisetasche gestopft und war gleich wieder verschwunden. Stattdessen hatte er ein Zimmer in einem der zahlreichen Hostels angemietet.



Taurus kam hinter dem Tresen hervor und inspizierte die Ware. »Gerbera und Rosen gehen für Mütter immer.« Sie zupfte Blumen aus den Vasen und sammelte sie in der linken Hand.



Aus dem Hinterzimmer kam eine weitere Frau. Bei ihrem Anblick gefror das Blut in Konstantins Adern. Sie war hochgewachsen und hatte die langen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Seine Anwesenheit ließ sie innehalten. Allerdings brachte er sie nur kurz aus der Fassung. Stattdessen schenkte sie ihm ein freches Grinsen. Ausgerechnet Nike hatte sich an Taurus geheftet. Die Göttin des Sieges zählte zu seinen vier persönlichen Plagegeistern.



Konstantin schluckte den Frust runter und lächelte zurück. Die vier tauchten immer auf, um den Zeichen das