Peak - Performance für Frauen

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Es können Kopfschmerzen auftreten. Wenn sich die Östrogenwerte verändern, leiden einige Frauen unter Menstruationskopfschmerzen, insbesondere unter Migräne. Im Gegensatz zu anderen prämenstruellen Symptomen, die mit dem Anstieg der Hormonwerte zusammenhängen, treten Kopfschmerzen eher dann auf, wenn die Hormonspiegel kurz vor Beginn der Regelblutung absinken. Sie werden normalerweise durch eine Veränderung des Blutdrucks und die plötzliche Erweiterung und Verengung der Blutgefäße verursacht. Am besten beugen Sie diesen Kopfschmerzen vor, indem Sie in den Tagen vor Beginn Ihrer Periode viel Flüssigkeit zu sich nehmen und mehr an Stickstoffoxid (NO)-reiche Nahrungsmittel wie Rote Bete, Granatäpfel, Wassermelone und Spinat essen. Der Verzehr stickstoffoxidreicher Nahrungsmittel fördert die Erweiterung der Blutgefäße und trägt dazu bei, die Intensität der durch die prämenstruellen Symptome bedingten Veränderung zu verringern.

Auf dem Spielfeld ist es schwieriger. Die Fähigkeit zur räumlichen Wahrnehmung, die Sie einsetzen, um Mitspieler auf dem Spielfeld zu lokalisieren oder Ihr Ziel bei Sportarten wie Golf oder Tennis zu identifizieren und zu treffen, ist während der Menstruation am stärksten und während der Mitte der Luteal- oder Hochhormonphase am geringsten. Testosteron hat einen starken positiven Einfluss auf diese Fähigkeit.

Es können Magen-Darm-Probleme auftreten. Viele Frauen geben an, bei Beginn ihrer Periode unter Magen-Darm-Beschwerden wie Blähungen und Durchfall zu leiden. Das hat weniger mit Östrogen und Progesteron zu tun (obwohl Progesteron, und zu einem kleinen Teil auch Östrogen, die Kontraktionsfähigkeit der glatten Muskulatur des Verdauungstraktes verlangsamt), sondern eher mit den Prostaglandinen, die die Gebärmutterkontraktionen und das Abstoßen der Gebärmutterschleimhaut hervorrufen. Wenn Sie mehr Prostaglandine als nötig produzieren, können diese in Ihrem Körper zirkulieren und andere glatte Muskeln (zum Beispiel in Ihrem Darm) dazu veranlassen, ähnlich zu reagieren und somit die unangenehmen Magen-Darm-Probleme verursachen. In extremen Fällen können sie zu Übelkeit und Erbrechen führen. Sie können diese Wirkung von Prostaglandinen abwenden, indem Sie die bereits erwähnten krampflindernden Strategien anwenden.

Sie können unter Stimmungsschwankungen leiden und an Ausstrahlung einbüßen. Meine Co-Autorin, Selene Yeager, erzählte mir, dass sie an einem Tag im Monat Lust verspüre, das Haus niederzubrennen. Eine andere von mir betreute Sportlerin berichtet, sie habe das Gefühl, dass ihre Welt zusammenbricht. Als ich kürzlich mit einer Profi-Radrennfahrerin unterwegs war, gestand sie mir, wie es ihr ein oder zwei Tage vor ihrer Periode ergeht: »Ich fühle mich auf meinem Fahrrad wie ein Neuling. Mein Kopf ist wie benebelt. Mein Körper ist aufgedunsen und reagiert nicht so wie er soll. Wirklich super, das kann ich dir sagen.«

Es ist zwar sehr wohl bekannt, dass Östrogen die Stimmung auf vielen Ebenen beeinflusst, aber über den Wirkungsmechanismus weiß man immer noch nicht viel. Was man immerhin weiß, ist, dass Östrogen die Bildung von Serotonin anregt und die Anzahl der Serotoninrezeptoren im Gehirn erhöht. Es modifiziert auch die Produktion von Endorphinen und anderen Wohlfühl-Chemikalien in Ihrer grauen Substanz. Das sollte sich eigentlich positiv auf die Stimmung auswirken, aber ganz so einfach ist die Sache nicht.

Es kommt darauf an, wie sich die Hormone auf verschiedene Regionen des Gehirns auswirken. Östrogen und Progesteron wirken unter anderem auf den Hypothalamus, der unter anderem die Müdigkeit reguliert. Da der Hypothalamus eng mit dem zentralen Nervensystem verbunden ist, kann alles, was den Hypothalamus beeinflusst, direkte Auswirkungen auf das limbische System (das Zentrum für Emotionen und deren Steuerung) und das autonome Nervensystem haben (Herzfrequenz, Atemfrequenz, Verdauung). Auch dies kann Müdigkeit, Lethargie und schlechte Laune verstärken.

Die Aufnahme von mehr verzweigtkettigen Aminosäuren (insbesondere Leucin) kann dazu beitragen, einige dieser unangenehmen Auswirkungen abzuschwächen. Leucin durchdringt die Blut-Hirn-Schranke, verlangsamt die Wirkung von Serotonin und beugt der Ermüdung des Zentralnervensystems vor.

Natürlich wirkt kein Mittel immer zu 100 Prozent. Und die Leistungsfähigkeit einer Frau wird wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grad nachlassen, wenn sie einige oder alle dieser Symptome verspürt. Es lohnt sich jedoch, sich vor Augen zu führen, dass auch die Persönlichkeit, der Gemütszustand und die Einstellung dazu beitragen können, die Wirkung dieser Symptome zu neutralisieren oder zu verstärken.

Das wirft die Frage auf, ob Sie versuchen sollten, Ihren Zyklus zu manipulieren oder nicht, wenn Sie für einen wichtigen Wettkampf trainieren. Wir alle kennen eine Frau (und vielleicht sind das ja Sie), die versucht hat, ihren Zyklus wegen eines bevorstehenden wichtigen Wettkampfs wie einem Marathon oder einem Radrennen zu beeinflussen. Das kann funktionieren, aber Sie müssen genau verstehen, was Sie einnehmen und wie es sich auf Ihren Körper auswirken wird. Um noch einmal auf Paula Radcliffe und Jessica Judd zurückzukommen: Beide nahmen das Medikament Norethisteron, ein synthetisches Progesteron, um ihre Menstruation hinauszuzögern. Beide verzeichneten negative Ergebnisse, was nicht überraschend ist, wenn man all die trainingshemmenden Nebenwirkungen eines hohen Progesteronspiegels bedenkt.

Andere Athletinnen nehmen orale Kontrazeptiva, um ihre Zyklen besser mit ihrem Training und ihren Wettkämpfen in Einklang zu bringen. Einem im Jahr 2015 in der britischen Zeitung Globe and Mail veröffentlichten Artikel zufolge hat Dr. Greg Wells, Forscher und Sportwissenschaftler an der Universität von Toronto und dem Hospital for Sick Children, die Zyklen des gesamten von ihm trainierten Synchronschwimmteams synchronisiert. Er berichtete der Zeitung: »Wir haben tatsächlich 12 Monate vor den Olympischen Spielen geplant [und mit Verhütungsmitteln beeinflusst], wann sich die Mitglieder des Teams in bestimmten Phasen des Zyklus befinden sollten.«

Radcliffe entschied sich für eine ähnliche Herangehensweise und nahm zu Beginn jeder Wettkampfsaison drei Wochen lang Antibabypillen ein, um ihren Zyklus mit den wichtigsten Rennen zu synchronisieren. Das funktioniert natürlich nicht bei jeder Frau. Wenn Sie eine Sportart wie Tennis betreiben, die Ihnen wochenlang kontinuierlich Höchstleistungen abverlangt, oder eine Sportart, bei der die Wettkämpfe eher einem sporadischen Zeitplan folgen, wäre es unmöglich, Ihren Zyklus perfekt zu manipulieren. Ich persönlich halte es wegen der leistungshemmenden Nebenwirkungen für keine gute Idee, den Zyklus mit der Pille zu beeinflussen. Es ist besser, die Menstruationsbeschwerden auf natürliche Weise zu lindern, indem Sie die in diesem Kapitel beschriebenen Ratschläge befolgen. Wenn Sie Ihren Zyklus wirklich zeitlich steuern wollen, sollten Sie ein Intrauterinpessar (IUP), einen Vaginalring oder ein anderes lokal wirksames Hormonpräparat verwenden.

Es ist auch wichtig zu bedenken, dass orale Kontrazeptiva wie die Pille auf Östrogen/Progesteron basieren. Das bedeutet, dass Ihre Hormonwerte, die während der Lutealphase sowieso bereits hoch sind, noch höher sind. Selbst während der Placebo-Woche wird Ihr natürlicher Östrogenspiegel ansteigen, um die Lutealphase zu simulieren. Die Pille scheint besonders negative Auswirkungen auf das Muskelgewebe und die Kraft zu haben. In einer Studie verzeichneten Frauen, die keine oralen Verhütungsmittel einnahmen, einen 40 bis 60 Prozent stärkeren Zuwachs an Muskelmasse durch das Training als die Frauen der Vergleichsgruppe, die die Pille nahmen. Andere Untersuchungen haben ergeben, dass orale Kontrazeptiva die Muskelregeneration nach hartem Training verlangsamen und die aerobe Kapazität verringern können.

Vorsicht bei starken Blutungen. Wenn Sie starke Blutungen haben, haben Sie ein höheres Risiko, eine Anämie zu entwickeln, da Ihr Körper möglicherweise nicht in der Lage ist, mit dem Blutverlust Schritt zu halten und Ihre Eisenspeicher im Blut schnell genug wiederaufzufüllen. Ihr Risiko ist noch größer, wenn Sie eine sportliche Frau sind, da Sie aufgrund hoher Cortisolspiegel nach intensiven Anstrengungen mehr Muskelstress, Muskelschädigungen und Entzündungen erleiden. Wenn der Cortisolspiegel erhöht ist, produziert die Leber mehr von dem Hormon Hepcidin, das die Eisenaufnahme hemmt. Anämie kann sowohl Müdigkeit als auch Kurzatmigkeit, Benommenheit und Herzklopfen bei körperlicher Anstrengung verursachen. Falls Sie unter einem dieser Symptome leiden – insbesondere wenn Sie zudem starke Regelblutungen haben –, sollten Sie sich von Ihrem Arzt untersuchen lassen und die Einnahme eines Eisenpräparats in Betracht ziehen.

Führen Sie ein Tagebuch. Heutzutage sind die Sportlerinnen, die zu mir kommen, ganz versessen darauf, möglichst jede noch so kleine Bewegung zu verfolgen. Sie haben Aktivitäts-Tracker, Schlafmonitore und Apps, die ihnen helfen, jeden Bissen, den sie sich in den Mund stecken, zu analysieren. Dennoch bin ich überrascht, wie wenige Frauen sich Aufzeichnungen darüber machen, wie sie sich während ihres Menstruationszyklus fühlen. Legen Sie jetzt damit los. Achten Sie während mehrerer Zyklen darauf, wie Ihr Körper in jeder Phase des Zyklus auf Ihr Training reagiert. Das wird Ihnen helfen zu erkennen, wann Sie am stärksten sind, und wann Sie sich ein bisschen mehr anstrengen müssen, um Ihre Leistungsziele zu erreichen.

DAS VERHÜTUNGSMITTEL-RÄTSEL

Natürlich nehmen viele Frauen die Pille nicht, um ihre sportliche Leistungsfähigkeit zu verbessern. Sie nehmen die Pille, um nicht schwanger zu werden. Hormonelle Verhütungsmittel enthalten Östrogen und/oder Progesteron und wirken, indem sie den Eisprung unterdrücken und die Gebärmutterschleimhaut verändern, was die Befruchtung einer Eizelle erschwert und ihre Einnistung verhindert, falls es doch mal eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter schaffen sollte. Gebräuchliche Formen hormoneller Verhütungsmittel sind Pillen, Armimplantate oder Spritzen sowie Verhütungsmittel, die in die Vagina eingeführt werden, wie die Spirale und der Nuvaring.

 

Wenn Sie hormonell verhütet haben, ohne dass es zu unerwünschten Nebenwirkungen gekommen ist, werde ich nicht versuchen, Ihnen dies auszureden. Aber Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass es auch jenseits potenzieller Leistungseinbußen Risiken gibt, die mit hohen Hormonwerten in Verbindung gebracht werden. Da wäre zunächst einmal die Gewichtszunahme. Studien haben gezeigt, dass hormonelle Empfängnisverhütung mit einer Zunahme des Körperfetts und des Gewichts sowie mit Flüssigkeitsansammlungen einhergehen kann. Darüber hinaus erhöhen hohe Hormonwerte das Risiko einer Entstehung von Blutgerinnseln und einer tiefen Venenthrombose (TVT), was für Sportlerinnen, die viel reisen, ein ernsthaftes Problem darstellen kann, da langes Sitzen in einer Position, in der die Wadenmuskeln nicht kontrahieren, insbesondere in einem engen Flugzeug, ohnehin bereits ein erhöhtes Risiko für eine tiefe Venenthrombose darstellt. Hohe Hormonwerte können zudem eine Vielzahl anderer Nebenwirkungen verursachen, die nicht nur die sportliche Leistungsfähigkeit, sondern auch die allgemeine Gesundheit beeinträchtigen.

Eine besonders alarmierende Geschichte kam mir über die australische Profi-Radrennfahrerin Chloe McConville zu Ohren, die vor einigen Jahren während einer Reise Probleme bekam, nachdem sie zehn Jahre lang die Pille genommen hatte. Im Jahr 2014 bildeten sich in ihren Beinen während einer zehnstündigen Autofahrt auf dem Weg zu einem Rennen Blutgerinnsel, die in ihre Lunge gelangten und einen lebensbedrohlichen Notfall auslösten. Da sie zuvor trainiert hatte und sich in Bestform befand, war sie am Boden zerstört. Sie selbst sagte dazu: »Die Reha nach den Lungenembolien war frustrierend und schien ewig zu dauern. Kein Fahrradfahren auf der Straße, keine Mountainbike-Touren, kein Skifahren, kein Snowboarden, keine Aktivitäten mit hohem Risiko… Aber ich überstand alles und erhielt dann mein Traumangebot: 2015 mit Orica-AIS [einem australischen Profi-Straßenrennteam] zu fahren.«

Sie fing wieder an zu trainieren, nahm wieder an Rennen teil und erzielte bei wichtigen Rennen einige solide Ergebnisse. Doch gerade einmal gut einen Monat nach ihrem ersten Team-Trainingslager begann ihre Welt erneut zusammenzubrechen. »Ich bekam einige wirklich seltsame Symptome, die so ähnlich waren wie bei der Lungenembolie«, berichtete sie. »Es fühlte sich aber eher so an, als ob mit meinem Herz etwas nicht stimmte. Ich war nicht wirklich krank, aber irgendwas war nicht in Ordnung. Ich wurde von dem Camp nach Hause geschickt, um mich vorsichtshalber untersuchen zu lassen. Drei Tage später wurde ich mit dem Verdacht auf einen ‚Herzanfall‘ ins Geelong Hospital eingeliefert. Mein kardialer Troponinwert war fast zehnmal höher als normal, was darauf hindeutete, dass ich praktisch einen Herzinfarkt gehabt hatte. Nach fünf Tagen Krankenhausaufenthalt, der falschen Diagnose einer erneuten Lungenembolie und allen möglichen Tests, die man an meinem Herzen durchgeführt hatte, wurde ich ohne eine Antwort darauf, was ich gehabt hatte, entlassen.«

Sie berichtete weiter: »Ich hatte also eine Auszeit vom Rad, erhielt weitere hypothetische Diagnosen, es folgten noch mehr Tests, noch mehr negative Ergebnisse. Mitte Januar hatte ich alle australischen Sommerrennen verpasst und fühlte mich immer noch nicht gut. Ich litt mal mehr, mal weniger unter Müdigkeit, war mitunter furchtbar benebelt (während der schlimmsten Phasen konnte ich kaum einen Satz artikulieren und vergaß, was ich die ganze Zeit getan hatte), mir taten die Beine weh und ich litt unter Kurzatmigkeit und Herzklopfen. Das Frustrierendste war, dass all die Gesundheitsexperten mir immer wieder sagten, ich hätte eine Angststörung und dass diese die Symptome verursache.«

Sie suchte den Rat von vielen weiteren Ärzten – Alternativmedizinern und Schulmedizinern – und fand schließlich heraus, dass sie extrem niedrige Testosteronwerte hatte, was ihre Müdigkeit und ihre schlechte Regeneration erklärte. Sie konsultierte einen Gynäkologen, der sie fragte, ob sie Verhütungsmittel benutze und falls ja, welche. Volltreffer! »Aufgrund der tiefen Venenthrombose und der Lungenembolie hatte ich die Pille abgesetzt und mir ein Implantat mit dem Namen Implanon unter die Haut legen lassen – ein Implantat, das nur Progesteron freisetzt. Dieses hatte die Abgabe von Eizellen aus meinen Eierstöcken unterdrückt und eine niedrige Testosteronproduktion verursacht.«

Also ließ Chloe sich das Implantat nach langen Monaten, in denen sie sich elend gefühlt hatte, entfernen. Bereits nach einer Woche ging es ihr besser, und am darauffolgenden Wochenende nahm sie an einem Rennen teil. Ich versuche nicht, Sie abzuschrecken, Verhütungsmittel zu nehmen, aber Frauen sind sich der damit verbundenen sehr realen Risiken nicht immer bewusst. Grundsätzlich rate ich meinen Athletinnen, wenn sie verhüten wollen, zu einem Intrauterinpessar (IUP). Dieses setzt eine lokal wirkende Dosis Gestagen frei, anstatt eine umfassende systemische Zirkulation von Östrogen und Progesteron in Gang zu setzen. Wenn Ihnen ein Intrauterinpessar nicht zusagt, ist die nächste Option die Minipille, die ausschließlich das synthetisch hergestellte Gestagen Progestin enthält. Niedrig dosiertes Progestin hat weniger Nebenwirkungen als die kombinierte orale Antibabypille.

DER MYTHOS UM AUSBLEIBENDE REGELBLUTUNGEN

Folgendes Szenario ist heute allzu verbreitet: Eine Frau sucht mich in meiner Praxis auf, weil bei ihr mehrere Perioden ausgeblieben sind und ihr Hausarzt oder ihr Gynäkologe sie gewarnt hat, dass sie zu dünn sei und in die Kategorie »Triade der sporttreibenden Frau« falle, ein Zustand, der in der medizinischen Fachwelt normalerweise mit ziemlich beängstigenden Worten beschrieben wird.

In der Vergangenheit wurde die »Female Athlete Triad« als eine regelrecht maximale Katastrophe beschrieben, ein Zusammentreffen von gestörtem Essverhalten und einer verringerten Ausschüttung von Östrogen und anderen Hormonen, was wiederum zu unregelmäßigen Perioden und niedriger Knochendichte führe. Experten glaubten, dass sportlich aktive Frauen sich in einem Spektrum bewegten, an dessen einem Ende sich gesunde Athletinnen mit optimaler Energieverfügbarkeit (adäquater Ernährung), regelmäßigen Perioden und gesunden Knochen befanden und am anderen Ende sportlich aktive, sich schlecht ernährende Frauen mit ausbleibenden Perioden und abnehmender Knochendichte.

Häufig verschrieben Ärzte orale Kontrazeptiva oder schlugen eine Trainingsreduktion vor, um dadurch eine Gewichtszunahme zu bewirken. Die Besorgnis ist verständlich, denn die wahre Triade der sporttreibenden Frau ist eine ernste Erkrankung. Aber die allermeisten sportlich aktiven Frauen, die unter Menstruationsstörungen leiden, sind nicht extrem mager und/oder trainieren nicht übermäßig viel. Dennoch ist dieses Phänomen im gesamten Fitnessspektrum immer häufiger anzutreffen. Was ist da also los? Nach einer etwas eingehenderen Betrachtung einiger anderer Ursachen, die zu Menstruationsstörungen beitragen können, wurde klar, dass es sich bei diesem Phänomen nicht um eine regelrecht maximale Katastrophe handelt, bei der drei Faktoren zusammentreffen, sondern vielmehr um eine Reihe hormoneller Störungen, die auf einen Hauptfaktor zurückzuführen sind: falsche Ernährung. Diese Frauen nehmen nicht ausreichend Nahrung zu sich, um den Bedarf ihres Körpers zu befriedigen, weshalb ihre Physiologie in Turbulenzen gerät. Ich freue mich, berichten zu können, dass ich mit dieser Einsicht nicht alleine dastehe.

Im Jahr 2014 gab das Internationale Olympische Komitee (IOC) eine Erklärung heraus, in der es feststellte, dass es sich bei der Triade in Wahrheit um ein Syndrom handelt, das das Ergebnis »eines relativen Energiemangels ist, der sich auf viele Aspekte der physiologischen Funktionen auswirkt, unter anderem auf die Stoffwechselrate, die Menstruationsfunktion, die Knochengesundheit, das Immunsystem, die Proteinsynthese sowie auf die kardiovaskuläre und die psychologische Gesundheit«. Das ist sicherlich mehr als eine Triade! Und obwohl Männer andere Symptome haben, betrifft es auch sie. Das IOC hat eine Änderung der Bezeichnung dieses Phänomens vorgenommen, um den neuen Erkenntnissen Rechnung zu tragen: relativer Energiemangel im Sport (relative energy deficiency in sport – RED-S).

Das ergibt für mich viel mehr Sinn, und es erklärt auch die aktuelle Zunahme der Triade- bzw. RED-S-Fälle, die ich beobachtet habe. Die aktuellen Ernährungstrends, die bei sportlich aktiven (und sogar inaktiven) Menschen derzeit angesagt sind, führen dazu, dass diese nicht genug Nahrung zu sich nehmen, um ihren Körper mit ausreichend Brennstoff zu versorgen. Vor allem in der Welt des Ausdauersports und des CrossFit-Trainings sind gerade kohlenhydratarme und dafür eher fett- und proteinreiche Ernährungsweisen angesagt. Egal, ob man diese Ernährungsweisen als metabolisch effizient bezeichnet oder sie Paleo-Diät oder Intervallfasten nennt, sie alle haben ähnliche Ziele: den Anteil der in Form von Kohlenhydraten aufgenommenen Gesamtkalorien zu reduzieren und die Fett- und Proteinaufnahme zu erhöhen.

Insgesamt halte ich das für eine gute Idee. Erinnern Sie sich an die fettarme, kohlenhydratreiche Ernährung der 1980er-Jahre und die darauffolgende Adipositas-Epidemie? Das war eine Katastrophe. Den hohen Anteil der Kohlenhydrate zu reduzieren, der unsere Kost in diesen kohlenhydratreichen, fettarmen Zeiten prägte, ist durchaus weise. Aber hier ist der Haken: Als Frauen reagieren wir auf so eine Umstellung anders als Männer. Ein Mann kann sich locker auf die gleiche Weise ernähren wie seine Partnerin und schneller abnehmen, als sein Gewicht bei einem gescheiterten One-Repetition-Maximum-Versuch herunterkracht, während seine Partnerin Schwierigkeiten hat, auch nur ein oder zwei Pfund abzunehmen. Dafür gibt es einen Grund: die Physiologie.

Wenn Frauen zu wenig Kohlenhydrate zu sich nehmen (die empfohlenen Grammmengen sind individuell unterschiedlich, da jede Frau anders ist; berechnen Sie Ihren persönlichen Kohlenhydratbedarf mit der Formel auf Seite 36), führt dies zu einem Abfall des Östradiolspiegels (eines weiblichen Geschlechtshormons) und einem Anstieg des Östronspiegels (eines der drei Östrogenhormone, die das Fettgewebe ausschüttet, was Ihrem Körper signalisiert, mehr Fett einzulagern) sowie zu einem Anstieg des Stresshormons Cortisol. (Progesteron wird bei langen Phasen intensiver Belastung in Cortisol umgewandelt, das dem Körper ebenfalls signalisiert, Fett zu speichern.)

Übersetzung: Was unseren Reproduktionsstatus angeht, werden wir maskuliner und konservieren Fett. Unter dem Gesichtspunkt des Überlebenwollens denkt Ihr Körper an Nahrungsmittelknappheit. Das Letzte, was bei einer verbreiteten Nahrungsmittelknappheit erwünscht ist, sind mehr Esser in Form von Babys. Bei Männern hingegen hält der Mechanismus, der durch die Kohlenhydratreduzierung in Gang gesetzt wird, die dem Körper eine Nahrungsmittelknappheit signalisiert, diesen dazu an, sich kampfbereit zu machen: magerer und straffer werden, anabole Aktivitäten steigern und den Testosteronspiegel hochfahren.

Vom evolutionären Standpunkt aus gesehen ist das sinnvoll – Frauen sollen sich nicht fortpflanzen, und Männer müssen kämpfen, um Nahrung für den Stamm herbeizuschaffen, wenn die Ressourcen knapp sind. Selbst wenn Ihr Körperfettanteil 25 bis 30 Prozent beträgt – weit über dem, was Experten normalerweise als den Bereich ansehen, in dem die Periode auszusetzen droht –, können Sie unter Menstruationsstörungen leiden. Wenn Sie weniger Kalorien zu sich nehmen, als Sie verbrauchen, und sich intensiven Belastungen aussetzen, signalisieren die hormonellen Veränderungen Ihrem Körper, die Reproduktion einzustellen.

Diese Veränderung der Fortpflanzungshormonspiegel ist der Grund dafür, dass sich so viele Frauen mit Intervallfasten und kohlenhydratarmen, fettreichen Ernährungsweisen schwertun, wohingegen Männer damit in der Regel bestens klarkommen. Frauen sind keine kleinen Männer. Halten Sie sich das vor Augen. Bedenken Sie dies, bevor Sie auf den Zug aufspringen und die neuste Modediät mitmachen.

Allerdings sollten Sie sich dessen bewusst sein, dass Sie es durchaus ernst nehmen sollten, wenn Ihre Periode während Ihres Trainings ausbleibt, und Sie der Sache auf den Grund gehen sollten. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter mehr als 300 Ultramarathonläuferinnen (die einem relativ hohen Risiko ausgesetzt sind, unter dem relativen Energiedefizienz-Syndrom bei Sportlern zu leiden, weil sie regelmäßig Tausende von Kalorien verbrennen) ergab, dass 92,5 Prozent der Läuferinnen noch nie von der Triade der Sport treibenden Frau gehört hatten (ganz zu schweigen von der neuen Bezeichnung RED-S). Noch beunruhigender ist, dass ein Drittel dieser Läuferinnen unter irgendeiner Form einer Essstörung litt und die Hälfte von ihnen sich kalorienreduziert ernährte – was sie natürlich einem hohen Risiko aussetzt, ein relatives Energiedefizienz-Syndrom zu entwickeln.

 

Als Bewertungsmaßstab veröffentlichte eine Gruppe von Wissenschaftlern im British Medical Journal ein RED-S-Scanning-Tool. Auch wenn die Diagnose von einem ausgebildeten Gesundheitsexperten gestellt werden sollte, kann es Ihnen dabei helfen zu erkennen, worauf zu achten ist.

RED-S-RISIKO-BEURTEILUNGSMODELL FÜR SPORTLERINNEN UND SPORTLER

Dieses Beurteilungsmodell kann bei der regelmäßig stattfindenden Gesundheitsuntersuchung mit einbezogen werden. Je nach den Ergebnissen der Anamnese und der körperlichen Untersuchung wird der betreffende Athlet in eine der drei folgenden Kategorien eingeteilt: »Rot«: Hohes Risiko; »Gelb«: Mäßiges Risiko; »Grün«: Geringes Risiko.


HOHES RISIKO: ROT MÄSSIGES RISIKO: GELB GERINGES RISIKO: GRÜN
• Anorexia nervosa und andere schwere Essstörungen • Andere schwere Erkrankungen (psychologischer und physiologischer Art), die mit niedriger Energieverfügbarkeit in Verbindung stehen • Die Anwendung extremer Gewichtsverlust-Strategien, die zu einem Zustand von durch Dehydrierung verursachter Hämodynamischer Instabilität oder zu anderen lebensbedrohlichen Störungen führt • anhaltend anormal niedriger Körperfettanteil, gemessen mit dem Verfahren DEXA* • erhebliche Gewichtsabnahme (5 bis 10 % der Körpermasse in einem Monat) • Verlangsamung des erwarteten Wachstums und der Entwicklung bei jugendlichen Sportlern • Angemessener Körperbau, der ohne übermäßige Belastungen oder ungesunde Ernährungs-/Trainingsstrategien aufrechterhalten wird
• Niedrige Energieverfügbarkeit** (anhaltender und/oder schwerer Art) • Gesunde Essgewohnheiten und angemessene Energieverfügbarkeit
• Länger als 3 Monate anhaltender anormaler Menstruationszyklus • Verzögerte erste Regelblutung bei jugendlichen Sportlerinnen (15 Jahre) • Gesund funktionierendes endokrines System
• Reduzierte Knochendichte • Anamnese einer oder mehrerer Stressfrakturen in Verbindung mit hormoneller/menstrueller Dysfunktion und/oder niedriger Energieverfügbarkeit • Die für den jeweiligen Sport, das Alter und die ethnische Zugehörigkeit erwartete gesunde Knochendichte • Gesunder Bewegungsapparat
• Sportler mit physischen/psychologischen Komplikationen im Zusammenhang mit niedriger Energieverfügbarkeit und/oder Essstörungen
• Längerer relativer Energiemangel • Gestörtes Essverhalten, das sich negativ auf andere Teammitglieder auswirkt • Mangelnde Fortschritte bei der Behandlung und/oder Nichteinhaltung der Maßnahmen

* DEXA: Dual energy x-ray absorptiometry (Doppelröntgenenergieabsorptiometrie)

** Energieverfügbarkeit = Energiezufuhr minus Aktivitätskalorien (die Energie, die durch die sportliche Aktivität zusätzlich verbraucht wird)

TEILNAHME AN SPORTLICHEN AKTIVITÄTEN AUF DER BASIS DER RISIKOKATEGORIE

»Hohes Risiko – Rot«: keine Erlaubnis für sportliche Aktivitäten.

Aufgrund der Schwere des klinischen Erscheinungsbildes kann die Teilnahme am Sport eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit darstellen und die Sportlerin zudem davon ablenken, die notwendige Aufmerksamkeit für Behandlung und Genesung aufzubringen.

»Mäßiges Risiko – Gelb«: die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten ist nur unter Aufsicht und mit einem medizinischen Behandlungsplan erlaubt.

Eine Neubewertung der Risikoeinschätzung des Sportlers sollte je nach klinischem Erscheinungsbild in regelmäßigen Abständen von 1 bis 3 Monaten erfolgen, um zu beurteilen, ob die Behandlungsvorgaben eingehalten werden und Änderungen des klinischen Status zu erkennen.

»Geringes Risiko – Grün«: Sportliche Aktivitäten ohne Einschränkung erlaubt