Internationales Wirtschaftsrecht

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1 Deutsches Internationales Privatrecht
1.1 Begriffsbestimmung

Das Internationale Privatrecht (IPR) ist Kollisionsrecht[1] (auch Verweisungsrecht oder Rechtsanwendungsrecht genannt). Es dient bei einem Sachverhalt mit Auslandsberührung der Bestimmung des anzuwendenden Sachrechts – also welche nationale Privatrechtsordnung zur Klärung der Rechtsfrage anzuwenden ist.[2] Es handelt sich um nationales Recht, welches von Amts wegen anzuwenden ist.[3]

1.2 Relevante Rechtsquellen und ihre Rangfolge
1.2.1 Quellen

Relevante Rechtsquellen des deutschen IPR sind die Regelungen der Art. 3 bis 46d EGBGB samt deutscher Spezialgesetze,[4] Gewohnheits- bzw. Richterrecht (Stellvertretung, Gesellschaften/juristische Personen), die europäischen ROM-Verordnungen – insbesondere ROM-I-VO (vertragliche Schuldverhältnisse) und ROM-II-VO (außervertragliche Schuldverhältnisse) – und unmittelbar anwendbare Staatsverträge (v.a. Haager Abkommen, UN-Übereinkommen und bilaterale Übereinkommen). Daneben können auch die ROM-III-VO (Ehescheidungen) und die EuErbVO von Bedeutung sein. Auch gibt es kollisionsrechtliche Staatsverträge der EU – geschlossen mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen – mit der Qualität von sekundärem EU-Recht.[5] Sie sind in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar (Art. 216 Abs. 2 AEUV).[6]

1.2.2 Rangfolge

Das einst abschließend relevante EGBGB, samt deutscher Spezialgesetze, wurde aufgrund der Subsidiaritätsklausel in Art. 3 Nr. 1, Nr. 2 EGBGB weitestgehend von den europäischen ROM-Verordnungen und durch unmittelbar anwendbare Staatsverträge abgelöst.[7]

Es gilt folgende Rangfolge:

 unmittelbar anwendbare ROM-Verordnungen der EU (Art. 3 Nr. 1 EGBGB);

 innerstaatlich unmittelbar anwendbare völkerrechtliche Vereinbarungen (Art. 3 Nr. 2 EGBGB);

 Kollisionsnormen nach Art. 3 bis 46d EGBGB und Gewohnheits- bzw. Richterrecht.

1.3 Kollisionsnormen
1.3.1 Allgemein

Kollisionsnormen sind grundsätzlich wie Sachnormen aufgebaut. Sie enthalten einen abstrakten Tatbestand sowie eine abstrakte – an den Tatbestand anknüpfende – Rechtsfolge. Anders als bei Sachnormen weisen die Tatbestände jedoch eine größere Abstraktionshöhe auf als nationale Sachnormen.[8] Auch beschränkt sich die Rechtsfolge der Kollisionsnormen auf den bloßen Verweis in eine bestimmte Rechtsordnung, nach deren Regelungen dann die finale Rechtsfolge zu finden ist.[9]

1.3.2 Verschiedene Arten

Kollisionsnormen werden in unterschiedliche Arten unterteilt.

So wird zum einen zwischen selbstständigen und unselbstständigen Kollisionsnormen unterschieden. Die selbstständigen Kollisionsnormen stellen aus sich heraus eine hinreichende Verweisung dar. Sie treffen eine Aussage über das auf einen bestimmten Anknüpfungsgegenstand anwendbare Recht, indem sie das dafür maßgebende Anknüpfungsmoment festlegen.[10] Allerdings erfahren sie durch weitere Normen[11] Korrekturen oder Ergänzungen. Diese weiteren Normen, welche eine selbstständige Kollisionsnorm modifizieren oder ergänzen, werden auch unselbstständige Kollisionsnormen genannt.[12]

Im Rahmen der Kollisionsnormen kann außerdem zwischen einseitigen, mehrseitigen, allseitigen und Exklusivnormen unterschieden werden. Allerdings findet sich im heutigen IPR kaum noch eine einseitige Kollisionsnorm; die Regel sind im EGBGB allseitige Kollisionsnormen.[13] Während einseitige Kollisionsnormen[14] nur eine (also die deutschen) Kollisionsnorm berufen, beziehen sich mehrseitige Kollisionsnormen auf mehrere Rechtsordnungen – also auf ausländisches und inländisches Recht – und allseitige Kollisionsnormen auf potenziell sämtliche Rechtsordnungen der Welt.[15] Einen Sonderfall einseitiger Kollisionsnormen stellen Exklusivnormen dar, welche für bestimmte Sachverhalte die Anwendbarkeit deutschen Rechts ausnahmsweise auch für den Fall regeln, dass eigentlich eine andere Anknüpfung gegeben ist.[16] Ein Beispiel hierfür ist Art. 17 EGBGB, wonach eine Scheidung eines Deutschen auch dann möglich ist, wenn dies nach dem eigentlich geltenden Ehewirkungsstatut nicht möglich wäre.

1.3.3 Anknüpfungsgegenstand und Anknüpfungspunkt

Von der zunächst zu klärenden Frage der Auslandsberührung – ob es sich also überhaupt um einen Sachverhalt handelt, welcher einer Bestimmung der maßgeblichen Rechtsordnung nach den Regelungen des IPR bedarf (Art. 3 a.E. EGBGB) – ist die nach dem Anknüpfungsgegenstand und Anknüpfungspunkt zu unterscheiden.

Der Anknüpfungsgegenstand beschäftigt sich mit der Frage der Regelungsmaterie, also der zu klärenden rechtlichen Frage (Tatbestand). Handelt es sich bspw. um Fragen im Rahmen eines vertraglichen Schuldverhältnisses, so sind die Regelungen der ROM-I-VO heranzuziehen, wohingegen für Fragen einer Ehescheidung die Regelungen der ROM-III-VO bzw. des Art. 17 EGBGB relevant sind.

Der Anknüpfungspunkt ist der Begriff in einer Kollisionsnorm, welcher zur anwendbaren Rechtsordnung führt (Rechtsfolge).[17] Dies sind insbesondere:

 Staatsangehörigkeit;[18]

 Wohnsitz bzw.[19] gewöhnlicher/einfacher Aufenthalt;[20]

 Belegenheit von Sachen;[21]

 Handlungsort;[22]

 Parteiwille (subjektive Anknüpfung).[23]

Eine Kollisionsnorm kann auch mehrere Anknüpfungspunkte enthalten.[24]

1.3.4 Rück- und Weiterverweisung

Verweist das deutsche IPR auf ausländisches Recht, so sind drei „Reaktionen“ des ausländischen Rechts möglich: Das ausländische IPR kann (1) die Verweisung annehmen, sodass das jeweilige ausländische Sachrecht gilt, (2) auf das deutsche Recht zurückverweisen und (3) auf das Recht eines Drittstaates weiterverweisen (renvoi).

Die Regelungen des Art. 34 EuErbVO[25] und Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB[26] enthalten Gesamtnormverweisungen. In ihnen wird nicht nur auf das ausländische Sachrecht, sondern auch auf das jeweilige IPR verwiesen. Eine solche Gesamtverweisung findet sich in den ROM-Verordnungen jedoch nicht.

In den ROM-I- und -II-Verordnungen finden sich vielmehr Sachnormverweisungen. In Art. 3a Abs. 1 EGBGB wird die Sachnormverweisung wie folgt legal definiert: „Verweisungen auf Sachvorschriften beziehen sich auf die Rechtsnormen der maßgebenden Rechtsordnung unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts“. Nach den Regelungen der Art. 20 ROM-I-VO, Art. 24 ROM-II-VO und Art. 11 ROM-III-VO[27] ist eine Weiterverweisung ausgeschlossen. Sachnormverweisungen finden sich auch in Art. 9 S. 2, 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 13 Abs. 2 u. 3 S. 1, 16 Abs. 2, 17 Abs. 3 S. 2, 17a, 24 Abs. 1 S. 2 EGBGB.

Dass das deutsche Sachrecht bei einer Rückverweisung anzuwenden ist, regelt Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB.

1.4 Qualifikation

Die Qualifikation beschreibt die Zuordnung eines Lebenssachverhalts bzw. eines Rechtsinstituts zu den Anknüpfungsgegenständen des IPR.[28] Gemeint ist also der Subsumtionsvorgang nach Klärung der Frage, nach welchen Kriterien und aus Sicht welcher Rechtsordnung die dafür erforderlichen Anknüpfungsgegenstände zu entnehmen sind.[29]

Diese herrschende Definition der Qualifikation ist in Abgrenzungsfragen, welche die Auslegung der Kollisionsnorm selbst[30] und den Gegenstand der Qualifikation[31] betreffen, hoch umstritten. Allerdings haben diese – i.d.R. die Terminologie betreffenden – Streitigkeiten kaum praktische Auswirkung.[32] Subsumtionsprobleme können sich v.a. daraus ergeben, dass:

 

 ausländische Rechtsinstitute dem deutschen Recht fremd sind;

 Systemunterschiede herrschen – ausländische Rechtsordnungen also die systematische Grenzziehung zwischen einzelnen Rechtsgebieten anders vornehmen, als dies im deutschen Sachrecht erfolgt.

Von den dazu vertretenen Lösungen haben sich die Theorien des lex causae und lex fori herausgebildet. Die Theorie des lex causae nimmt eine strikte Orientierung an Rechtsbegriffen des anwendbaren Sachrechts – also z.B. des materiellen deutschen Rechts – vor.[33] Die strikte lex-fori-Theorie setzt die in inländischen Kollisionsnormen verwendeten Sammelbegriffe strikt mit den Systembegriffen des inländischen materiellen Rechts gleich.[34]

Die deutsche Rechtsprechung und insbesondere auch der BGH geht bei der Qualifikation allerdings seit jeher von der modernen lex-fori-Theorie aus. Zwar orientiert diese sich ebenfalls v.a. an der Systematik, allerdings wird dabei meist (auch) eine funktionale Betrachtung zugrunde gelegt.[35] So hat sich der BGH bspw. eingehend mit der Qualifikation der islamischen Morgengabe auseinandergesetzt und diese schließlich mit sorgfältiger Argumentation als allgemeine Ehewirkung nach Art. 14 EGBGB eingeordnet. Dabei hat der Senat einerseits die Funktion der Morgengabe im islamischen Recht beleuchtet. Andererseits ist er im Rahmen der Auslegung auf die Systematik des deutschen internationalen Eherechts und die für die Unwandelbarkeit des Ehegüterstatuts nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Erwägungen eingegangen.[36] Dabei spricht der BGH von der „Qualifikation von Morgengabeversprechen“ oder auch der „Qualifikation der Morgengabe“, nicht aber von der Qualifikation einzelner iranischer Sachnormen.[37] Dadurch zeigt er, dass er der strikten lex-fori-Theorie, welche von den inländischen Kollisionsnormen verwendeten Sammelbegriffe strikt mit den Systembegriffen des inländischen materiellen Rechts gleichgesetzt[38], nicht folgt.

1.5 Vorfrage[39]

Die Vorfragen beschreiben Rechtsverhältnisse, von denen die Lösung der Hauptfrage abhängt (präjudizielle Rechtsverhältnisse) wie z.B. der Begriff der „Ehe“ in Art. 14 EGBGB oder Art. 19 EGBGB.[40] Problemtisch ist, nach welchem Recht sich wiederum die Klärung dieser Vorfragen richtet. Dies ist letztendlich die Frage nach einer selbstständigen oder unselbstständigen Anknüpfung.[41]

Zunächst ist jedoch zu unterscheiden, ob es sich um eine Kollisionsnorm und damit um eine kollisionsrechtliche Vorfrage handelt, oder aber um eine rein materiell-rechtliche Vorfrage. Während bspw. der Begriff der Ehe bei Art. 14 EGBGB eine kollisionsrechtliche Vorfrage ist (Art. 14 EGBGB selbst ist eine Kollisionsnorm), ist er dies bei Art. 19 EGBGB nicht. Handelt es sich um eine kollisionsrechtliche Vorfrage, soll das IPR der lex fori stets maßgeblich sein (selbstständige Anknüpfung).[42] Nur i.d.R. ist dies auch bei materiell-rechtliche Vorfragen der Fall.[43] Vorfragen sind daher regelmäßig selbstständig – also unabhängig von dem in der Hauptfrage anzuwendenden Recht – zu qualifizieren.[44] Dies wird in Art. 1 Abs. 2 ROM-III-VO ausdrücklich dargestellt. Auf die Abgrenzung von unselbstständiger und selbstständiger Anknüpfung kommt es jedoch nur bei Vorliegen der folgenden drei Voraussetzungen an:[45]

 Das IPR muss für die Hauptfrage ausländisches Sachrecht berufen;

 das IPR der lex causae muss für die Vorfrage eine andere Rechtsordnung berufen als die Kollisionsnormen der lex fori; und

 die unterschiedlichen Verweisungen von lex causae und lex fori führen auch in concreto nicht zum selben materiell-rechtlichen Ergebnis.

1.6 Ordre Public

Nach dem Ordre-Public-Vorbehalt, welcher u.a.[46] in Art. 6 EGBGB, Art. 21 ROM-I-VO und Art. 26 ROM-II-VO normiert ist, dürfen ausländische Regelungen dann nicht angewendet werden, wenn ihre Anwendung zu einem mit den wesentlichen Grundzügen deutschen Rechts – insbesondere den Grundrechten – offensichtlich unvereinbarem Ergebnis führen würde.[47] In ihrer Gesetzesbegründung zu Art. 6 EGBGB betonte die Bundesregierung, dass der Vorbehalt zwar im IPR eine die regelmäßige Anknüpfung durchbrechende Ausnahme darstelle, aber (dennoch) den gesamten Bereich des Kollisionsrechts erfasse.[48]

Im Hinblick auf die praktische Bedeutung der Ordre-Public-Klauseln ist zwischen der Ordre-Public-Kontrolle allgemein und der spezifischen Relevanz einzelner Vorbehaltsklauseln – insbesondere der des Art. 6 EGBGB – zu differenzieren.[49] Aufgrund der zahlreichen europarechtlichen und staatsvertraglichen Ordre-Public-Klauseln sowie speziellen nationalen Vorbehaltsklauseln (vgl. Art. 40 Abs. 3, Art. 17 Buchst. b Abs. 4 und Art. 48 S. 1 EGBGB) nimmt die Relevanz Letzterer jedenfalls ab.[50]

Auch die Ordre-Public-Kontrolle weißt eine eher geringe Bedeutung in der Praxis auf, was insbesondere an ihrer restriktiven Formulierung („offensichtliche Unvereinbarkeit“) begründet liegt.[51]

1.7 Besonderer Teil des IPR
1.7.1 Personenrecht und Recht der Rechtsgeschäfte

Das in den Art. 7 bis 10 ROM-I-VO geregelte internationale Personenrecht bezieht sich nur auf natürlichen Personen.[52] Die allgemeine Rechts- und Geschäftsfähigkeit regelt Art. 7 EGBGB, wonach das Personalstatut und also das Heimatrecht der natürlichen Person anzuwenden ist.[53] Es handelt sich um zwingendes und also nicht dispositives Recht.[54] Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit ist das Recht des Staates mit dem die Person am engsten verbunden ist, maßgeblich (effektive Staatsangehörigkeit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 ROM-I-VO)).[55] Besondere Rechtsfähigkeiten wie Teilrechtsfähigkeit beurteilen sich nicht nach dem Personalstatut, sondern nach dem für das jeweilige Recht maßgebenden Wirkungsstatut.[56]

Gemäß Art. 8 EGBGB ist eine durch die Parteien gemeinsam (Art. 8 Abs. 1 S. 2 EGBGB) oder den Vollmachtgeber (Art. 8 Abs. 1 S. 1 EGBGB) erfolgte Rechtswahl stets vorrangig. Nur wenn keine Rechtswahl erfolgt ist, ist nach den Maßgaben der Abs. 2 bis 5 objektiv anzuknüpfen.[57] Das sich aus den Regelung des Art. 8 EGBGB ergebende Vollmachtstatut befindet über Erteilung, Wirksamkeit,[58] Umfang[59] und Erlöschen der Vollmacht.[60] Es entscheidet ferner über die Art und Auslegung der Vollmacht, die Deckung des Vertretergeschäfts durch die Vollmacht,[61] über die Befähigung zur Erteilung von Untervollmacht,[62] über das Bestehen von Einzel- oder Gesamtvollmacht, über den Vollmachtsmissbrauch und die Überschreitung der Vollmacht.[63]

Auch Art. 10 Abs. 2 ROM-I-VO kann – insbesondere in den Fällen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens oder anderen, ausländischen Rechtordnungen fremden, Handelsbräuchen – von großer Bedeutung sein. Zu beachten ist, dass die Sonderanknüpfung in Art. 10 Abs. 2 ROM-I-VO lediglich die Funktion eines Korrektivs (Vetorecht) gegenüber einem nach Art. 10 Abs. 1 ROM-I-VO gültig geschlossenen Vertrag hat.[64]

Welches Recht grundsätzlich die Formerfordernisse von Rechtsgeschäften bestimmt, wird in Art. 11 Abs. 1 bis 3 EGBGB geregelt. Die Form wird als Geschäftsform in Art. 11 Abs. 1 S. 1 EGBGB und Ortsform nach Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EGBGB bestimmt.[65] Zu berücksichtigen sind jedoch vorrangige Regelungen wie z.B. hinsichtlich schuldvertraglicher Rechtsgeschäfte Art. 11 ROM-I-VO oder solche im Erb-, Familien- und Verbraucherrecht.[66] Auch ist die Alternativregelung in Art. 11 Abs. 1 EGBGB kein zwingendes Recht und also abdingbar bzw. eingrenzbar.[67]

Entspricht ein Geschäft keiner der zur Anwendung berufenen Rechtsvoraussetzungen, beurteilen sich die Folgen des Formverstoßes zunächst nach der verletzten Rechtsordnung.[68] Bei unterschiedlichen Rechtsfolgenregelungen in den nach Art. 11 EGBGB anzuwendenden Rechten gelten die Folgen des milderen bzw. mildesten Rechts.[69] Eine obligatorische Regelung für Rechtsbegründungen oder Verfügungen findet sich in Art. 11 Abs. 4 EGBGB. Art. 11 Abs. 2 Var. 2 EGBGB trifft Regelungen für Distanzverträge, also Verträge zwischen sich in unterschiedlichen Staaten befindlichen Personen.

1.7.2 Vertragliches Schuldrecht
1.7.2.1 Allgemein

Die relevanten Normen für vertragliches Schuldrecht befinden sich in der ROM-I-VO. Es handelt sich dabei um lois universelles (Art. 2 ROM-I-VO), d.h. die ROM-I-VO gilt unabhängig davon, welches nationales Recht Anwendung findet.[70] Keine Anwendung findet die ROM-I-VO jedoch bei Mehrfachabtretung einer Forderung. In den Worten des EuGH: „Art. 14 […] ROM-I-VO ist dahin auszulegen, dass er weder unmittelbar noch durch entsprechende Anwendung bestimmt, welches Recht auf die Drittwirkungen einer Forderungsabtretung bei Mehrfachabtretung einer Forderung durch denselben Gläubiger nacheinander an verschiedene Zessionare anzuwenden ist.“[71]

Von besonderer Bedeutung ist die Regelung des Art. 3 ROM-I-VO, welcher die freie Rechtswahl durch die Parteien regelt. In Art. 3 Abs. 1 ROM-I-VO heißt es: „Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen.“ Da die Vorschrift im Wesentlichen Art. 3 EVÜ und Art. 27 EGBGB a.F. entspricht, kann die hierzu ergangene Rechtsprechung auch für die Auslegung des Art. 3 ROM-I-VO herangezogen werden.[72]

Hinsichtlich eines strittigen Zahlungsanspruchs eines Schweizer Unternehmens gegen einen Verbraucher für ein VIP-Paket zum WM-Spiel in Rio de Janeiro, entschied das KG, dass es sich bei dem VIP-Paket-Vertrag um einen Dienstleistungsvertrag i.S.d. Art. 6 Abs. 4 Buchst. a ROM-I-VO handelt, da die geschuldete Dienstleistung ausschließlich in einem Staat (Brasilien) zu erbringen war, in dem der Verbraucher nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.[73]

 

Die Vermutung, dass der Vertrag die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, gilt jedoch nicht, wenn solche Anknüpfungspunkte zu einem anderen als dem vermuteten Recht führen, die an Gewicht den von der Vermutung verwendeten Anknüpfungspunkt deutlich übertreffen und sich ein anderes Zentrum des Leistungsaustausches eindeutig ermitteln lässt.[74] Dies kann z.B. der Fall sein, wenn es dem deutschen Käufer einer Forderung entscheidend auf den Erwerb der Hypothek ankommt, eine Beurkundung des Kaufvertrags durch einen französischen Notar in französischer Sprache erfolgt und die Parteien dabei von französischen Rechtsanwälten vertreten werden sollen.[75]

1.7.2.2 Verbrauchervertragsrecht

Für Verbraucherverträge findet sich eine Sondervorschrift in Art. 6 ROM-I-VO, wobei zwischen Abs. 1 und Abs. 2 unterschieden werden muss, da diese zwei unterschiedliche Fälle regeln. Während nach Art. 6 Abs. 1 ROM-I-VO grundsätzlich der Aufenthaltsort des Verbrauchers für die Frage des Rechts, welchem der Verbrauchervertrag unterliegt, maßgeblich ist, sieht Art. 6 Abs. 2 ROM-I-VO die Möglichkeit einer anderweitigen Rechtswahl vor, wenn das Recht eines anderen Landes vorteilhafter für den Verbraucher ist.[76] Nach Abs. 4 gelten die Abs. 1 und 2 nicht für:

 Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;

 Beförderungsverträge mit Ausnahme von Pauschalreiseverträgen i.S.d. Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13.06.1990 über Pauschalreisen;

 Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen oder die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben, mit Ausnahme der Verträge über Teilzeitnutzungsrechte an Immobilien i.S.d. Richtlinie 94/47/EG;

 Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit einem Finanzinstrument sowie Rechte und Pflichten, durch die die Bedingungen für die Ausgabe oder das öffentliche Angebot und öffentliche Übernahmeangebote bezüglich übertragbarer Wertpapiere und die Zeichnung oder den Rückkauf von Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren festgelegt werden, sofern es sich dabei nicht um die Erbringung von Finanzdienstleistungen handelt.

Die Regelung des Abs. 4 Buchst. a ROM-I-VO umfasst z.B. Dienstleistungen eines Fremdenführers oder Skilehrers,[77] der die Leistung komplett in dem anderen Land erbringt, aber auch örtliche Bank- und Brokerdienstleistungen.[78]

Daneben sind für Verbraucherverträge insbesondere die Regelungen in Art. 3 Abs. 3 und 4[79] und Art. 9 ROM-I-VO[80] sowie Art. 46b EGBGB[81] zu beachten.