Mein Koffer voller Glück

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Mein Koffer voller Glück
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SILKE NAUN-BATES

Mein Koffer voller Glück



SILKE NAUN-BATES

Mein Koffer

voller Glück

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliothek; detaillierte Daten sind im Internet über

http://dnb.ddb.de abrufbar.

1. Auflage 2016 | Originalausgabe

Copyright © 2016 Sheema Medien Verlag,

Inh.: Cornelia Linder, Hirnsbergerstr. 52, D - 83093 Antwort

Tel.: +49 (0)8053 – 7992952, Fax: +49 (0)8053 – 7992953

http://www.sheema-verlag.de

Copyright © Silke Naun-Bates | silkenaunbates.com

Ebook ISBN 978-3-931560-80-5

EPDF ISBN 978-3-931560-81-2

ISBN Buch-Ausgabe 978-3-931560-52-2

Coverabbildung: © Maik Wöll PhotoArt, Maik Wöll 2016

http://www.maik-woell-photoart.de

Fotos im Innenteil: © Maik Wöll PhotoArt und © Archiv Silke Naun-Bates

Umschlaggestaltung: Sheema Medien Verlag, Schmucker-digital | schmucker-digital.de

Gesamtkonzeption: Sheema Medien Verlag, Cornelia Linder

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim | www.brocom.de

Allgemeine Hinweise:

Das gesamte Werk ist im Rahmen des Urheberrechts geschützt. Jede vom Verlag nicht genehmigte Verwertung ist unzulässig. Dies gilt auch für die Verbreitung durch Tonträger jeglicher Art, elektronische Medien, Internet, photomechanische, und digitalisierte Wiedergabe sowie durch Film, Funk, Fernsehen einschließlich auszugsweisem Nachdruck und Übersetzung. Anfragen für Genehmigungen im obigen Sinn sind zu richten an den Sheema Medien Verlag unter Angabe des gewünschten Materials, des vorgeschlagenen Mediums, gegebenenfalls der Anzahl der Kopien und des Zweckes, für den das Material gewünscht wird.

Dieses Buch dient keinem rechtlichen, medizinischen oder sonstigen berufsorientierten Zweck. Die hier gegebenen Informationen ersetzen keine fachspezifische Beratung oder Behandlung. Wer rechtlichen, medizinischen oder sonstigen speziellen Rat oder Hilfe sucht, sollte sich an einen geeigneten Spezialisten wenden. Autor und Verlag übernehmen keine Haftung für vermeintliche oder tatsächliche Schäden irgendeiner Art, die in Verbindung mit dem Gebrauch oder dem Vertrauen auf irgendwelche in diesem Buch enthaltenen Informationen auftreten könnten.

Wichtige Information für die Leser und Leserinnen der E- Book-Ausgabe:

Das gebunden Buch „Mein Koffer voller Glück“ von Silke Naun- Bates ist durchgängig vierfarbig illustriert.

Darauf wurde in diesem E-Book aufgrund der besseren Darstellung und Lesbarkeit verzichtet.

Für dich.

Du bist wertvoll.

Du bist wichtig.

INHALT

Vorwort von Dieter M. Hörner

Was braucht es wirklich, um glücklich zu sein?

Ein ganz besonderer Koffer

Dankbarkeit

Gott sei Dank: Mir fehlen nur die Beine

Dankbarkeit wandelt Asche zu Gold

Die Macht von Vergleichen

Dankbarkeit – die Schattenseiten

Fragen, die mich unterstützen

Freude

Freudefunken im Alltag

Der Tanz meines Lebens

Fragen, die mich unterstützen

Humor

Komische Geschichten

Die Weisheit des Herzens

Fragen, die mich unterstützen

Mut

Mutig leben – Schritt für Schritt

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Silke, zeige dich!

Die Königsdisziplin

Mein Symbol des Mutes

Fragen, die mich unterstützen

Das Geschenk

Freiheit

Glücklichsein ist eine Wahl

Du bist dran – packe deinen Koffer voller Glück

28 Tage für dein Glück

Der Ruf deines Herzens

Glücksschätze und sanfte Arschtritte

Nachwort

Danke

Anhang

Turbobeschleuniger für dein Glück

Vita

Achte gut auf diesen Tag,

denn er ist das Leben –

das Leben allen Lebens.

In seinem kurzen Ablauf liegt alle seine

Wirklichkeit und Wahrheit des Daseins,

die Wonne des Wachsens,

die Größe der Tat,

die Herrlichkeit der Kraft.

Denn das Gestern ist nichts als ein Traum

und das Morgen nur eine Vision.

Das Heute jedoch, recht gelebt,

macht jedes Gestern

zu einem Traum voller Glück

und jedes Morgen

zu einer Vision voller Hoffnung.

Darum achte gut auf diesen Tag.

Dschalal ad-Din Muhammad ar-Rumi

VORWORT

von Dieter M. Hörner

Der erste Eindruck von Silke war folgender: „Da ist eine Frau, die weiß genau, was sie möchte!“ Denn es gelang mir nicht, sie davon abzuhalten, doch erst einmal ein Wochenendseminar zu besuchen, sich die ganze Sache anzuschauen, um dann eine Entscheidung zu treffen. Nein, sie wollte sofort in die Persön- lichkeitstrainer-/-innen-Ausbildung einsteigen. „Bist du sicher? Schau es dir doch erst einmal an!“, war mein logisches Argument am Telefon. „Nein, das muss ich nicht, denn das ist genau das, was ich möchte, ich steige da direkt ein! Ich habe mir das auf der Webseite angeschaut, das passt 1000 % für mich, ich bin dabei!“, war Silkes Antwort. Nun, was sollte ich da noch sagen? „Also gut, ich buche dich ein, das geht dann bald los. Ich freue mich sehr darauf, dich bald persönlich kennenlernen zu dürfen.“ „Eine Sache habe ich noch“, sagte Silke. „Was denn?“ „Braucht es Beine, um Trainerin zu sein?“, fragte Silke mich fröhlich. „Beine?“, fragte ich ein bisschen irritiert zurück. „Ja, Beine.“ „Nein, braucht es nicht, das geht sehr gut ohne Beine“, lautete meine Antwort, ohne groß darüber nachzudenken. „Na, dann ist ja alles gut“, war die gut gelaunte Antwort von Silke und wir beendeten das Gespräch. Ich hatte schlicht und einfach keine Vorstellung, was sie wohl mit der Frage ansprechen wollte. Das nächste Telefonat stand an und ich hatte keine Zeit mehr, darüber nachzudenken.

 

Am ersten Ausbildungstag fuhr ich ins Ausbildungszentrum, ging ins Restaurant und erkannte Silke sofort. Ich ging hin und sagte: „Hey, du musst Silke sein, was meinst du, woran ich dich sofort erkannt habe?“ „Na, woran wohl“, grinste Silke mich charmant an. „Du bist die ohne Beine, herzlich willkommen!“ Das natürliche, fröhliche, offene Wesen von Silke durfte ich über Monate genießen. Sie hat den Menschen ihrer Ausbildungsgruppe in den ersten Minuten durch ihre sympathische, offene Art die Erlaubnis gegeben, zu schauen und zu staunen, um dann wahrzunehmen, dass alles o. k. ist, da Silke völlig entspannt und normal mit ihnen umgeht. Silke hat ein offenes Herz, geht empathisch auf die Menschen zu, ist ehrlich und klar, kann ihre Bedürfnisse ausdrücken und ist vor allem eine tolle Frau.

Ich habe mir oftmals über den Begriff „Behinderung“ Gedanken gemacht, wenn ich erleben durfte, mit welcher Natürlichkeit, Offenheit, Liebe und Präsenz Silke in den Seminaren als Coach und Trainerin Menschen in ihr Potenzial begleitet hat. Da ist nichts, was Silke behindert – im Gegenteil! Silke kann sich selbst mit Humor begegnen und über sich lachen, sie lebt und liebt, hat Ängste, Hoffnungen, so wie wir alle. Sie folgt der Sehnsucht ihres Herzens und ist vielen Menschen ein Vorbild. Nicht, weil sie das alles ohne Beine stemmt, sondern durch ihre besondere Art, mit sich, den anderen und dem Leben „umzugehen“.

Keine Ausreden! Mutig den Herausforderungen des Lebens begegnen! Sich nicht „rausmuscheln“, sondern ausprobieren, was geht! Zu sich stehen! Besonders in den Situationen, in denen es über Grenzen geht. So habe ich Silke erlebt. Möchtest du ein Beispiel? Aber gerne! Wir bereiteten einen Scherbenlauf vor. Hier gibt es Teilnehmer, die schon beim Zerschlagen der Flaschen „die Krise“ bekommen und sehr schnell ein Argument parat haben, diesen Lauf nicht zu machen. Nicht so Silke! Und: Sie hätte ein sehr gutes Argument vorbringen können, nicht über die Scherben zu gehen. (Gehen!) Alle blickten zu ihr, als wir die Scherben vorbereiteten. Silke schaute sich die Sache in aller Ruhe an und fragte: „Geht das auch, dass ich da mit den Händen darüberlaufe?“ „Keine Ahnung, das hat noch niemand gemacht, was meinst du?“, war meine Antwort. „Nun ja, meine Hände sind ja auch meine Beine, also sollte es gehen!“, erwiderte Silke. „O. k., lass es uns so machen. Wir beginnen, du schaust dir das alles an und wenn du bereit bist, nicke mir kurz zu. Wenn ich zurücknicke, hast du grünes Licht!“, lautete mein Angebot. „Toll, so machen wir das“, sagte Silke froh gestimmt. Der Moment kam. Silke nickte mir kurz zu, ich nickte zurück und es wurde still im Raum. Silke zog ihre Handschuhe aus, begab sich vor die Scherben, konzentrierte sich und ging ganz langsam mit dem Körper nach oben. Ein wunderschönes Bild. Sie stand vollkommen ruhig auf ihren Händen vor den Scherben, eine Art harmonischer Handstand. Dann ging sie selbstverständlich, ruhig und stilvoll über die Scherben. Wunderbar! Genauso meisterte sie einen Feuerlauf über 10 Meter! Auf den Händen! Keine Ausreden! Kein Jammern! Sondern Freude, Mut, Vertrauen, Hingabe und vor allem eine tiefe präsente Liebe, bei allem, was sie angeht und in Gang bringt. Das ist es, was ich von Silke lernen durfte.

Ich wünsche dir viel Freude mit Silkes Buch.

Höre hin beim Lesen, lass deine Seele vortreten, denn diese bekommt eine wichtige Botschaft.

Dieter M. Hörner,

Rosenheim im Juni 2016

www.positiv-factory.com

Voller Freude soll dein Herz beim Lesen singen,

während sanft die Worte in dir klingen.

Mut soll dich berühren,

in die Weiten deines Geistes führen.

Mögen die Worte dich erinnern,

an die lodernde Kraft in deinem Innern.


WAS BRAUCHT ES WIRKLICH, UM GLÜCKLICH ZU SEIN?

Der Selbsthilfemarkt boomt und Psychotherapeuten haben Hochkonjunktur. Die Komplexität der Anforderungen unserer sich immer schneller drehenden Welt steigt beständig. Die Vielfalt an Informationen, die tagtäglich auf uns einströmt, trägt zur Verunsicherung vieler Menschen bei, statt Orientierung zu bieten. Sie verlieren sich auf der Suche nach Orientierung und Stabilisierung im Leben. Und obwohl wir so viel Freiheit wie niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte haben, fühlen wir uns oft unfrei. Die Ratgeber für ein Leben in Glück überschlagen sich mit Tipps – und doch sind viele unglücklich.

Was braucht es wirklich, um auch in den Stürmen des Lebens sagen zu können: „Ja, das Leben ist schön. Das Leben ist ein Wunder. Ich bin glücklich.“

Was es aus meiner Erfahrung braucht, ist als Erstes eine Rückbesinnung auf Wesentliches: auf die Dinge, die stets in unserem Leben zu finden sind und denen viele Menschen zu wenig oder gar keine Beachtung mehr schenken; die Qualitäten, die ein glückliches Leben ermöglichen – und dies unabhängig von äußeren Umständen und Gegebenheiten. Vollkommen gleichgültig, an welchem Punkt in deinem Leben du dich im Moment befindest: Du kannst jetzt und hier die Wahl treffen, dein Leben in Richtung Glück zu wenden. Ich sage nicht, dass dies immer leicht sein wird, doch es ist möglich. So wie viele Menschen das Unglücklichsein erlernt haben, so kann auch das Glücklichsein wieder erlernt werden. Anstatt darauf zu warten, dass andere Menschen oder Ereignisse dich glücklich machen, nimm das Zepter selbst in die Hand.

In diesem Buch lade ich dich von Herzen ein, mich beim Packen meines ganz besonderen Koffers zu begleiten. Begib dich mit mir auf eine Lese- und Erfahrungsreise, bereichert mit Beispielen und Episoden aus meinen Leben und der Möglichkeit, deinen ganz persönlichen Koffer voller Glück zu packen.

Dein Koffer voller Glück ist der Nährboden deiner Vision eines erfüllten und glücklichen Lebens. Es ist Zeit, sie auf die Erde zu bringen.

Übrigens:

Wie bereits in meinem ersten Buch „Mein Weg in die Freiheit“, in dem ich meinen ganz persönlichen Weg mit dir teile, erlaube ich mir auch in diesem Buch, dich in tiefer Achtung vor dir und deinem Leben mit einem respektvollen „Du“ anzusprechen.

EIN GANZ BESONDERER KOFFER

Da stand ich nun. Bereit, meinen Lebenstraum zu leben. Bereit für ein Leben, welches meine kühnsten Träume übertraf. Mein Koffer stand in erwartungsvoller Vorfreude bereit und wartete darauf, gepackt zu werden. Entgegen früherer Reisen packte ich dieses Mal nur die wirklich wesentlichen Dinge ein. Früher konnte ich ihn fast nicht tragen, so schwer war er. Angefüllt mit schmerzhaften Erinnerungen und fremdem Ballast. Doch heute – heute packe ich nur ein, was es mir ermöglicht, meinen Lebenstraum zu leben und mit Begeisterung in die Zukunft zu gehen. Mein Koffer trägt sich leicht, schwingt erwartungsvoll hin und her, ganz so, als ob er es nicht erwarten könnte, sich wieder auf die Reise zu begeben. Zugegeben: Er sieht ein wenig mitgenommen aus. Ein paar Schrammen dort, ein paar Dellen hier, Einkerbungen, die von tiefen, geheilten Wunden zeugen, Risse, die genäht wurden. Es gibt sicher weitaus schönere Koffer. Glänzend, edel und praktisch. Ohne Kratzer und Schrammen … perfekte Koffer. Doch dies hier ist meiner – und er ist perfekt für mich. Ich liebe jede Schramme, jede Delle, jeden Kratzer an ihm. Mein Koffer erzählt eine Geschichte. Unsere Geschichte. Unsere gemeinsame Reise ins Glück. Er ist mein Glückskoffer und darauf ist er mächtig stolz. Er hütet unsere Schätze und jeder Mensch, der ihm begegnet, sieht und spürt sein Strahlen durch die Oberfläche. Es ist ein ganz besonderer Koffer.

Bevor ich zu packen begann, nahm ich mir Zeit, meine Glücksschätze noch einmal etwas genauer zu betrachten. Wollte ich doch wirklich nur die für mich wesentlichen Dinge für unsere weitere Reise einpacken. Ich überlegte reiflich. Was brauche ich wirklich? Was hat mir auf meinem Weg ins Glück wirklich gedient? Was waren die wesentlichen Elemente, die mich durch die schmerzhaften Zeiten, die Verluste, die Ängste und Zweifel getragen haben? Welche Schätze habe ich geborgen?

Nach reiflicher Überlegung wanderte ein altbekannter, doch oft vergessener Schatz in meinen Glückskoffer.

DANKBARKEIT

Dankbar zu sein ist eine Fähigkeit, die viele Menschen aus dem Blick verloren haben. Dankbarkeit wird oft erwartet, doch selten selbst gelebt. Vieles wird als selbstverständlich erachtet, obwohl nichts selbstverständlich ist. Für mich persönlich gibt es heute keine Situation, kein Ereignis, keine Erfahrung, keine Begegnung, für die ich nicht auch Dankbarkeit empfinde, deren Wert ich nicht erkenne. Mögen manche Verhaltensweisen von Menschen oder bestimmte Ereignisse im ersten Moment auch Schrecken, Ärger oder Angst hervorrufen: Stets halten sie ein Geschenk für mich bereit, wenn ich mich auf ihre Lehren einlasse.

Die Bedeutung von Dankbarkeit hat sich im Laufe der Jahre für mich gewandelt. Wie den meisten Menschen wurde mir als Kind beigebracht „Danke“ zu sagen. Es war eine Form der Höflichkeit und zeugte von gutem Benehmen. Ob ich als Kind bereits Dankbarkeit empfunden habe, kann ich nicht sagen – bewusst sicher nicht. Woran ich mich erinnere, das ist die Freude, die ich empfünden habe. Das Empfinden von Dankbarkeit entwickelte sich in mir erst nach meinem Unfall. Auf jeden Fall ist das der Zeitpunkt, an den ich mich bewusst erinnern kann.

Gott sei Dank: Mir fehlen nur die Beine

Als ich nach den Krankenhausaufenthalten, die aufgrund der Amputation meiner Beine notwendig waren, wieder zu Hause war (Anmerkung: Im Alter von acht Jahren wurden Silke, nach einem Unfall, beide Beine zur Erhaltung ihres Lebens amputiert. Alle Informationen dazu finden sich in ihrem ersten Buch: „Mein Weg in die Freiheit“) und ich mir meine Bewegungsfreiheit zurückerobert hatte, besuchte ich hin und wieder einen Jungen in unserer Nachbarschaft, der sein Augenlicht verloren hatte. Wir spielten miteinander oder gingen gemeinsam mit seiner Mutter spazieren.

Jedes Mal, wenn ich mich auf den Heimweg machte, dachte ich: „Gott sei Dank fehlen mir nur die Beine.“ Die Welt nicht sehen zu können, war für mich unvorstellbar und weitaus schlimmer, als das, was ich erlebt hatte.

Und da waren sie, die ersten inneren Worte, die einem Gefühl von Dankbarkeit in mir entsprangen.

Von da an begleitete mich Dankbarkeit in erster Linie im Kontext der „Behinderung“.

Wenn ich andere Rollstuhlfahrer sah, deren Körper noch vollständig, doch nicht mehr ganz funktionsfähig waren, empfand ich tiefe Dankbarkeit – Dankbarkeit darüber, dass ich mich auf meinen Händen fortbewegen konnte, dass ich bei Hindernissen einfach meinen Rollstuhl verlassen und ihn eigenhändig darüber hinwegziehen konnte sowie auch darüber, nicht auf rollstuhlgerechte, sanitäre Anlagen angewiesen zu sein. Sicher, oft ist das Wort „Sauberkeit“ für die Toiletten, die ich aufsuche, ein Fremdwort, doch es war und ist mir möglich, sie selbstständig zu nutzen. Weder Stufen vor Geschäften noch in Gebäuden ohne Aufzug nahm ich als Hindernis wahr. Ich ließ meinen Rollstuhl vor der Tür stehen und ging auf Händen weiter. Wurde auf Barrierefreiheit geachtet, habe ich das als Kind kaum wahrgenommen. In jungen Jahren war es für mich sehr wichtig, mich selbstständig fortbewegen zu können und nicht auf die Hilfe von anderen angewiesen zu sein. Heute genieße ich Barrierefreiheit oder die Unterstützung in Form des Mobilitätsservice, der an Flughäfen und Bahnhöfen angeboten wird. Auch Hotels und Veranstaltungsorte mit einem gewissen Rollstuhlkomfort mag ich sehr. Doch letztendlich sind beide Varianten für mich möglich und wenn ich spontan etwas unternehme, achte ich weniger auf solche Dinge. Gibt es doch einmal eine Situation, zum Beispiel mehrere Treppen, bei denen ich meinen Rollstuhl nicht alleine hochziehen kann, frage ich Menschen, die an mir vorbeigehen, ob sie mir mit dem Rollstuhl helfen können. Dass ich heute nach Hilfe fragen kann, darüber bin ich sehr dankbar. Auch, wenn ich es nach wie vor vorziehe, viele Dinge selbstständig zu handhaben. Also bin ich im Bereich körperlicher Mobilität aus zwei Gründen dankbar: zum einen, weil Hindernisse in dem Sinne für mich nicht existieren, und zum anderen, weil es so tolle Dinge wie Mobilitätsservice und Barrierefreiheit gibt.

 

In den ersten Jahren nach dem Unfall war ich häufiger Gast bei Ärzten und in Krankenhäusern. Ob es Druckstellen waren, die behandelt werden mussten, die routinemäßige Untersuchung des Urins mittels Katheder, Nierensteine, die durch eine Operation entfernt wurden, oder Zahnarztbesuche: Die Gründe waren vielfältig und selbst wenn ich die Untersuchungen und Behandlungen als schmerzhaft empfand, war ich im selben Moment dankbar, dass mir geholfen wurde. Das kennst du vielleicht auch. Wenn körperliche Schmerzen so stark werden, wird es gleichgültig, was sie mit dir anstellen. Du willst nur noch, dass dir geholfen wird, und bist dankbar für jede Art der Schmerzlinderung.

Auch meine Experimentierfreudigkeit sorgte dafür, dass mich die medizinischen Fachkräfte nicht vergaßen – beispielsweise als ich mir beim Rodeln auf einer Plastiktüte die Zunge durchbiss oder als ich beim Reiten vom Pferd fiel. Obwohl ich oft Angst hatte, empfand ich stets Dankbarkeit für die rasche und unproblematische Hilfe.

Was das Aussehen meines Vorderbeckens betraf, lautete ein Standardsatz, den ich zu Ärzten sagte, wenn sie mich das erste Mal zu Gesicht bekamen und mit entsetztem Gesichtsausdruck fragten: „Wer hat Sie denn so zusammengeflickt?“: „Das sieht vielleicht nicht sonderlich schön aus, doch ich bin sehr dankbar, dass mir durch das Zusammenflicken das Leben geschenkt worden ist.“ Danach waren sie meist erst einmal still.

Dankbarkeit wandelt Asche zu Gold

Trotz aller familiärer Wirrungen empfinde ich stets eine tiefe Dankbarkeit gegenüber meiner Familie. Aus meiner Sicht habe ich eine freie und glückliche Kindheit erlebt. Meine Familie hat dazu beigetragen, dass mein Leben nach dem Unfall für mich weiterging wie davor.

Ob es meine Großeltern, die Familie meines Cousins väterlicherseits, meine Schwester oder ganz besonders meine Eltern waren: Ein jeder hat mich auf seine Art und Weise unterstützt und sich niemals anmerken lassen, wie sehr die Situation ihn gefordert hat. Stets haben alle dafür gesorgt, dass für mich kein Unterschied zu der Zeit vor dem Unfall bemerkbar war. Sicher trug auch die rasche Wiedererlangung meiner Selbstständigkeit dazu bei, doch hätten sie alle auch ganz anders handeln können. Sie hätten sich zu einer Helikopterfamilie entwickeln können – zu einer Familie, die stets wachsam und besorgt um mich herumkreist, mich behütet und beschützt, eine überfürsorgliche Familie. Das wäre meiner Entwicklung sicher nicht zuträglich gewesen. Mir all die Freiheit und das Vertrauen zu schenken, war sicher oft nicht einfach und manchmal frage ich mich heute noch, wie sie das gemeistert haben.

So empfinde ich Dankbarkeit gegenüber meiner Mutter, auch wenn sie ihr Heil im Alkohol suchte und oftmals ihren Schmerz und ihre Verzweiflung über uns entlud. In manchen dieser dunklen Momente mit meiner Mutter verlor ich den Blick für all das Gute, welches sie auch zu geben hatte, doch niemals das Bewusstsein über die schönen, gemeinsamen Augenblicke und Erlebnisse in meiner Kindheit sowie darüber, wie sehr sie mich in der Zeit nach dem Unfall umsorgt, behütet und gefördert hat.

Oder mein Vater. Stets war er für mich und meine Schwester da. Niemals kam auch nur ein Wort des Vorwurfs über seine Lippen, auch wenn unser Verhalten dies durchaus gerechtfertigt hätte. Selbst in den turbulentesten Zeiten hatte er ein Ohr für uns und blieb geduldig. Ich hätte mir keinen besseren Vater wünschen können.

Und meine Kinder, Sammy und Pascal. Wie soll ich diese unendliche Dankbarkeit in mir beschreiben? Ist das überhaupt in Worte zu fassen? Es ist nicht so, dass ich jeden Augenblick mit ihnen diese Dankbarkeit empfand. In manchen Momenten hätte ich sie auch gerne wieder zurückgeschickt und auch sie hätten mich gerne eingetauscht. Doch wenn ich heute zurückblicke, ist einfach nur Dankbarkeit in mir – und Liebe. Liebe, die so grenzenlos, weit und tief ist, dass es fast schmerzt, sie zu spüren. Gebe ich mich vollends hinein in diese Dankbarkeit und Liebe, erwacht Demut. Wer bin ich, dieses Mysterium mit dem Verstand erfassen zu wollen? Zu versuchen, ihm einen Namen zu geben? Empfinde, sei still und stirb. Sterben in dem Sinne, dass alle persönlichen Belange schwinden – und nur Liebe bleibt. Unbestechlich und frei.

Auch gegenüber all meinen Partnern, die mich über gewisse Zeitspannen begleitet haben, empfinde ich große Dankbarkeit. Da ist zum Beispiel die wild-verrückte Ehe mit Sammys Vater, die mir als Geschenk Sammy überreichte, oder Pascals Vater, der bis heute ein treuer und warmherziger Freund in meinem Leben ist, und Joe, mein jetziger Ehemann. Die Freiheit, die ich in dieser Beziehung erleben darf, dieses Gefühl von „Angekommen“ in seinen Armen, die Offenheit und immer wieder auch die heißen Zeiten, die uns tiefer erkennen lassen. Ich liebe und ich bin dankbar, dass ich fähig bin, so zu lieben und dieser Liebe Ausdruck zu verleihen.

Selbst in der für mich schmerzhaftesten Zeit, in der ich keinen Sinn mehr sah und überlegte, ob ich weiterleben will oder nicht, war Dankbarkeit im Raum. Doch in diesen Zeiten glich dies eher einem Wissen um Dankbarkeit. Ich wusste, dass ich für viele Dinge dankbar sein kann – doch ich empfand keine Dankbarkeit. Außer Leere spürte ich in dieser Zeit nichts. Es ist wichtig, diesen Unterschied zu bemerken. Erst Dankbarkeit zu empfinden, bewirkt wirklich einen Unterschied.

Der Tod meiner Schwester und weiterer mir sehr nahestehender Menschen in den letzten Jahren hat meiner Dankbarkeit eine Tiefe verliehen, für die ich sehr dankbar bin. Vor diesen Begegnungen mit dem Tod war Dankarbeit in mir vorhanden, doch viele Dinge hielt ich für selbstverständlich. Diese Begegnungen, das Erleben der Verluste, der Hilflosigkeit und Verzweiflung, das Wieder-Auftauchen aus einem Meer an Schmerz, Angst, Wut und Trauer zeigten mir sehr deutlich, dass nichts selbstverständlich ist. Wie oft bemerken wir erst, wenn wir etwas verlieren, welch ein Geschenk und Schatz dies doch war und wie dankbar wir hätten sein können.

Nachdem mein Neffe 2009 mit seinem Quad tödlich verunglückte, war ich erfüllt von Trauer – und ich war dankbar. Dankbar für die gemeinsam erlebten Momente. Zwar verstand ich nicht, wieso auch mein Neffe so jung sterben musste, hatte er doch sein Leben noch vor sich. Er hatte so viele Träume, war trotz des frühen Verlustes seiner Mutter ein junger Mann, der vor Lebenslust und Freude nur so strahlte – gesegnet mit einer Offenheit und Integrität, die ihm die Herzen zufliegen ließ. Er war immer offen für ein Abenteuer, immer lachend und humorvoll, stets bereit, für andere einzustehen. Doch dass die Frage nach dem „Warum und Wieso“ sich mir nicht erschließen würde, wusste ich mittlerweile aus Erfahrung. Auf diese Ereignisse gibt es für mich keine, meinen Verstand befriedigende Antwort. Was es mir ermöglicht, mit dem Verlust umzugehen, ohne in Verzweiflung, Wut und Ohnmacht stecken zu bleiben, ist die Erkenntnis, dass jegliches Hadern, das Suchen nach Verantwortlichen, die Überlegungen, die mit dem Wörtchen „wenn“ beginnen, übertriebene Aktivität, die Flucht in Arbeit und Wut, nur vom Schmerz ablenken, ihn überlagern, doch niemals heilen werden. Wenn die erste Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens abgelöst wird durch die schlagartige Erkenntnis dessen, was nicht mehr änderbar ist, dann trifft uns der Schmerz mit voller Wucht mitten ins Herz – und das tut so verdammt weh. Da gibt es nichts schönzureden. Es ist ein Schmerz, der uns zu zerreißen droht.

Es ist ein natürlicher Schmerz. Ein Schmerz, der sich nur dann zeigt, wenn wir etwas für uns sehr Wertvolles verlieren. Dass mir der Verlust eines Menschen so tiefen Schmerz zufügt, ist für mich ein Grund, dankbar zu sein. Diese Art Schmerz kann ich nur empfinden, wenn ich berührbar bin, wenn mir dieser Mensch sehr viel bedeutet, wenn eine enge Verbundenheit besteht, die aus meiner Erfahrung auch nicht verschwindet. Sie drückt sich nur anders aus.

Noch heute, nach über zwanzig Jahren, fühle ich mich meiner Schwester genauso verbunden wie damals. Eigentlich noch stärker. Sie begleitet mich oft. Wenn ein Lied gespielt wird, welches eine gemeinsame Erinnerung hervorruft, fließen auch heute noch Tränen. Es sind Tränen der Verbundenheit und der Dankbarkeit. Oft sehe ich meine Schwester, ihren Sohn, meine Freundinnen, meine Mutter und meine Großeltern gemeinsam als Bild vor mir. Sehe, wie sie mich begleiten, wie sie über mich schmunzeln oder mir beistehen. Oft lachen sie laut. All das ersetzt natürlich nicht den realen Kontakt, doch zeigt es mir, dass Verbundenheit nicht mit dem Tod endet. Und dafür bin ich sehr dankbar.

Bekommen wir die Möglichkeit geschenkt, einen Menschen in seinen letzten Tagen und Stunden begleiten zu dürfen, ist dies ein Geschenk – sofern wir in der Lage sind, es als solches zu erkennen.

Auf diese Nähe mit anderen Menschen konnte ich mich erst wieder einlassen, als ich erkannte, dass ein Leben im Schutze einer hohen Mauer keine Erfüllung birgt. Durch die zeitnahen Verluste geliebter Menschen hatte ich eine hohe Mauer um mein Innerstes erbaut, die mich vor weiteren Verlusten schützen sollte. Auf diese Weise, so dachte ich zumindest, würden zukünftige Verluste, die unweigerlich kommen würden, niemals mehr diesen Schmerz auslösen – und sie erfüllte tatsächlich eine Zeit lang ihren Zweck. Ich ließ niemanden wirklich nah an mich heran und so berührte mich auch nicht mehr viel. Erst als ein erneuter Verlust die Mauer zum Fallen brachte, hatte ich die Wahl, nun vollkommen zu versteinern oder mich endlich auf diesen Schmerz, die Wut und die Trauer einzulassen. Ich ließ mich ein, gab meinen Kampf auf und erkannte, wie wertvoll und kostbar das Leben ist. Mir selbst wieder nah zu sein sowie die Nähe zu anderen Menschen zu erlauben, bedurfte einer gehörigen Portion Mut meinerseits. Im Kapitel „Mut“ beleuchte ich dieses Thema näher.

Heute bin ich zutiefst dankbar für die Menschen, die mich auf meinen Wegen begleiten. Menschen, die mir ihr Vertrauen schenken, mich unterstützen, mir ihr Ohr leihen oder mich sanft in den Hintern treten. Jeder, auf seine einzigartige Art und Weise, ist ein Geschenk für mich: ob wir gemeinsam lachen oder weinen, uns umarmen oder zweifeln, ob wir leise oder laut sind, uns zurückziehen oder feiern. Niemals sehe ich ihre Anwesenheit in meinem Leben als selbstverständlich an.

Die Macht von Vergleichen

Ein sonniger Tag in der wunderschönen Stadt Heidelberg. Ich saß auf der Mauer eines Brunnens, meinen Rollstuhl seitlich von mir positioniert. Vor mir am Boden ein Plakat mit der Frage: „Wenn du glaubst, das Leben ist ungerecht, womit vergleichst du es dann?“ Davor eine kleine Schachtel, die Steinherzen enthielt. Mein Mann Joe stellte sich etwas abseits mit einer Kamera in Position. Nun saß ich dort am Brunnenrand und ließ mich anschauen. Mich so bewusst den Blicken fremder Menschen auszusetzen, ohne mich in irgendeiner Form abzulenken, war ungewohnt, sodass ich zu Beginn innerlich angespannt war. Doch nach den ersten, endlos scheinenden Minuten entspannte ich mich immer mehr. Ich begann die vorbeigehenden, oder besser vorbeihetzenden Menschen anzuschauen, ohne dass ein Wort über meine Lippen kam. Ich sah, wie Blicke auf das Plakat fielen, und bemerkte die Irritation. Nach den ersten fünfzehn Minuten, die ich ziemlich verloren dort herumsaß, stoppten die ersten Menschen, um mit mir zu sprechen oder um mir eine Umarmung zu schenken. Einige bedankten sich und legten Geld in die Schachtel mit den Steinherzen. Insbesondere das Verhalten zweier Männer berührte mich sehr. Ein Mann ging, in Gedanken versunken und ohne mich wahrzunehmen, auf den Brunnen zu. An der einen Hand hielt er ein kleines Mädchen, mit der anderen Hand schob er einen Kinderwagen, in dem ein Baby lag. Kurz vor dem Brunnen hob er seinen Blick. Traurige Augen schauten mich an. Sein Blick wanderte nach unten. Er las den Text auf dem Plakat, sah mich wieder an und sagte: „Sie haben so was von recht! Mir geht es doch wirklich gut. Ich habe zwei gesunde, muntere Kinder und eine Frau, die ich liebe. Wo schaue ich nur hin?“ Er kramte in seiner Tasche, legte ein paar Münzen in die Schachtel und ging nachdenklich weiter.

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