Das Anbetungs-ABC für die Familie

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Erster Abend

Nun kam unsere erste Familien-Andacht. Ich muss heute noch an die Aufregung denken. Es ging mir so, als müsste ich ein Familienseminar mit mehreren Teilnehmern halten und nicht einen einfachen Familien-Abend mit meinen Lieben verbringen. Ich hatte auf dem Tisch meinen Laptop mit der vorbereiteten Playlist aufgebaut. Wir sangen ein Lied. Dann noch eins und danach das dritte. Das ging flott.

„Ich möchte noch ein Lied singen!“, bat mein Töchterchen.

„Das nächste Mal“, vertröstete ich sie, denn ich war in dem Moment sehr darauf bedacht, das geplante und vorbereitete Programm durchzuziehen. Es schien mir, dass jede Abweichung das Ganze ins Wanken bringen würde. Es mussten Monate vergehen, bis ich gelernt hatte, unsere Anbetungsabende gelassener und freudiger zu leiten.

Ich las anschließend einen Bibeltext, über den wir uns gemeinsam austauschten. Der Abschnitt war aus den Sprüchen Salomos und betraf gute und schlechte Worte. Ich stellte Fragen an meine Frau und Tochter und es entstand eine lebhafte Diskussion.

„Nun, wofür könnten wir jetzt beten?“, fragte ich meine „Familien-Schäfchen“.

Zwei wunderschöne Augenpaare sahen mich aufmerksam an. Wir legten uns einige Gebetsanliegen zurecht und begannen zu beten. So verlief der erste Abend.

Vor dem Schlafengehen fragte ich meine Frau, was sie von unserer ersten Familienandacht hielt. Sie war damit zufrieden und das bedeutete sehr viel für mich. Es gab mir das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.

Der nächste Mittwoch kam. Wieder gab es einige Lieder mit YouTube-Fonogramm, es kam diesmal eine 20-minütige Sendung „Ella’s Hof“. Diese Sendungen sind sehr dynamisch und auf Kinder abgestimmt, die dem Alter meiner Tochter entsprechen – kein Wunder, dass diese ihr gefallen hatte!4

Als die Sendung zu Ende war, lasen wir wieder einen Bibelabschnitt, der den Inhalt der Sendung untermauerte. Das gemeinsame Gebet krönte den Abend.

Die Falle der Eintönigkeit

In einer Woche saßen wir wieder an unserem Küchentisch. Es gab wieder Gesang mit Hilfe von YouTube, eine Geschichte aus der Bibel und ein abschließendes Gebet. So verlief ein Mittwochabend nach dem anderen, bis ich merkte, dass die Andachten sich immer wieder wiederholten und kaum eine Entwicklung zu erkennen war. Die gemeinsame Zeit wurde vorhersagbar, denn die Frische schien durch Tradition mit einem langen grauen Bart ersetzt zu werden! Irgendetwas zwang mich, die Form unserer Abende zu verändern, ohne den Inhalt und den Sinn der Andachten – Gott gemeinsam zu loben – aufzugeben. Aber was kann man da im Familien-Rahmen groß tun? Ich war gefordert, aber durch die Gnade Gottes ließ die Antwort nicht lange auf sich warten. Sie begann mit meiner Frau.

„Kommt es dir auch so vor, als ob die Abende sich voneinander kaum unterscheiden?“

„Ja, scheint so“, antwortete ich.

„Ich habe einen Vorschlag“, meinte sie. „Könnten wir nicht den ‘Leiter’ austauschen und die Andachten abwechselnd gestalten?! Du könntest es in Form von ‘Versammlung’ gestalten (sie hatte den ‘wunden Punkt’ genau getroffen, denn ich hielt die Familienandachten wie einen Gottesdienst in der Gemeinde). Ich könnte ja nächsten Mittwoch mal was Anderes probieren. Vielleicht sollten wir gemeinsam kochen?! Danach könnten wir die Planung auch mal unserer Tochter überlassen, denn sie hat bestimmt auch Ideen und das Zeug dazu, so einen Abend zu gestalten?!“

Dieses Gespräch hat mich zunächst begeistert – das wäre doch eine gute Lösung gegen die Eintönigkeit!

„Das gefällt mir! Das machen wir! Wenn wir eine Rotation der Ideenlieferanten einführen, dann kehrt wieder eine gewisse Frische in unsere Anbetungszeiten ein.“

Eine Lösung wurde zwar gefunden, doch eine Kleinigkeit gab mir keine Ruhe.

“Gemeinsam kochen klingt zwar gut, aber ist … irgendwie … nicht ‘geistlich’ genug. Wie sollen wir denn beim Kochen bitte eine geistliche Gemeinschaft pflegen?! Nach einer Andacht sieht es gar nicht aus …“ – so dachte ich mir. Zu dem Zeitpunkt lagen die Begrifflichkeiten „Essen“ und „Anbetung Gottes“ in meinem Denken auf verschiedenen Ebenen. Jedes Mal, wenn ich versuchte, die Gedanken über Essen und Gott zu vereinen, kam ich zum Ergebnis, dass das Heilige mit dem Vergänglichen nicht zu vermischen sei. Deswegen rief der Vorschlag meiner Frau, die Andacht mit einem gemeinsamen Kochen zu gestalten, in mir eine gewisse Spannung hervor.

„Entschieden ist entschieden. Wir schauen mal“, redete ich mir ein.

Vielleicht habt ihr ein ähnliches Problem, „Essen“ und „Anbetung“ irgendwie zusammen zu bringen, das anhand der Bibel angegangen werden müsste?! Dann lest mal das Kapitel „Wie man vor dem Essen betet oder „warum ich nicht mehr Vater, segne diese Speise bete“, das als Anhang angefügt ist.

Gemeinsam kochen

Der Abend, den meine Frau vorbereiten sollte, rückte heran. Ich merkte es schon, als ich mich unserem Haus näherte. Der Luftabzug aus unserer Küche führt direkt zur Eingangstür hinaus. Oh, war das ein herrlicher Duft! Der Abend war etwas Besonderes! Wir hatten Pizza gemacht. Die Böden waren schon fertig und die restlichen Zutaten kreierte und belegte jeder für sich selbst. Die Zubereitung setzte sich in einer fröhlichen Gemeinschaft am Tisch weiter fort. Die ersten zwanzig Minuten ließ mich ein aufdringlicher Gedanke nicht in Ruhe, wann der günstige Moment für eine Kurzpredigt da sei. Heute weiß ich, dass es nicht unbedingt zur „Geistlichkeit“ des Abends beigetragen hätte. Ich musste lernen, sehr praktisch ein Prinzip zu beherzigen, das wir im Korintherbrief finden:

„Ob ihr nun esst oder trinkt … - tut alles zur Ehre Gottes!“ (1. Korinther 10,31, Schlachter 2000)

Gottesdienste besuchen, beten und Familienandachten leiten „zur Ehre Gottes“ konnte ich ja bereits, aber nicht essen. Mit Gottes Gnade und mit der Zeit habe ich es aber gelernt. Und wenn wir uns heute an den Esstisch hinsetzen und uns an den Händen fassen, dann sage ich meist:

„Verherrliche du dich, Herr, der du uns dieses Essen schenkst! Wir beten dich an, unser fürsorglicher Vater! Amen.“5

Beim Essen unserer leckeren Pizza erlebten wir dann eine besonders schöne und segensreiche Zeit. In unseren Köpfen sind inzwischen Essen und Anbetung Gottes nicht mehr zwei verschiedene Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Jetzt ist etwas zusammengewachsen, was vom Schöpfer ursprünglich so gedacht war. Und es ist schön, in dieser Weise als ganze Familie im Angesicht des heiligen Gottes mit dankbarem Herzen das zu genießen, was er uns großzügig geschenkt hat.

Er ist es doch, der dem Obst und Gemüse diese einzigartigen Aromen und Geschmacksrichtungen gegeben hat! Hier am Familientisch schließt sich der Kreislauf der Herrlichkeit Gottes, indem wir ihm die Ehre bringen!

Es sind nun bereits vier Jahre vergangen und ich bin noch immer sehr davon angetan, wenn meine Frau die Familienandachten leitet. Die „kulinarische Herangehensweise“ ist nicht die Einzige aus ihrem Arsenal. Wir essen nicht nur „zur Ehre Gottes“, sondern basteln auch hin und wieder gemeinsam. Wir lernen dabei auch den weiteren Teil des oben aufgeführten Prinzips aus dem 1. Korintherbrief zu verinnerlichen:

„Ob ihr nun esst oder trinkt … oder sonst etwas tut … - tut alles zur Ehre Gottes!“ (1. Korinther 10,31, Schlachter 2000)

An dem Abend hatten wir die Pizza mit Freude zubereitet und mit Freude vertilgt. Noch am Tisch sitzend, sagte ich zu meiner Tochter:

„So, Töchterchen, am nächsten Mittwoch bist du mit der Familienandacht dran. Braucht du Hilfe?“

Ihre Augen strahlten. Sie stammelte:

„Kann ich den Abend so gestalten, wie ich es mir wünsche?“

„Ja“, sicherte ich ihr zu.

„Und ihr werdet auch die Spiele spielen, die ich vorbereiten werde?“

„Ja-a-ah...“, ich war mir nicht mehr so ganz sicher.

Aber, wie ihr schon gemerkt habt, hat das Bröckeln meiner alten Vorstellungen über die Anbetungsformen in dem Moment angesetzt, als wir das Essen als Anbetung Gottes erlebt hatten. Nun kämen noch „Spielchen“ dazu!

In mir wachte wieder die Stimme der Tradition auf, aber der Würfel war gefallen und wenn wir uns schon beim Leiten der Familienandachten abwechselten, dann sollten wir nun dabei bleiben. Soll sie doch machen und wenn es Spiele sind, dann werden wir halt spielen, dachte ich. Unsere Tochter rechtzeitig von ihrem Einsatz zu unterrichten, war eine gute Entscheidung – sie hatte eine ganze Woche Zeit zu überlegen und kam gelegentlich zu mir mit ihren Ideen. Wir wählten einige Spiele aus dem Buch „Spiele für Jugend-Gemeinschaften“.6 Der endgültige Plan stand am Mittwoch fest.

Familien-Andacht nach Kinderart

Nun war er da, der Mittwoch-Abend, für den unsere Tochter zuständig war. Sie bat uns ins Wohnzimmer und begann:

„Als Erstes beginnen wir mit Staffelspielen.“

Wir nahmen die Herausforderung an, indem wir einen Ball in eine leere Spielzeugkiste werfen mussten und dafür Punkte bekamen.

„Jetzt kommen Rätsel!“

Auch hier fanden wir die Lösungen, eine nach der anderen.

Der Abend, der mit einem Film abgerundet wurde, war für uns eine neue Erfahrung. Übrigens, was die Filme betrifft: Eine eingehende und anschließende Besprechung der Filme erhöht den Nutzen um Einiges. Eine Diskussion im Anschluss an den Filme-Abend hilft, uns gegenseitig auf zahlreiche Einzelheiten hinzuweisen, die jeder für sich ohne Gespräch vielleicht übersehen hätte. In unserem Fall war es so. Wir sahen den Film an, erzählten, was uns gefallen hat, und schlossen den Abend mit einem Gebet füreinander ab. Der rote Teppich unseres Wohnzimmers ist der Ort unserer gemeinsamen Gebete – ob wir ein kurzes Bibel-Studium, ein Staffel-Spiel oder einen Film-Abend haben. So war es auch an dem Abend. Wir trugen unsere Sorgen zusammen und beteten.

 

Die Vielfalt der Abschluss-Gebete

Das gemeinsame Abschluss-Gebet ist ein besonderes Element unserer Familien-Andachten, weil wir dieses sehr kreativ angehen.

• Wir wählen manchmal eine Eigenschaft Gottes aus (z.B. aus der Bibelarbeit vorher oder aus dem Film). Dann sagen wir dem Herrn im Gebet, wie sehr wir ihn für diese Eigenschaft schätzen und ihn dafür loben.

• Das andere Mal frage ich in die Runde: „Wofür seid ihr Gott in dieser Woche dankbar?“ Wir erinnern uns dann an Gottes Handeln in unser Leben und danken ihm dafür.

• Oder wir vertrauen uns gegenseitig unsere Sorgen und Nöte an und legen fest, wer für welches Anliegen betet. Denkt daran, auch ein fünfjähriges Kind hat Sorgen und die Eltern beten dafür! Im Gegenzug beten die Kinder dann auch gerne für die Nöte der Eltern.

Das Gebet schweißt zusammen. Meine Rolle als Mann, Vater und Priester in der Familie besteht darin, meinen Angehörigen zu helfen, die Beziehung zu Gott zu stabilisieren und auszubauen. Die Teilnahme der Kinder am gemeinsamen Gebet ist eine der Möglichkeiten dafür. Dabei zwingen wir unsere Kinder nicht dazu, unbedingt zu beten, sondern bieten es ihnen ganz natürlich an. Mit zwingen meine ich Phrasen wie „Und jetzt betet Anja“ oder „Jakob, bete du“. Meist fragen wir in die Runde: „So, Kinder, wer möchte beten?“. Es ist ein sehr sensibler, aber wesentlicher Aspekt, der eine persönliche Herzensentscheidung erfordert.

Familien-Andacht nach Erwachsenenart

Nun war der Jüngste mit der Gestaltung der Familien-Andacht an der Reihe. Seine Idee hat uns beide aus der Bahn geworfen:

„Heute ist der Familientag und wir gehen zu McDonald‘s!“

Es ist sehr einfach und genial, oder?! Er hat sich nicht mit allzu vielen Gedanken und Vorbereitungen geplagt. Die Idee kam ihm schon eine Woche zuvor, dabei war ihm auch glasklar, dass Papa diesen Abend finanziell sponsert. Ich muss zugeben, dass diese Entwicklung mich überglücklich gemacht hat, denn es galt eine weitere Voreingenommenheit zu verändern, die mit der Anbetung Gottes mit „BigMac und Coca-Cola“ zusammenhing – wie sollte denn das gehen? (Bitte legt das Buch jetzt nicht zur Seite, denn wir legen uns in den folgenden Kapiteln eine „Bibel-Brille“ an und versuchen, diese Erfahrung kritisch zu hinterfragen). Die friedliche Atmosphäre am Familien-Küchentisch ist ja eine Angelegenheit für sich, aber wie ist eine geistliche Gemeinschaft in einem öffentlichen Fastfood-Restaurant möglich?

Wir kamen also bei McDonald‘s an, gaben unsere Bestellung auf und suchten uns eine etwas ruhigere Ecke aus. Das war uns wichtig, denn es ging uns ja nicht nur um „ein Häppchen zu essen“. Wir wollten ja Gott anbeten und unseren Familienabend in einer geistlichen Atmosphäre verbringen. Das laute Treiben um uns herum hielt uns nicht davon ab, uns an den Händen zu fassen und zu Gott, unserem Schöpfer, zu beten.

„Gesegnet seist du, Herr, dass du uns die Finanzen und die Möglichkeit dazu gibst, hier zu essen. Amen!“

„Amen!“, bestätigten drei Stimmen.

Das Essen und die Gemeinschaft waren wunderbar!

Um im Geräusch-Pegel der Umgebung den Faden der Gemeinschaft mit Gott nicht zu verlieren, habe ich versucht, ein Thema über die menschliche Zunge einzubringen. Wir haben uns daran erinnert, was es für angeborene Vorlieben gibt, und das hat uns veranlasst, über unseren Schöpfer nachzudenken und ihn gemeinsam zu loben. Die Belehrung der Kinder bleibt letztendlich immer in der Verantwortung der Eltern. Die Bibel ist da absolut unmissverständlich – das sechste Kapitel des 5. Buches Mose kann man zu Recht als das Grundgesetz für Kindererziehung bezeichnen:

„Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen, und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst …” (5.Mose 6,6-7, Schlachter 2000).

Das Wort „einschärfen“ bedeutet in der Ursprungssprache unter anderem „immer wieder erinnern“. Die geistliche Erziehung ähnelt dem Anspitzen vom Bleistift, dessen Spitze immer wieder abstumpft. Wenn wir die biblische Wahrheit „du sollst nicht lügen“ gelernt haben, bedarf es einer ständigen Wiederholung und Einschärfung, damit die Wahrhaftigkeit zu einer Charaktereigenschaft und ihrem Wesen wird.

Der oben angeführte Text beinhaltet noch weitere wichtige Gebote für Eltern. Achtet mal auf …

• die Orte, an denen an Gott erinnert werden soll. „… in deinem Haus …“ – das ist der Ort, wo die „Masken fallen“. Zuhause sind wir so, wie wir wirklich sind. Allein das Vorbild der Eltern lehrt die Kinder bereits um Einiges mehr als ihre Worte. „ … auf dem Weg gehst …“ - das bedeutet, dass die Weisungen auch außerhalb unserer Häuser wichtig sind. Man könnte zusammenfassend sagen: „ … du sollst sie deinen Kindern (… überall …) einschärfen und immer wieder davon reden …“.

• die Zeiten, wann die Kinder an Gott erinnert werden. Die Worte „… wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst …” meinen wörtlich „am Tag und in der Nacht“, das heiß zusammengefasst, „erinnert die Kinder an Gott jederzeit“!

Die Belehrung von Kindern ist bei jeder Gelegenheit wichtig und ein Abendessen in einem lauten McDonald’s ist dabei keine Ausnahme.

Unsere McDonald’s-Besuche wiederholten sich noch einige Male, aber das waren nicht die einzigen Vorschläge unseres Sohnes. Einmal schlug er vor, die Tauben zu füttern. Dieser Einfall schien mir großartig! Wir hatten schon einige Male zuvor Tauben auf den Stadtplätzen gefüttert, so auch diesmal. Wir versorgten uns mit einigen Tüten Vogelfutter und gingen los. Als die ersten Körner auf den Asphalt fielen, kamen schnell immer mehr Vögel zu uns. Es ging immer so lange, solange noch Körner vorhanden waren, deswegen deckten wir uns mit ausreichend Großpackungen ein. Manchmal kamen die Tauben so nahe heran, dass sie die Körner sogar aus der Hand picken. Mir gefiel es zu beobachten, wenn sie meinen Sohn umkreisten und wie er stillhielt, um die Vögel nicht zu verscheuchen und nur behutsam kleine Portionen Vogelfutter in seiner Nähe verteilte. Es kamen mehr und mehr Tauben hinzu. Sie halten sich für gewöhnlich auf den Dächern der Hochhäuser auf, aber wenn sie eine aktive Bewegung von anderen Tauben wahrnehmen, dann sind sie schnell zur Stelle. Zuweilen kommen mehr als fünfzig Vögel zusammen.

An dem Tag, als wir die Tauben beobachteten, sprachen wir über die Gemeindestrukturen. Bei der Vogelfütterung und dem Aufbau einer neuen Gemeinde gibt es so viele Parallelen. Ich erzählte den Kindern, dass unsere „Bibel-Gemeinde in Irpin“ auch mit einer kleinen Gruppe von Menschen angefangen hat. Das Wort Gottes ist die geistliche Speise für die Seele und viele Menschen, die „nach Gott gehungert hatten“, erhielten dort ihre Speise, aber nicht nur für sich selbst, sondern sie luden auch ihre Freunde in die Gottesdienste ein. So wuchs die Gemeinde und vergrößert sich immer noch.7 Dort, auf dem Stadtplatz beim Tauben-Füttern unterhielten wir uns darüber, wie Gott seine Gemeinde aus wiedergeborenen Menschen baut. Wir gaben dann auch den dazu kommenden Tauben Namen und beobachteten ihr Verhalten.

„Sieh mal, was für eine Schüchterne“, meinte meine Tochter und zeigte auf einen Vogel, der die Körner am Rande aufsammelte, abseits der Anderen.

„Papa, guck – da ist eine lahme Taube!“ – bemerkte unser Sohn und deutete auf einen Vogel mit verletztem Fuß, der seine Körner mit Vorsicht pickte.

„In der Gemeinde gibt es auch solche Leute, die verletzt sind, aber durch die Gemeinschaft und das Wort Gottes bekommen sie Unterstützung und Heilung von ihren Wunden“, bemerkte ich, weil mir sofort ein junger Mann in den Sinn kam – Sascha – den Gott radikal verändert hatte. Sascha kam in das von der Gemeinde geführte Rehabilitationszentrum mit einer Kopfverletzung an. Ähnlich der Taube mit dem verletzten Fuß, suchte er Hilfe bei den Christen. Mit der Zeit verheilte seine Kopfwunde und er vertraute sich Jesus Christus an. Sascha kehrte später dann in sein Heimatdorf zurück und gestand dort, vor einiger Zeit in der Schule Computer aus der EDV-Klasse gestohlen zu haben. Er war bereit, den Schaden zu ersetzen oder durch Arbeit gutzumachen. Der Schulrektor vergab ihm jedoch den Diebstahl und war froh, wie Sascha sich zum Besseren verändert hatte. Er meinte: „Halte dich weiter an diesen wahren und richtigen Weg!“

Die Kinder folgten der Geschichte sehr aufmerksam und blickten immer wieder zur verletzten Taube hin. Wir haben uns alle über das veränderte Leben von Sascha gefreut.

Manchmal kommen zu den Tauben Spatzen hinzu, die in der Regel eine geschlossene Gruppe unter sich bilden. Die Tauben sind größer, beherrschen das Revier und überlassen den Spatzen nur Reste. Diese Beobachtung ließ Diskussionen über neue Menschen in der Gemeinde entflammen, wie diese Neulinge es nicht einfach haben, in der Gemeinde angenommen zu werden, vor allem dann, wenn die „Alteingesessenen“ sie ignorieren.

Wenn uns dann die Körner ausgehen, bleiben die Tauben noch kurz da, dann aber verlassen sie eine nach der anderen „die Gemeinschaft“. Ich kann mich daran erinnern, dass ich meinen Kindern sagte:

„Wenn in der Gemeinde die Predigt des lebendigen Wortes Gottes vernachlässigt wird und sich niemand mehr um die Menschen kümmert, werden diese die Gemeinde früher oder später verlassen. Gerade darum ist es wichtig, den Mitmenschen Achtung, Fürsorge und Liebe zu schenken, damit sie sich nicht zurückziehen und die Gemeinde verlassen.“

Auch später gingen wir ab und zu auf den Platz, um die Tauben zu füttern. Es hält die Kinder nicht nur dazu an, sich um die Schöpfung Gottes zu kümmern, sondern eröffnet uns durch verschiedene Beobachtungen die Möglichkeiten, über geistliche Wahrheiten zu sprechen.

Was denkt sich Gott wohl, wenn unsere Alltagsangelegenheiten eine geistliche Dimension gewinnen? Ich glaube, dass es Gott gefällt. Selbst Jesus hat seine Beobachtungen in Gleichnisse über das Reich Gottes mitgeteilt! Wenn sein Blick z.B. auf Lilien fiel, bekamen die Menschen Wahrheiten über die Fürsorge Gottes zu hören (seht dazu Matthäus-Evangelium 6,26-28). Ich bin mir sicher, dass der Heilige Geist den Eltern auch heute Weisheit schenkt, ihre verschiedenen Lebenssituationen für die Belehrung ihrer Kinder im Glauben zu nutzen.