Second Chance For Love

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Aus der Reihe: Las Vegas #2
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Second Chance For Love
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Sarah Glicker

Second Chance For Love

Seans Story

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

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Elf Monate später

Impressum neobooks

Prolog

Sarah Glicker

Second Chance For Love

Seans Story

Sarah Weber

Alter Postweg 31a

48477 Hörstel

Copyright by Sarah Weber

Alle Rechte vorbehalten!

Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen schriftlichen Genehmigung der Autorin!

Zwei Jahre zuvor

Den ganzen Tag habe ich schon so ein merkwürdiges Gefühl in meiner Bauchgegend, als würde etwas passieren, was ich nicht beeinflussen kann. Zuerst habe ich gedacht, dass es vielleicht etwas mit meiner Schwester zu tun hat, die wieder quer schießt oder irgendetwas beim Training geschehen ist.

Doch den zweiten Punkt kann ich nun eindeutig ausschließen. Das Training mit meiner Football-Mannschaft ist wie immer verlaufen. Mindestens einer schießt immer quer, daran habe ich mich in den letzten Jahren gewöhnt. Meistens sind es die Neuen, die der Meinung sind, dass sie ihren Platz verteidigen müssen. Wenn sie es aber nicht sind, sind es die alten Hasen, die der Meinung sind, dass sie sich aufspielen müssen. Und davon habe ich leider mehr als genug im Team. Allerdings haben selbst sie heute die Füße still gehalten.

Daher bleibt wirklich nur noch meine Schwester übrig.

Unser Verhältnis ist nicht das, was man als super bezeichnen kann. Um genau zu sein, spreche ich nur mit ihr, wenn ich es nicht vermeiden kann. Doch selbst dann lasse ich keinen Zweifel daran, dass ich keine Lust habe, mich mit ihr auseinanderzusetzen.

Unter anderem liegt es daran, dass sie an meiner Freundin und ihrem Bruder, der auch mein bester Freund ist, kein gutes Haar lässt. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit erzählt sie Lügen über die beiden.

Das ist auch der Grund dafür, dass ich die Beziehung zu Lindsay geheim halte. Ich schäme mich nicht für sie. Ganz im Gegenteil. Ich liebe diese Frau und will den Rest meines Lebens mit ihr verbringen.

In diesem Punkt bin ich mir sicher.

Doch ich will sie auch vor Heather beschützen. Mir ist bewusst, dass wir es nicht ewig für uns behalten können. Doch so lange ich die Chance habe, werde ich diesen Schritt weitergehen.

Jetzt will ich mich aber nicht mehr damit beschäftigen. Stattdessen will ich die nächsten Stunden in Ruhe mit meinem Mädchen verbringen.

Schon von weitem kann ich sie erkennen. Suchend blickt sie sich immer wieder zu allen Seiten hin um, obwohl sie weiß, aus welcher Ecke ich komme.

In der Sekunde, in der sie mich entdeckt, kommt es mir vor, als wäre sie irgendwie erleichtert darüber. Doch aus welchem Grund genau, kann ich nicht sagen.

Schnell nähere ich mich ihr und bleibe schließlich dicht vor ihr stehen. Ich schließe sie in meine Arme und drücke ihr einen Kuss auf die Lippen.

„Hi, meine Hübsche“, raune ich, nachdem ich mich ein Stück zurückgezogen habe.

Von einer Sekunde auf die andere meldet sich wieder das ungute Gefühl in mir, als ich sie genauer betrachte. Ich erkenne die Tränen, die plötzlich in ihren Augen auftauchen.

„Was ist los?“, erkundige ich mich.

Gleichzeitig ziehe ich sie zu einer Bank, die in der Nähe steht, und bedeute ihr, dass sie sich setzen soll.

„Sean …“, flüstert Lindsay so leise, dass ich sie kaum verstehen kann.

Irgendetwas bedrückt sie, das kann ich sehen. Doch ich registriere auch, wie schwer es ihr fällt, darüber zu sprechen.

„Was ist los?“

„Ich kann das nicht. Ich kann nicht von dir getrennt sein und dich kaum sehen. Meine Angst, dass du mich betrügst, ist viel zu groß.“

„Niemals würde ich dich hintergehen. Ich liebe dich“, erkläre ich sanft, lasse aber auch keinen Zweifel daran, dass es so ist, wie ich es sage.

„Früher oder später würden wir uns sowieso trennen.“

Mein Herz setzt für ein paar Schläge aus, als ihre Worte bei mir ankommen.

„Lindsay, du weißt, wieso ich mich dafür entschieden habe. Das hat nichts mit dir zu tun. Die Monate werden schnell vergehen.“

Verzweiflung macht sich in mir breit, als ich mir durch die Haare fahre. Ich ahne, worauf diese Unterhaltung hinausläuft, doch das ist nicht das, was ich will. Allerdings habe ich auch keine Ahnung, wie ich sie vom Gegenteil überzeugen kann.

„Mir fällt es nicht leicht“, wispert sie.

„Ich liebe dich“, erkläre ich noch einmal mit Nachdruck.

„Ich dich auch, aber ich kann das nicht. Sean, bitte, versteh mich doch“, fleht sie mich an.

Ungehindert laufen ihr nun die Tränen über das Gesicht. Innerlich hoffe ich, dass es nur ein Scherz war, doch mein Herz sagt mir etwas anderes.

Keine Sekunde lasse ich sie aus den Augen. Als ich spüre, dass sie mir ihre Hand entziehen will, halte ich sie noch fester umklammert.

„Bitte, mach es mir nicht schwerer, als es ohnehin schon ist.“

Da ich mich dicht vor ihr befinde, bin ich mir sicher, dass seine meinen Atem auf ihrer Haut spüren kann.

Langsam beuge ich mich zu ihr und küsse sie. Ich spüre, wie ihre Muskeln sich entspannen. Außerdem erkenne ich die Liebe und die Verzweiflung, die sie gerade spürt.

„Ich weiß, ich hätte manche Dinge tun sollen, die ich nicht getan habe. Ich lasse dich nur gehen, weil du es willst. Aber du gehörst an meine Seite. Und es wird der Tag kommen, an dem ich es dir beweisen werde.“

„Ich liebe dich, Sean. Pass bitte auf dich auf.“

Kaum hat sie ausgesprochen, dreht sie sich um und verschwindet aus meinem Leben.

In diesem Moment verspüre ich eine unbändige Wut. Am liebsten würde ich auf etwas einschlagen. Mein Leben verschwindet und ich kann nichts dagegen tun.

„Das nächste Mal werde ich dich nicht mehr gehen lassen“, schwöre ich uns.

1

„Guten Morgen“, begrüßt mich meine Mutter mit guter Laune, als ich an diesem Morgen in die Küche komme.

„Hi“, gebe ich zurück und nehme die Tasse entgegen, die sie mir reicht.

Ich gebe zu, dass es ein wenig merkwürdig ist, die nächsten Tage hier zu verbringen. Vor allem vor der Tatsache, da ich in Fresno meine eigene Wohnung habe. Doch es gibt einen Grund, wieso ich hier bin.

„Geh mit ihr essen“, spricht meine Mutter nun und reißt mich so aus meinen Gedanken.

„Was?“, frage ich sie, da ich kaum richtig zugehört habe.

„Gehe mit ihr essen!“

Langsam hebe ich meinen Kopf und sehe sie an. Ich habe ihr nie gesagt, wieso ich wirklich hier bin. Stattdessen habe ich es nach außen hin immer so aussehen lassen, als müsste ich mich um ein paar Angelegenheiten in der Stadt kümmern.

Jetzt bin ich mir aber nicht mehr so sicher, ob sie mir das auch wirklich glaubt.

„Ich freue mich, dass wir uns wieder vertragen haben“, spricht sie nun weiter und lässt mich dabei keine Sekunde aus den Augen. „Seit deinem Weggang aus der Stadt habe ich dich vermisst. Und dein Vater auch. Aber wir wissen, dass du nicht wegen irgendwelcher Behördengänge in der Stadt bist.“

Ich gebe zu, dass ich mir bis jetzt noch keine Gedanken darüber gemacht habe, ob sie sich den Grund vielleicht denken können. Doch jetzt, wo sie es selber anspricht, brauche ich erst gar nicht so zu tun, als hätte ich keine Ahnung, wovon sie spricht.

 

Nachdenklich sehe ich meine Mutter an, während ich mir ihre Worte durch den Kopf gehen lasse.

„Lindsay war nicht glücklich in den letzten Jahren. Ich habe sie nur wenige Mal durch Zufall gesehen. Doch jedes Mal habe ich den traurigen Ausdruck in ihren Augen gesehen. Du fehlst ihr.“

„Mit Sicherheit werde ich das erst sagen können, wenn sie vor mir steht.“

Ich schätze meine Mutter dafür, dass sie dieser Meinung ist. Doch die Wahrheit sieht nun einmal so aus, dass sie auch aus einem anderen Grund traurig gewesen sein kann.

„Fahr endlich zu ihr und rede mit ihr. Ihr zwei gehört zusammen. Das habe ich damals schon gesagt und der Meinung bin ich noch heute. Dein Vater hat übrigens festgestellt, dass er wütend ist, wenn du es dieses Mal wieder versaust.“

Ein freches Grinsen erscheint auf ihrem Gesicht, welches mich lachen lässt.

Ich bin froh darüber, dass ich mich wieder mit meinen Eltern vertragen habe. Es war ein langer und schwieriger Weg, doch irgendwann haben sie mich in Fresno besucht und wir haben uns ausgesprochen.

Jetzt gibt es nur noch eine Sache, um die ich mich in dieser Stadt kümmern muss, denke ich.

„Na los, fahr schon. Je eher ihr euch ausgesprochen habt, umso besser ist das.“

Aufmunternd lächelt sie mich an. Doch ich kann ehrlich gesagt nicht gerade behaupten, dass es wirkt.

Es gab in der Vergangenheit nicht viele Dinge, die dafür gesorgt haben, dass ich nervös bin. Doch in diesem Punkt bin ich es eindeutig.

Hier geht es um meine Vergangenheit und meine Zukunft. Ich will, dass Lindsay ein Teil meines Lebens ist und es auch bleibt. Schon alleine deswegen weiß ich nicht, wie ich diese Unterhaltung beginnen sollte. Doch ich kann und will es nicht ewig vor mir herschieben.

„Ich werde mich dann mal auf den Weg machen“, erkläre ich also, nehme noch einen großen Schluck aus der Tasse und verschwinde dann.

Doch bevor ich zu ihr fahre, habe ich noch etwas anderes vor. Nur ungern möchte ich mit leeren Händen vor ihrer Tür stehen. Daher möchte ich ihre Lieblingsblumen kaufen und hoffe, dass sie sich darüber freut.

Es dauert eine Ewigkeit, bis ich endlich einen freien Parkplatz in der Nähe des Blumenladens gefunden habe. Doch die Stadt ist überfüllt und Plätze, an denen man sein Auto abstellen kann, sind eindeutig Mangelware. Dies ist etwas, was in den letzten Jahren eindeutig nicht besser geworden ist.

Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, bahne ich mir so schnell wie möglich einen Weg durch die Menge. Weit komme ich jedoch nicht. Nachdem ich ein paar Schritte gegangen bin, stoße ich mit einer Person zusammen.

Aus einem Reflex heraus greife ich nach ihrem Arm und erkenne erst dann, dass es eine Frau ist, die ich übersehen habe. Doch in der nächsten Sekunde ziehe ich scharf die Luft ein, als ich erkenne, wer sie ist.

Direkt vor mir steht Lindsay. Mit großen Augen, die ihre Überraschung widerspiegeln, sieht sie mich an. Da ich ein Stück größer als sie bin, muss sie ihren Kopf etwas in den Nacken legen, damit sie mich betrachten kann.

Langsam lässt sie ihren Blick über meinen Körper wandern, als würde sie sichergehen wollen, dass auch wirklich ich es bin. Geduldig warte ich, bis sie mir wieder in die Augen sieht.

Noch immer habe ich ihre Hände fest umgriffen und mache auch keine Anstalten, sie loszulassen. Ihr wieder so nah zu sein, setzt etwas in mir frei. In diesem Moment spüre ich, dass sich nichts zwischen uns geändert hat. Es gibt noch immer die gleiche Anziehungskraft zwischen uns und ich spüre, dass sie es auch merkt.

„Alles gut?“, frage ich sie und unterbreche so die Ruhe, die sich zwischen uns befindet.

„Ja … danke“, murmelt sie leise vor sich hin und atmet dabei tief durch.

Die nächsten Sekunden herrscht wieder Stille zwischen uns. Allerdings lassen wir uns nicht aus den Augen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du mir gleich an meinem ersten Tag über den Weg läufst.“

Bei meinen Worten bildet sich ein riesiges Fragezeichen in ihrem Gesicht.

„Ich meine das positiv. Um genau zu sein, bist du einer der Gründe, wieso ich hier bin“, antworte ich und grinse sie frech an.

„Sean …“, fängt sie an. Mehr sagt sie jedoch nicht.

Ich sehe ihr an, dass es ihr gerade schwerfällt, weiterzusprechen.

„Ich muss los“, bringt sie dann hervor.

„Nein“, sage ich schnell und hindere sie so daran.

Dieses Mal werde ich sie nicht gehen lassen. Ich bin wegen dieser Frau nach Las Vegas kommen. Ich bin hier, damit wir wieder zusammen sein können.

Bei dem Klang meiner Stimme sieht sie mich wieder direkt an.

„Meine Freundin wartet.“

„Ich lasse dich erst gehen, wenn du einwilligst, dich mit mir zu treffen. Eine Verabredung, mehr verlange ich nicht von dir.“

Keine Sekunde wende ich mich von ihr ab. Daher erkenne ich auch den Kampf ihr, den meine Worte ausgelöst haben.

„Und was sagt deine Freundin dazu, wenn du dich mit deiner Ex triffst?“, fragt sie mich nun vorsichtig.

„Seit dir hatte ich keine mehr.“

Es ist die Wahrheit und das soll ihr auch bewusst sein.

„Okay“, gibt sie von sich, da sie anscheinend nicht weiß, was sie sonst dazu sagen soll.

Das sorgt dafür, dass ich sie zufrieden ansehe. Ich bin froh darüber, dass wir nicht ewig diskutieren müssen. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich das getan hätte, wenn das bedeutet, dass ich den Abend wieder mit der Frau verbringen kann, die ich liebe.

„Gib mir bitte dein Handy!“

Ich strecke ihr meine Hand hin. Ein wenig zögerlich zieht sie es aus der Tasche heraus und reicht es mir. Dabei bemerke ich, wie sehr sie zittert. Am liebsten würde ich sie an mich ziehen und ihr so zu verstehen geben, dass sie sich keine Sorgen machen muss. Aber ich unterdrücke dieses Verlangen. Stattdessen speichere ich schnell meine Nummer in ihrem Telefon ein.

„Nur ein Treffen“, erinnert sie mich.

„Wir sehen uns heute Abend“, erwidere ich, ohne näher darauf einzugehen.

Ihr Mund öffnet sich ein Stück, als würde sie nicht genug Luft bekommen. Dann nickt sie leicht und dreht sich herum.

Ich beobachte sie dabei, wie sie sich von mir entfernt und schließlich mit ihrer Freundin aus meinem Sichtfeld verschwindet. Als ich ihr vor zwei Jahren dabei zugehen habe, hat sich Verzweiflung in mir breit gemacht. Doch dieses Mal spüre ich Ruhe, die mich unter Kontrolle hat. Und das nur aus dem Grund, weil ich weiß, dass wir wieder zusammen sein werden.

2

Seit vier Stunden befinde ich mich schon in dem Fitnessstudio und schlage auf den Boxsack ein. Auf diese Weise versuche ich meine überschüssige Energie loszuwerden. Das ist allerdings nicht so leicht.

Ich brauche nur an den gemeinsamen Abend mit Lindsay denken und spanne mich automatisch wieder an. Ich bin nicht nervös, doch ich habe keine Ahnung, ob es wirklich eine so gute Idee ist, mit ihr essen zu gehen. Dennoch habe ich beschlossen, dass ich in diesem Punkt einfach auf meine Mutter hören werde.

Völlig außer Atem ziehe ich die Handschuhe aus, werfe sie neben mich auf den Boden und greife nach meinem Handy. Schnell entsperre ich es und schreibe ihr eine Nachricht. Auf diese Weise will ich sie nicht in die Ecke drängen, doch ich hoffe, dass ich ihr so zu verstehen geben kann, wie viel mir unsere Verabredung bedeutet.

Ich freue mich schon auf dich.

Sean

Kaum habe ich sie abgeschickt, wird mir bereits eine neue Nachricht angezeigt. Dieses Mal ist sie jedoch von meinem besten Freund Mike. Ich kann nicht verhindern, dass mir ein Seufzer über die Lippen dringt, als ich seinen Namen lese.

Bereits jetzt kann ich mir vorstellen, was er von mir will. In den letzten Jahren hat er mir oft genug gesagt, dass ich mich zusammenreißen soll, damit seine Schwester und ich das Leben bekommen, welches wir verdient haben.

Melde dich bei mir, wenn du Lindsay erreicht hast. Ich möchte wissen, ob ich endlich einen vernünftigen Schwager bekomme.

Seine Worte sorgen dafür, dass ich nun doch lachen muss. Das ist typisch Mike. Er hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er seine Schwester nur an meiner Seite sehen will. Auch wenn man meinen könnte, dass es eher umgekehrt sein sollte. Schließlich sind wir Freunde und da sind die Schwestern tabu. Aber er weiß, dass Lindsay bei mir in Sicherheit ist. Daher war das nie das Problem zwischen uns.

Wir sind uns heute Vormittag über den Weg gelaufen und treffen uns heute Abend.

Mehr schreibe ich nicht, was aber vor allem daran liegt, dass ich keine Ahnung habe, was ich sonst schreiben soll. Mike wird sich denken können, dass es nicht leicht für mich ist.

In den letzten Jahren habe ich jede Nacht von Lindsay geträumt. Ich wollte sie wieder haben und nun habe ich die Chance dafür.

Versau´ es nicht!

Das muss er mir nicht sagen, daher reagiere ich auch gar nicht darauf. Ich bin mir sicher, dass er weiß, wieso er keine Antwort von mir bekommt.

Während der letzten Stunden habe ich trainiert und ein paar Dinge erledigt, die ich in den letzten Jahren vor mir hergeschoben habe.

Als ich nun vor ihrem Haus stehen bleibe, schaue ich ein letztes Mal darauf. Alles ist ruhig, nur ihr Auto und das ihres Bruders stehen auf dem Hof. Schnell steige ich aus und gehe darauf zu. Gleichzeitig betätige ich den Knopf auf dem Schlüssel, sodass mein Auto sich abschließt.

Schnell drücke ich auf die Klingel und warte darauf, dass die Frau meiner Träume endlich die Tür öffnet. Doch es ist Mike, der mich mit einem frechen Grinsen im Gesicht betrachtet.

„Wen haben wir denn da? Wurde auch Zeit, dass du dich endlich hier blicken lässt.“

Freundschaftlich schlägt er mir auf die Schulter.

„Ja, ich dachte mir, dass ich mal vorbeischaue“, erkläre ich und zucke mit den Schultern.

„Die Zeit ist also endlich gekommen.“

Mir ist bewusst, worauf er anspielt. Daher beschließe ich, dass ich auch jetzt nicht darauf eingehe. Doch das muss ich auch gar nicht, da Lindsay in diesem Moment hinter ihm auftaucht.

Aufmerksam betrachte ich sie einige Sekunden, während sich ein sanftes Lächeln auf mein Gesicht legt.

Lindsay trägt ein graues Kleid, welches mit schwarzen Mustern versehen ist. Ihre Haare fallen ihr offen über die Schultern. Und an ihrem Hals befindet sich die Kette, die ich ihr damals geschenkt habe. Sie ist mit vielen Steinen bestückt und sollte sie immer an mich erinnern.

Die Tatsache, dass sie diese noch immer hat, sorgt dafür, dass sich Erleichterung in mir breit macht. Ich nehme es Zeichen, dass dieser Abend gut verlaufen wird und wir uns wieder annähern.

„Hi, du siehst fantastisch aus“, begrüße ich sie.

Nachdem sie vor mir stehen geblieben ist, drücke ich ihr einen sanften Kuss auf die Wange. Für einen Moment kann ich beobachten, dass es sie aus ihrem inneren Gleichgewicht gezogen hat. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nicht darüber freue.

„Danke“, murmelt sie leise.

Ich erkenne die Nervosität, die sie fest im Griff hat und kann mir gerade noch ein Grinsen verkneifen.

„Wir müssen unbedingt wieder zusammen trainieren“, mischt Mike sich nun ein.

„Auf jeden Fall“, entgegne ich nur, da ich gerade eigentlich keine Lust habe, mich darüber zu unterhalten.

An seinem Gesichtsausdruck kann ich erkennen, dass er das auch genau weiß. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich einen Spaß daraus macht.

„Wollen wir?“, frage ich nun Lindsay.

„Von mir aus können wir los.“

Ich greife nach ihrer Hand und verschränke meine Finger mit ihren. Ich spüre das Zittern, das durch ihren Körper geht und das zeige ich ihr auch, als ich sie anlächle.

Lindsay soll wissen, dass sich nichts zwischen uns geändert hat. Sie soll sich keine Sorgen machen, sondern einfach die Frau sein, die sie ist. Die Frau, die ich immer geliebt habe und noch immer mehr liebe als mein Leben.

Mike flüstert ihr noch etwas ins Ohr. Ich verstehe zwar kein Wort, aber ich kann mir bereits denken, was er ihr gesagt hat. Daher unternehme ich auch keinen Versuch, es in Erfahrung zu bringen.

 

3

„Wo fahren wir hin?“, erkundigt sich Lindsay, nachdem ich angefahren bin.

Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, dass sie sich neugierig in dem Wagen umsieht und dabei anscheinend feststellt, dass es das gleiche Auto ist, was ich vor zwei Jahren schon hatte. Allerdings habe ich es in der letzten Zeit fertig gemacht.

Die Trennung von Lindsay hatte dafür gesorgt, dass in den letzten Jahren nicht immer alles so verlief, wie ich es gerne gehabt hätte. Daher kann man sagen, dass ich mit der Aufbereitung meines Autos den ersten Schritt gegangen bin.

„Es ist schon ein paar Jahre her, seitdem ich das letzte Mal in Las Vegas war, deswegen musste ich erst meine Eltern fragen. Ich hoffe, ich finde das Restaurant auf Anhieb“, antworte ich schließlich nach einigen Sekunden.

„Deine Eltern wohnen noch hier?“

An ihrer Stimme höre ich, dass sie nicht nur Smalltalk machen will, sondern ehrliches Interesse daran hat.

„Ich glaube, sie werden in den nächsten Jahren ebenfalls die Stadt verlassen. Sobald meine Schwester diesen Schleimer geheiratet hat, hält sie hier auch nichts mehr.“

Da jede Faser meines Körpers auf Lindsay ausgerichtet ist, erkenne ich genau, dass sie zusammenzuckt. Mir ist bewusst, dass sie etwas mit ihm hatte, bevor er sich für meine Schwester entschieden hat. Mike hat mich seit meinem Weggang immer über alles auf dem Laufenden gehalten, was Lindsay angeht. Doch selbst wenn die Beziehung zwischen den beiden nicht in die Brüche gegangen wäre, hätte das meinen Entschluss nicht geändert.

Lindsay gehört zu mir und das werde ich jedem beweisen.

„Aber über Cole brauche ich dir ja nichts zu erzählen. Du kennst ihn ja zur Genüge“, fahre ich fort, da ich ihr so zeigen will, dass ich die Geschichte kenne.

Kurz sehe ich zu ihr hinüber. Ihr Mund öffnet sich, als meine Aussage bei ihr angekommen ist, doch schnell schließt sie ihn wieder. Einige Sekunden ist es ruhig zwischen uns.

„Du weißt, dass wir zusammen waren?“, murmelt sie schließlich, als würde sie nicht genau wissen, ob sie diese Frage stellen kann.

„Sicher“, antworte ich, als wäre es das Normalste auf der Welt. „Wie lange ging eure Beziehung?“

Ich versuche so gleichgültig wie möglich zu klingen. Sie muss nicht unbedingt wissen, dass ich alles weiß. Zumindest jetzt noch nicht. Ich bin kein Stalker, wollte aber sichergehen, dass es ihr gut geht. Als ich davon erfahren habe, wäre ich am liebsten hergefahren, um ihm die Hölle heißzumachen. Davon konnte Mike mich allerdings gerade noch abhalten. Unter anderem auch deswegen, weil ich Lindsay damit wahrscheinlich keinen Gefallen getan hätte.

„Ach? Das weißt du nicht?“

„Mike hat es nicht so mit Zahlen“, erkläre ich und hoffe, dass ich damit nicht zu viel gesagt habe.

„Etwas über ein Jahr“, flüstert sie sofort und zeigt mir so einerseits, dass sie gar nicht so genau hingehört hat und andererseits, dass sie sich nicht darüber unterhalten will.

Um sie wieder aufzumuntern, greife ich über die Mittelkonsole und nehme ihre Hand sanft in meine.

Ich spüre das vertraute Gefühl zwischen uns, welches mir mal wieder beweist, dass ich mich für den richtigen Weg entschieden habe. Schweigend fahre ich weiter, bis ich unser Ziel erreicht habe.

Es dauert ein wenig, bis ich einen freien Parkplatz gefunden habe. Doch dann steige ich aus, umrunde das Auto und öffne ihre Tür. Langsam legt sie ihre Hand in meine, während sie aussteigt. Automatisch verschränke ich meine Finger mit ihren.

Ich kann nicht verhindern, dass sich Hoffnung in mir breit macht. Hoffnung, dass wir das hier wirklich schaffen können. Die gleiche Hoffnung ist es, die ich auch kurz in ihren Augen sehe. Doch schnell verdrängt sie das Gefühl und konzentriert sich stattdessen wieder auf mich.

Aus diesem Grund stelle ich mich so dicht vor sie, dass meine Brust bei jedem Atemzug ihre berührt. Dann lehne ich mich ein Stück nach vorne.

„Vergiss den Idioten“, raune ich ihr zu.

Auf ihrem Körper bildet sich eine Gänsehaut, welche mir ein zufriedenes Lächeln entlockt.

„Ich habe überhaupt nicht an ihn gedacht“, kontert sie, worüber ich froh bin. Allerdings erwidere ich nichts dazu, sondern lege meinen Arm um sie und drücke sie so fest an meine Seite. Dann setze ich mich in Bewegung und führe sie in das Restaurant.

„Meine Mutter meint, dass es hier das beste Steak in der ganzen Stadt gibt. Sollte es also nicht schmecken, bin ich nicht schuld daran.“

Ich zwinkere ihr zu und rücke ihr den Stuhl zurecht, nachdem der Kellner uns an unseren Tisch gebracht hat.

Kurz sehe ich mich um und erkenne dabei, dass alles an den Wilden Westen erinnert. An den Wänden hängen sogar alte Bilder aus dieser Zeit. Als ich wieder zu Lindsay schaue, erkenne ich, dass sie mich nicht aus den Augen lässt.

„Hast du jedes Mädchen, mit dem zu zusammen warst, zum Essen ausgeführt?“, fragt sie mich herausfordernd.

„Nach dir war ich mit keiner Frau mehr zusammen. Das war mein Ernst.“

Ich sehe, dass meine Antwort sie überrascht. Sie betrachtet mich genau, als würde sie es noch immer nicht glauben können. Wenigstens vor mir selber muss ich zugeben, dass es nicht so ist, als hätte ich keine Gelegenheiten gehabt, eine feste Beziehung einzugehen. Doch ich wollte es nicht. Mein Herz gehört dieser Frau, auch wenn das vielleicht kitschig klingt.

„Was kann ich Ihnen bringen?“, erkundigt sich eine Kellnerin und unterbricht so die Ruhe, die sich zwischen uns ausgebreitet hat.

„Ich nehme ein Wasser“, murmelt Lindsay, da sie noch immer mit ihren Gedanken woanders ist.

„Das gleiche, außerdem zweimal das Steakmenü.“

Sie nickt und verschwindet dann genauso schnell, wie sie aufgetaucht ist.

„Es ist wunderbar, dass du dich wieder besser mit deinen Eltern verstehst“, verkündet Lindsay nun.

„Das finde ich auch. Wäre ich hiergeblieben, wäre es wohl nicht so gekommen.“

„Wie läuft es denn in Fresno?“

„Das Studium ist einfach und macht Spaß.“ Ich zucke mit den Schultern. „Und wie läuft es bei dir?“

„Ich studiere Informatik. Eigentlich wollte ich gar nicht aufs College gehen, aber mein Vater und meine Stiefmutter haben mich so lange bearbeitet, bis ich zugestimmt habe. Deswegen wohne ich auch noch bei ihnen.“

„Wieso wolltest du denn nicht?“

„Ich hätte lieber eine Ausbildung gemacht, damit ich Geld verdienen kann. Ich will die Welt sehen, da ist es nicht sehr hilfreich, wenn man studiert.“

Sie sieht mich so an, als würde sie nicht wissen, wie ich darauf reagiere. Doch ich freue mich.

„Das wolltest du damals schon. Hast du mittlerweile mal etwas von deiner leiblichen Mutter gehört?“

Merklich zuckt sie zusammen.

„Wir wissen nicht, wo sie ist, oder ob sie eine neue Familie hat. Aber das ist mir auch egal. Dad ist glücklich in seiner zweiten Ehe. Marianne ist wie eine echte Mutter für mich. Sie hat so viel von meinem Leben mitbekommen, dass ich sie schon seit Jahren als Mutter ansehe. Und genauso hat sie Mike und mich auch von Anfang an behandelt.“

„Ich erinnere mich noch sehr gut an ihre Pfannkuchen.“

Ich wackle mit den Augenbrauen, sodass sie lachen muss. Jedes Mal sind wir alle über ihre Pfannkuchen hergefallen.

Den Rest der Wartezeit ziehe ich es vor, über Themen zu sprechen, die nichts mit unserer Vergangenheit zu tun haben. Ich erzähle ihr von Fresno und hoffe, dass ich damit ihre Neugierde wecken kann.

„Ich hoffe, dass es dir schmeckt“, verkünde ich, als die dampfenden Teller vor uns stehen.

Vorsichtig nimmt sie einen Bissen, nickt dann jedoch begeistert.

„Deine Mutter hat einen guten Geschmack.“

Während des Essens schweigen wir. Allerdings brauchen wir uns auch nicht unterhalten, um zu wissen, was in dem Kopf des anderen vor sich geht.

Ich bin mir sicher, dass Lindsay sich fragt, ob sie das Risiko eingehen soll. Und ja, es ist ein Risiko. Allerdings werde ich ihr zeigen, dass sie sich keine Sorgen machen muss. Und genau das werde ich ihr auch beweisen.

„Wollen wir ein wenig spazieren gehen?“, frage ich sie, nachdem wir das Restaurant zwei Stunden später wieder verlassen haben.

Mir gefällt der Gedanke nicht, dass der Abend schon vorbei ist.

„Sicher“, antwortet sie sofort.

Ich nehme ihre Hand in meine und verschränke erneut meine Finger mit ihren. Ein wenig kommt es mir vor, als wären wir nicht getrennt gewesen, als hätte es die letzten zwei Jahre nicht gegeben. Und wenn ich ihren Blick richtig deute, geht es ihr auch so.

Gemeinsam gehen wir zum Strip. Um diese Uhrzeit werden dort zahlreiche Shows aufgeführt, an denen ich jedoch kein Interesse habe. Meine volle Aufmerksamkeit liegt auf der wunderschönen Frau, mit der ich unterwegs bin.

„Komm, lass uns reingehen“, fordere ich sie auf, nachdem wir eine Weile vor dem kleinen Eiffelturm standen, der sich vor einem Hotel befindet.

Ich warte nicht darauf, was sie antwortet. Stattdessen lege ich meinen Arm um ihre Hüfte und führe sie in das Innere.

Hier drin herrscht reges Treiben. Überall stehen kleine und große Gruppen, die sich angeregt unterhalten. Es ist ein typisches Hotel mit einem angeschlossenen Casino, wie man sie massenhaft in Las Vegas findet. Alle sind darauf ausgelegt, möglichst viele Menschen jeden Tag in ihr Inneres zu locken.

In diesem hier gibt es eine kleine Stadt und einen Kanal, was an Venedig erinnern soll.

„Setz dich dorthin“, flüstere ich in ihr Ohr und zeige auf einen kleinen Tisch, der in unserer Nähe steht. „Ich bin gleich wieder da.“

Bevor sie noch etwas sagen kann, verschwinde ich in einer der Eisdielen, die sich in den künstlichen Häusern befinden. Da ich nicht der einzige bin, dauert es ein wenig, bis ich endlich zwei Eiswaffeln in den Händen halte.

„Was würde wohl deine Schwester dazu sagen, wenn sie wüsste, dass du den Abend mit mir verbringst?“, fragt sie mich, nachdem ich ihr eine überreicht habe.

Heather war noch nie ein leichtes Thema und ich bin mir auch sicher, dass sich das niemals ändern wird. Es ist schon so lange her, dass ich eine vernünftige Unterhaltung mit ihr geführt habe, dass ich mich nicht einmal daran erinnern kann.