Seal Team 9

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Aus der Reihe: Seal Team #3
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3

Ryan

In dem Moment, in dem ich die Polizistin gesehen habe, habe ich beschlossen, dass ich mir einen Spaß daraus machen werde, dass sie so unsicher ist. Und das sie unsicher ist, hat man auf den ersten Blick erkannt. Schon alleine aus dem Grund, weil sie nicht wusste, wie sie sich verhalten soll, als sie wiederum auf mich aufmerksam geworden ist.

Mit großen Augen hat sie mich überrascht angesehen, während sie von ihren Kollegen dazu gedrängt wurde, in eine Rolle zu schlüpfen, die ihr anscheinend nicht gefällt. Zumindest hat mir das ihr Gesichtsausdruck gesagt.

Während ihres Vortrags hat sie ihren Blick nicht von mir abgewendet. Ich konnte erkennen, dass sie eine Weile gebraucht hat, bis sie verarbeitet hat, dass ich wirklich hier sitze.

Und genauso habe ich gemerkt, dass ihr nicht Wohl dabei war, das Wort zu übernehmen. Und ja, ich habe es nicht besser gemacht, da ich sie schief angegrinst habe. Mehrmals habe ich gemerkt, dass sie kurz davor stand, den Faden zu verlieren. Doch mir gefällt es, dass ich sie so leicht aus der Ruhe bringen kann.

Doch je mehr sie erzählt, umso größer wird meine Wut. Und je mehr von ihr kommt, umso mehr spüre ich die Wut, die von ihr ausgeht. Doch Kimberley ist auch genervt, was ich aber verstehen kann.

Sie ist nicht glücklich darüber, dass sie nach den letzten Wochen und Monaten noch keinen Schritt weiter sind und sie sich nun sogar Hilfe von außerhalb holen mussten. Wenn man es genau nimmt, stehen sie trotz intensiver Arbeit am Anfang. Ich kann nachvollziehen, dass sie nicht begeistert davon ist. Auch wir hatten schon mit harten Fällen zu tun, daher weiß ich, dass es irgendwann nur noch frustrierend ist.

Das erkenne ich genau an ihrem Gesichtsausdruck und den angespannten Muskeln.

Der Unterschied besteht allerdings darin, dass wir es auch so schaffen.

Diesen Gedanken behalte ich allerdings für mich. Vor allem auch deswegen, weil uns noch andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Jeden Tag sterben unzählige Menschen an diesem Zeug. Schwangere Frauen nehmen es und machen so schon ihre ungeborenen Kinder abhängig. Mütter und Väter sterben an einer Überdosis und lassen ihre Kinder alleine und schutzlos zurück. Obwohl ich sagen muss, dass sie bei ihren Eltern in diesem Fall wahrscheinlich auch nicht sehr viel Schutz genossen haben. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sie noch in der Lage waren, ihre Kinder zu verteidigen.

Männer, die eh schon als gewalttätig eingestuft werden sollten, gehen auf ihre Frauen und Kinder los, bringen sie unter Umständen sogar um. All das nehmen die Menschen in Kauf, die nur Dollarzeichen in den Augen haben.

Sie weisen die Schuld von sich und erkennen nicht, dass sie genauso schuldig sind wie die Täter. Und das nur aus Profitgier.

„Für mich hört sich das an, als würde es einen Spitzel geben“, erklärt Sean und sieht jeden der Polizisten nacheinander an, nachdem sie geendet hat. Und mit dieser Feststellung spricht er auch den ersten Gedanken aus, der mir im Kopf herumgegangen ist.

Plötzlich ist es still im Raum. Keiner sagt etwas oder bewegt sich. Es dauert eine Ewigkeit, bis einige Sekunden vergangen sind. Auch wenn ich nicht glücklich darüber bin, müssen wir uns vor Augen halten, dass es durchaus so sein könnte.

Ich lasse sie ebenfalls nicht aus den Augen. Daher erkenne ich, dass jeder von ihnen große Augen bekommt. Ein wenig macht es den Anschein auf mich, als hätten sie vorher noch nicht darüber nachgedacht. Und ich muss sagen, dass ich das von Polizisten sehr naiv finde. Wenn Einsätze gegen die gleiche Organisation immer wieder schiefgehen, drängt sich dieser Gedanke einem schließlich auf. Er sollte mit als einer der ersten Vermutungen ausgesprochen werden.

Oder sie haben ein Problem damit, dass Sean diesen Verdacht einfach ausspricht und dabei nicht den Anschein macht, als würde es ihm leidtun.

Allerdings kenne ich meinen Kollegen lange genug, um zu wissen, dass es ihm wirklich nicht leid tut. Dafür hat er aber auch keinen Grund. Schließlich ist es sein Job.

Als ich einen Blick auf Kimberley werfe, erkenne ich, dass sie keine Ahnung hat, wie sie auf diesen Gedankengang reagieren soll. Ihr Blick huscht immer wieder zu mir, als würde sie sich von mir Hilfe erhoffen. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie ich ihr helfen kann. Niemand kennt ihr Team besser, als sie selber.

Ganz davon abgesehen gefällt mir das selber nicht. Wir hatten es erst vor nicht allzu langer Zeit mit zwei Maulwürfen zu tun. Da würde ich gerne noch ein wenig Abstand von diesem Thema haben.

Da es aber immer wieder nicht funktioniert hat, ist diese Schlossfolgerung am naheliegendsten. So, wie es sich angehört hat, sind alle Personen, die an diesem Fall arbeiten, hier versammelt. Daher ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der Maulwurf auch hier steht.

Falls es einen gibt.

Langsam schiebe ich meinen Stuhl ein Stück nach hinten und stehe auf. Dabei lasse ich keinen von ihnen aus den Augen. Meinem geübten Blick entgeht gerade nichts.

Nachdem ich mich zu meiner vollen Größe aufgerichtet habe, setze ich mich langsam in Bewegung. Auch ihre Blicke kleben an mir fest. Mir ist bewusst, dass sie mich und mein Verhalten gerade nicht einschätzen können. Wenn man sich vor Augen hält, dass ich erfahrene Polizisten vor mir stehen habe, finde ich ihr Verhalten schon ein wenig lustig. Schließlich sind sie bestimmt nicht in dieser Gruppe gelandet, weil sie einfach nur gut aussehen.

Doch genau das ist es, worauf ich es angelegt habe. Sie sollen verunsichert sein, da sie so eher einen Fehler machen. Mir ist bewusst, dass sie Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering ist, schließlich sind es alles Cops. Dennoch will ich diesen Versuch unternehmen.

Beinahe in Zeitlupe gehe ich an ihnen vorbei. Jeden einzelnen sehe ich genau an. Ich wurde dazu ausgebildet, mich in Menschen hineinzuversetzen und ihnen ihre Lügen anzusehen. Man kann mich auch als einen menschlichen Lügendetektor bezeichnen.

Auf den ersten Blick erkenne ich, dass sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Zumindest ist das bei den meisten der Fall. Je länger die Stille im Raum anhält, umso nervöser werden sie. Sie sind nicht hergekommen, um sich verdächtigen zu lassen, daher wissen sie jetzt auch nicht, was sie machen sollen. Keiner von ihnen war darauf vorbereitet, dass dieser Verdacht ausgesprochen wird.

Mein Verstand sagt mir sogar, dass einige von ihnen wahrscheinlich sogar selber noch keinen Gedanken daran verschwendet haben. Den anderen scheint es jedoch egal zu sein.

Schließlich bleibe ich vor Kimberley stehen, die die Letzte in der Reihe ist. Ich befinde mich so dicht vor ihr, dass sie ihren Kopf ein wenig in den Nacken legen muss, um mich ansehen zu können. Sie ist die Einzige, von der ich mit Gewissheit sagen kann, dass sie es nicht ist.

Sie sieht mich aus einem anderen Grund unsicher an.

Kurz betrachte ich sie, dann grinse ich sie schief an. Kimberley will es endlich hinter sich bringen und diese Männer schnappen. Das zeigt mir ihre Körperhaltung und die Art und Weise, wie sie vorhin gesprochen hat.

Es dauert einen Moment, doch schließlich macht sie einen Schritt nach hinten und bringt so ein wenig Abstand zwischen uns, sodass ich ein leises Lachen nicht für mich behalten kann. Mir ist bewusst, dass wir von ihren und meinen Kollegen umgeben sind. Und genauso bin ich mir darüber bewusst, dass sie uns beobachten. Doch das ist kein Grund für mich, sie ziehen zu lassen.

„Gut, dann werden wir das Problem mal angehen. Dieses Dreckszeug gehört von der Straße. Je eher, desto besser“, verkünde ich schließlich.

Für den Maulwurf lasse ich es so klingen, als wäre dieses Thema vom Tisch. Allerdings ist es das nicht. Ich will ihn nur in Sicherheit wiegen.

Meine Stimme ist nicht mehr als ein Knurren. Auf diese Weise gebe ich jedem zu verstehen, dass ich wütend bin und man sich mit mir gerade am besten nicht anlegen sollte.

Einen Augenblick sieht Kimberley mich mit leicht geöffneten Augen an, bevor sie sich wieder im Griff hat.

„Deswegen sind wir hier“, entgegnet sie.

„In dem Fall habt ihr Glück, dass ihr das beste Seal-Team an der Seite habt, dass es hier gibt.“

Einen Moment sieht sie mich an, als würde sie etwas darauf erwidern wollen. Ihre Augen fragen mich, ob ich nicht zu überheblich bin. Doch sie behält die Worte für sich, worüber ich ein wenig enttäuscht bin.

Langsam setze ich mich wieder in Bewegung und gehe zurück zu meinem Stuhl.

„Dann sollten wir uns nun überlegen, wie wir in dieser Angelegenheit am besten vorgehen.“

4

Kimberley

Als ich mich an diesem Abend in mein Auto setze, um nach Hause zu fahren, bin ich einfach nur müde. Anders kann ich meinen Gemütszustand beim besten Willen nicht beschreiben.

Die meiste Zeit des Tages haben wir auf dem Stützpunkt verbracht. Gemeinsam mit den Seals haben wir einen Plan entwickelt, mit dem wir endlich an die Hintermänner kommen wollen. Beziehungsweise, wir wollten das. So wirklich werde ich das Gefühl nicht los, dass wir uns nicht wirklich vom Platz bewegt haben. Und das ist etwas, was mir ehrlich gesagt überhaupt nicht gefällt.

Dabei ist mir auch nicht die Anschuldigung von Ryan aus dem Kopf gegangen, obwohl ich wirklich versucht habe, sie zu verdrängen. Unaufhörlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht und meine Kollegen nicht aus den Augen gelassen. Doch wenn ich ehrlich bin muss ich zugeben, dass ich es keinem von ihnen wirklich zutraue. Außerdem war es wirklich das erste Mal, dass ich es tatsächlich in Betracht gezogen habe, dass genau das der Fall sein kann. Klar, es ist mir schon einmal in den Kopf gekommen. Doch da habe ich es einfach verdrängt und mich nicht mehr damit beschäftigt. Nun kann ich das aber nicht mehr.

 

Ja, wir könnten wirklich einen Maulwurf in den eigenen Reihen haben. Und das ist auch etwas, was mir überhaupt nicht gefällt.

Allerdings will das kein Polizist hören. Es gehört nicht unbedingt zu den Dingen, mit denen man sich in unserem Job gerne beschäftigt. Unter anderem auch deswegen, weil man sich dann gleichzeitig damit beschäftigen muss, welchen Grund jemand hat, um sich auf die andere Seite zu schlagen.

Doch nicht nur das hat mich die letzten Stunden beschäftigt. Auch die Tatsache, dass ich mich kaum von Ryan abwenden konnte, zieht mich auch jetzt noch immer aus der Bahn. Alle paar Sekunden hat er in meine Richtung geblickt und mich angelächelt.

Ich bin mir sicher, dass er genau wusste, was das bei mir anrichtet. Er hat sich einen Spaß daraus gemacht, dem ich hilflos gegenüber stand.

Dabei kann ich mich nicht daran erinnern, wann es mir das letzte Mal so ging. Bis jetzt hatte ich mich immer im Griff, wenn es um meine Arbeit geht. Und ich muss ehrlich auch sagen, dass ich solchen Situationen gerne aus dem Weg gehe, egal, ob es beruflich oder privat ist.

Ich habe zwar immer mal wieder eine Beziehung, doch für gewöhnlich lasse ich keinen Mann so nah an mich heran, wie Ryan es von der ersten Sekunde an geschafft hat. Ein wenig ist es so, dass ich eine Schutzmauer um mich herum aufgebaut habe, da ich nicht verletzt werden will.

Eine Mauer, die Ryan anscheinend nicht interessiert.

Ein letztes Mal atme ich tief durch, bevor ich den Schlüssel ins Zündschloss stecke und den Motor starten will. Allerdings gibt mein Auto keinen Ton von sich. Er springt nicht an, röchelt nicht einmal.

Nichts!

Ein wenig kommt es mir so vor, als wäre der Tank komplett leer, was jedoch nicht sein kann. Schließlich habe ich heute Morgen erst getankt.

Aus einem Reflex heraus versuche ich es noch ein zweites und drittes Mal. Doch dieses Mal habe ich auch nicht mehr Glück.

„Verdammt, das hat mir gerade noch gefehlt“, fluche ich laut, wobei ich spüre, dass die Wut mich unter Kontrolle bringen will. Ich schlage sogar auf mein Lenkrad, obwohl mir bewusst ist, dass es mir nicht helfen wird.

Augenblick gehe ich jede Person in Gedanken durch, die ich bitten könnte, mich nach Hause zu bringen.

Meine Kollegen sind alle selber schon zu Hause. Allerdings musste ich mich noch um eine Menge Papierkram kümmern, der in den letzten Wochen liegen geblieben ist und den ich nicht mehr vor mir herschieben konnte. Aus diesem Grund bin ich noch auf dem Revier geblieben.

Gerade bereue ich es allerdings, dass ich mir ausgerechnet diesen Tag ausgesucht habe, um Arbeit nachzuholen. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass ich es nur deswegen heute gemacht habe, um mich von Ryan abzulenken.

Hätte ich das aber an einem anderen Tag gemacht, hätte mich nun einer von ihnen mitnehmen können. Nun bleibt mir nichts anderes übrig, als auf einen Abschleppwagen zu warten, was sicherlich eine Ewigkeit dauern wird.

In der Sekunde, in der ich nach meiner Tasche greifen will, um mein Handy herauszuholen, zucke ich allerdings erschrocken zusammen. Jemand klopft laut an die Seitenscheibe auf der Fahrerseite, sodass mein Herz für einen Moment stehen bleibt. Noch im selben Augenblick bewege ich meinen Kopf in die entsprechende Richtung und sehe direkt in die warmen Augen von Ryan, die dafür sorgen, dass es in doppelter Geschwindigkeit weiterschlägt.

Scharf ziehe ich die Luft ein, während ich eine Ewigkeit brauche, bis ich mich wieder gefangen habe. Auf jeden Fall kommt es mir so vor. Doch dann öffne ich die Tür, woraufhin er einen Schritt nach hinten macht, sodass ich aussteigen kann. Dabei komme ich allerdings so dicht vor ihm zum Stehen, dass sein Geruch mir in die Nase steigt. Gleichzeitig merke ich, dass mein gesamter Körper zittert.

Unweigerlich atme ich tief ein und kann mir dabei gerade noch ein Seufzen verkneifen. Ich kann es nicht genau einordnen, doch sobald er sich in meiner Nähe befindet, entspanne ich mich automatisch. Und genauso ist es auch dieses Mal.

Es sollte mir Angst machen, dass es so ist. Doch genau das ist nicht der Fall. Ich freue mich darüber, dass er diese Wirkung auf mich hat. Wenigstens in diesem Moment.

„Ist alles in Ordnung?“, fragt er mich, nachdem ich die Tür wieder hinter mir geschlossen habe.

Einen Moment denke ich darüber nach, ob ich Ja sagen soll. Doch mir ist klar, dass er es mir eh ansieht, dass etwas nicht stimmt. Gerade kann ich meine schlechte Laune nämlich nicht für mich behalten. Schon alleine deswegen wäre es einfach total bescheuert, zu lügen. Ganz davon abgesehen habe ich keine Ahnung, was er mitbekommen hat, bevor er geklopft hat.

„Mein Auto springt nicht an“, erkläre ich also und werfe einen Blick auf den Wagen hinter mir. Dieses Mal seufze ich aber.

Er ist nicht mehr der jüngste und ich habe ihn schon seit ein paar Jahren, aber es ist das erste Mal, dass er Schwierigkeiten macht. Daher bin ich der Meinung, dass er sich ganz gut gehalten hat. Dennoch finde ich, dass es nicht unbedingt jetzt hätte sein müssen.

Ryan macht einen Schritt zur Seite und wirft einen Blick auf die Motorhaube. Ein wenig sieht er aus, als würde er abschätzen, wie groß der Schaden wohl ist.

„Ich bin kein Mechaniker“, stellt er als nächstes fest und wirft mir dabei einen entschuldigenden Blick zu. „Und ich gebe zu, dass ich nicht sehr viel Ahnung von Autos habe.“

Ryan verzieht ein wenig das Gesicht, sodass ich nun doch lachen muss. Und ich gebe zu, dass es sich nach diesem Tag gut anfühlt. Ein wenig so, als würde man mir eine große Last von den Schultern nehmen.

Obwohl ich keine Ahnung habe, was diese Last genau ist.

„Ich kann dich aber nach Hause bringen“, spricht er weiter.

Es dauert einen Moment, bis sein Vorschlag bei mir angekommen ist. Doch dann sehe ich ihn überrascht an, während ich überlege, was ich darauf antworten soll. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, doch ich komme nicht wirklich zu einem Ergebnis.

„Was machst du eigentlich hier?“, frage ich ihn, als ich endlich wieder in der Lage bin, etwas von mir zu geben.

Ich hoffe, dass ich auf diese Weise noch ein wenig Zeit bekomme, um mir zu überlegen, ob das wirklich eine gute Idee ist. So ganz kann ich es gerade nämlich nicht einschätzen.

Als ich jedoch das Leuchten in seinen Augen bemerke weiß ich, dass er mich durchschaut hat. Daher warte ich darauf, dass er etwas dazu sagt. Doch genau das macht er nicht.

„Ich musste deinem Chef noch etwas vorbeibringen“, geht er auf mein Spiel ein.

Ryan zuckt mit den Schultern und tut so, als wäre das keine große Sache. Doch unweigerlich geht mir dir Frage durch den Kopf, ob sie sich nochmal über die Sache mit dem Maulwurf unterhalten haben. Und vor allem, ob sie vielleicht eine oder mehrere Personen genannt haben, die dafür infrage kommen.

Natürlich haben sie sich darüber unterhalten. Mich würde es wundern, wenn es nicht so wäre.

Allerdings gebe ich zu, dass es nur dafür sorgt, dass ich wieder Kopfschmerzen bekomme. Schon alleine deswegen will ich mich jetzt nicht damit beschäftigen, auch wenn ich das dringend muss.

„Und? Soll ich dich nun nach Hause bringen?“

Sein neugieriger Blick ruht auf mir.

„Das musst du wirklich nicht. Ich rufe mir einfach ein Taxi“, winke ich ab, auch wenn ich nicht sonderlich scharf darauf bin.

Ich brauche jedoch nur einen Blick in sein Gesicht zu werfen, um zu wissen, dass er mir diese Ausrede nicht durchgehen lässt. Wenigstens vor mir selber kann ich zugeben, dass ich erleichtert darüber bin.

„Na los, steig schon ein“, fordert er mich mit einem frechen Grinsen auf den Lippen auf.

Mit diesen Worten öffnet er die Beifahrertür des Fahrzeugs, welches sich direkt neben meinem befindet und bedeutet mir, dass ich einsteigen soll. Erst jetzt fällt mir auf, dass er die ganze Zeit neben mir stand.

Obwohl ich mich darüber freue, bin ich mir nicht sicher bin, ob das wirklich eine gute Idee ist. Gerade habe ich die Befürchtung, dass ich nicht für mich behalten kann, wie nervös er mich macht, wenn wir uns auf so engem Raum befinden. Schon alleine bei dem Gedanken daran, dass wir die nächste halbe Stunde in einem Wagen sitzen, beginnt mein Herz schneller zu schlagen.

Ich muss mehrmals tief durchatmen, um mich wieder einigermaßen unter Kontrolle zu haben. Immer noch frage ich mich, ob ich das wirklich machen soll. Doch dann rufe ich mir in Erinnerung, dass er mich nur nach Hause bringen will und ich froh darüber sein soll.

Daher setze ich mich wie von alleine in Bewegung und steige schließlich in den Wagen. Als ich nun wieder zu ihm sehe, erkenne ich, dass er mit einem zufriedenen Lächeln die Tür schließt und um den Wagen herum geht, um sich hinter das Steuer zu setzen.

5

Ryan

„Ich werde dich morgen früh abholen“, verkünde ich, nachdem ich direkt vor ihrem Haus stehen geblieben bin.

Kimberley scheint in einer ruhigen Gegen zu wohnen. Zumindest sagen mir das die Häuser und die perfekt gepflegten Vorgärten, die sich in ihrer Nachbarschaft befinden. Doch wenn man bedenkt, in welchen Jobs wir arbeiten, ist langeweile manchmal genau das richtige.

Während ich spreche, lasse ich sie keine Sekunde aus den Augen. Daher entgeht mir auch nicht, dass sie schon wieder überlegt, welche Ausrede sie dieses Mal vorbringen kann. Vorhin habe ich das Spiel mitgemacht. Dieses Mal werde ich das aber nicht. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich gerne herausfinden würde, wie weit sie es noch treibt.

Doch das werde ich ein anderes Mal vertiefen. Jetzt ist es eindeutig zu spät, um mich damit auseinanderzusetzen.

„Das musst du nicht. Zwei meiner Kollegen fahren jeden Tag an meinem Haus vorbei. Ich bin mir sicher, dass einer von ihnen mich mitnehmen kann. Ich werde ihnen nachher einfach eine Nachricht schreiben.“

Kimberley zuckt mit den Schultern.

Mir ist klar, dass sie mir nicht zur Last fallen will. Das verrät mir zumindest ihr Gesichtsausdruck. Doch ich dachte, dass ich ihr bereits vorhin klargemacht habe, dass sie mit mir darüber nicht diskutieren muss. Wie ich nun aber feststellen muss, habe ich in diesem Punkt aber eindeutig falsch gelegen.

Ich sehe ihr an, dass sie von Sekunde zu Sekunde immer unsicherer wird. Dabei schießt mir die Frage durch den Kopf, wieso sie das ist. Auf den ersten Blick scheint sie keinen Grund dafür zu haben.

Sie sieht gut aus und hat einen guten Charakter. Kimberley gehört eindeutig zu den Frauen, die jeden Mann haben könnten. Und dennoch scheint es mir so, als würde sie sich gerade in ihr Schneckenhaus zurückziehen. Und ich bin mir sicher, dass es dafür einen Grund gibt.

Das hier ist jedoch nicht der richtige Zeitpunkt, um diesen in Erfahrung zu bringen. Stattdessen nehme ich mir allerdings vor, dass ich das ein anderes Mal machen werde.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, denke ich.

Irgendwann kennt sie mich besser und vertraut mir vielleicht mehr, als es jetzt anscheinend der Fall ist.

Ich lasse den Motor laufen, während ich mich in ihre Richtung drehe. Mein Blick ist durchdringend und gibt ihr zu verstehen, dass ich nicht schon wieder mit ihr darüber sprechen werde. In diesem Moment kann sie mir nicht ausweichen, egal, wie sehr sie es auch versucht.

Einige Sekunden betrachtet sie mich, als würde sie darüber nachdenken, wie sie sich mir entziehen kann. Doch solange ich nicht vorhabe, sie gehen zu lassen, wird dieser Versuch nicht funktionieren. Und genau das habe ich nicht vor.

Mit meinen Augen halte ich sie gefangen. Mir ist bewusst, dass sie innerlich dagegen ankämpft, doch das ist mir egal. Auf diese Weise will ich ihr zu verstehen geben, das sie sich keine Sorgen machen muss. Auch wenn ich nicht mit Gewissheit sagen kann, wieso das der Fall ist.

Es dauert einen Moment, doch schließlich nickt sie. Allerdings erkenne ich auch dieses Mal, dass sie sich nicht sicher ist, ob sie das wirklich machen soll. Ganz davon abgesehen bin ich mir nicht sicher, wozu sie überhaupt ihr Einverständnis gibt, da ich nichts gesagt habe.

 

Daher nehme ich es einfach als Einverständnis, das sich sie morgen abholen kann.

„Gib mir dein Handy“, fordere ich sie auf und strecke meine Hand aus.

„Was?“

An ihrer Tonlage erkenne ich, dass sie eindeutig überfordert ist. Irgendwie macht es mir Spaß, mit ihr zu spielen. Schließlich scheint sie eine gute Polizistin zu sein. Da passt das irgendwie nicht.

Verständnislos sieht sie mich nun an. Wenn sie vorhin schon nicht wusste, wie sie sich verhalten soll, weiß sie es jetzt erst Recht nicht.

Gerne würde ich ihr sagen, dass sie sich nicht so zurückhalten muss. Sie macht den Eindruck auf mich, als wäre sie eigentlich eine starke Frau, die genau weiß, was sie will. Das ist etwas, was sie eigentlich zeigen soll. Doch jetzt behalte ich die Worte für mich. Gerade würde es mir nicht helfen.

Stumm fordere ich sie ein zweites Mal auf, bis sie mir das Telefon in die Hand drückt. Dabei erkenne ich jedoch, dass sie nicht glücklich darüber ist, das zu machen. Ich warte darauf, dass sie etwas von sich gibt, doch genau das macht sie nicht.

Daher speichere ich schnell meine Nummer ein und gebe es ihr dann zurück.

„Ruf mich morgen früh an. Ich hole dich ab und bringe dich ins Büro. Ich bin mir sicher, dass wir beide das gleiche Ziel haben.“

Mit diesen Worten lehne ich mich ein Stück nach vorne und drücke ihr einen Kuss auf die Wange.

Ich kann hören, wie sie scharf die Luft einzieht und spüre, wie sich ihr Körper bei dieser Berührung kurz anspannt. Daher kann ich es nicht verhindern, dass ich sie frech angrinse. Als sie es sieht, steigt sie sofort aus, als würde sie Abstand zwischen uns bringen wollen, und geht auf die Haustür zu. Ich hingegen bleibe so lange am Straßenrand stehen, bis sie im Inneren verschwunden ist. Dabei nehme ich mir einige Sekunden Zeit und sehe mich noch einmal zu allen Seiten hin um.

Ich habe keine Ahnung, wieso ich das mache, doch mein Gefühl sagt es mir. Allerdings kann ich weit und breit nichts und niemanden erkennen. Es ist das, was mich eigentlich beruhigen sollte. Doch genau das ist leider nicht der Fall.

Ein letztes Mal sehe ich auf die verschlossene Haustür, erst dann lege ich den Gang ein und mache mich ebenfalls auf den Heimweg.

Als ich eine halbe Stunde später in der Einfahrt meines Hauses stehen bleibe, kann ich nicht mehr leugnen, dass sich ein ungutes Gefühl in mir breit gemacht hat. Ich kann nicht einmal genau beschreiben, auf was es sich bezieht, doch ich weiß, dass es etwas mit diesem Auftrag zu tun hat.

Für gewöhnlich kann ich mich auf mein Gefühl verlassen. Unter anderen Umständen wäre ich froh darüber, dass es mich früh genug warnt. Doch dieses Mal bin ich genau das nicht. Stattdessen sorgt es nur dafür, dass ich angespannt bin und keine Ahnung habe, wie ich mich verhalten soll. Und das ist eindeutig etwas, was nicht sehr oft passiert.

Und das nur, weil ich nicht einmal ansatzweise sagen kann, worauf ich es beziehe.

Um mich abzulenken trainiere ich den restlichen Abend. Doch auch das kann nicht dafür sorgen, dass es mir besser geht. Meine Gedanken kreisen unaufhörlich um die Frage, ob unsere Vermutung stimmt und es wirklich einen Maulwurf gibt.

Vorstellen könnte ich es mir. Es wäre nicht das erste Mal, dass solche Dinge geschehen. In den eigenen Kreisen habe ich es mehr oder weniger erst vor gar nicht so langer Zeit mitbekommen.

Auch wenn es einiges erklären würde, hoffe ich, dass es dieses Mal nicht so ist. Und das vor allem, weil ich mir sicher bin, dass Kimberley ziemlich enttäuscht wäre. Sie vertraut ihren Kollegen.

Ich habe keine Ahnung, wie lange sie schon mit ihnen zusammenarbeitet, doch ich bin mir sicher, dass die einen oder anderen darunter sind, die schon bei mehreren Fällen ihre Partner waren.

Doch da ist auch noch die Tatsache, dass es selten gut ausgeht, wenn man einen Verräter in den eigenen Reihen hat.

Auch, als ich Stunden später in meinem Bett liege, werde ich diesen Gedanken nicht mehr los. Und schon alleine aus diesem Grund muss ich herausfinden, was hier wirklich passiert ist.

Als ich jedoch höre, dass mein Handy klingelt und ich einen prüfenden Blick auf das Display geworfen habe, meldet sich sofort wieder das ungute Gefühl und ich richte mich alarmiert auf.

Noch bevor ich dieses Gespräch beendet habe, bin ich bereits aus dem Bett gesprungen und ziehe mich an.

Jede Minute zählt!

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