Mehr als Freundschaft?

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Sandra Grauer

Mehr als Freundschaft?

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Drei Monate zuvor

Emilia

Leon

Emilia

Leon

Emilia

Leon

Emilia

Leon

Emilia

Leon

Emilia

Leon

Emilia

Leon

Emilia

Leon

Emilia

Leon

Emilia

Leon

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Leon

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Leon

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Leon

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Leon

Emilia

Leon

Emilia

Zeitungsartikel

Liebe Mia,

Leseprobe aus »Schattendasein – Der erste Teil der Schattenwächter-Saga«

Prolog

Satanismus für Anfänger

Danksagung

Weitere Bücher

Widmung

Impressum

Prolog

So schnell ich konnte, rannte ich die Korridore der Schule entlang. Mein Herz raste, dass ich meinte, es müsste jeden Moment zerspringen.

Dennoch hatte ich das Gefühl, die Welt wäre stehen geblieben. Alles, was ich sah, sah ich in Zeitlupe: geschockte Gesichter, Angst, Tränen, Ungläubigkeit. Niemand wunderte sich darüber, dass ich durch die Korridore hetzte, oder beschwerte sich gar, wenn ich gegen ihn stieß. Ich blickte nur in geschockte Gesichter. Sie alle versuchten, das Geschehene zu verstehen. Ich rannte gegen den Strom, das wusste ich, aber ich hatte keine Wahl.

Auch ich versuchte, es zu verstehen, zu begreifen. Das konnte nicht wahr sein. Nein, es durfte einfach nicht die Wahrheit sein. Anne musste sich geirrt haben. So etwas würde er nie tun, dafür kannte ich ihn zu gut.

Aber wie gut konnte man einen Menschen wirklich kennen? Dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf und jagte mir Angst ein. Leon hatte sich verändert. Und trotzdem.

Das Herz schlug mir bis zum Hals, und ich befürchtete, meine Knie könnten unter mir nachgeben. Aber eine innere Kraft trieb mich voran. Ich stieß gegen ein junges in Tränen aufgelöstes Mädchen, ohne es wirklich wahrzunehmen, und rannte weiter.

Als ich schließlich um die letzte Ecke bog und mit einigen Sekunden Verzögerung schmerzhaft feststellte, dass es kein Irrtum war, drehte sich für einen Moment alles um mich herum, und mir wurde schlecht.

Alle Stimmen verschwammen und wurden zu einem Ganzen, bis ich sie gar nicht mehr wahrnahm. In meinen Ohren rauschte das Blut, und mein Herz hämmerte so schnell in meiner Brust, dass ich fürchtete, es könnte jeden Moment aufhören zu schlagen.

Nein, ich fürchtete mich nicht davor, ich wünschte es mir in diesem Moment sogar, denn alles wäre leichter zu ertragen gewesen als dieser Anblick.

Dort stand er, Leon, mein bester Freund. Mit einer Waffe in der Hand. Als er mich erblickte und mir direkt in die Augen sah, hätte ich meinen Blick fast abgewandt. Er sah so traurig aus, so verzweifelt, dass ich schlucken musste, um auch nur ein Wort herauszubringen.

»Leon«, sagte ich kaum hörbar. »Leon. Bitte tu das nicht.« Ich musste erneut schlucken, um weiter sprechen zu können. In meinen Augen brannten Tränen, doch ich hielt sie mit aller Macht zurück. Ich musste jetzt stark sein, für Leon. »Es wird alles wieder gut, das versprech ich dir.«

Einen langen Moment sah er mich an, bevor er antwortete. Auf seinen Lippen war der Ansatz eines Lächelns zu sehen. »Das wird es nicht, Mia. Und das weißt du. Aber es ist okay. Leb wohl!«

»Leon, nein«, stammelte ich immer wieder und trat einen Schritt näher an ihn heran. Tränen schossen mir nun endgültig in die Augen und verschleierten meinen Blick, aber ich konnte trotz allem erkennen, dass Leon die Hand mit der Waffe hob und die Mündung gegen seinen Kopf drückte.

»Nein«, schrie ich und rannte auf ihn zu.

Drei Monate zuvor

Emilia

Sonntag, 21. April, 20 Uhr Liebes Tagebuch …

Kann das Leben noch schöner sein? Er hat mich geküsst. Patrick hat mich endlich geküsst. Ach, ich könnte die ganze Welt umarmen, so glücklich bin ich. Ich kann es kaum erwarten, dass endlich Montagmorgen ist und wir uns in der Schule wiedersehen. Ist das zu glauben? Wer hätte gedacht, dass ich mich noch mal auf die Schule freuen würde?! Wenn das meine Eltern wüssten. Oh Mann, vielleicht sollte ich mir ein besseres Versteck für mein Tagebuch suchen. Egal, was mach ich denn jetzt noch mit diesem wundervollen Abend? Mal wieder »Breaking Dawn« gucken? Nein, ich kann mich jetzt nicht konzentrieren, nicht einmal auf Robert Pattinson. Am besten, ich ruf Jasmin an. Hoffentlich ist sie da. Oh, ich bin ja so glücklich!!!

»Nun erzähl schon, Mia«, drängte Jasmin und zog mich beiseite.

Wir standen eng beieinander vor unseren Schließfächern. Im Gang war es laut und voll, aber wir hatten noch ein paar Minuten, bis es zur ersten Stunde klingeln würde.

»Ich hab dir doch gestern schon alles erzählt«, erwiderte ich grinsend.

 

»Egal, nun schieß schon los. Ich will alles wissen, jedes kleine Detail.«

»Also«, begann ich und genoss es, Jasmin noch ein wenig auf die Folter zu spannen, bevor ich weitererzählte: »Ich war mit Anne zum Schwimmen verabredet. Während ich da so vor dem Eingang stehe und auf sie warte, weil sie natürlich wie immer zu spät ist …«

»Natürlich«, unterbrach Jasmin mich und verdrehte die Augen.

»… steht auf einmal Patrick vor mir. So allein?, fragt er mit tiefer Stimme.« »Oh ja, seine Stimme ist fast so sexy wie die deutsche Synchro von Ian Somerhalder.« Ich lächelte verschmitzt und seufzte. »Ich weiß, seine Stimme ist wirklich sexy.« »Wessen Stimme ist sexy?«, fragte jemand Vertrautes neben mir. Ich drehte mich zur Seite und sah Leon. Er hielt mit beiden Händen die Träger seines dunklen Rucksacks, den er auf den Schultern trug, und lächelte mich an. Nun beugte er sich ein Stückchen zu mir vor, und ich gab ihm ein Küsschen auf die Wange. »Hi, Leon.« »Morgen. Also, was hab ich verpasst?« »Ich bin dann mal weg, wir sehen uns später«, meinte Jasmin zu mir, die Leon weder gegrüßt noch beachtet hatte. Nun warf sie mir noch einen eindringlichen Blick zu, bevor sie im Gewühl verschwand. »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich zähneknirschend für Jasmins Verhalten, während wir uns gemeinsam auf den Weg zum Geschichtsunterricht machten. Doch falls sie Leon verletzt hatte, ließ er sich nichts anmerken. »Ach was, nun vergiss die mal. Sag mir lieber, von wem ihr gesprochen habt.« »Du lässt nicht locker, oder?« Leon grinste. »Nö.« »Es ging um Patrick«, antwortete ich und konnte nicht verhindern, dass ich zu strahlen begann. »Patrick, verstehe. Dann habt ihr euch am Wochenende gesehen?« »Kann man so sagen. Wir waren gestern mit ein paar Leuten schwimmen und danach noch allein ein Eis essen, und dann hat er mich geküsst.« Ich wusste, dass ich mich in diesem Moment nicht wie eine Sechzehnjährige anhörte, aber das war mir egal. Das war schließlich Leon, einer meiner besten Freunde. »Das freut mich für dich.« Er machte eine kurze Pause. »Das sollte es doch, oder?« Ich verdrehte die Augen. »Blödmann, das weißt du doch.« »Dann seid ihr jetzt also zusammen?«, fragte Leon ohne mich anzusehen. Ich zuckte mit den Schultern. »Das wird sich noch zeigen.« Leon runzelte die Stirn. »Das muss ich jetzt nicht kapieren, oder?« »Nein, musst du nicht«, antwortete ich seufzend und hielt ihm die Tür zu unserem Klassenzimmer auf.

»Welche Pizza wollt ihr?«, fragte Leon, der im Gefrierschrank herumwühlte. Nun sah er Pitt und mich an. Wie jeden Montagnachmittag trafen wir drei uns nach der Schule noch bei Leon, um Pizza zu essen und zu quatschen.

»Ich nehm Salami«, antwortete Pitt, ohne nachzudenken.

Leon verdrehte die Augen. »Was für eine Überraschung.«

Pitt aß jeden Montag Salamipizza. Leon und ich hatten uns schon öfter gefragt, warum sie ihm nicht langsam zum Hals raushing.

»Was ist mit dir?«, fragte Leon nun mich, während er eine Salamipizza aus dem Gefrierschrank angelte.

»Ich glaub, ich nehm heut mal Thunfisch.«

»Thunfisch, wirklich?«, meinte Pitt und grinste mich an. »Sind da nicht Zwiebeln drauf?«

Verständnislos sah ich ihn an. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass er auf Patrick anspielte. »Mann Leon, du hast es ihm gesagt.« Ich stieß Leon mit meinem Ellenbogen fester in die Rippen als geplant, sodass er meine Thunfischpizza wieder zurück ins Eisfach fallen ließ.

Lachend rieb er sich die Seite. »Woher sollte ich wissen, dass es ein Geheimnis ist? Schließlich hast du es ja selbst jedem erzählt.«

»Mensch Mia, ich gehöre zu deinen besten Freunden, schon vergessen?«, meinte Pitt und legte mir einen Arm um die Schultern. Nun senkte er seine Stimme, er sprach aber trotzdem laut genug, dass Leon jedes Wort verstand. »Worauf steht er denn bei dir so? Als er noch mit Sabine zusammen war, hat er immer von ihrem geilen Arsch geschwärmt, bei Svenja war's die Oberweite.«

»Das werd ich grad noch mit dir diskutieren«, erwiderte ich, schob seinen Arm von meiner Schulter und machte mich auf den Weg ins Badezimmer. Ich hörte Pitt und Leon lachen, war ihnen aber nicht wirklich böse. Ich kannte sie schon lange, seit dem Kindergarten, um genau zu sein, und wusste, dass sie mich nur ein wenig aufziehen wollten. Wenn es drauf ankam, waren sie für mich da.

Als ich zurück in die Küche kam, lehnte Pitt lässig an der Arbeitsfläche, während Leon auf einem Stuhl am Tisch saß. Beide hatten eine Flasche Cola in der Hand. Für mich hatten sie eine Cola Light auf den Tisch gestellt. Ich setzte mich Leon gegenüber, griff nach der Flasche und öffnete sie. Während ich einen großen Schluck nahm, vermied ich es, einen der beiden Jungs anzusehen. Sie starrten mich an, das spürte ich, und warteten darauf, dass ich nachgab und von Patrick erzählte.

Mit Leon sprach ich gerne über solche Sachen, ich konnte gar nicht genau sagen, warum. Er hatte irgendwie so eine Art an sich, dass ich mich ihm gerne anvertraute. Mit Pitt redete ich allerdings nicht so gerne über Jungs. Was eigentlich komisch war, denn in der Regel war er viel neugieriger als Leon, was solche Themen anging. Nicht, dass er selbst kein Liebesleben gehabt hätte und stattdessen scharf darauf war, über Hörensagen an meinem teilzuhaben. Eher im Gegenteil, Pitt war echt beliebt bei den Mädchen aus der Schule. Und ich musste zugeben, dass er verdammt gut aussah.

Leon hingegen hatte überhaupt kein Glück mit Mädchen, was ich so gar nicht verstand. Schließlich sah er auch ganz gut aus, selbst wenn es einem bei seinem Anblick nicht unbedingt die Sprache verschlug. Seine Haare waren dunkelbraun. Man hätte echt was draus machen können, aber Leon hatte einfach keinen Sinn für modische Frisuren. Seit ich ihn kannte, lief er immer gleich rum. Zu allem Überfluss war er auch noch unsportlich, und das sah man seinem Körper leider Gottes auch an. Nicht, dass er dick war, eher im Gegenteil. Aber ein paar Muskeln hätten ihm schon ganz gut getan. Seine blauen Augen waren aber wirklich schön. Außerdem war er total lieb, und man konnte sich auf ihn verlassen. Das war ja wohl auch wichtig. Trotzdem hatte er bis heute noch keine Freundin gehabt. Was nicht an ihm lag, wie ich wusste.

»Also, was wollt ihr wissen?«, gab ich schließlich nach.

Tja, das war ein Fehler, denn Pitt wollte natürlich alles wissen. Ich tat ihm den Gefallen. Und so erzählte ich zum zweiten Mal an diesem Tag von meinem Treffen mit Patrick, während sich allmählich der leckere Pizzaduft in der Küche ausbreitete.

Leon

»Das ist doch nicht dein Ernst?«, sagte Leon fast ein wenig schockiert. Er setzte sich auf und starrte Mia, die neben ihm auf seinem Bett saß, von der Seite an. Das konnte sie einfach nicht ernst meinen.

»Warum denn nicht? Ich bin schließlich auch schon fast siebzehn. Was ist also dabei?«

Was dabei war? Fragte sie das gerade wirklich? Das konnte er ihr sagen. Ihm fielen tausend Gründe ein. Patrick war ein Schleimer der übelsten Sorte. Ihm lag doch überhaupt nichts an ihr. Wahrscheinlich war Sex alles, was er von ihr wollte, und anschließend würde er sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Außerdem war ihm der Gedanke an Mia und Patrick im Bett einfach zuwider. Doch das konnte er ihr ja schlecht sagen. Sie war seine einzige Freundin und neben Pitt und seiner Oma der wichtigste Mensch für ihn. Sie würde sauer werden, und er wollte sich nicht zum Idioten machen.

In Liebesdingen nahm sie einfach keine Ratschläge von ihm an, auch wenn sie mit ihrem Liebeskummer immer zu ihm kam. Ein wenig konnte er es ja verstehen. Es war ja nicht so, dass er bei den Mädels so viel Erfolg hatte. Ganz im Gegensatz zu Pitt. Manchmal verstand er einfach nicht, warum sie nicht mit ihren Problemen zu ihm ging und ihn um Rat fragte. Vielleicht lag es daran, dass Pitt nicht so feinfühlig wie er selbst war.

»Du kannst deine Jungfräulichkeit doch nicht einfach an den Erstbesten verschwenden«, sagte Leon schließlich.

»Patrick ist nicht der Erstbeste«, meinte Mia und sah fast ein wenig beleidigt aus.

Oh nein, das war er nicht. Das wusste Leon nur zu gut. Mia hatte schon einige Freunde gehabt. Er hatte sie kommen und gehen sehen. Mia vertraute ihm schließlich immer alles an. Einerseits gefiel Leon der Gedanke, dass sie zu ihm kam und nicht zu Pitt. Es war schön, zu wissen, dass er Mia wichtig war. Aber gleichzeitig war es auch ein Fluch. Ein ums andere Mal musste er hilflos zusehen, wie sie in ihr Verderben lief. Sie hatte einfach kein Glück mit den Jungs. Wobei Leon mittlerweile ziemlich sicher war, dass es nicht an mangelndem Glück lag. Mia stand einfach auf die falschen Typen. Die, die es nicht ernst meinten und einfach nur ein bisschen Spaß suchten. Sie hätte durchaus auch die besseren, netteren Typen haben können, aber irgendwie hatte sie an denen kein Interesse. Trotz allem war Leon immer für Mia da, ließ sie sich an seiner Schulter ausweinen und munterte sie wieder auf. Nur, damit sie beim nächsten Mal denselben Fehler machte.

Leon seufzte. »Natürlich ist Patrick nicht der Erstbeste. So hab ich das auch gar nicht gemeint. Ich finde nur, du solltest es nicht überstürzen.«

»Leon, ich bin fast siebzehn! Findest du wirklich, ich würd's überstürzen, wenn ich mit ihm schlafen würde?«

Schon der Gedanke daran löste bei Leon Brechreiz aus, auch wenn er nicht sagen konnte, warum. Er riss sich zusammen. »Es geht doch gar nicht ums Alter, Mia. Aber ihr seid doch noch nicht mal zusammen.«

»Das ist nur noch eine Frage der Zeit.«

Leon verdrehte die Augen. Am liebsten hätte er laut geschrien. Sie wollte ihn einfach nicht verstehen. Er wünschte, Pitt wäre noch da, statt wie jeden Montagabend auf dem Fußballplatz herumzurennen. Er hätte einfach seinen Arm um Mia gelegt und gesagt: »Mia, meine Süße, nun hör mir mal zu: Patrick ist ein Idiot, der es nur auf das Eine abgesehen hat. Ein bisschen Rumknutschen und Fummeln ist ja okay, aber der Slip bleibt an.« Und Mia hätte ihm zugehört. Sicher hätte sie sich seinen Vorschlag sogar zu Herzen genommen. Doch Leon konnte ihr mit so etwas nicht kommen, das wusste er.

Resigniert seufzte er nun. »Sei einfach vorsichtig, okay? Ich will doch nur vermeiden, dass er dir wehtut.« Und das wird er, Mia, das wird er. Mia ließ ihren Kopf auf Leons Schulter sinken. »Es ist ja toll, wenn du dir Sorgen um mich machst, aber ich hab alles im Griff. Glaub mir, Leon. Ich weiß, was ich tu.« Wie gern würde er ihr glauben, aber er wusste, dass dem nicht so war.

»Wir müssen was tun«, sagte Leon am nächsten Tag zu Pitt. Es war warm, und so konnten sie die Schulpause endlich mal wieder draußen verbringen. »Wahrscheinlich schmeißt er sich ihr jetzt gerade an den Hals.«

Pitt grinste wissend.

Leon stöhnte auf. »Oh nein, sag, dass das nicht wahr ist.«

Pitt grinste immer noch. »Oh doch. Was meinst du, warum sie nicht hier ist? Mia und Patrick stehen vor den Schließfächern und knutschen.«

»Und ich hatte gehofft, sie wäre bei den Hühnern.« Leon war irgendwann dazu übergegangen, Jasmin und Konsorten als »Hühner« zu bezeichnen. Das erschien ihm Mia gegenüber nur fair. Zwar konnte er ihre Freundinnen überhaupt nicht leiden, und er wusste nur zu gut, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte, aber trotzdem fiel es ihm schwer, sie »Zicken« oder noch schlimmer zu nennen. Immerhin waren sie Mias Freundinnen, und irgendwie hatte er das Gefühl, er würde damit auch sie beleidigen.

»Und das von dir«, meinte Pitt. »Ich dachte, du kannst sie nicht ausstehen.«

»Kann ich auch nicht. Trotzdem wär's mir lieber, Mia würde ihre Zeit mit denen verbringen als mit Patrick.«

»Verstehe, wir haben einen neuen Staatsfeind Nummer Eins.« Pitt sah Leon einen Moment lang an. »Sag mal, was stört dich eigentlich so daran, wenn Mia und Patrick ein bisschen rumknutschen?«

Er sah Leon einen Moment an, doch der antwortete nicht. Was hätte er auch sagen sollen? Er wusste ja selbst nicht so genau, warum er so ein Problem damit hatte.

»Okay«, meinte Pitt, als er keine Antwort bekam, »es gibt bessere Typen als ihn, aber wenn ich dich mal dran erinnern darf, wen sie letzten Sommer angeschleppt hat …«

»Oh Gott, jetzt komm mir bloß nicht mit Martin. Der war in der Tat noch übler drauf als Patrick, aber ich dachte, diese Phase hätten wir endlich überstanden.«

Pitt legte Leon freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. »Mensch Leon, nun bleib mal auf dem Teppich. Was soll denn schon passieren? Im schlimmsten Fall trennen sie sich wieder. Und ja, wenn's noch blöder läuft, hatten sie dann bereits mehr miteinander«, fuhr Pitt fort, ohne Leon zu Wort kommen zu lassen. »Und? Ich glaub zwar nicht, dass Mia gleich mit ihm ins Bett hüpft, aber selbst wenn. Sie wird drüber wegkommen und schon nicht gleich schwanger werden.«

 

»So genau wollte ich da gar nicht drüber nachdenken«, erwiderte Leon und nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche. »Sollte das erste Mal nicht was Besonderes sein?«

Pitt lachte. »Klar, wär ihr zu wünschen, aber wegen 'nem miesen ersten Mal geht nicht gleich die Welt unter. Deswegen kann man trotzdem noch ein tolles Sexleben haben. Guck mich an …«

»Uhh, zuviel Information«, unterbrach Leon seinen besten Freund. Manchmal wunderte er sich schon, dass sie trotz ihrer Unterschiede so gut miteinander auskamen. Zumal Pitt wie Mia ja auch noch andere Freunde hatte, die mehr auf seiner Wellenlänge waren.

Lachend stieß Pitt Leon in die Seite. »Nun lass doch die gute Mia ein bisschen Spaß haben. Und den solltest du auch haben. Ehrlich, Mann, wir sollten dringend 'ne Frau für dich finden. Es wird höchste Zeit.«

Tja, Leon hatte sie schon mal gefunden. Zwei Mal war er so richtig verliebt gewesen. Bloß hatten die Mädchen damals nichts von ihm wissen wollen. Die Körbe, die er sich eingefangen hatte, waren schmerzhaft gewesen. Seitdem hatte er sich nicht mehr verliebt und hatte im Moment auch keinen Bedarf danach.

Da Pitt ihn immer noch ansah, hob Leon nun abwehrend die Hände. »Bitte verschon mich mit irgendwelchen Verkupplungsversuchen. Das kann doch nur schiefgehen.«

»Ach, ich weiß nicht, wenn man's richtig anstellt …«

Leon beschloss, das Thema zu wechseln. »Also um noch mal auf Mia zurückzukommen …«

Doch Pitt ging nicht darauf ein. »Mensch, Leon, ich dachte, das hätten wir. Lass sie ihre Fehler machen.«

Leon nutzte diese Steilvorlage sofort. »Dann findest du also auch, dass es ein Fehler ist, sich auf Patrick einzulassen?«

»Sicher ist es das, aber soll sie machen. Es ist ihr Leben, und wir sind nicht ihre Eltern. Sie wär nur sauer, wenn wir uns da einmischen. Wir sind da, wenn's nicht klappt, oder?«

Leon nickte gequält. Sicher, er war immer für Mia da, das stand außer Frage. Und er würde auch dieses Mal die Scherben wieder zusammenfegen. Trotzdem hätte er Mia die bevorstehenden Tränen gerne erspart.

»Und wegen der anderen Sache, da lass mich mal machen.«

»Was für 'ne andere Sache?« Leon sah Pitt einen Moment verständnislos an, bevor er begriff. Es ging immer noch ums Verkuppeln. »Mensch, Pitt, ich hab dir doch gesagt …«

Im selben Moment läutete es zum Ende der Pause, und Pitt nutzte die Gelegenheit sofort. Er sprang auf. »Ich darf nicht zu spät zu Mathe kommen. Die Polt hat's eh schon auf mich abgesehen.«

Und damit war er verschwunden, noch ehe Leon etwas erwidern konnte.

»Stell dir vor, wir sind jetzt offiziell zusammen«, flüsterte Mia Leon zu. Wie üblich saßen sie in Geschichte nebeneinander. Mia strahlte übers ganze Gesicht.

»Hab schon davon gehört«, antwortete Leon. Was sollte er auch sonst dazu sagen? Solche Floskeln wie »Freu mich für dich« oder »Wie schön« wären glatt gelogen.

»Du könntest wenigstens so tun, als würdest du dich für mich freuen«, sagte Mia und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du bist schließlich mein bester Freund.«

Leon überkam das schlechte Gewissen, auch wenn er es ja eigentlich nur gut mit ihr meinte. Er wandte sich ihr zu. Sie sah fast ein wenig traurig aus. »Du hast recht, Mia. Ich will doch nur, dass du glücklich bist.« Und das war nicht gelogen.

Nun lächelte sie schon wieder. »Es ist schön, dass du dir Sorgen um mich machst, ehrlich. Aber übertreib es nicht, okay?«

»Geht in Ordnung, ich reiß mich zusammen.« Vielleicht hatte er es wirklich ein wenig übertrieben. Wenn er genauer darüber nachdachte, dann hatte er sich noch nie so in Mias Beziehungen eingemischt. Auch wenn sie weiß Gott nicht immer die beste Wahl getroffen hatte, was Jungs anging. Andererseits war bisher auch nie von einer intimeren Beziehung die Rede gewesen. Das Thema war jetzt zum ersten Mal aufgekommen. Und ob Leon wollte oder nicht, die Vorstellung gefiel ihm ganz und gar nicht. Dass Mia mit Typen rumknutschte, die nicht gut genug für sie waren, war eine Sache. Doch dass sie weiter ging … Darüber konnte er nicht mal nachdenken, ohne dass sich sein Magen verkrampfte.

»Ich hab auch schon 'ne Idee, wie du's wieder gut machen kannst«, sagte Mia nun und lächelte Leon zuckersüß an.

Leon schwante nichts Gutes. »Und das wäre?«, fragte er dennoch.

»Wir gehen morgen alle zusammen schwimmen, gleich nach der Schule. Und du kommst mit.«

»Mit den Hühnern und Patrick? Ist das dein Ernst?«

»Leon, sie sind meine Freunde und du bist auch mein Freund. Ich möchte, dass ihr miteinander auskommt. Außerdem kommt Pitt wahrscheinlich auch mit.«

»Haben Sie etwas Wichtiges zur französischen Revolution beizutragen, Emilia?«, ertönte die strenge Stimme von Herrn Feldner. »Ansonsten würde ich Sie bitten, dem Unterricht zu folgen.«

Mia nickte und konzentrierte sich auf den Lehrer. Als er der Klasse jedoch für einen Moment den Rücken zudrehte, wandte sie sich noch einmal an Leon und sah ihn fragend an.

Leon verdrehte die Augen, musste aber lächeln. Er freute sich immer wieder darüber, dass er Mia mindestens genauso wichtig war wie ihre anderen Freunde. Und wer weiß, vielleicht konnten sie ja wirklich alle miteinander auskommen, wenn sie es nur genug wollten. »Na gut, ich überleg's mir«, flüsterte er ihr deshalb ins Ohr.