Bloomwell - ein recht beschaulicher Ort

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Schnell widme ich mich erneut dem Kühlschrank, bevor ich zu sabbern beginne, nur weil mein Gast Gurke schneidet. Ich bin ja total untervögelt.

„Holy moly“, flüstere ich in Richtung des Magermilchjoghurts. Hinter mir kraspelt es. Nathan sucht bestimmt Remoulade und Aufschnitt. Wenn er auf die Kondome und das Gleitgel stößt, weiß er gleich, was los ist.

„Sechzehn verschiedene Fertigessen?“

Ich schließe den Kühlschrank und drehe mich schuldbewusst um. Nathan schüttelt fassungslos den Kopf und studiert eine Packung mit Irish Stew.

„Ich bin DI und kein Drei-Sterne-Koch.“

„Warum sind Sie Polizist geworden?“

Da muss ich nicht lange überlegen. „Ich möchte die Welt ein bisschen besser machen.“

Raues Lachen. „Bloomwell ist nicht gerade die Welt.“

„Gehört aber dazu. Und irgendwo muss man ja anfangen. Und Sie? Warum Schreiner?“

Nathan beginnt Remoulade auf einem Toast zu verteilen. „Ich erschaffe gerne etwas. Und ich mag den Geruch von Holz und wie es sich anfühlt, bearbeiten und formen lässt.“

Unwillkürlich betrachte ich seine Hände. Sie sind kräftig und rau wie seine Stimme. Ein Fingernagel ist deutlich kürzer als die anderen. Wahrscheinlich war er eingerissen. Ein Daumennagel ist schwarz verfärbt, was auf eine Quetschung hindeutet. Dazu lassen sich vereinzelte Kratzer auf den Fingern und Handrücken finden.

„Ich bin kein Model.“ Nathans Stimme ist kühl. Er scheint meine Musterung zu seinem Nachteil interpretiert zu haben.

„Würde vermutlich auf dem Dach reichlich fehl am Platze wirken“, entgegne ich leichthin.

„Es gibt Leute, die in mir mehr als einen Handwerker sehen.“

Oha!

Ich scheine männlichen Stolz getroffen zu haben. Allerdings besitze ich den auch.

„Und gelegentlich steckt hinter einer gepflegten Fassade mehr als ein oberflächlicher Mensch“, sage ich mit einer gewissen Schärfe. Nathan betrachtet mich still und langsam breitet sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.

„Ein Mann mit Biss. Das gefällt mir. Wurst oder Käse, Alastair?“

„Beides. Und Zwiebeln.“ Ich werfe ihm eine zu, die er lässig auffängt. „Alastair, ja? Nicht länger Mr. Culpepper?“

„Weshalb, wo wir uns jetzt auf Augenhöhe begegnen?“

Dies ist der Moment, in dem ich begreife, dass ich es mit einem schwierigen Charakter zu tun habe. Allerdings konnte ich bislang keiner reizvollen Herausforderung widerstehen.

Tee und Sandwiches sind fertig. Wir setzen uns an den Tisch und beginnen zu essen.

Nathan greift ein unverfängliches Gesprächsthema auf: „Aus dem Haus könnte etwas werden, sofern man einiges an Liebe hineinsteckt.“

„Steht Liebe als Synonym für Geld?“, erkundige ich mich misstrauisch. Nathan lacht und hält sich dabei eine Hand vor den Mund, um keine Sandwichbröckchen über den Tisch zu prusten. Ich lache mit und spüre, wie sich die Spannung zwischen uns legt und einer leichten Kameradschaft weicht.

„Wie konnte ein Dandy wie du nach Bloomwell geraten?“

„Dandy!“ Ich schnaufe und schnippe mit den Fingern gegen die Teetasse. „Vielleicht war ich ja besser gekleidet als mein Chef, was ihm böse aufgestoßen ist.“

„Das glaube ich sofort.“ Nathan grinst.

„Ich bin meinem Vorgesetzten auf den Schlips getreten. Bloomwell ist mein persönliches Exil.“

„Und? Wie findest du das Dorf?“

„Recht beschaulich.“

Nathan nickt langsam und leckt sich Remoulade von der Oberlippe. Och, das hätte ich doch übernehmen können.

„Es scheint hier nette Leute zu geben.“ Ich zwinkere ihm zu. Komischerweise wird Nathan nervös. Sein Blick huscht zur Tür, die zum Garten führt, danach zum Fenster. Steht dort jemand? Ich drehe mich um. Nein, niemand da.

„Was ist los?“, frage ich irritiert. „Wenn dir meine Avan...“

„Ich muss los!“ Nathan springt förmlich in die Höhe. Ich mustere ihn, danach das halb gegessene Sandwich und wieder ihn.

„Ooo-kay“, sage ich langsam und erhebe mich ebenfalls. „Dann begleite ich dich zur Tür.“

Ich gehe sogar bis zum ausgehängten Gartentor mit, weil ich spüre, dass Nathan mir etwas mitteilen will. Und tatsächlich bleibt er direkt am Zaun stehen. Zunächst späht er nach links und rechts, bevor er sich mir zuwendet.

„Hör mir bitte kurz zu“, sagt er leise. „Es ist richtig, dass wir beide vom selben Ufer stammen und dass zwischen uns eine gewisse ... Anziehung besteht. Und aus genau diesem Grund möchte ich dich inständig bitten, nicht darüber zu reden. Nicht einmal in Andeutungen.“

„Warum?“, frage ich verblüfft.

„Bloomwell ist nicht homokompatibel.“

„Nathan, ich verstehe nicht ...“

„Und ich vertraue dir nicht genug, um dir die ganze Geschichte zu erzählen.“ Nathan zögert. „Noch nicht“, flüstert er schließlich.

„Du kannst mich nicht einfach mit diesen Andeutungen stehenlassen“, protestiere ich.

„Du hast mich bereits in der Hand, Alastair. Wenn du irgendjemandem erzählst, dass ich schwul bin, werden SIE sich um mich kümmern.“ Seine Nervosität steigt weiter.

„Nathan, wer sind SIE?“

„Kein Wort! Zu niemandem“, warnt er mich und geht. Ja, er geht wirklich. Marschiert den Ziegenpfad entlang und verschwindet um die Ecke, wo sein Sprinter parkt. Gleich darauf höre ich, wie ein Motor gestartet wird. Keine Sekunde später ist er weg. Ich dagegen stehe wie ein verschmähter Gartenzwerg in der Rabatte. Und das bei meinem Sexappeal.

„Holy moly!“

###

Es ist früher Abend, als ich eine überaus dicke Spinne aus dem Bad in den Garten befördere und endlich den Toilettensitz festschraube. In Pyjama und Morgenmantel gekleidet und mit einer frischen Tasse Tee begebe ich mich ins Wohnzimmer und schalte den Fernseher ein. Das alte Gerät empfängt genau zwei Sender. Auf dem einen laufen die Börsennachrichten und auf dem anderen ein romantischer Rosamunde Pilcher-Film, den ich selbstverständlich allein wegen der schönen Landschaft laufen lasse. Mit Notizblock und Kuli bewaffnet setze ich mich aufs Sofa. Emsig notiere ich alles, was ich über Charlie Welsham in Erfahrung gebracht habe. Danach schreibe ich auf, was mir von dessen Notizen im Sinn geblieben ist. Ich bin total verärgert, dass seine Aufzeichnungen vernichtet worden sind, denn es ist erbärmlich wenig, was ich zusammentragen kann. Das liegt daran, dass ich die Papiere lediglich oberflächlich studiert habe, um sie sortieren zu können. Was wollte Welsham nur mit den einzelnen Namen und Berufen? Macht es Sinn, wenn ich mir ebenfalls eine solche Liste anlege? Und eine weitere mit Verwandtschaftsverhältnissen? Was zum Teufel hat Welsham aus diesen Notizen herauslesen wollen?

Fairchild: Antiquitätenhändler.

Bones: Bürgermeister.

Bones: Pfarrer.

Ich setze die Liste fort, soweit mir Name und der jeweilige Beruf bekannt sind.

Nathan Scatterfey: Schreiner.

Ich starre auf den Namen und spüre eine leichte Traurigkeit, die sich meiner bemächtigt. Schade, dass Nathan so schnell die Flucht ergriffen hat. Und merkwürdig, wie nervös er geworden ist. Wen kann er mit SIE gemeint haben? SIE werden sich um mich kümmern … Das klingt meiner Meinung nach einer Drohung. Ich trinke einen Schluck Tee und überfliege mein bisheriges Geschreibsel. Langsam blättere ich durch den Block, ergänze hier und füge dort etwas hinzu.

Verflixt!

Mir fällt nichts auf, was merkwürdig sein könnte. Charlie, Charlie … Hinter was warst du her?

Rosamunde Pilcher neigt sich dem Ende zu. Die Hauptdarsteller liegen einander in den Armen. Der Schluss besteht aus Friede, Freude und Eierkuchen. Schmalziger geht es nicht. Ach was soll’s … Ich hatte den Mist ohnehin nur wegen der Landschaft eingeschaltet gelassen.

Falsch! Nein!

Ich hatte es eigentlich gar nicht gucken wollen. Es gab bloß keine Alternative zu den Börsennews. Ich strecke dem Fernseher die Zunge raus und frage mich, ob exklusiv mir das Privileg von zwei Sendern zuteilwird oder ob jedem Einwohner von Bloomwell ein solches Glück beschert ist. Mit einem Seufzen trinke ich den kalt gewordenen Teerest aus, schalte den Flimmerkasten ab und drehe eine letzte Runde durch das Haus. Ich bin keiner der übervorsichtigen Sorte, doch heute brauche ich das ausnahmsweise. Die Tür ist verschlossen, die Fenster in der unteren Etage auch. Zufrieden steige ich die Treppe ins Obergeschoss hinauf, putze meine Zähne und entferne mit einem zusammengeknüllten Stück Toilettenpapier das Trichternetz der dicken Spinne. Ein weiterer Tag im langweiligen Bloomwell ist geschafft und hey! Bislang bin ich nicht tot umgefallen.

Mittwoch, 05. Juni

Draußen rauscht der Regen, drinnen kämpfe ich mit dem inneren Schweinehund. Unter der Decke ist es ungemein gemütlich. Wenn mir jetzt jemand Kaffee ans Bett bringen würde, wäre ich richtig happy. Ich schiele zum Fenster. Die Läden sind wieder nicht geschlossen, daher kann ich direkt auf dunkle, tiefhängende Wolken blicken.

„Holy moly“, murmle ich.

Aufstehen oder nicht? Zwecks einer Entscheidung spiele ich eine Runde Stein-Papier-Schere gegen mich selbst. Ich verliere und verlasse murrend das Bett. Mich reckend und streckend gehe ich zum Fenster, um es zu öffnen.

Hey!

Huscht da nicht eine Gestalt durch den Garten? Ich reiße das Fenster förmlich auf und lehne mich risikofreudig hinaus. Mehr als eine Person in dunkler Regenkleidung, die die Kapuze weit über den Kopf gezogen hat, erkenne ich nicht. Sie verschwindet ums Haus und lediglich das niedergetretene Gras zeugt davon, dass ich mir den ungebetenen Besucher nicht eingebildet habe.

Verflixt!

Ich könnte nicht einmal sagen, ob es sich bei der Person um eine Frau oder einen Mann gehandelt hat. Nathan? Der wäre sicherlich nicht weggerannt, oder? Fragen über Fragen. Bloomwell entpuppt sich als ein äußerst rätselhafter Ort. Vielleicht sollte ich in meinem Garten Fangeisen auslegen …

 

Im Bad begrüßt mich die große Winkelspinne. Wie zur Hölle kommt dieses dicke Biest ständig ins Haus?

„Gib es zu“, spreche ich sie an. „Du hast einen Schlüssel.“

Sie schweigt würdevoll, räumt aber freiwillig die Badewanne. Soll ich sie ein weiteres Mal rauswerfen oder sogar den Schuh benutzen? Draußen blitzt es und gleich darauf kracht ein Donnerschlag.

„Okay, du kannst bleiben.“ Angesichts des Scheißwetters zeige ich mich großmütig. „Der Kühlschrank gehört allerdings mir.“

Ich mache mich vorzeigefertig, kleide mich in ein blassrosa Hemd und den dunkelbraunen Anzug. Die passende braune Krawatte mit roséfarbenem Rautenmuster ist schnell aus der Schublade gefischt. Den Windsor-Knoten kann ich blind und in Rekordzeit schlingen. Mit der Bürste aus echten Wildschweinborsten richte ich die Frisur und danach bin ich bereit, mich der Menschheit zu stellen. In der Küche koche ich Kaffee und trinke ihn, während ich mir ein paar Sandwiches fürs Büro zubereite. Die packe ich zusammen mit den vorabendlichen Notizen in eine schlichte Ledertasche, die ich von meinen Eltern zur Beförderung zum Detective Inspector geschenkt erhalten habe. Sie sind furchtbar stolz auf ihren Sohn, der bei der Polizei arbeitet. Ich habe noch eine Schwester namens Paisley. Sie ist in einem Brautmodengeschäft tätig. Seit ihrer Hochzeit im letzten Jahr lauern unsere Eltern auf Enkelkinder. Na, meinen Segen haben Paisley und Steve. Von mir aus können die beiden eine ganze Fußballmannschaft in die Welt setzen.

Wo ist eigentlich der Regenschirm? Erneut ärgere ich mich, dass Fremde meine Koffer ausgeräumt haben. Einige Dinge muss ich deswegen suchen, weil ich keine Ahnung habe, wo sie gelandet sind. Den Schirm entdecke ich Minuten später unter der Treppe hinter einer Tür, wo sich obendrein ein Bügelbrett und das dazugehörende Eisen befinden. Bislang ist mir diese Tür überhaupt nicht aufgefallen. Sie verbirgt einen praktischen Stauraum, indem man allerhand sperriges Zeug lagern kann. Oder einen Harry Potter. Als Letztes schlüpfe ich in meinen Trenchcoat, knöpfe ihn sorgfältig zu, hänge mir die Tasche über die Schulter und schnappe den Schirm. Dermaßen gewappnet trete ich in das Sommergewitter hinaus. Tja, Nathan wird heute gewiss nicht am Dach weiterarbeiten können.

Wie eine Primaballerina tänzle ich an den Pfützen und den völlig verschlammten Stellen vorbei, um mir nicht die Schuhe zu ruinieren. Zum Glück wird der Weg zum Dorfzentrum hin besser.

„Ah! Guten Morgen, Mr. Culpepper.“

Das Knurren, das diesen fröhlichen Gruß begleitet, muss Fairchilds furchtbarem Hund gehören.

„Guten Morgen, Mr. Fairchild. Was für ein grauenhaftes Wetter.“

Er lacht, obwohl ihm der Regen regelrecht vom Schlapphut pladdert.

„Es gibt kein schlechtes Wetter. Man ist höchstens falsch angezogen.“

Da kann man getrost geteilter Meinung sein.

„Wollen Sie bei Holland frühstücken?“

„Heute nicht. Ich habe mir etwas eingepackt“, entgegne ich.

„Ach? Haben Ihnen die Pfannkuchen gestern etwa nicht geschmeckt?“

„Die waren sehr lecker. Das Problem liegt eher darin, dass ich bald zum Dienst rollen werde, wenn ich die jeden Tag esse.“

Mr. Fairchild zieht ein belustigtes Gesicht. „Ein Mann ohne Bauch ist ein Krüppel.“

Das sagt er, obwohl er selbst von schlanker Statur ist.

„Einen schönen Tag, Mr. Fairchild.“

„Ihnen auch. Komm, Harvey.“

Nach einem letzten Knurren trabt der Hund seinem Herrn hinterher. Beide verschwinden in den Regenschleiern. Ein weiteres Donnerkrachen treibt mich vorwärts. Ich will ins Trockene und zwar schnell. Plötzlich hält ein Wagen neben mir. Es ist Nathans Sprinter.

„Hüpf rein! Ich fahre dich ins Büro.“

Weit ist es ja nicht mehr, das heißt, die Fahrt lohnt sich nicht wirklich. Allerdings kann ich das Angebot, ein paar Minuten mit Nathan zu verbringen, nicht ausschlagen. Also hocke ich gleich darauf auf dem Beifahrersitz und gurte mich vorschriftsmäßig an.

„Hi“, sage ich leise.

„Hi.“ Er mustert mich.

„Ich tropfe dir alles nass.“

„Macht nichts. Das trocknet ja wieder.“

Stille.

„Wenn deine Augen noch länger auf mir verweilen, muss ich Miete verlangen.“ Ich probiere einen Scherz, weil mir sein Starren allmählich unangenehm wird.

„Entschuldige.“ Nathan fährt an und konzentriert sich auf die Straße, während die Scheibenwischer auf Hochtouren laufen. „An deinem Dach kann ich heute leider nicht arbeiten.“

„Dachte ich mir schon. Was soll’s. Gegen das Wetter kann man nichts machen und ich will ja nicht, dass du ausrutschst und vom Dach fällst. Zumindest regnet es dank dir nicht mehr rein.“

Ein kleines Lächeln hebt Nathans Mundwinkel. „In dem Fall sind die Schüsseln im Schlafzimmer überflüssig geworden?“

Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe. „Du warst in meinem Schlafzimmer?“

„Ich habe nur kurz hineingeschaut, weil ich hoffte, dass man vom Flur aus aufs Dach kommt, was leider ein Trugschluss war. Na ja …“ Nathan zuckt mit den Schultern. „Die Tür stand halt offen.“

„So, so.“ Ich grinse mir eins.

„Alastair, ich habe bestimmt nicht an deinen Höschen geschnüffelt!“

„Jedes weitere Wort, das du jetzt sagst, kann gegen dich verwendet werden. Wer sind eigentlich SIE?“

Nathan wirft mir einen raschen Blick zu. „Der Versuch, mich zu überrumpeln, fruchtet nicht.“

„Schade.“ Ich habe es einfach probieren müssen. „Warum diese Geheimniskrämerei?“

Nathan hält, um einem anderen Wagen die Vorfahrt zu ermöglichen.

„Alastair, bitte! Es schüttet wie aus Eimern. Ich muss mich auf die Straße konzentrieren, sonst gehören wir zu den nächsten Unglücklichen, die einen Unfall erleiden.“

Hä?

Der Wagen steht. Nathan ist nicht einmal angefahren. Was soll das dann mit dem Unfall?

Halt!

Will er mir etwa einen Hinweis geben? Fürchtet er sich, deutlicher zu werden?

Die Nächsten, die einen Unfall erleiden … Und wie er Unfall betont hat. Da steckt mehr dahinter oder ich fresse einen Besen. George wird zusätzliche Recherchearbeit bekommen.

„Nathan?“

„Ja?“

„Könntest du mich irgendwo hinfahren, wo ich einen Handyempfang habe, bevor du mich beim Büro absetzt?“

Er legt den Gang ein und fährt los. „Na klar.“

„Das ist sehr freundlich von dir.“

Nathan verzieht das Gesicht. „In Bloomwell hilft man einander.“

„Oh ja. Den Spruch habe ich bereits zu hören bekommen. In diesem Dörfchen überschlägt sich jeder förmlich, um jemandem seine Hilfe anzubieten. Ich wette, am Jahresende gibt es vom Bürgermeister Bones einen Preis für den aufopferndsten Einwohner. Oder ist das eine Aktion des Pfarrers und läuft unter der Rubrik Nächstenliebe?“

Offenbar liege ich mit meinem Sarkasmus nicht allzu weit daneben, denn Nathan schweigt.

„Gehört einer von den beiden zu den SIE?“

Schweigen.

„Oder sogar beide?“

Weiteres Schweigen. Dafür gibt Nathan Gas. Wasser spritzt links und rechts vom Wagen in die Höhe, als er über die Straße jagt.

„Nicht so schnell, sonst muss ich dir eine Strafe für überhöhte Geschwindigkeit ausstellen. Und bei dem derzeitigen Tempo wäre das mindestens fünfundsiebzig Prozent deines Wochenlohns. Was verdienst du? Fünfhundert Pfund?“

Erneut bekomme ich keine Antwort, aber Nathan fährt nun wenigstens gemäßigter. Nach einer Weile wird er langsamer, lässt den Wagen links an den Straßenrand heranrollen und hält. Wir stehen inmitten von Feldern.

„An dieser Stelle solltest du einen Empfang haben“, sagte er und schaltet den Motor aus. Ich zücke das Handy, um die Aussage zu prüfen.

„Steig zum Telefonieren lieber aus.“

„Ist das dein Ernst? Es gießt wie verrückt.“

Nathan deutet auf einen kleinen Grashügel. „Dort ist der Empfang konstant. Hier könnte er gleich abbrechen. Mann, Alastair! Zieh nicht ein derartiges Gesicht. Ich komme mit nach draußen und halte dir den Schirm.“

Er murmelt etwas, was verdächtig nach aus Zucker klingt. Merkwürdig ist es trotzdem, da mein Smartphone die volle Anzahl der Balken anzeigt. Empfangsmäßig schwankt da nichts. Halt! Falsch! Prompt reduzieren sich die Balken auf die Hälfte. Was für eine ausgesprochene Sch...

Gleich darauf stehe ich im Regen und Nathan mit dem aufgespannten Schirm neben mir, während ich Georges Kontakt aufrufe und anwähle. Dabei fühle ich mich wie Lord Culpepper mit seinem getreuen Butler, bloß dass Nathan keine weißen Handschuhe und einen grauen Overall statt einem Anzug trägt. Zudem wird er am Rücken gerade ziemlich nass, weil mein Schirm eigentlich nur für eine Person gedacht ist. Nathan gibt somit den Gentleman, der dafür sorgt, dass seine Angebetete nicht vom Regen benetzt wird.

Halt!

Da hat sich eben wohl Wunschdenken eingeschlichen. Angebetete! Was ist los mit mir? Ich bin regelrecht froh, als sich George meldet.

„Hi, George. Alastair hier. Ich habe einen weiteren Auftrag für Sie. Seien Sie so freundlich und suchen Sie mir bitte alle Morde und tödlichen Unfälle der letzten fünf ...“

Nathan verdreht die Augen.

„Zehn?“ Fragend schaue ich Nathan an, woraufhin er den Kopf schüttelt.

„Entschuldigen Sie, George, der letzten fünfzehn Jahre? … Ja, der letzten fünfzehn Jahre heraus. Eventuell gibt es einen Zusammenhang zu Welshams Tod. Es könnte sein, dass er da auf etwas gestoßen ist.“

„Gar kein Problem, Sir. Ich kümmere mich darum“, tönt es aus dem Handy.

„Prima, George. Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann. Und wie gehabt: kein Wort zu irgendjemandem. Bye!“

Ich beende das Gespräch und bemerke Nathans finstere Miene.

„Wer ist George?“, fragt er.

„George Middlefort ist DS in Exeter und mir zugeteilt.“ Da ich nicht widerstehen kann, füge ich hinzu: „Er ist ausgesprochen nett.“

„Mich interessiert es eher, ob man ihm vertrauen kann.“

„Hallo! Wir sind die Polizei“, entgegne ich empört.

„Und ich bin die Queen.“

„Bist du nicht. Du hast gar keine Locken.“

„Ha! Ich könnte dir zeigen, wo der Frosch die Locken hat.“

Ich lächle süß. „Dann mal los, Kermit.“

Statt die Hosen runterzulassen, dreht sich Nathan um und kehrt zum Sprinter zurück. Dummerweise nimmt er dabei den Schirm mit. Empört eile ich ihm hinterher.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass George einer der Guten ist.“

„Wenn nicht, sind SIE dir von nun an auf der Spur.“

Rasch steige ich in den Wagen. „Es wäre toll, wenn ich wüsste, wer SIE sind.“

Nathan klappt den Schirm zu und wirft mir das nasse Ding auf den Schoß.

„Hey!“

„Ich muss zur Arbeit“, brummt er unwirsch. „Überleg dir sorgfältig, wem du vertrauen kannst und wem nicht.“ Nach dieser Ansage läuft er um den Sprinter herum und steigt auf der Fahrerseite ein. Tausend Fragen brennen mir auf den Lippen, allerdings befürchte ich, dass er mir darauf keine Antworten geben wird. Nicht in dieser Minute und nicht in diesem Wagen.

„Nach Feierabend will ich ins Crown and Bells“, sage ich wie nebenbei. Wenn er will, kann er daraus ein Date machen.

„Das Shepherd’s Pie ist zu empfehlen.“

Na prima. Ich baue ihm Brücken und erhalte dafür Menüvorschläge.

„Danke für den Tipp“, brumme ich. „Bei wem musst du denn heute ran?“

„Father Bones will die Kirchenbänke neu abgeschliffen und lackiert haben. Damit werde ich eine Zeit lang beschäftigt sein, weil er die Bänke für die Messe braucht. Ich kann daher nur in Etappen arbeiten.“

„Und was würdest du in meinem Haus als Erstes renovieren?“

„Die Fußböden“, sagt er sofort. „Danach die Türen. Neue Tapeten. Ein Teil der Möbel gehört entsorgt, der Rest aufgearbeitet. Ich könnte mir einen Mix aus Alt und Modern vorstellen.“

Das klingt auf jeden Fall interessant. Um jedoch die Fußböden zu restaurieren, müsste ich die Zimmer leerräumen. Das ist mir zu viel Aufwand für einen kurzen Aufenthalt in dem Dorf. Schließlich will ich in Bloomwell keine Wurzeln schlagen und das Haus verkaufen, wenn ich dem Ort den Rücken kehre.

„Soll ich dir einen Kostenvoranschlag machen?“

„Du bist ja überaus geschäftstüchtig.“

Nathan grinst. „Ich bin ein armer Schreiner und muss sehen, wo ich bleibe.“

 

„Verdiene dich an jemand anderem reich. Ich werde die nächste Möglichkeit nutzen, um dieses Nest wieder zu verlassen.“

„Hoffentlich nicht wie Welsham in einer Holzkiste.“

Ob Nathan etwas über meinen Vorgänger weiß?

„Kanntest du ihn näher?“

„Seine Haustür war beschädigt, die habe ich repariert. Er hat sie aufbrechen müssen, weil er den Schlüssel verloren hat. Danach lud er mich auf ein Bier im Pub ein, hat aber privat nichts von sich preisgegeben.“

„Er musste seine Tür aufbrechen?“, hake ich nach.

„Ja.“

„Besaß er keinen Blumentopf?“

Nathan wirft mir einen schnellen Blick zu. „Was?“

Ich werde deutlicher: „Jeder hier hat einen Zweitschlüssel unterm Blumentopf liegen. Hat Welsham etwa mit der Tradition gebrochen?“

„Du hast recht.“ Nathan bremst und sieht mich bewundernd an. „Weshalb bin ich nicht selbst darauf gekommen?“

Ich ziehe ein selbstgefälliges Gesicht. „Weil du nur der Schreiner bist. Wenn ein helles Köpfchen gebraucht wird, bin ich zuständig.“

„Idiot“, knurrt er.

„Warum halten wir?“

„Weil wir vor deiner Dienststelle stehen, helles Köpfchen.“

„Oh!“ Unter Nathans belustigten Augen lächle ich verlegen. „Danke fürs Fahren.“

„Gern geschehen.“

Jetzt müsste ich aussteigen, nicht wahr? Das Dumme ist bloß, dass ich das überhaupt nicht will.

„Kann ich dir noch etwas helfen?“, erkundigt sich Nathan prompt.

„Nein, nein. Vielen Dank. Shepherd’s Pie, sagtest du?“

„Richtig.“

„Klingt gut. Werde ich wohl ausprobieren.“

Nathan nickt. Mir fällt nichts mehr ein, um das Aussteigen weiter zu verzögern.

„Tja, dann … Bye.“ Ich packe Schirm und Tasche und öffne die Beifahrertür.

„Bye, Alastair.“

Die raue Stimme in Kombination mit meinem Namen klingt absolut geil. Wäre es vermessen, wenn ich Nathan bitten würde, mir ein paar Sprachnachrichten aufs Handy zu schicken?

###

Zu meiner Überraschung werde ich bereits erwartet. Eine Frau Mitte fünfzig sitzt auf dem ungepolsterten Stuhl vor dem Schreibtisch. Als ich ins Büro komme, springt sie in die Höhe, als hätte ich sie bei etwas Verbotenem ertappt. Sie trägt ein schlichtes blaues Kleid und ein leichtes Wolltuch um die Schultern.

„Guten Morgen, Mr. Culpepper.“

„Guten Morgen. Behalten Sie bitte Platz.“

Als wäre es völlig normal, dass in meiner Abwesenheit Fremde im Büro herumsitzen, ziehe ich den Mantel aus, hänge ihn an den Kleiderständer und stelle den Schirm ab. Die Ledertasche lege ich auf dem Schreibtisch ab und setze mich.

„Mit wem habe ich das Vergnügen?“

„Mein Name ist Kendra O‘Kelly.“

„Ach! Sie sind für die Reinigung dieser Räume zuständig.“

Sie beugt sich aufgeregt vor und umklammert dabei die Tischkante. „Mr. Culpepper, Sir! Es tut mir ausgesprochen leid. Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen.“

„Äh … Was genau, Mrs. O‘Kelly? Haben Sie jemanden umgebracht?“

„Die Unterlagen“, antwortet sie düster.

Endlich dämmert es mir, wovon sie spricht.

„Mr. Bones teilte mir mit, dass er Sie beauftragt hat, die Papiere zu vernichten.“

Die Dame nickt unglücklich. „Bestimmt sind Sie furchtbar böse mit mir.“

„Mrs. O’Kelly, wie könnte ich auf Sie böse sein, wenn Sie im guten Glauben und auf Anweisung gehandelt haben? Tatsächlich bin ich über Mr. Bones verärgert, weil der sich in Polizeiarbeit eingemischt hat.“

„Sie werden mir nicht kündigen?“ Sie wirkt ehrlich besorgt.

„Dazu besteht überhaupt kein Grund.“

Erleichtert atmet sie auf. „Ich bin auf den Job angewiesen“, verrät sie mir. „Mein Mann befindet sich seit einem Unfall im Pflegeheim. Die Kosten sind enorm hoch …“

Unwillkürlich horche ich auf. „Was ist passiert?“

Mrs. O’Kelly lächelt müde. „Brian hat auf dem Milchhof gearbeitet. Er ist vom Heuboden gestürzt, brach sich zwei Wirbel und erlitt einen Schädelbruch. Seitdem ist er auf einen Rollstuhl angewiesen und nicht mehr klar im Kopf.“

„Das tut mir ausgesprochen leid“, sage ich betroffen.

„Ich war bis dahin Hausfrau“, erklärt Mrs. O’Kelly. „Mittlerweile halte ich uns mit den Putzjobs über Wasser.“

„Wo reinigen Sie denn überall?“, frage ich interessiert.

„Neben Ihrem Büro noch in der Bibliothek, bei Mrs. Pratcourt abends im Blumenladen und bei Mister Scatterfey.“

Wenn Letzteres keine Empfehlung ist.

„Mrs. O’Kelly, ich wage gar nicht zu fragen … Würden Sie womöglich eine weitere Stellung annehmen?“

Ihre Augen leuchten auf, als ob jemand in ihrem Kopf einen Lichtschalter betätigt hätte.

„Bei Ihnen privat?“, haucht sie.

„Staubwischen, Böden und Fenster reinigen?“

„Oh, Mr. Culpepper! Sie ahnen gar nicht … Natürlich! Gerne.“

Es ist nicht zu übersehen, wie sie sich freut. Wir einigen uns darauf, dass sie zukünftig jeden Freitag bei mir putzen wird. Der verlangte Lohn ist lächerlich niedrig und ich beschließe im Stillen, einen Teil für einen Bonus zu Feiertagen zurückzulegen, wenn sie als Putzkraft hält, was sie verspricht. Ich teile ihr mit, wo sie den Zweitschlüssel findet, und bitte sie inständig, das Versteck im Rosenstock niemandem sonst zu verraten.

„Haben Sie für Mr. Welsham ebenfalls geputzt?“, will ich zum Schluss wissen.

„Nur hier im Büro. Privat war Mr. Welsham ziemlich verschlossen. Anfangs war er redseliger, doch nach etwa drei Monaten zog er sich immer weiter zurück. Selbst im Pub tauchte er nicht mehr auf.“

„Haben Sie eine Vermutung, woran das gelegen haben könnte?“ Für den Bruchteil einer Sekunde denke ich, dass sie mir etwas erzählen möchte. Zu meinem größten Bedauern schüttelt sie letztendlich mit beinahe starrem Gesicht den Kopf. Sie hat wichtige Informationen, da bin ich mir sicher. Leider macht sie genau wie Nathan dicht. Okay, ich kann ja verstehen, dass man sich einem völlig Fremden nicht gleich anvertrauen mag. Allerdings komme ich auf diese Weise in Sachen Welsham nicht weiter.

Geduld, ermahne ich mich.

„War Mr. Welsham nett?“ Ich probiere es einfach mit unverfänglichen Fragen weiter.

„Oh ja. Er war stets höflich und hat sich vorbildlich verhalten“, antwortet meine neue Putzfrau.

„Also haben Sie nie erlebt, dass er sich mit jemandem gestritten hat?“

Mrs. O’Kelly zögert. „Mit Mister Scatterfey hatte er einen heftigen Disput. Das war wenige Tage vor seinem Tod.“

Oh!

Um nicht zu sagen: OH!!

„Haben Sie mitbekommen, worum es bei dem Streit ging?“

„Nein, dafür war ich zu weit entfernt. Warum fragen Sie mich nach all diesen Dingen, Mr. Culpepper?“

Ich lächle möglichst einnehmend. „Weil ich ein unerträglich neugieriger Mensch bin. Außerdem habe ich Mr. Scatterfey beauftragt, mein Haus ein wenig auf Vordermann zu bringen. Wenn er wider Erwarten unzuverlässig sein sollte …“

Oder in einen Mord verwickelt …

„In diesem Fall kann ich Sie beruhigen, Mr. Culpepper. Sie werden keinen besseren Handwerker als Mr. Scatterfey finden.“

„Wirklich?“

„Es ist, als hätte er magische Hände“, schwärmt mir Mrs. O’Kelly vor. Okay, die magischen Hände nehme ich ihr ab.

„Entschuldigen Sie, Mr. Culpepper. Ich würde ja gerne weiter mit Ihnen plaudern. Aber ich will zu meinem Mann ins Pflegeheim fahren.“

„Dann möchte ich Sie nicht länger aufhalten.“ Ich erhebe mich höflich und geleitete Mrs. O’Kelly zur Tür. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Mrs. O’Kelly.“

„Bis bald, Mr. Culpepper.“ Sie drückt meine Hand und eilt in den Regen hinaus. Nachdenklich schaue ich ihr hinterher. Sowohl sie als auch Nathan wollen mir nicht alles erzählen. Bei Nathan ist es offensichtlich, Mrs. O’Kelly versucht es dagegen zu vertuschen. Was ist in Bloomwell eigentlich los?

###

Der Regen lässt ein wenig nach. Die Gelegenheit nutze ich, um quer durch das Dorf zu laufen und Welshams Haus aufzusuchen. Ich schlüpfe unter dem Absperrband der Polizei auf das Grundstück und dokumentiere als Erstes mit der Handykamera die aufgebrochenen Siegel an der unverschlossenen Tür. Ungehindert kann ich das Haus betreten. Den tropfnassen Schirm stelle ich am Eingang ab und verharre einen Moment, um die Atmosphäre auf mich wirken zu lassen. Der Flur ist recht unspektakulär. Eine gestreifte Tapete in Erdtönen, eine Garderobe aus Eichenholz und ein länglicher Spiegel in einem Rahmen aus geflochtenen Weidenzweigen. Und ich dachte schon, dass mein Haus altbacken eingerichtet ist. Neben dem Spiegel hängen Fotos von einem älteren Paar. Vermutlich handelt es sich bei ihnen um Welshams Eltern. Weiterhin gibt es drei Schnappschüsse, die offenbar ihn selbst darstellen. Auf einem der Bilder sitzt er in ein Buch versunken an einem Teich, auf dem zweiten steht er mit einem strahlenden Lächeln an einem Grill und auf dem letzten Foto ist er in Imkerkleidung gehüllt. Welsham ist von kleiner, schmächtiger Statur. Auf keinem Foto merkt man ihm dem Detective Sergeant an. Er wirkt eher wie jemand, der gerne in aller Stille Kreuzworträtsel löst. Ich trete einen Schritt näher an die gerahmten Bilder heran. Auf jedem trägt Welsham eine Brille, beim Lesen genau wie beim Grillen. Okay, unter dem Imkerhut lässt es sich bloß vermuten. Es handelt sich genau um die Brille, die ich im Büro gefunden und die der stinkende Bones Welshams Familie zugeschickt hat. Ich fotografiere das Bild mit dem Grill ab und werfe gleich darauf links einen Blick durch die Tür. Dort liegt die Küche, ganz in Weiß gehalten. Es riecht unangenehm. Naserümpfend gehe ich hinein und öffne ahnungsvoll den Kühlschrank. Er ist vollgestellt, allerdings gammelt dort so einiges vor sich hin. Niemand hat sich die Mühe gemacht, ihn nach Welshams Tod auszuräumen. Ich halte den Zustand in einem weiteren Foto fest, bevor ich den Kühlschrank wieder schließe. Einer Eingebung folgend klappe ich danach den Backofen auf. In einer Auflaufform lacht mir etwas Verschimmeltes entgegen. Es erweckt in mir den Eindruck, als hätte ein Abendessen auf Welsham gewartet. Schade! Da ist der arme Kerl obendrein mit leerem Magen gestorben. Es folgt ein weiteres „Knips!“, bevor ich die Backofentür zuschlage. Nun begebe ich mich in den Raum des Todes: das Wohnzimmer. Wie in meinem Haus liegen die Deckenbalken offen und haben es Welsham damit ermöglicht, sich an einem von ihnen aufzuhängen. Die kleinen Schildchen mit den Ziffern der Spurensicherung befinden sich weiterhin vor Ort. Mit anderen Worten: Die Tatortreinigung war bisher nicht dagewesen.