Buch lesen: «Oni - Sicherheitslücke Mensch»

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Sam Badawi

Oni – Sicherheitslücke Mensch

Impressum

©NIBE Media ©Sam Badawi

Deutsche überarbeitete Ausgabe

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Die Handlung dieses Romans ist frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Der Roman enthält darüber hinaus zahlreiche Bezüge zu realen gegenwärtigen und historischen Ereignissen und Gegebenheiten.

Inhaltsverzeichnis:

Vorwort des Autors

Sequenz 1: Die Welt, die wir uns schufen

Sequenz 2: Der Romeo Agent / Das Reziprozitätsprinzip

Sequenz 3: Erstkontakt Konzern

Sequenz 4: Der Bauer, der König sein wollte

Sequenz 5: Egal was geschieht, wir gewinnen

Sequenz 6: Engel mit Teufelshörnern, Teufel mit Heiligenschein

Sequenz 7: Grundordnung Menschlichkeit

Sequenz 8: Willkommen im Kreis

Charaktervorstellung:

Hobbs:


Hobbs, von der eigenen Familie hintergangen. Ein Überlebensdasein, jeder Tag ist ein neuer Test. “Ich gehöre zur Unterschicht und so werde ich auch in dieser Welt behandelt. Doch sein wir ehrlich, würde ich zur Oberschicht gehören, würden mich die Probleme dieser Welt überhaupt interessieren?”

Alter: Mitte 20

Hobbys: Seine kleine Schwester besuchen und sich über die Welt und die Menschen vorm dritten Weltkrieg informieren. Hobbs fragt sich immer wieder, wie das Leben wäre, wenn er nicht in dieser unmenschlichen Zeit des Kapitalismus geboren wäre.

Oni:


Ist Oni ein Held, oder ein Antiheld? Ein Hüter des Rechts oder vielmehr ein Verbrecher? Ein Geisteszustand oder ein Mindset? ist er der Retter oder der Untergang, der Anfang oder das Ende?

Danny Lee:


Danny Lee, ein junger, zielstrebiger IT-Polizist, mit einem starken Sinn für die Gerechtigkeit. Loyalität und der Drang etwas zu ändern waren schon immer Bestandteile seines Charakters, doch in diesem Abenteuer, sollen auch diese Eigenschaften auf eine harte Probe gestellt werden.

Alter: Mitte 20

Hobbys: Leichtathletik und Sportschießen

Hope:


Seinen Namen trägt “Hope” durch die erste Begegnung mit Hobbs. Ein loyaler Gefährte unseres Protagonisten, über den aber viel zu wenig bekannt ist. Doch zumindest die Armen müssen in dieser grausamen Welt zusammenhalten oder nicht?

Alter: Ende 30

Hobbys: Rauchen, lesen und dabei Tee trinken

Vorwort des Autors

Guten Tag, mein Name ist Samer El Badawi, zu dieser Zeit 21 Jahre alt. Nach meiner langwierigen Recherche zum Thema Social Engineering möchte ich mit diesem Buch eigentlich nicht mehr als wahrscheinlich jeder andere Autor. Ich möchte, dass sich der Leser Gedanken macht. Wir leben in einer Risikogesellschaft, jeder möchte sich gegen möglichst viele Risiken absichern. Zeitgleich befinden wir uns auch noch in einer Erlebnisgesellschaft, die den Endnutzen trägt, uns von den Risiken abzulenken. Konzerne und Einzelgesellschaften sind sich dessen bestens bewusst. Durch einfache Gesprächslenkung verkauft der Versicherungskaufmann, um vor Risiken zu schützen, und der Großkonzern bietet sein neustes erlebnisreiches Produkt an, um uns als Konsumenten von den Problemen der Gesellschaft abzulenken und seinen Gewinn zu maximieren. Doch wie funktioniert das? In der IT würde ein Code zum Ausspähen oder Verändern von Daten reichen, doch wir alle sind keine Maschinen. Was also tun, um die Ziele zu erreichen, die wir Menschen uns mit einer bestimmten Intention setzten?

Wir manipulieren. Wir manipulieren Freunde, Beziehungen und Geschäftspartner zu unserem Vorteil. Bewusst oder unbewusst. Die meisten würden behaupten, grundlegend wäre es zu viel, in der Liebe oder in Freundschaft von Manipulation zu sprechen. Doch mit einer bestimmten Intention die Meinung anderer zu seinem Vorteil zu ändern, ist das, was Manipulation im Endeffekt ausmacht.

Willkommen in der Welt des Social Engineering. Willkommen in der Welt von Oni.

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Guten Tag,

die Reichen immer reicher? Die Armen nagen am Hungertod? Es ist uns egal, es ist nicht unser Problem. Es ist nicht das Problem der Oberschicht, sich um den Dreck zu scheren, der unten unsere Krümel leckt, wie die Ratten, die sie sind. Das muss der Gedanke der Reichsten ein Prozent gewesen sein, nachdem sie Probleme schufen und die Lösungen boten, bis sie die Welt unter dem Konzern und dem System vereinten und für die Überlebenden eine Welt schufen, die nahezu perfekt wurde, aber zu dem Preis der Freiheit.

In ihren Augen waren sie Götter.

Der vierte Weltkrieg – erinnerst du dich? Die Toten des Bürgerkriegs – dämmert es dir? Die Welt erschaffen, auf den Leichen derer, die frei sein wollten?

Nein du erinnerst dich an den Konzern und das System, an das Social Ranking, das jedem Rebellierendem die Wahl brachte: Akzeptanz des Machtwortes des Systems und des Konzerns, oder Elend.

Die perfekte Welt, die wir schufen. Du lebst im Hier und Jetzt. Opfer müssen gebracht werden, um diese Welt aufrechtzuerhalten. Das erklären dir alle, wenn es um den vierten Weltkrieg geht. Doch das ist weder das Recht noch die Moral, die ein Mensch mit sich tragen sollte, der die Kontrolle über alles hat.

Wenn du das hier hörst, dann bin ich wahrscheinlich schon lange tot, meine Ideen und meine Geschichte jedoch leben weiter. Ich werde wohl nie so genau erfahren, ob mein Plan, meine Wünsche und meine Ziele in Erfüllung gegangen sind. Sollte dies der Fall sein, soll meine Geschichte dir ein Warnmal sein. Sollte ich jedoch gescheitert sein, musst du der nächste Oni werden, mein lieber Mithörer, je nachdem, wie sich die Geschichte entwickelt. Die Zeit lehrte mich, dass sich Geschichte wiederholt, die Frage ist nur wann und wie?

Aus diesem Grund spreche ich mit dieser Hologrammübertragung zu dir, lieber Suchende.

Mein Name ist Oni. Auch wenn meine wahre Identität, Hobbs, schon lange vor meinem richtigen Ableben starb, sollst du die wahre Geschichte kennen.

Ich werde dir meine Geschichte und meine Vorgehensweise mit auf den Weg geben. In der Hoffnung, dass auch du den richtigen Weg einschlagen wirst und eines Tages deine Geschichte und deine weiterentwickelten Methoden dafür sorgen, dass der Mensch es nie wieder wagt, seinen Narzissmus über die logischen Rechte eines jeden Menschen zu stellen.

Zur Vereinfachung habe ich alles in Sequenzen unterteilt.

Du magst vielleicht nicht über die angeborene Gabe des Multithinkings verfügen oder die emotionale Intelligenz besitzen, die dir deinen Weg vereinfacht. Doch ich glaube, mit deinem Willen und deinem guten Herzen findest du einen Weg, diese Welt zu beeinflussen.

Viel Glück, Oni der nächsten Generation.

Übertragung beendet.


Sequenz 1: Die Welt, die wir uns schufen

Mein Handywecker klingelt. 11 Uhr morgens, bei meinem Lebensstil wohl nichts Besonderes. Der Handywecker zeigt den 13. April 2238. Die Sonne scheint in meine, schon etwas ältere, sehr grau gehaltene Wohnung. Trist und für eine Renovierung bereit. Löcher in den Wänden und die Dämmung war so gut wie nicht vorhanden. Ich starrte an die Decke und versuchte meine Gedankengänge zu sortieren. Während die Sonne in mein Gesicht schien und ich merkte, dass es doch gar keine schlechte Idee wäre, mir endlich Gardinen zu kaufen, um nicht immer so ungemütlich verschwitzt aufzuwachen, klingelte der Live-Nachrichtenticker meines Handy-Alarms. Mein Handy war schon älter. Meine kleine Schwester schenkt es mir zu meinem 19. Geburtstag. 6 Jahre ist es her. Ich verseuchte es mit Viren aller Art, da ich als Jugendlicher unbedingt hacken lernen wollte. Es funktionierte auch halbwegs. Zwischen Tools und gefährlichem Halbwissen bewegte ich mich in der Szene. Ich kontrollierte im Online-Banking meine Einnahmen, wissend, dass sich an meiner Armut nichts geändert hatte. Die Live-Benachrichtigung ploppte erneut auf.

„Der Konzern und seine verdammten Nachrichten“, flüsterte ich vor mich hin. Eine vorinstallierte App, unmöglich sie zu löschen.

Der Paragraf 17 wurde verabschiedet, Wasser war nun kein Grundrecht des Menschen mehr. Ich starrte zwei bis 3 Sekunden geschockt auf mein Handy. Es machte sich einmal mehr Wut auf das System in mir breit. Doch wie so viele andere, war ich diesen Themen nach Jahrzehnten schon so emotional abgestumpft gegenüber, dass ich mich einfach entschied, mir erst einmal einen Kaffee zu machen.

Als ich das erhitzte Wasser meiner alten, mit Staub bedeckten schwarz-gräulichen Kaffeemaschine in meine Tasse gieße, kommt mir der im ersten Moment sarkastische Gedanke, dass dies doch jetzt ein Luxusgut wäre. Luxus war nichts für einen introvertierten Menschen wie mich. Ich war ruhig, beobachtete die Menschen um mich herum und war außerdem laut System „arbeitsunfähig“. Arbeitsunfähig in einer Welt ohne eine Mittelschicht. Ich bin wohl das, was die Gesellschaft als “Versager” sieht. Ich verwerfe diesen Negativgedanken und blicke in meinen kahlen und leerstehenden Flur.

Langsam wendete ich mich meiner Tür zu. In meiner kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung war es trotz Sonne sehr kalt. Ich konnte mir die erhöhten Strompreise nicht mehr leisten, also mussten es Decken fürs Erste als Ersatz für meine Heizung tun.

Als ich die Tür im Erdgeschoss meines Hausflures öffnete, sah ich eine belebte Großstadt. Jeder war in Eile, jeder in Hetze, jeder musste seinen Profit machen. Ich fragte mich, wie viele von denen, die ich hier über die breite mit roten Pflastersteinen versehene Straße laufen sah, Betrüger seien. Menschen, denen ihr Geld eigentlich nicht zusteht.

Doch mussten die Menschen hier nicht genau so agieren? Frei nach dem Motto “fressen oder gefressen werden?”. Gleichzeitig fragte ich mich, wie viele hier in meiner Situation sind, ich ließ meinen Blick über die Straße schweifen und entdecke beim genaueren Hinsehen so viele zerstörte Existenzen in den Gossen nach Geld betteln. Es war für mich immer wieder erstaunlich, wie mein Gehirn, selbst in meiner Situation, dass noch größere Leid ausblendete, es als unwichtige Information deklarierte, es waren ja nur “arme Menschen”. Ich hatte das “Glück”, dass meine Eltern, bevor sie uns verließen, um in der oberen Gesellschaftsschicht zu leben, uns diese kargen Räumlichkeiten überließen.

Dann sah ich mir einen Bettler einige Sekunden an, er lächelte mir zu und drehte sich eine Zigarette.

Ich rief einen der Bettler zu mir und gab ihm ein Stück Brot. Er lächelt erneut und sagte: „Wenn ich dir irgendwann mal helfen kann, scheue dich nicht, Bescheid zu sagen. Ich schlafe unter Kartons und Decken dort hinten in der Gasse an der Kreuzung.“

Ich lächelte und nicke ihm zu.

Die Obdachlosen des ersten Bezirkes waren menschlicher als die meisten Kaufleute hier.

”Danke dir mein Freund und tut mir leid falls es dir unangenehm ist, vor so vielen Mittelständlern mit mir zu sprechen …”

Ich war geschockt von dieser Aussage doch ließ ihn weiterziehen, ohne weiter auf diesen Satz einzugehen.

Im 23. Jahrhundert war der Unterschied zwischen Arm und Reich größer als je zuvor. Der Mensch besaß nur noch Angst oder Gier nach Erlebnissen. Doch ich hatte ein Talent, ein Talent, das mir Vorteile gegenüber dieser grausamen Gesellschaft brachte.

Das limbische System. Ich kannte es in- und auswendig. Es ist für das Triebverhalten des Menschen zuständig, auch bearbeitet das limbische System die emotionalen Informationen, die das Gehirn aufnimmt. Ich entdeckte es als Jugendlicher und studierte es aus eigenem Interesse. Die Stadtbibliothek war kostenlos und ich hatte eh nicht viel zu tun. Doch ich lernte durch das Beobachten der Menschen in meinem Umfeld schnell. Lüge und Wahrheit zu unterscheiden, Intentionen und Emotionen zu lesen.

Meine Rechnungen bezahlte das auch nicht, aber ich klammerte mich an die Vorstellung, ihnen geistlich überlegen zu sein, denn auch ich war irgendwo im Narzissmus meiner selbst gefangen.

In einer Zeit in der IT-Sicherheit alles war, gab es eine Variable, die nie wirklich sicher war, die Variable Mensch.

Ich fing meine Gedanken ein und nahm die kostenlose Zeitung, die, wie jeden Morgen vor der Tür lag, auf. Warum kostenlos? Na ja, eine einfache Werbemaßnahme des Großkonzerns. Es ist wie auch schon damals im 21. Jahrhundert vor dem Massenzusammenbruch der Wirtschaft und den Angriff auf die reichsten 3 Prozent, ein einfaches Mittel, um Anhänger dieser Konsumgesellschaft zu werden.

Ich setzte mich wieder in meine kleine Wohnung. Schlug die Zeitung auf, von der ich doch eigentlich so angewidert war, und fing an zu lesen. Ein Gedenkspruch von Karl Marx als Überschrift des Hauptartikels:

„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“

Es scheint mir Ironie in seiner Endstufe zu sein, dies von dem größten und mittlerweile einzigen Konzern dieser Welt zu lesen. Nein es ist an Ironie nicht mehr zu übertreffen. Der Konzern hatte die komplette Monopolstellung zu allen Märkten weltweit. Doch um die Konsumgesellschaft gebunden zu halten, agierten sie, als hätte sich irgendetwas zum 21. Jahrhundert geändert und das, obwohl es offensichtlich war, dass das Leid der Mittel und Unterschicht nicht größer hätte sein können.

Ich schüttelte meinen Kopf. „Im Endeffekt bin ich ja nicht anders.“ Ein schlafender Kritiker.

Das Einzige, was mir geblieben ist, ist meine kleine Schwester.

Da meine Eltern, wie so viele erfolgreiche Kaufleute für den Konzern arbeiteten und es aber in unserer Zeit eine Widerlichkeit ist arbeitslos zu sein, hatten sie uns im Stich gelassen. Unter dem Vorwand, für die Familie Geld zu verdienen, ließen sie uns zurück. Als sie hörten,dass ihre Tochter erkrankte, zahlten sie einen Basisplatz im Krankenhaus, besuchen kamen sie die Kleine aber nie. Sie waren so herzlos wie die meisten in dieser Welt. Einnahmen maximieren und Ausgaben minimieren. Mit der Einlieferung meiner kleinen Schwester fiel das Kindergeld weg und so beschlossen sie, die Kosten nicht mehr zu tragen und an mich abzugeben, „denn ich hätte ja eh nichts Besseres zu tun und sollte Verantwortung übernehmen lernen.“

Eine billige Ausrede, um sich der Verantwortung Eltern zu sein zu entziehen. Sie erzählten mir, ich solle das Sorgerecht für ein paar Monate übernehmen, damit sie sich voll und ganz auf die Karriere im Konzern konzentrieren könnten. Gutwillig und naiv wie ich war, willigte ich ein.

Sie kamen nie zu uns zurück.

Ich kann mich noch wie gestern an den Schock und die Realisierung dieses Zustandes erinnern.

„Sie werden nicht zurückkommen, oder?”

Doch es brachte mich nicht voran, sie zu verfluchen. Ich las also die Zeitung weiter und versuchte diese ekelhafte Erinnerung wieder in meinem Unterbewusstsein zu begraben.

Börsenartikel, Technikartikel und einen großen Artikel über emotionale Gesundheit. Ich lachte leise, bis meine Stimme wieder verstummte. Die Gesellschaft schläft, wie sie es auch vor 100 und 200 Jahren tat. Während Feiern, Großveranstaltungen und die Begierde nach einem ereignisreichen Leben im Fokus des Lebens standen, setzten die Regierungen der Welt sich immer wieder zusammen, um Gesetze zur Kontrolle zu erbringen. Dass ich in dieser Zeit geboren wurde, heißt nur, dass ihr Plan aufgegangen ist. Die Reichen wurden noch reicher und die Armen immer ärmer. Bis zum Wirtschaftszusammenbruch 2083. Ein siebenjähriger Bürgerkrieg gegen den Staat und die Reichen begann. Doch die Schlüsselpositionen in diesem Krieg waren von Reichen ohne Herz besetzt. Wenn diese sich damals anders entschieden hätten … sich entschieden hätten, für das Wohl der Allgemeinheit, statt für ihr eigenes zu kämpfen, vielleicht hätten wir dann eine zufriedene Gesellschaft und keine, die sich gegenseitige Zufriedenheit vorgaukelt, um über die wachsenden vorhandenen Probleme hinwegzusehen. Diese Gesellschaft war eine tickende Zeitbombe und ein Massensterben des armen Menschen Ihr Ergebnis.

„Aber Hey, bis das passiert lebe ich ja schon nicht mehr oder?“.

Das 21. Jahrhundert brachte neben Krieg, Extremismus, Wirtschaftskrisen, wachsenden Umweltproblemen und Flüchtlingspolitik auch das Problem der Gier mit sich. Es war zu spüren, dass es viele Menschen gab, die sich die Regierung nicht mehr gefallen lassen wollten, und auch die Regierung wusste zum damaligen Zeitpunkt, worauf es hinauslaufen würde. Es gab keine Lösungsansätze, sondern nur Hass. Hass, der sich in die Herzen der Menschen einbrannte.

Ich merkte, wie mit jedem einzelnen Gedanken mein Kaffee zu sinken begann. Als er leer war, zog ich meine Kleidungsstücke an und machte mich auf den Weg ins lokale Krankenhaus.

Es war Zeit, meine Schwester zu besuchen. Auf dem Weg sah ich überall die Marken der Unternehmensgruppe an Straßenschildern, in der Bahn; überall Impulse in dieser Stadt, die doch so gerne noch futuristischer wäre, um dem schlafenden Kritiker, der ich bin zu zeigen, dass sie alles richtig gemacht hatte.


Ein kurzer Blick aus dem Fenster, zeigte mir den lokalen Bezirkspark, den Ort, den ich am liebsten mit meiner kleinen Schwester besuchen würde.

In der Bahn wurde ich mit schamhaften Blicken der Kaufleute und Karrierejäger begrüßt. Ich setzte mich in die hinterste Reihe und versuchte mich, mit Piano-Musik aus vergangenen Tagen, zu beruhigen. Kunst war ein seltenes aber nie vergangenes Gut. Aber die Mainstream Medien und ihre Musik haben mir nie wirklich zugesagt. Außerdem wurden ja auch sie, die „Künstler“, vom Konzern ausgewählt und publiziert.

Ich entspannte mich und ließ meine Gedanken, nachdem ich einen Timer auf 15 Minuten gestellt hatte, erneut in die Leere gleiten.

„Überall diese Impulse, psychologische Schlagwörter soweit das Auge reicht, die absolute Reizüberflutung.“

Bei der Zielstation angekommen, richtete ich meine Klamotten, soweit man eine schwarze Jeans und ein dunkelgraues T-Shirt richten konnte. Auch mein Mantel hatte schon bessere Zeiten gesehen. Ich ging auf das Krankenhaus zu. Wie in jedem Laden des Konzerns wurde ich zuvor auf meine Identität überprüft. ID Karten mit elektronischer Identifikationskontrolle und Tracker. Ein Gesetz, das über den Konzern und die Lobby-Gesellschaften durch die Politik des Systems ermöglicht wurde.

Auch hier war der Aufschrei groß, doch getan hat am Ende niemand was. Das Stadium der Akzeptanz war auch in diesem Punkt schnell erreicht.

Die Massenmanipulation hatte seinen Auftrag erfüllt und die Oberschicht wachte zufrieden über alles andere.

„Genug davon“, dachte ich mir und freute mich, meine kleine Schwester wiederzusehen. Auch für meine emotionale Gesundheit war es schön, einen Menschen zu haben, mit dem ich mich austauschen konnte.

Ich betrat nach meinem Identitätsscan ihr Zimmer. Ein junges blondhaariges Mädchen. Ihr gesundheitlicher Zustand war nicht gut, das sah man ihr an. Aber ihre Freude war echt, und genauso war es meine. 12 Jahre alt. Es war eine Schande für mich, dass ich ihr nicht die Hilfe geben konnte, die ich geben wollte.

Das System gab mir keine Arbeit. Ich war „Emotional unzurechnungsfähig“. Das Social-Ranking-System des Staates hatte mich so eingestuft, und was die Analyse dieser verdammten Maschinen, die sich Regierung nannte, sagten, das war hier Fakt.

Das, was ich an Sozialhilfe bekam, floss zu 55 % in die Behandlung meiner Schwester, so lebe ich zwar in Armut, aber glücklich. Ich hoffte, meine Schwester hätte ein schönes Leben vor sich, nicht wie der Nichtsnutz, der ich war.

Sie lernte fleißig jeden Tag und sie bekam eine staatliche Förderung für Kranke, die nachweisen konnten, dass sie überdurchschnittlich intelligent sind. Ich dachte nicht, dass ich trotz meines Talentes für das limbische System, noch großartig was in dieser Welt ändern würde. Aber meine überdurchschnittlich intelligente kleine Schwester könnte es. Sie interessierte sich auch schon in ihren jungen Jahren für die Politik und ich dachte, dass sie eine realistische Chance hätte, etwas zu bewegen. Deshalb, und weil ich sie liebte, lebte ich mit Stolz in Armut, um ihr eine Zukunft zu ermöglichen, die besser war als meine eigene.

Ich habe ein Dach über dem Kopf und führe ein glückliches Leben.

Als ich den Raum betrat, schrie sie: „Super-Hobbs“, ein Spitzname, den sie mir gab. Ich erzählte ihr als kleines Kind, Super-Hobbs wäre der große Held unserer Familie, der sie immer vor allen Monstern beschützen würde, wenn es dunkel ist und sie allein Angst im Krankenhaus hätte. Einige Wochen später dann fing sie an, mir diesen Spitznamen zu geben. Sie sagte: „Du beschützt mich, also bist du auch Super-Hobbs!“

”Eigentlich habe ich so einen Namen doch gar nicht verdient …”

Wir sprachen eine Weile über ihr Lieblingsessen. Ich werde nie verstehen, was sie so an Waffeln mit Sahne hatte. Auch sprachen wir über die kulinarischen Dinge, die sie in ihrem Leben noch essen würde.

Wir redeten über Politik und über Moral. Aber irgendwo musste auch Platz dafür sein, ein Kind zu sein. Ich nahm sie huckepack und wir liefen lachend durch das Krankenzimmer.

Wir sprachen über ihren ersten „Brief-Freund” und über die Boyband, die sie so mochte.

Als ich sie zurück ins Bett legte, flüsterte sie mir „Ich habe dich lieb, großer Bruder“ ins Ohr.

„Ich dich auch, aber ich muss los, zum Amt“, erwiderte ich.

Ich sprach noch kurz mit ihrem Psychologen und stempelte mich aus.

Ich verließ das Krankenhaus. Auf dem Weg zum Amt kaufte ich mir ein Frühstücksbrötchen.

Ich war in Trance auf meinen Termin beim Amt fixiert. Ich ging im Kopf alle Unterlagen durch und wie meine Wortwahl gleich auszusehen hätte. Welche Argumente musste ich hervorbringen, wie mussten meine Tonlage und meine Körpersprache in welcher Situation aussehen, um das gewünschte Ziel zu erreichen, was wusste ich über mein Gegenüber?

Als ich an der Kasse war, wollte ich mein Portemonnaie aus meiner Jackentasche ziehen, als ich ungefähr 10 Meter von mir entfernt einen Polizisten einer dunkel gekleideten Person Handschellen anlegen sah. Im nächsten Moment realisierte ich, dass mein Portemonnaie von diesem Jemand geklaut worden war.

Wie konnte ich diesen Typen übersehen? Das wäre mein letztes Geld gewesen.

Der Polizist brachte mir das Portemonnaie und fragte mich in höflichem Ton, ob ich Anzeige erstatten möchte.

Er sieht sehr jung aus, und ich vernehme durch seine Dienstkleidung, dass er wohl zu einer IT-Einheit gehören muss und nur zufällig vor Ort war.

Ich antwortete: „Nein, aber Danke für die Rettung meines Geldes, keiner hat es heutzutage wirklich leicht, oder?“ Er lächelte und entgegnete: „Das ist keine Rechtfertigung für eine Straftat, ich wünsche einen schönen Tag der Herr.“

”Und achten sie auf Ihr Portemonnaie.” Er lächelte erneut und zwinkerte mir zu.

Ich erwidere das Lächeln, nicke und ging mein Frühstück bezahlen. Beim Amt angekommen, setzte ich mich in den Wartebereich und schärfte mein Gehör.

Als meine Sachbearbeiterin die Tür öffnete, vernahm ich eine gestresste Tonlage.

Ich wies sie darauf hin, dass ich ihren Stress verstehen könne, und dass ich mich bemühen würde, den Termin kurz zu halten.

Ihre Körpersprache war mir wie meist, sehr offen und zugeneigt gegenüber. Als sie jedoch ihre Fußposition unterbewusst von mir lenkte, ging ich in meinem Kopf kurz und knapp die schlimmsten Szenarien durch, ich veränderte dabei mein Gesichtsausdruck nicht. Ich nahm Mikroausdrücke des unwohl Befindens bei ihr wahr und analysierte den Schreibtisch nach Unterlagen, die auf Leistungsdruck von oben hinwiesen. Ich entdeckte anhand der vorliegenden Unterlagen, dass sie wohl zu vielen Menschen Sozialhilfe zubilligte und das gegen ihren Willen ändern musste.

In ihrem Gesicht bildete sich Ernsthaftigkeit, doch ich kam ihr zuvor und machte ein sarkastisch gehaltenes Kompliment, um die Stimmung zu lockern. Ich verwies darauf, dass mir bewusst war, dass sie sich an gewisse Zahlen von oben zu halten hatte.

„Sie können mich und meine Schwester doch jetzt nicht hängen lassen.”

Gleichzeitig erkläre ich ihr die Situation von mir und meiner Schwester, das Unwohl befinden in ihr musste größer werden als ihr Leistungsdruck. Die Variable Mensch war auch nach Tausenden von Jahren immer noch der einzige wirklich angreifbare Punkt im System.

Nach kurzem Gespräch sicherte sie mir die Leistung mit einer kleinen Kürzung zu. Ein zufriedenstellender Kompromiss, wenn wir die Ausgangssituation betrachten.

Mir war bewusst, dass unter dieser Entscheidung ein anderer keine Sozialleistungen mehr erhalten wird. Aber das ist nun mal das System, es ist ekelhaft und unfair.

Ich kam zu Hause an und öffnete meine Post. Rechnungen und Mahnungen.

Doch dann trifft es mich wie ein Schlag in die Milz. Mir wird übel. Ich fing mich am alten Holztisch meiner Küche.

Sehr geehrter Herr Hobbs,

es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass unsere Leistungsbeiträge durch den § 17 um 8 % steigen. Bitte richten sie jetzt einen Dauerauftrag per Identifikationsscan ein, um die Patientin Frau Hobbs weiter unter ihrer Rechnung laufen zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Die Konzernmedizin

Meine Leistungen wurden vom Amt doch gerade erst um 10 % verringert. Ich gab doch schon 55 % meines Geldes an die Konzernmedizin und nun sollte ich auch noch 8 % mehr an die Konzernmedizin zahlen?

Doch ich fasste mich bei dem Gedanken an das Lächeln meiner Schwester. Ich würde nur noch die Miete bezahlen und den restlichen Tag mit Schuhe putzen und Betteln an die Kaufmänner meiner Stadt verbringen. Ein nicht zufriedenstellendes Leben führte ich ja jetzt schon, da konnte ich auch noch weiter sinken, ohne mich zu schämen.

Meine Schwester war mir das Wichtigste und ich wollte dieser Welt nicht einige der wenigen Hoffnungen auf Besserung nehmen, selbst wenn es heißen würde, dass ich von nun an hungern müsste.

Beim Putzen der Schuhe ließen mich die Menschen spüren, dass ich der unterste Rang ihres Systems war. Ich weinte abends vor Schmerz in der Brust über meine Situation und über den Hass auf das System, aber ändern konnte ich ja doch nichts.

„Verdammter Mist, ich muss doch irgendetwas tun können!”

Letztendlich war ich doch nicht mehr als ein schlafender Kritiker, jemand der sich beschwerte, ohne etwas zu unternehmen. Ich nahm die Welt hin so, wie sie war, da ich so in sie hineingeboren wurde.

Um ein Beispiel zu nennen. Das Konformitätsexperiment von Asch. Der Versuchsaufbau sah folgendermaßen aus: Mehrere Personen saßen an einem großen Konferenztisch. Der Versuchsperson, die diesen Raum betrat, wurde gesagt, es handle sich um andere freiwillige Teilnehmer an diesem Verhaltensexperiment. Die Wahrheit jedoch war, dass alle Anwesenden außer der Versuchsperson Vertraute des Versuchsleiters waren.

Auf einem kleinen Zettel wurde der Gruppe eine Linie dargestellt. Neben dieser Hauptlinie wurden drei weitere Linien gezeigt und es war die Aufgabe der Personen, einzuschätzen, welche dieser drei Vergleichslinien gleich lang wie die Hauptlinie war.

Bei jedem Durchgang war eine der Linien deutlich erkennbar gleich lang wie die Hauptlinie. In der Kontrollgruppe sollten die Vertrauten des Versuchsleiters ihre wahre Einschätzung in der Gruppe äußern, welche Linie die gleich lange sei. Erwartungsgemäß macht die Versuchsperson, die mit den heimlichen Vertrauten am Tisch sitzt, unter dieser Bedingung keinen einzigen Fehler. Das eigene gesunde Menschenverständnis war das gleiche der Gruppe, also wozu die Meinung auch ändern?

In der Experimentalgruppe fanden jeweils 18 Schätzungen statt. Während sechs dieser Durchgänge waren die heimlichen Vertrauten instruiert, ein richtiges Urteil abzugeben, damit diese 6 vertrauenswürdig für die Versuchsperson sind. Während der verbliebenen zwölf Durchgänge, die zufällig unter die 6 anderen Durchgänge gemischt wurden, sollten die Vertrauten einstimmig ein falsches Urteil abgeben. Sie sollten bewusst lügen.

Die Testpersonen passten sich bei einem Drittel der Durchgänge trotz offensichtlicher Fehlentscheidung der Mehrheit an. Man sollte meinen, eine Lüge bleibt eine Lüge. Auch, wenn sie von Tausenden geglaubt wird. Dem ist aber leider Gottes in dieser Gesellschaft nicht so. Wir schlafen alle, genauso wie die Testpersonen des Konformitätsexperiments von Asch, die das Unrecht hinnahmen; genauso taten wir es doch auch. Die Lüge, wir würden unter einem Monopol, das alle Gesetze und die Wirtschaft reguliert, frei leben. Es war offensichtlich, doch wir nahmen es alle einfach so hin.

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