Buch lesen: «Im Gebirge»
Sabine Joss | Im Gebirge |
Sabine Joss
Im Gebirge
Natur erleben - beobachten - verstehen
Sabine Joss ist selbstständige Biologin und Journalistin BR. Sie arbeitet bei verschiedenen Forschungsprojekten über Artenvielfalt und publiziert Beiträge zu Naturthemen in Büchern sowie in Wander- und Reisemagazinen.
1. Auflage: 2012
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-258-47674-2
Alle Rechte Vorbehalten
Copyright © 2012 by Haupt Berne
Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig.
Gestaltung und Satz: pooldesign.ch
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.naturerleben.net in Partnerschaft mit www.naturgucker.net www.haupt.ch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Vorbereitung für den Ausflug ins Gebirge
Gebirge - eine Einleitung
Lebensraum Gebirge
Die Alpen - ein Kurzporträt
Eigenschaften des Gebirges
Höhenstufen
Wald- und Baumgrenze im Gebirge
Herkunft der Alpenpflanzen
Frühling
Einleitung Frühling
Vögel im Gebirge
Zwergwuchs - eine Erfolgsstrategie
Murmeltiere
Alpine Fließgewässer - Leben in der Strömung
Kalk und Silikat
Pflanzen auf Felsen und in Spalten
Essbare Alpenpflanzen
Kurzinformation Frühling
Sommer
Einleitung Sommer
Faszinierende Flechten
Wolkenfahnen, Mischungsnebel und Brockengespenst
Mit Haaren, Wachs und Pigmenten
Bergseen in allen Farben
Schokolade-, Pferdeschweiß- und Pfirsichdüfte
Geröll und Schutt
Alpine Rasen
Kurzinformationen Sommer
Herbst
Einleitung Herbst
Kältefeste Winzlinge
Gämsen
Bergwald und Naturgefahren
Gletscher - Landschaftsgestalter mit Vorlieben für runde Formen
Gletschervorfelder und alpine Schwemmebenen
Kurzinformationen Herbst
Winter
Einleitung Winter
Überwintern im Gebirge
Eisbirnen, Untersonnen und Eiskristalle
Brunst im Hochwinter
Wie Pflanzen überwintern
Wenn das Herz vor Schreck fast stehen bleibt
Kurzinformation Winter
Anhang
Fragen und Antworten
Dank
Bildnachweis
Vorwort
Die Berge haben für viele Menschen eine große Anziehungskraft: Da ist zum einen die beeindruckende Szenerie der Gipfel, Täler, Gletscher und reißenden Bäche, zum anderen aber auch die spektakuläre Flora und Fauna. Blaue Enziane, violette Alpen-Astern und Alpenrosenheiden sind allgegenwärtig; mit Glück lässt sich gar ein Edelweiß aufspüren. Fast immer sind die Flugkünste der Alpendohlen zu beobachten oder das majestätische Kreisen eines Raubvogels. Und über der Waldgrenze kann man mit den schrillen Warnpfiffen der Murmeltiere rechnen und darauf hoffen, in der Felswand den Gämsen beim Klettern zu zuschauen.
Runter vom Sessel, hinein in die Natur! Erleben Sie die unbekannte Natur der Gebirge, spüren Sie den Zusammenhängen nach und entdecken Sie, wie raffiniert sich die Natur auch auf kleinem Raum eingerichtet hat. Dafür werden keine besonderen biologischen Kenntnisse vorausgesetzt - was Sie für Ihre Erkundungen benötigen, wird durch das vorliegende Buch (und die anderen Bände der «Natur erleben»-Reihe) vermittelt. Besonders hilfreich sind dabei die Beobachtungstipps, die Sie stets am Ende der einzelnen Kapitel finden.
Und weil die Natur nichts Statisches ist, sondern das Resultat von Vernetzungen und gegenseitigen Abhängigkeiten und weil das Erkunden ja auch Spaß machen soll, finden Sie überall Verweise auf andere, verwandte Themen im Buch sowie auf Geräusche, Filme und zusätzliche Bilder auf der Website www.naturerleben.net. Das gut getarnte Steinhuhn ist im Gelände nur selten zu sehen, aber oft zu hören - lernen Sie seinen Gesang mit der entsprechenden Tonspur identifizieren. Oder schauen Sie sich den Film über die Murmeltierkolonie oder die Hirschböcke im Brunftkampf an. Wenn Sie eigene Beobachtungen oder Fotos mit anderen teilen möchten, können Sie dies dank unserer Partnerschaft mit www.naturgucker.net auch ganz einfach über unsere Website tun.
Filme
Tonspur
Ab all dem Kreuz und Quer und Hin und Her zwischen Buchkapiteln und Website soll auch etwas hängen bleiben – mit den Quizfragen können Sie locker prüfen, wie viele Geheimnisse Sie schon gelüftet haben.
Fotos
Und es gibt noch eine weitere Dimension zu entdecken: Mit der App zur Buchreihe können zum Beispiel die häufigsten Tier- und Pflanzenarten in den mitteleuropäischen Gebirgen bestimmt und das Auge und die Ohren durch die Beantwortung von Quizfragen für die Natur geschärft werden.
Viel Spaß beim Beobachten, Entdecken und Erleben der Natur wünschen die Autorin und Ihr Haupt Verlag!
Vorbereitung für den Ausflug ins Gebirge
Zum Umgang mit den Bewohnern der Gebirge
Behandeln Sie Wildtiere mit Respekt. Wildtiere schätzen es nicht, wenn Sie ihnen zu nahe kommen. Beobachten Sie sie daher aus genügend Entfernung, sodass die Tiere nicht unnötig flüchten müssen.
Um Pflanzen zu beobachten, muss man sie nicht ausreißen. Verzichten Sie auch darauf, sie auszugraben oder für schöne Blumensträuße abzuschneiden. Viele Gebirgspflanzen sind selten und geschützt.
Abfälle
Abfall in der Landschaft ärgert nicht nur Sie, sondern auch alle, die nach Ihnen die Berge genießen wollen. Hinterlassen Sie daher bitte keine Abfälle. – Und warum nicht auch einmal störenden Abfall von anderen mitnehmen? In einen zusätzlichen Plastiksack verpackt, lässt er sich leicht ins Tal tragen und entsorgen.
Herumliegender Abfall ist überall ein Ärgernis. Im Gebirge dauert es viel länger bis er, wenn überhaupt, verrottet ist.
Hunde
Wenn Wildtiere in der Nähe sind, sollten Sie Ihren Hund immer an der Leine führen. Fast jeder Hund hat einen ausgeprägten Jagdinstinkt und rennt Wildtieren gerne nach. Meist sorgt er damit nicht nur für unnötigen Stress, sondern kann Wildtiere auch ernsthaft verletzen oder sogar töten.
Wanderwege
Bitte bleiben Sie bei Wanderungen auf der Hauptspur. Schneiden Sie bitte auch keine Kurven bei Zick-zack-Wegen, weil jeder neue Pfad im Gelände die Erosion begünstigt. Erosion ist aber gerade im Gebirge ein großes Problem: Im Alpenraum sind insgesamt schon mehrere Hundert Quadratmeter links und rechts von Wanderwegen unnötig erodiert und weggeschwemmt worden.
Abfälle und ihre Verrottungsdauer
Bananen- und Orangenschalen 3–12 Monate | Organische Abfälle wie Orangen- und Bananenschalen werden von Bakterien und Bodenlebewesen abgebaut. Wegen der tieferen Temperaturen im Gebirge sind ihre Aktivitäten verlangsamt. |
WC-Papier 3–12 Monate | Verschmutzt die Landschaft und ist für zahlreiche Tierarten giftig. |
Zigarettenstummel 1–5 Jahre | Verschmutzen Boden und Wasser. Ein Stummel kann bis zu 1000 Liter Wasser verunreinigen. |
Plastik und andere Kunststoffe 100–1000 Jahre | Verschmutzen die Landschaft und können Tiere verletzen. Werden Plastikteile gefressen, so sind sie für die Tiere giftig. |
Aluminium und Weißblech Verrottet kaum je | Verschmutzen die Landschaft und können Tiere verletzen. |
Das «Kurvenschneiden» beim Wandern führt zu unnötiger Erosion.
Feuer
Viele Bergwälder haben wichtige Schutzfunktionen; zum Beispiel Schutz vor Lawinen und Erdrutschen. Ein Waldbrand kann daher verheerende Folgen haben. Beachten Sie daher stets die Hinweise zur Waldbrandgefahr in den Medien. Entfachen Sie bei trockenem, windigem Wetter kein Feuer.
Beim Grillen sollten Sie nur die bereits vorhandenen Feuerstellen benutzen, weil neue Feuerstellen stets den Unterboden und die Wurzeln der umliegenden Pflanzen und Bäume zerstören.
Sicherheit
Kinder sollten in alpinem Gelände besonders gut beaufsichtigt werden. Das gilt besonders an exponierten Stellen und in der Nähe von Gebirgsbächen. Aber auch Erwachsene sollten das Gefahrenpotenzial der Berge niemals unterschätzen: Auch auf viel begangenen Wanderwegen können plötzliche Wetterumbrüche und Nebel verheerende Folgen haben! Befragen Sie im Zweifelsfalle die lokale Bevölkerung nach ihrer Einschätzung der Situation.
Ausrüstungsliste
Natürlich sind Beobachtungen auch ohne Spezialausrüstung möglich, doch mit ein paar Hilfsmitteln machen Naturbeobachtungen noch mehr Spaß:
› | Notizbuch und Schreibzeug |
› | Lupe |
› | Fernglas |
› | Kamera |
› | Pflanzen- und Tierbestimmungsbücher |
› | Taschenmesser |
› | Apotheke mit Desinfektions- und Insektenschutzmittel |
› | Zwischenverpflegung |
› | Sonnenschutz (Crème, Sonnenbrille, Kopfbedeckung) |
› | Der Witterung angepasste Kleidung (Regenschutz, warme Kleider) |
› | Warmer Reservepullover |
› | Gutes Schuhwerk |
Lebensraum Gebirge
Wenn Sie am Morgen unten im Tal starten, zuerst durch Rebgebiete und später über Wiesen und Weiden immer höher wandern, sind Sie am Nachmittag bereits oberhalb der Waldgrenze. Wenig später erreichen Sie den Fuß der Berge, deren Gipfel auch im Sommer immer schneebedeckt bleiben. Je nach Wandergeschwindigkeit durchqueren Sie dabei innerhalb von vier bis sechs Stunden verschiedenste Klimazonen und erleben, wie sich mit zunehmender Höhe die Vegetation und Tierarten verändern. Direkt am Bergwanderweg oder hinter dem nächsten Felsblock gibt es unterwegs viele Dinge zu entdecken und zu bestaunen! Um die gleichen Veränderungen in der Ebene zu erleben, müssten Sie 3000 km vom Mittelmeer bis nach Nordskandinavien wandern. Dafür würden Sie mehrere Wochen brauchen, während dies in den Alpen in einem Tag möglich ist!
Für Hochgebirgsarten wie den Himmelsherold (Eritrichium nanum) wird wegen der Klimaerwärmung der Lebensraum immer kleiner.
Die Alpen - ein Kurzporträt
Das wichtigste Gebirge Mitteleuropas sind die Alpen. Sie erstrecken sich bogenförmig über eine Länge von 1200 km und eine maximale Breite von 300 km. Diese Fläche von über 200000 Quadratkilometer teilen sich acht Staaten: Frankreich, Monaco, Italien, die Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Österreich und Slowenien. Mit 4810 m ü. M. ist der Mont Blanc an der Grenze zwischen Frankreich und Italien der höchste Gipfel. Weitere 127 Gipfel erreichen eine Höhe von mehr als viertausend Meter.
Eine schematische Darstellung des Alpenbogens, des wichtigsten Gebirges Mitteleuropas.
Das Wasserschloss Mitteleuropas
Die Alpen sind ein wichtiges Wasserschloss, weil sie in Form von Gletschereis, Schnee und Seen die Wasserreserven Mitteleuropas und das Trinkwasser für viele Millionen Menschen speichern. Auch entspringen zahlreiche große Flüsse den Alpen und werden auf ihrem Weg zum Meer zur Stromgewinnung genutzt; so zum Beispiel Po und Rhone, welche ins Mittelmeer fließen, der Rhein, welcher in die Nordsee fließt, sowie die großen Donaunebenflüsse Inn, Drau und Save, die Mitteleuropa ins Schwarze Meer entwässern.
«Alpine Fließgewässer»
«Bergseen»
«Gletscher»
Große Artenvielfalt
In den Alpen findet man auf kleinstem Raum große Unterschiede bezüglich der klimatischen Bedingungen und der Gesteins- und Bodentypen. Entsprechend vielfältig sind die Lebensräume und die darin vorkommenden Tier- und Pflanzenarten: Die Alpen gehören mit etwa 30000 Tier- und 13000 Pflanzenarten zu den artenreichsten Gebieten Europas. Viele von ihnen sind in den Alpen endemisch; d. h., sie kommen nirgendwo sonst auf der Welt vor.
«Geröll und Schutt»
«Kältefeste Winzlinge»
Die Rhone entspringt wie die meisten großen Flüsse Mitteleuropas in den Alpen.
Dank der starken topografischen Strukturierung weisen Gebirge auf wenig Raum verhältnismäßig viele Lebensräume auf. Entsprechend groß ist ihre Artenvielfalt.
Noch immer heben sich die Alpen jährlich um bis zu einem Millimeter. Die Erosion trägt diesen Höhezuwachs aber zum allergrößten Teil gleich wieder ab.
Junges Gebirge
Die Alpen gehören zu den vergleichsweise jungen Gebirgen: Noch vor 100 Millionen Jahren brandete im Bereich der heutigen Alpen das Urmeer Tethys. Als durch die Kontinentaldrift die afrikanische und die europäische Kontinentalplatte zusammenstießen, hob sich langsam der Meeresboden und die Alpenfaltung begann. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen: Noch heute wachsen die Alpen jährlich um bis zu einem Millimeter. Dass die Berggipfel trotzdem nicht ständig höher werden, liegt daran, dass Frost-, Wind- und Wassererosion den Zuwachs an Höhe gleich wieder abtragen.
«Geröll und Schutt»
Menschen in den Alpen
Die Alpen wurden erst vor etwa 6500 Jahren zur Zeit der Höhlenbewohner besiedelt. Sie waren damals noch fast vollständig bewaldet; Weiden und andere waldfreie Flächen unterhalb der Waldgrenze entstanden erst durch die Rodungstätigkeit der früheren Bergbewohner. Durch ihre Gegenwart entwickelte sich auch die typische Kulturlandschaft, die durch Ackerbau und Viehwirtschaft im Alpbetrieb geprägt ist. Weil die Berglandwirtschaft heute vielerorts nicht mehr konkurrenzfähig ist, verliert sie zunehmend an Bedeutung. Dies hat zahlreiche Auswirkungen auf den Alpenraum. Zum einen erobert sich der Wald die einst verloren gegangenen Flächen wieder zurück, zum anderen verändert sich aber auch die Bevölkerung und deren Einnahmequellen: Landwirtschaftliche Tätigkeiten werden immer mehr durch solche aus der Tourismusbranche ersetzt. Heute werden im Alpenraum jährlich rund 500 Millionen Touristen-Übernachtungen gezählt. Der Alpenraum gehört damit zu den größten Tourismusdestinationen der Welt. Im gesamten Alpenraum leben 13,6 Millionen Menschen. 40 % der Fläche ist nur im Sommer oder gar nie bewohnt.
«Vorbereitung für den Ausflug ins Gebirge»
Große Veränderungen
Die Klimaerwärmung ist besonders in den Alpen spürbar: Die steigenden Temperaturen lassen die Gletscher schmelzen und tauen die Permafrostböden auf. Die Folge davon sind instabile Böden, die nicht selten zu Felsstürzen und Erdrutschen führen. Auch die zunehmenden meteorologischen Extremereignisse hinterlassen ihre Spuren: Trockenheit im Sommer führt zu mehr Bränden in Schutzwäldern und Dauerregen zu verheerenden Murgängen. Nicht alle Veränderungen sind aber so offensichtlich. So fällt es beispielsweise nicht so leicht auf, dass die milderen Temperaturen die Waldgrenze nach oben verschieben und dadurch Pflanzen, die bisher nur in tieferen Lagen überlebten, immer höher hinauf steigen. Problematisch ist das für Hochgebirgsarten wie das Alpenschneehuhn oder den Himmelsherold, da deren Lebensraum durch diese Entwicklung immer kleiner wird. Von der Klimaerwärmung sind aber nicht nur Pflanzen und Tiere betroffen, sondern auch die Menschen: Das wird spätestens dann klar, wenn ausgedünnte Schutzwälder Lawinen nur noch unzureichend zurückhalten oder der Wintertourismus wegen Schneemangel an Schwung verliert.
«Bergwald und Naturgefahren»
«Schokolade-, Pferdeschweiß- und Pfirsichdüfte»
Weideland am Simplonpass (Schweiz), einem der großen Nord-Süd-Pässe im westlichen Alpenraum.
500 Millionen Touristenübernachtungen werden im Alpenraum jährlich gezählt.
Im Gebirge kann sich das Wetter schnell ändern.
Eigenschaften des Gebirges
Wer ins Gebirge fährt, spürt am eigenen Leib, dass die Bedingungen in den Bergen anders sind als in tieferen Lagen.
Klima
Die klimatischen Verhältnisse in den Bergen wechseln häufiger, abrupter und sind extremer als im Flachland. Die Temperaturen sind generell tiefer, die Lufttrockenheit höher, die Winde stärker, die Vegetationszeit kürzer und die Bodenverhältnisse ungünstiger. Das setzt nicht nur Spezialisierungen bei Pflanzen und Tieren voraus, sondern erfordert auch angemessene Vorbereitung beim Wandern: Auf Bergwanderungen können Sie oft in überraschend kurzer Zeit eingenebelt werden. Auch an heißen Sommertagen sind Sie froh um warme Kleider, wenn unerwartet Wind aufkommt oder die Bewölkung zunimmt.
«Mit Haaren, Wachs und Pigmenten»
Bei einer Inversionslage ist es unter der Nebeldecke kälter als in höheren Regionen.
Nach einem sommerlichen Kälteeinbruch sind die Berggipfel verschneit.
Dank dem Schnee ist es im Winter sehr hell im Gebirge.
Temperatur
Die Luft wird mit zunehmender Höhe kühler. Im Herbst und Winter nimmt die Temperatur etwa 0,4 °C pro hundert Höhemeterab, im Frühling und Sommer etwa 0,7 °C. Eine Ausnahme bildet die sogenannte «Inversionslage». Sie tritt ein, wenn das Flachland während Tagen unter einer Nebeldecke liegt, während darüber strahlender Sonnenschein herrscht. In diesem Falle ist es über der Nebeldecke wärmer als darunter.
Dauer und Stärke des Frostes nehmen mit der Höhe zu, oberhalb von 3000 m ü.M. ist auch im Sommer jederzeit Frost und Schneefall möglich.
Strahlung
Die UV-Einstrahlung am Tag und die Ausstrahlung (Abkühlung, Wärmeverlust) bei Nacht sind stärker als in Tallagen. Bevor die Sonnenstrahlen den Erdboden erreichen, werden sie von Wassertröpfchen und Staubteilchen gestreut oder von der Luft aufgenommen und in Wärme verwandelt. In der dünnen Luft im Gebirge ist die Sonneneinstrahlung größer als im Unterland und die UV-Strahlung ist entsprechend stärker. Auf 1800 m ist sie doppelt so stark wie auf Meereshöhe. Auf 1600 m ist es im Sommer zwei Mal, im Winter sogar sechs Mal so hell wie auf Meereshöhe. Sie müssen sich öfters eincremen oder eine Sonnencreme mit einem stärkeren Schutzfaktor benutzen. Ungeschützt holen Sie sich im Gebirge viel schneller einen Sonnenbrand als im Unterland.
Um die Gipfel schweben oft Wolken, während im Tal die Sonne scheint.
Niederschlag
Die jährliche Niederschlagsmenge und der Schneeanteil nehmen mit der Höhe zu, ebenso die Bewölkung im Gipfelbereich. Während die schneefreie Zeit auf der Sonnenseite auf 1000 m etwa neun Monate dauert, ist sie auf 2500 m nur noch etwa 3 Monate lang. Im Gipfelbereich sind Sie oft in den Wolken, während unten im Tal die Sonne ungehindert scheint.
«Wolkenfahnen, Mischungsnebel und Brockengespenst»
Luftdruck
Der Luftdruck nimmt mit der Höhe ab. Auf Meereshöhe beträgt er ungefähr 760 mm Hg, auf 4300m nur noch 450mm Hg. Je kleiner der Luftdruck oder je größer die Meereshöhe, desto weniger Feuchtigkeit und CO2 enthält die Luft, sie wird, mit anderen Worten, «dünner». Wenn Sie auf niedriger Meereshöhe leben, fühlen Sie am ersten Tag in den Bergen oft die ungewohnte Höhe. Vielleicht schlafen Sie daher schlecht oder leiden unter Kopfschmerzen. Treppensteigen oder Bergaufwandern scheint anstrengender als zu Hause. Sie fühlen sich in der trockenen Luft durstiger und brauchen mehr zu trinken.
Wind und Exposition beeinflussen die Ausaperung.
Wind und Exposition
Die Häufigkeit und Stärke des Windes nehmen mit der Höhe zu. Wind beeinflusst die Schneeverteilung, die Ausaperungszeit und damit die Zusammensetzung der Vegetation. Unterschiede zwischen Nord- und Südseite werden mit zunehmender Höhe immer größer. Kleinräumig kann die Exposition und damit die Vegetation alle paar Meter wechseln. Der Einfluss des Mikroklimas wird dabei immer wichtiger und kann Großklima und Meereshöhe überspielen. Sie können daher in großer Höhe oft an einer sonnigen Kuppe rasten, während es wenige Meter davon entfernt im Schatten und Wind bereits sehr ungemütlich ist.
«Zu kurze Vegetationszeit»
Fragen
› | Die Vegetationszeit nimmt mit zunehmender Höhenlage ab. Wie viel länger dauert sie auf 1000 m ü.M. im Vergleich zu 2500 m ü.M.? |
› | Welches Wetter herrscht über der Waldgrenze bei einer Inversionslage? |
Antworten
Höhenstufen
Höhenstufen werden vor allem durch die Dauer der Vegetationszeit bestimmt. Diese werden von den jeweiligen Durchschnittstemperaturen beeinflusst. Bei einer Reise vom Flachland in die Berge sind die Veränderungen in der Vegetation mit zunehmender Höhe deutlich zu erkennen: Die Buchenwälder der tiefen Lagen werden von Nadelwäldern abgelöst und die Äcker und Felder von Wiesen und Weiden. Die verschiedenen Höhenstufen bilden dabei keine starren Grenzen, sondern gehen oft fließend ineinander über. Die deutlichste Grenze bildet die Waldgrenze, welche den Übergang von waldfähigen Standorten zu den niedrigen alpinen Rasen anzeigt und fürjedermann leicht zu erkennen ist.
«Pionierpflanzen im Hochgebirge»
«Wald - und Baumgrenze im Gebirge»
«Alpine Rasen»
Je nach Breitengrad, regionalem Klima und Exposition sind die Höhenstufen sehr variabel. Wegen der größeren Sonneneinstrahlung in den Zentral- und Südalpen liegen die Höhenstufen in diesen Regionen deutlich höher als in den Nordalpen oder im Jura. Auch zwischen Sonnen- und Schattenseite eines Tals gibt es Unterschiede. Mit zunehmender Höhe werden die Umweltbedingungen extremer, und die Wirkung des Schattens nimmt zu. In der alpinen Stufe sind die Unterschiede noch größer, weil der Wald als ausgleichender Faktor fehlt.
Die Höhenstufen im Gebirge.
Kolline Stufe (Hügelstufe)
Bis zur oberen Verbreitungsgrenze der Eiche (ca. 800 m ü.M.) | |
Vegetation | Sommergrüne, wärmeliebende Laubwälder mit Eiche, Linde, Nussbaum und Hagebuche |
Nutzung | Vor allem durch Wein- und Ackerbau |
Montane Stufe (Mischwaldstufe)
Bis zur oberen Verbreitungsgrenze der Buche (bis ca. 1000 m ü. M.) | |
Vegetation | Laubmischwälder mit Buchen, Weißtannen, Bergahorn |
Nutzung | Ackerbau, Wiesen und Weiden |
Subalpine Stufe (Bergwaldstufe)
Bis zur Waldgrenze (ca. 1900 m ü.M. auf der Alpennordseite; ca. 2400 m ü. M. in den Zentralalpen) | |
Vegetation | Nadelwälder mit Fichte, Föhre, Lärche, Arve. Die Vegetationszeit dauert länger als 100 Tage. |
Nutzung | Weidenutzung. Oft nur im Sommer Alpbetrieb und nicht mehr ganzjährig bewohnt. |
Alpine Stufe (Rasenstufe)
Bis ca. 2900 m ü. M. | |
Vegetation | Rasen, Schuttvegetation und in Gunstlagen Zwergsträucher. Die Vegetationszeit dauert 60-80 Tage. |
Nutzung | Im Sommer Alpbetrieb |
Nivale Stufe (Schneestufe)
Ab ca. 2900 m ü. M. | |
Vegetation | Blütenpflanzen kommen nur noch an mikroklimatischen Gunstlagen (südexponierten oder rasch ausapernden Stellen) vor. Reich der Moose, Algen und Flechten, die bis auf die höchsten Gipfelsteigen können. |
Nutzung | keine |
Beobachtungstipps
› | Versuchen Sie, die verschiedenen Höhenstufen aus der Landschaft herauszulesen. Lassen Sie sich von Schwierigkeiten nicht entmutigen: Die Abstufungen sind in der Natur niemals so eindeutig, wie die Tabelle suggeriert! |
› | Nicht nur die Natur, auch die menschlichen Aktivitäten haben ihre Höhenstufen. Versuchen Sie, die unterschiedlichen Bewirtschaftungen auf den Sonnen- und Schattenseiten der Täler zu erkennen. |
Fragen
› | Auf welcher Seite des Tales steigt die Waldgrenze im Allgemeinen höher; auf der Sonnen- oder auf der Schattenseite? |
› | Ab welcher Höhenstufe gibt es keinen kommerziellen Weinbau mehr? |
› | Welche Höhenstufe folgt oberhalb der Waldgrenze? |
› | Weshalb gibt es überhaupt verschiedene Höhenstufen? |
› | Warum sind die Höhenstufen variabel? |
Antworten
Die unterschiedlichen Vegetationsstufen; hiervon unten nach oben die subalpine, alpine und nivale Stufe.
Wald- und Baumgrenze im Gebirge
Die Höhenstufen gehen meist fließend ineinander über, doch die Waldgrenze ist eine klare, auffällige Grenze. Von einer bestimmten Höhe an sind die Sommer zu kurz, als dass Wald und Bäume wachsen könnten. Es sind nicht Extremtemperaturen im Winter, sondern zu tiefe Temperaturen im Sommer, die das Wachstum der Bäume von einer bestimmten Meereshöhe an verunmöglichen. Die Waldgrenze ist klimatisch beeinflusst. Allerdings verläuft sie in vielen Gebieten im Alpenraum tiefer als es von Natur aus möglich wäre, weil sie durch forst- und landwirtschaftliche Nutzung nach unten gedrückt wurde.
Die Waldgrenze ist die Linie am oberen Rand eines geschlossenen Waldes. Oberhalb dieser Linie wachsen nur noch einzelne Baumgruppen und Einzelbäume. Bei den höchstgelegenen Bäumen verläuft die Baumgrenze. Die Waldgrenze wird in den Nordalpen auf etwa 1900 m ü. M. von Fichtenwald gebildet. Weil in den Süd- und Zentralalpen die Sommer wärmer und strahlungsreicher sind, verläuft die Waldgrenze des Lärchen-Arvenwalds auf etwa 2400 m ü.M.
Zu kurze Vegetationszeit
Mit zunehmender Meereshöhe sinken die Temperaturen. Die Sommer sind kühler und kürzer und die Winter länger und kälter. Die Vegetationszeit, in der Pflanzen wachsen können, wird deshalb immer kürzer. Von einer bestimmten Höhe über Meer an ist die Vegetationszeit zu kurz für Laubbäume, die jedes Jahr neue Blätter produzieren müssen. Doch für die Lärche, die zu den am höchsten steigenden Baumarten gehört, reicht auch eine kurze Vegetationszeit aus, um jährlich ihre Nadeln zu erneuern. Lärchennadeln sind im Vergleich zu denen von anderen Nadelbäumen richtige Billigprodukte. Das macht aber nichts, da sie nur für eine Saison gebraucht werden.
«Typische Bäume des Bergwaldes»
Von einer bestimmten Höhe an sind die Sommer dann auch für Nadelbäume zu kurz. Wenn Nadelbäume nicht mehr genug Energie produzieren können, werden die Außenschichten ihrer Nadeln nicht mehr richtig ausgebildet und schützen die Bäume nicht mehr ausreichend vor Verdunstung. Damit steigt das Risiko für Frosttrocknisschäden. Diese entstehen, wenn die Nadeln erwärmt werden und dabei Wasser verdunsten, der Boden aber noch gefroren ist und es daher zu keinem Wassernachschub kommen kann. Die Triebe der Bäume trocknen dadurch immer mehr aus. Im schlimmsten Falle können die Bäume auf diese Weise verdursten.
Von einer bestimmten Höhe an schränkt die kurze, kühle Vegetationszeit auch die Aktivität der Bodenlebewesen und der für die Bäume überlebenswichtigen Mykorrhizapilze ein. Dies beeinträchtigt die Wasser- und Nährstoffaufnahme durch die Wurzeln.
Im Bereich der Baumgrenze sind die Bäume von Wind und Wetter gezeichnet. Sie wachsen niedriger und sehen jünger aus, als sie sind: Wenige Meter hohe Fichten können bereits über zweihundertjährig sein. Im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung beobachten Wissenschafter ein Ansteigen der Waldgrenze. Wenn der Wald höher steigt, verkleinert sich unter anderem der Lebensraum für Murmeltiere und für lichtliebende Alpenpflanzen.
Beobachtungstipps
› | Suchen Sie im Bergwald nach abgesägten Stämmen und zählen Sie die Jahrringe. Vermutlich werden Sie feststellen, dass viele Bäume viel älter sind, als sie aussehen! |
› | Versuchen Sie im Gelände Wald- und Baumgrenzen zu unterscheiden. |
Fragen
› | Was ist der Unterschied zwischen der Wald- und der Baumgrenze? |
› | Welche Temperaturen beeinflussen die Wald- und Baumgrenze stärker; die Sommer- oder die Wintertemperaturen? |
› | Wie entstehen Frosttrocknisschäden? |
Antworten