Im Gebirge

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Aus der Reihe: Natur erleben #4
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Rechte Seite: Mit dem Begriff «Waldgrenze» wird die Linie am oberen Rand des geschlossenen Waldes bezeichnet. «Baumgrenze» meint hingegen die Linie zwischen den höchstgelegenen Bäumen.

Herkunft der Alpenpflanzen

Wer erwartet auf einer Bergwanderung, Steppenpflanzen aus Asien anzutreffen? - Tatsächlich stammen viele Alpenpflanzen ursprünglich aus osteuropäischen oder zentralasiatischen Steppengebieten. Edelweiß (Leontopodium alpinum), Alpen-Aster (Aster alpinus), Enzian- und Alpenrosen-Arten wurden erst nach den Eiszeiten in Mitteleuropa heimisch. Als Pflanzen, die an ein kontinentales Steppenklima angepasst sind, erfüllen sie gleichzeitig auch die Bedingungen, um im Hochgebirge überleben zu können. Sie sind angepasst an gelegentliches Austrocknen und unempfindlich gegenüber starker Sonneneinstrahlung, großen Temperaturunterschieden und starkem Wind.

Kasten «Wo findet man das Edelweiß?»

Edelweiß

Tertiärflora

Vor 50 Mio. Jahren, im Erdzeitalter Tertiär, als die Gebirgsbildung der Alpen in vollem Gange ware, bestanden zwischen fast allen Kontinenten Landbrücken, sodass sich Pflanzen über große Teile der Erde ausbreiten konnten. Die Alpen befanden sich damals im Bereich eines subtropischen Klimas mit einer Temperatur von 22 °C im Jahresmittel. Im Flachland wuchsen wärmeliebende Pflanzen wie Palmen und Amberbaum, während sich in den kühleren Höhenlagen eine krautige Vegetation entwickelte. Kleinwüchsige Verwandte davon wachsen noch heute in den Alpen, zum Beispiel Frauenmantel- oder Hauswurz-Arten.

«Zwergwuchs - eine Erfolgsstrategie»

Flora der Eiszeiten

Am Ende des Tertiärs wuchs in den Alpen eine sehr artenreiche Flora, welche die Grundlage der heutigen Flora bildet. Klimaabkühlungen führten zum Verschwinden von wärmebedürftigen Arten. Pflanzen aus Skandinavien konnten unter den kühleren Bedingungen die Tiefebenen überwinden und sich Richtung Alpen ausbreiten. Umgekehrt wanderten Alpenpflanzen mit den Gletschern in die Tiefebenen und gelangten bis nach Skandinavien (z. B. Schwarzes Kohlröschen (Nigritella nigra) und Bärtige Glockenblume (Campanula barbata)).

Bärtiges Kohlröschen

Aktuelle Flora

Einige Gebiete in den Alpen sind artenreicher als andere. Dieser Artenreichtum wurde gefördert durch besondere klimatische Verhältnisse mit trockenen, strahlungsreichen Sommern, Böden aus vielfältigen Gesteinen sowie günstigen Bedingungen für Pflanzen während den Eiszeiten. Viele Gipfel waren eisfrei (sogenannte Nunatakker), sodass auf ihnen einige Pflanzenarten die Eiszeiten überdauern konnten. Zusätzlich zu solchen Glazialrelikten wurde die Flora mit Pflanzen aus allen Himmelsrichtungen bereichert. Viele Arten konnten nach dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10000 Jahren rechtzeitig einwandern und die ausgedehnten Gletschervorfelder besiedeln, bevor dies wegen der Bewaldung nicht mehr für alle Arten möglich war. 4000 Jahre später breiteten sich in tieferen Lagen Wälder aus, welche für viele lichtliebende Arten unüberwindbare Hindernisse bildeten.

«Gletschervorfelder»


Die Immergrüne Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi) ist aus Nordamerika eingewandert.

Herkunftsgebiete heutiger Alpenpflanzen


Steppengebiete Osteuropas und Zentral- und OstasiensEnzian- und Rhododendron-Arten, Edelweiß (Leontopodium alpinum)
Aus Nordamerika (via Asien, über die Landbrücke an der Stelle der heutigen Bering-Straße)Arnika (Arnica montana), Immergrüne Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi)
MittelmeerraumNarzissen und Krokus-Arten, Federgräser
SkandinavienGletscher-Hahnenfuß (Ranunculus glacialis), Frauenmantel-Arten (Alchemilla Agg.)


Arnika (Arnica montana)


Die Gattung der Enziane ist in den Alpen mit mehreren Arten vertreten.


Krokusse können dank Reserven in den Zwiebeln gleich nach der Schneeschmelze blühen.

15 % aller Alpenpflanzen sind endemisch; d. h. sie wachsen nur in den Alpen.

Beobachtungstipp

Schauen Sie sich in der «Natur-erleben»-App oder einem Bestimmungsbuch die im Text erwähnten Pflanzen an und versuchen Sie diese auf Ihrer nächsten Bergwanderungen zu finden.

Fragen


Welche Eigenschaften haben Steppen- und Alpenpflanzen gemeinsam?
Wann wuchsen Palmen im Alpenraum?
Was sind Nunatakker?
Wann ist eine Pflanze ein Glazialrelikt?
Welche Alpenpflanze mit gelben Blüten stammt aus Nordamerika?
Woher stammt das Edelweiß?

Antworten




1 Vögel im Gebirge

2 Zwergwuchs - eine Erfolgsstrategie

3 Murmeltiere

4 Alpine Fließgewässer - Leben in der Strömung

5 Kalk und Silikat

6 Pflanzen auf Felsen und in Spalten

7 Essbare Alpenpflanzen

8 Kurzinformation Frühling

Einleitung Frühling

Auf den Berggipfeln liegt noch Schnee, doch in den rauschenden Bergbächen sprudelt bereits viel Schmelzwasser talwärts. Von unten nach oben breitet sich unaufhaltsam der Frühling aus. Auf den tiefer gelegenen Alpweiden blühen zwischen den Schneeflecken Krokusse und Soldanellen, und es riecht nach Erde und frischem Gras. In den aufgetauten Bergseen laichen Grasfrösche, und an sonnigen Plätzchen wärmen sich Vipern an der Frühlingssonne. Erste Bergwanderer hören Vögel zwitschern und die Rufe der Murmeltiere von den Felsen widerhallen. Die Murmeltiere sind aus dem Winterschlaf erwacht und tollen noch etwas mager auf den grünenden Alpweiden herum. Früh am Morgen zur Birkhahnbalz kullern die Birkhähne. Trotz diesen Frühlingszeichen kann es immer noch bis in tiefe Lagen schneien.

Vögel im Gebirge

Im Frühling fallen die zahlreichen Vogelarten im Gebirge besonders auf: Bis weit über die Waldgrenze hört man sie singen, kann sie beim Segeln in günstiger Thermik oder bei spektakulären Balzritualen beobachten. Trotz der Artenvielfalt gibt es aber nur wenige Arten, die ausschließlich im Hochgebirge leben. Viele typische Alpenvögel sind auch im Tiefland, an der Meeresküste und selbst in den Städten heimisch. Das gilt zum Beispiel für die Bergdohlen und Alpensegler, welche auch in den felsigen Steilküsten am östlichen Mittelmeer zu beobachten sind, oder die Alpenkrähen, welche die britische und irische Atlantikküste besiedeln. Adler segeln auch über nord- und osteuropäischen Ebenen und brüten dort auch auf Bäumen, wenn geeignete Felsen fehlen. Trotzdem gibt es auch einige wirklich typische Gebirgsvögel. Dazu zählen der Schneesperling, der Bergpieper, die Alpenbraunelle sowie das Schnee- und das Steinhuhn.

 

Bergdohlen

«Wenn das Herz vor Schreck fast stehenbleibt»

Schneesperling (Montifringilla nivalis)


Schneesperling


Lebensraum Steinige Rasen, Moränen, Schutthalden in der Nähe steiler Felsen. Lebt in Höhen ab 1900 m ü. M.
Merkmale Hat einen braunen Rücken und schwarz-weiße Flügel, die besonders im Flug auffallen. Sucht zwischen Steinen und Gräsern nach Spinnen, Insekten, Beeren, Knospen und Samen. Trillernder Gesang, der auch im Flug vorgetragen wird.
Besonderes Der Schneesperling nistet in Felsspalten, im Geröll oder in Nischen von Gebäuden und Lawinenverbauungen. Er ist oft in Gruppen auf der Futtersuche. Der Schneesperling ist nur bei starkem Schneefall unterhalb der Waldgrenze zu finden.

Alpenbraunelle (Prunella collaris)


Alpenbraunelle


Lebensraum Sonnige, steile und felsige Hänge ab etwa 2000m ü.M. Ist bis auf über 3000 m ü. M. zu beobachten.
Merkmale Sieht dem Haussperling ähnlich, ist grau-schwarz gesprenkelt mit rötlichen Seitenfedern. Die Beine sind bräunlich gelb. Sucht oft hüpfend am Boden nach Insekten und Samen. Zwitschernder, für einen Vogel dieser Größe erstaunlich lauter Gesang.
Besonderes Die Alpenbraunelle nistet in Felsnischen und Bodenmulden. Kann sehr zutraulich sein, z. B. in der Umgebung von Bergstationen und Berghütten. Fliegt in sehr kalten Wintern in die Täler hinunter.

Bergpieper (Anthus spinoletta)


Bergpiper


Lebensraum Zwergstrauchheiden, Bergwiesen mit Bächen und Felsen auf 1800-2800 mü.M.
Merkmale Unauffällig graubraun mit weißem Überaugenstreif. Sein Schnabel und seine Beine sind schwarz. Sucht am Boden und auf Steinen nach Spinnen, Insekten und Samen. Sein Gesang erinnert an Bewässerungsanlagen mit Sprinkler.
Besonderes Der Bergpieper nistet am Boden zwischen Steinen und Grasbüscheln. Er überwintert in schneearmen Regionen im Gebirge und in Riedgebieten in tieferen Lagen.

Steinhuhn (Alectoris graeca)



Lebensraum Sonnige, sehr steile Grashänge zwischen 500 und 2700 m ü.M., die mit Felsen und Geröll durchsetzt sind.
Merkmale Hühnergroßer, grauer Vogel mit schwarz-weiß gesprenkelten Seiten, rotem Schnabel und roten Füßen, weißen Wangen und schwarzem Band, das sich in einem Bogen um die Augen und um die Kehle zieht. Frisst Pflanzen und Samen, hat einen auffallend schnarrenden Ruf.
Besonderes Das Steinhuhn hält sich vor allem am Boden auf. Es versteckt sich bei Gefahr oder flieht durch einen plötzlichen Flug hangabwärts. Das Steinhuhn nistet geschützt unter Steinen oder Büschen am Boden und schließt sich im Winter zu größeren Gruppen zusammen. Bei starkem Schneefall zieht es sich entweder in niedrigere Lagen zurück oder steigt in höhere Lagen, wo der Schnee an Steilhängen rasch abgleitet und das Gras wieder erreichbar ist.

Geeignet für ein Leben im Gebirge

Vögel brauchen keine besonderen körperlichen Anpassungsfähigkeiten, um im Hochgebirge leben zu können. Im Gegensatz zu den Säugetieren, die in großen Höhen mit dem geringeren Sauerstoffgehalt der Luft und der Kälte zu kämpfen haben, sind diese Faktoren für Vögel kein Problem. Ihre Federn bieten besseren Schutz gegen die Kälte als jedes Fell, egal, ob sie im Flachland leben oder im Hochgebirge. Auch ist die Vogellunge leistungsfähiger gebaut als diejenigen der Säugetiere. Das Blut der Vögel kann dadurch viel mehr Sauerstoff aufnehmen, was Sauerstoffmangel in großer Höhe verhindert. Deshalb gibt es auch so viele Vogelarten, die nicht nur in tiefen Lagen, sondern zumindest im Sommer auch in den Bergen leben können. Nur Meeresvögel oder Arten weiter, offener Ebenen kommen im Gebirge nicht vor, weil sie dort keine geeigneten Lebensräume finden konnten.

«Eigenschaften des Gebirges»

Bedrohte Rückzugsgebiete


Braunkehlchen (Saxicola rubetra)

Viele Vogelarten, die früher auch in tieferen Lagen verbreitet waren, kommen heute fast nur noch in den Bergregionen vor; so zum Beispiel das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) und das Haselhuhn (Etrastes bonasia). Sie haben sich in die Berge zurückgezogen, weil in tieferen Lagen geeignete Lebensräume und Rückzugsmöglichkeiten nicht mehr vorhanden sind. Doch auch im Gebirge nimmt der Druck auf diese Vögel zu: Mit der Klimaerwärmung verändern sich nicht nur die Durchschnittstemperaturen, auch Extremereignisse wie Stürme und heftige Niederschläge nehmen zu. Aber auch die Aufgabe traditioneller Formen der Berglandwirtschaft wirkt sich negativ auf viele Arten aus, da zahlreiche Flächen unterhalb der Waldgrenze heute nicht mehr bewirtschaftet werden und dadurch verbuschen und mit der Zeit wieder völlig von Wald bewachsen werden. Damit verschwinden die artenreichen Wiesen, in denen Haselhuhn, Braunkehlchen und viele andere Arten ihr Futter haben finden können.

Braunkehlchen

Beobachtungstipps


Achten Sie auf Bergwanderungen auf Vogelstimmen, die Ihnen aus der Stadt bekannt sind (z. B. Hausrotschwanz).
Viele Vögel im Gebirge haben sich an die Menschen gewöhnt. Sie lassen sich besonders gut bei Bergstationen, Bergrestaurants oder populären Ausflugsgipfeln beobachten.
Beobachten Sie, wie Alpendohlen die Thermik für ihre stundenlangen Gleitflüge nutzen.

Fragen


Alpendohle und Alpenkrähe kommen sowohl in den Alpen als auch an Meeresküsten vor. Was ist der Grund dafür?
Welche Vorteile haben Vögel im Hochgebirge gegenüber Säugetieren in Bezug auf ihren Körperbau?
Welcher Alpenvogel ernährt sich fast nur vegetarisch?

Antworten

Zwergwuchs - eine Erfolgsstrategie

Unter den oft extremen Klimabedingungen im Gebirge lohnt es sich für Pflanzen, klein zu bleiben: Mit ihrem niedrigen Wuchs können sie die Bodenwärme stärker ausnützen und sind besser vor Wind geschützt; sie verdunsten weniger Wasser, erhalten rascher Wassernachschub aus dem Boden und sind im Winter unter einer Schneedecke vor der Kälte gut geschützt. Zwergwüchsige Pflanzen sind nicht einfach nur kleiner, sondern bilden auch spezielle Zwergwuchsformen:

«Wie Pflanzen überwintern»

«Fünf Strategien, den Schutt zu besiedeln»

Polster

Der Haupttrieb der Polsterpflanzen verzweigt sich dicht am Boden. Die Seitentriebe verzweigen sich regelmäßig, sodass ein in sich geschlossenes, halbkugeliges Gebilde entsteht. Im Innern eines solchen Polsters ist es windstill, was ein wärmeres Mikroklima und eine geringe Verdunstung von Feuchtigkeit mit sich bringt. Polsterbildende Bergpflanzen sind zum Beispiel die zahlreiche Mannsschild- und Steinbrech-Arten sowie die Polstersegge.

Polsterpflanzen

«Pflanzen auf Felsen und in Spalten»


Schematischer Querschnitt durch ein Polster.


Polstersegge (Carex firma)

 

Rosette

Die untersten Blätter bilden dicht am Boden einen Blattkranz, den nur die Blüter überragen. Rosetten kann man zum Beispiel beim Hungerblümchen (Erophila verna) sowie bei Primel- und Hauswurz-Arten beobachten.

Rosetten-bildende Pflanzen


Schematischer Querschnitt durch eine Rosette.


Die dicht behaarte Spinnweb-Hauswurz (Sempervivum arachnoideum) ist gut gegen Verdunstung und starke Sonnenstrahlung geschützt.

Horste

Einzelne Pflanzen bilden aus vielen, dicht aneinanderliegenden Trieben kleine Rasenbüschel, die zusammen einen Horst ergeben. Horste sieht man bei vielen Gräser-, Seggen-, Edelrauten- und Nelken-Arten.

Horst-bildende Pflanzen


Schematischer Querschnitt durch einen Horst.


Die Sumpfblättrige Weide (Salix retusa) profitiert von der Bodenwärme.

Spalier

Spalier-bildende Gebirgspflanzen erwecken den Anschein, als ob ihre Blätter und Stängel dem Boden entlangkriechen würden. Typische Spalierarten sind die Weiße Silberwurz (Dryas octopetala), die Alpenazalee (Loiseleuria procumbens) und die Stumpfblättrige Weide (Salix retusa).

Spalier-bildende Pflanzen


Schematischer Querschnitt durch einen Spalier.


Von Erde unbedeckter Horst der Immergrünen Segge (Carex sempervirens).

Beobachtungstipp

Versuchen Sie, den verschiedenen Typen von Zwergwuchsformen entsprechende Pflanzen zu zuordnen und diese mithilfe der «Natur-erleben»-App oder eines Pflanzenführers zu bestimmen.

Fragen


Welche Vorteile bringt der Zwergwuchs den Pflanzen im Gebirge?
Warum können nicht alle Pflanzenarten Zwergwuchsformen bilden?

Antworten

Murmeltiere

Je nach Region erwachen Murmeltiere (Marmota marmota) im April oder erst im Mai aus ihrem Winterschlaf. Eine neue, kurze und intensive Saison liegt vor ihnen. Bevor sie sich im Oktober wieder für den Winterschlaf zurückziehen, müssen sie Nachwuchs gebären und Fettreserven für den nächsten Winterschlaf anfressen. Doch mit den zunehmenden Temperaturen im Sommer wird dies immer schwieriger: Murmeltiere sind zwar gut an Kälte angepasst, doch sie ertragen Hitze nur schlecht. Da ihr Pelz auch im Sommer sehr dicht ist und sie weder schwitzen noch hecheln können, kommen sie bereits bei Temperaturen von 20 °C in Hitzestress. Man kann sie aber auch noch auf 3000 m ü.M. beobachten, falls ein ausreichendes Futterangebot vorhanden ist. Murmeltiere sind damit echte Hochgebirgsbewohner.

«Höhenstufen»

Wenn die Siesta stressig wird

Murmeltiere sind von Tagesanbruch bis zum späten Vormittag aktiv und futtern dabei zarte Alpenkräuter und Gräser. Damit sie genügend Fettreserven für den Winter anfressen können, sollten sie pro Tag etwa 500 g Kräuter und Gräser zu sich nehmen. Das entspricht ungefähr 10 Prozent ihres Körpergewichts im Herbst! Während der heißen Mittagsstunden ziehen sie sich dann in ihren schattigen Bau zurück und kommen erst wieder am späteren Nachmittag ans Tageslicht. Sie vermeiden mit diesem Verhalten, allzu sehr den warmen Mittagstemperaturen ausgesetzt zu sein.

Wenn im Zusammenhang mit dem Klimawandel die sommerlichen Temperaturen steigen und es während des Tages für Murmeltiere zu heiß wird, bleiben sie länger in ihrem Bau. Ihre Siestazeit wird dadurch unfreiwillig verlängert, weshalb ihnen weniger Zeit zum Fressen bleibt. Sobald es dunkel wird, ziehen sie sich in ihre Bauten zurück. Murmeltiere sind tagaktiv und können die fehlende Zeit zum Fressen nicht einfach in den kühlen Abendstunden oder in der Nacht kompensieren.

Murmeltiere

Kurzfristig betrachtet, scheinen einige der weltweit 14 Murmeltierarten zunächst vom Klimawandel zu profitieren. Sie können mehr Junge aufziehen und sich vermehren. Doch längerfristig könnte sich der Lebensraum aller Murmeltierarten durch die Erhöhung der Durchschnittstemperaturen und dem damit verbundenen Aufsteigen der Baumgrenze verkleinern.

«Die Alpen - ein Kurzporträt»


Murmeltiere in den Alpen.

Abnehmen im Winterschlaf

Ein kompliziertes Wechselspiel zwischen abnehmender Tageslänge, hormonellen Veränderungen und dem Jahresrhythmus ihrer inneren Uhr leitet im Herbst ihren Winterschlaf ein. Dabei sinkt die Körpertemperatur der Tiere von 39 °C auf ungefähr 7 °C. Gleichzeitig verlangsamt sich ihr Herzschlag von ca. 100 Schlägen pro Minute auf nur noch zwei bis drei. Ihre Atmung setzt minutenlang aus. Trotz diesen dramatischen Einschränkungen der Lebensfunktionen wird die Körpertemperatur nach wie vor strikte reguliert: Sinkt sie nämlich unter einen bestimmten Wert, so reagiert eine Art körpereigener «Thermostat», welcher durch das Verbrennen von Fettreserven die Tiere wieder auf die erforderlichen 7 °C erwärmt.

«Überwintern im Gebirge»

Ein Murmeltier muss sich im Verlauf des Sommers so viele Fettreserven anfressen, dass es während des Winterschlafs den Verlust von bis zu 50 Prozent seines Körpergewichts überleben kann. Im Herbst wiegen ausgewachsene Tiere daher bis zu 5 Kilogramm. Murmeltiere überwintern in Gruppen von bis zu 20 Tieren. Ihre Überwinterungsbauten liegen bis zu sieben Meter tief unter dem Boden und sind daher von der Außenwelt gut geschützt. Die Tiere liegen dort eingerollt und dicht aneinandergeschmiegt beieinander. Sie vermindern so gegenseitig den Verlust von Wärme, was vor allem für die Jungtiere überlebenswichtig ist, da sie in ihrem ersten Sommer noch nicht ausreichend Zeit haben, um große Fettreserven anzufressen. Außerdem ist ihre Körperoberfläche im Verhältnis zum Körpervolumen größer als bei den ausgewachsenen Tieren, sodass sie mehr Wärme abstrahlen. Jungtiere sind deshalb am meisten gefährdet, im Frühling nicht mehr aufzuwachen.

Abgemagertes, junges Murmeltier nach seinem Winterschlaf


Murmeltier im Spätsommer; die Fettreserven am Körper sind bereits gut sichtbar.

Pfiff oder Schrei?

Zwar erinnern die Murmeltierlaute ganz klar an Pfiffe, physiologisch gesehen sind es aber Schreie. Grund: Sie werden durch den Kehlkopf und nicht durch die Lippen- und Zungenstellung erzeugt.

Mit mehreren Pfiffen hintereinander wird vor Bodenfeinden wie dem Fuchs, aber auch vor Menschen gewarnt. Ein einziger Pfiff warnt vor dem Adler oder anderen Feinden aus der Luft. Die Murmeltiere bringen sich dabei in ihren weit verzweigten Bauten unter der Erde in Sicherheit. Ihre Gänge können eine Länge von 70 m und mehr erreichen.

Murmeltierpfiff

Alpen-Klee und Alpen-Mutterwurz

Murmeltiere fressen Gräser, Kräuter, Samen und selten auch Insekten. Besonders gerne fressen sie Alpen-Klee (Trifolium alpinum) und Alpen-Mutterwurz (Ligusticum mutellina), auch «Mutternkraut» genannt. Beide Arten haben einen hohen Gehalt an Omega-6-Fettsäuren. (Diese wirken sich übrigens im Alpkäse auch günstig auf den Menschen aus.) Murmeltiere bilden aus diesen Pflanzen ein für den Winterschlaf besonders geeignetes Speicherfett. Mit diesem «Hochleistungsfett» verlieren sie während des Winterschlafs weniger Gewicht und können fehlendes Körperfett kompensieren.


Alpen-Mutterwurz (Ligusticum mutellina) – die Lieblingsnahrung der Murmeltiere.

Bär, Katze, Äffchen und Kätzchen

Murmeltiere leben in Familienverbänden, die von einem dominanten Paar, dem sogenannten Bär und der Katze, geführt werden. Nur sie paaren sich. Nach etwa 34 Tagen kommen ein bis sechs Junge, Kätzchen oder Äffchen genannt, zur Welt. Sie sind in den ersten Tagen ihres Lebens noch blind und öffnen die Augen erst nach einigen Tagen. Bereits im Hochsommer werden sie entwöhnt und können dann mit Glück beim Spielen vor dem Bau beobachtet werden. Murmeltiere sind nach zwei Jahren ausgewachsen und verlassen die Kolonie. Bär und Katze markieren mit einem Sekret aus den Wangendrüsen das Familienterritorium. Murmeltiere können bis 15-jährig werden. Wenn man im Frühling auf vereinzelten Schneeflecken Murmeltierspuren entdeckt, sieht man, dass sie an den Hinterfüßen fünf, aber an den Vorderfüßen nur vier Zehen haben.

Junge Murmeltiere

Jagd

Während das Murmeltier in Deutschland geschützt ist, wird es in Österreich und der Schweiz gejagt. Dabei werden jährlich einige Tausend Tiere erlegt. Nur die wenigsten von ihnen landen aber in der Küche: Die Zubereitung ihres Fleisches mit seinem speziellen erdig-aromatischen Eigengeschmack ist aufwändig und kennt nur eine beschränkte Zahl Liebhaber. Noch heute werden aus Murmeltierfett Salben hergestellt, die bei rheumatischen Beschwerden oder Zerrungen helfen sollen.

Beobachtungstipps


Murmeltiere sind meist nicht besonders schwer zu entdecken – sie verraten sich durch ihre Warnpfiffe. Wenn Sie einen solchen hören und dann ein bisschen Geduld haben, so können Sie beobachten, wie die Tiere nach einer Weile wieder vorsichtig ihren Bau verlassen.
Sollten Sie das Glück haben, einen einzigen, isolierten Murmeltierpfiff zu hören, dann suchen Sie unbedingt den Himmel ab: Mit großer Sicherheit können Sie irgendwo einen Adler oder sonst einen Raubvogel entdecken.

Fragen


In welchen Höhen leben die Murmeltiere?
Wie lange dauert ihre Sommersaison ungefähr?
Warum ertragen Murmeltiere die Hitze schlecht?
Warum sind hohe Sommertemperaturen für die Überwinterung ein Nachteil?
Warum sind vor allem Jungtiere gefährdet, den Winterschlaf nicht zu überleben?
Was fressen Murmeltiere am liebsten?
Was haben junge Murmeltiere und junge Katzen gemeinsam?
Wozu dient dem Murmeltier die Wangendrüse?
Warum ist der Ruf der Murmeltiere ein Schrei und kein Pfiff?
Wie oft ruft ein Murmeltier, um vor einem Adler zu warnen?
Wie unterscheiden sich die Vorder- und Hinterfüße des Murmeltiers?

Antworten

Alpine Fließgewässer – Leben in der Strömung

Rauschende Gletscherflüsse oder milchig schäumende Bergbäche, deren Rauschen oft kilometerweit zu hören ist, gehören zum Bild der Berge und beeindrucken wahrscheinlich alle Menschen. Manchmal scheint es fast unmöglich, dass es in diesen tosenden Wassermassen Lebewesen gibt. Als alpine Gewässer werden Bäche und Flüsse zwischen der Waldgrenze und dem Bereich des ewigen Schnees auf etwa 3500 m ü. M. bezeichnet. Je nach Exposition, Steilheit, Herkunft und Fließgeschwindigkeit des Wassers und vielen weiteren Faktoren, bieten sie sehr unterschiedliche Lebensräume. Alle haben jedoch folgende Gemeinsamkeiten: Sie sind extremen klimatischen Bedingungen ausgesetzt, wie etwa starker Sonneneinstrahlung und tiefen Wassertemperaturen. Dabei ist die Wassertemperatur im Sommer oft viel kälter und im Winter wärmer als die Luft.

Wasserfall

«Eigenschaften des Gebirges»

Wegen der langen und harten Winter ist die Wachstumssaison für Wasserlebewesen sehr kurz und auf wenige Sommermonate beschränkt. Bei Gletscherbächen sind hingegen die Bedingungen im Herbst und im Frühling am besten, also vor dem Schneefall und vor der Schneeschmelze.

Oft sind die Ufer nur spärlich bewachsen, sodass nur wenig organisches Material (Humus, Pflanzenteile usw.) ins Wasser gelangt und für die Wasserlebewesen nur wenig Nahrung vorhanden ist. Meist sind die Nährstoffkonzentrationen im Wassertief.

Gletscherbäche (kryale Gewässer) werden vom Schmelzwasser des Gletschers gespeist. Die Gletscherschmelze findet nur während einer kurzen Zeitspanne im Sommer statt. In dieser Zeit schwillt jedoch das Volumen der Gletscherbäche um ein Vielfaches an. Dabei wälzen die Wassermassen das Bachbett um, was für die Wasserbewohner eine große Herausforderung ist. Typisch für Gletscherbäche ist auch die milchig trübe Farbe ihres Wassers. Diese sogenannte «Gletschermilch» entsteht durch die Beimischung von feinem Gesteinsmehl, welches entsteht, wenn das Gletschereis über den steinigen Untergrund fließt und diesen dabei beständig abschmirgelt.

Gletscherbach

«Gletscher»

Im Gletscherbächen überleben nur wenige Arten; dazu gehören Kiesel-, Gold- und Blaualgen sowie die Larven von Zuckmücken, Steinfliegen und Eintagsfliegen.

Bergbäche (rhitrale Gewässer) führen Regen- und Schneeschmelzwasser. Sie sind weniger starken jahreszeitlichen Schwankungen ausgesetzt als die Gletscherbäche und bieten entsprechend ausgeglichenere Lebensbedingungen.

Typische Arten der Bergbäche sind verschiedene Algenarten, Insektenlarven sowie Strudelwürmer und Borstenwürmer.


Milchiger Gletscherbach, der je nach Tages- und Jahreszeit unterschiedliche Wassermengen führt.

Quellbäche (krenale Gewässer) bieten aufgrund der regelmäßigen Zufuhr von Grundwasser relativ stabile Bedingungen. Entsprechend ist auch die Artenvielfalt etwas größer als bei den Gletscher- und Bergbächen. Neben verschiedenen Algenarten, Insektenlarven und Würmern kommen Ruderfuß- und Muschelkrebse dazu.

Leben in der Strömung

Lebewesen in alpinen Fließgewässern müssen sich vor allem auch an die hohe Fließgeschwindigkeit anpassen. Damit sie nicht einfach weggespült werden, leben die meisten von ihnen am Grund der Gewässer, wo Hindernisse Verstecke bieten und die Fließgeschwindigkeit etwas vermindert ist. Zahlreiche Arten haben auch ihre Körperform dem Lebensraum angepasst oder verfügen über spezielle Fähigkeiten für das Leben in starken Strömungen. Bei den Eintagsfliegenlarven fallen beispielsweise die abgeplatteten Körper auf, die der Strömung wenig Angriffsfläche bieten. Steinfliegenlarven wiederum haben kräftige Krallen und Lidmückenlarven Saugnäpfe am Bauch. Beide sind nützliche Hilfsmittel, um ein Wegschwemmen zu verhindern. Bei den Larven von Eintags- und Köcherfliegen befinden sich die Beine nicht auf der Unterseite des Bauchs, sondern seitlich am Körper. Beim Bewegen heben sie deshalb den Körper nicht bei jedem Schritt ab und bieten der Strömung daher weniger Angriffsfläche. Besonders raffiniert sind auch die Strategien der Köcherfliegenlarven, die ihr Leben mehrheitlich in selbstgebauten Köchern aus Steinchen verbringen, welche an strömungsarmen Stellen am Bachgrund angebracht sind. Viele Algenarten bilden gelatineartige Krusten, die dem Wasser nur wenig Wiederstand bieten.

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