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Verträumt 4

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Aus der Reihe: Verträumt #4
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Verträumt 4
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S.T. Kranz

Verträumt 4

Veronikas Geschichte

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Epilog

Impressum neobooks

Prolog

Wer den ersten Teil von „Verträumt“ kennt, kennt auch unweigerlich Veronika Stein. Dort ist sie als Nebencharakter mit ihrer heimtückischen Art aufgefallen. Doch dieses Buch darf sie diesmal alleine füllen.

Ihre Geschichte handelt 2 Jahre nach den Ereignissen von „Verträumt 1“. Und in der Zwischenzeit hat die verwitwete Mutter von Zwillingen das geschafft, was sie damals schon versuchte zu erreichen. Nämlich ein wohliges Heim für sie und ihre Kinder, genauso wie das nötige Kleingeld, um sorglos über die Runden zu kommen. Dass dies natürlich für sie am einfachsten nur in Verbindung mit einem neuen Lebenspartner funktioniert, war ihr bewusst. Allerdings hat ihr neuer Partner nicht nur das Sorglos-Paket mitgebracht, sondern auch noch eine 13-jährige pubertierende Tochter.

Hiermit wird aus einfach, nicht gerade leicht.

Und anders als bisher, bekommt diesmal die Realität vollste Aufmerksamkeit und erst im Anschluss die Traumwelt, wo in das Herz ihrer Träume gereist und ihr Seelenschmerz ausgiebig verinnerlicht werden darf.

Hier wird es märchenhaft – märchenhaft anders.

1
Verwitwet

Schon sehr lange, wohne ich nicht mehr mit meinen zwei Söhnen in der kleinen Wohnung, die an meinem Geschäft ›Dreiviertel Mond‹ angebaut war. Sie war winzig, dunkel und einsam. Eigentlich diente sie als Lager- und Pausenraum. So war es früher gedacht.

Ich wünschte mir schon als kleines Mädchen einen schnuckeligen Laden, mit großen schönen Schaufenstern, durch die man Regale, bestückt mit Spielwaren und Süßigkeiten, erblicken kann. Bunt und lichtdurchflutet, so sollte er sein.

Mein Mann erfüllte mir mit 24 Jahren diesen Kindheitstraum. Und ich freute mich, ich freute mich sehr.

Damals war es das euphorisierende Gefühl von Glück erfüllt zu sein, das mich immer wieder anspornte, die Türen zu öffnen, um voller Freude meine Kunden zu begrüßen. Sie mit einem Lächeln in meinem kleinen Reich herzlich willkommen zu heißen. Mit den Jahren erweiterte ich mein Sortiment. Da mich außergewöhnliche Gegenstände schon immer interessierten, nahm ich kurzerhand Glaskugeln, Traumfänger und jeglichen Firlefanz mit ins Sortiment auf. Bis diese Dinge, nach dem Tod meines Mannes, Jahr für Jahr immer mehr den Platz von Süß- und Spielwaren eingenommen hatten. Schlussendlich gab es nur noch materielles und spirituelles für Erwachsene in meinem Laden zu kaufen.

Und dann? Na ja, von nun an öffnete ich nur noch die Türen, um das verlorene Glücksgefühl wieder irgendwo zwischen all den antiken Dingen, zwischen all den verschiedenen Menschen, die sich für mein Geschäft interessierten, zu finden.

Gefunden habe ich allerdings nur noch Staub und die Einsamkeit, die sich mehr und mehr aus meinem Inneren in meinen Laden schlich, um sich dort wieder zu spiegeln.

Ich war ziemlich dumm und naiv, konnte mit Geld nicht umgehen und verlor das Haus, das Auto, meinen Wohlstand. Der Stolz in mir ließ mich taub werden. Mein Vater, der mir all die schönen Märchen und Momente im Leben gezeigt hat, war bereit zu helfen. Er wollte mir zur Seite stehen, aber an einer verzweifelten Seele, beißt man sich wohl die Zähne aus.

Plötzlich war mein Laden nicht nur mein Zufluchtsort, sondern auch der meiner Kinder. Ich ließ die Nebenräume umbauen und zauberte mit den letzten finanziellen Mitteln ein kleines Reich, nur für uns drei. So fein und klein, doch voller Charakter – so betitelte meine Schwester das zu Hause, das ich nach kurzer Zeit als Gefängnis sah. Ich wollte wieder diesen Wert besitzen, den ich einst glücklich mit meinem Mann getragen hatte. Nur deshalb akzeptierte ich nun den Gedanken einen neuen Lebenspartner zu suchen und hoffentlich auch zu finden.

Eins, zwei, nun gut, ein paar mehr furchtbare Handlungen ließ ich zu, um wieder das zu bekommen, wonach ich mich sehnte. Spielte Menschen, die mir nahe standen eine Rolle vor, die nicht den wahren Zustand meiner Seele widerspiegelte. Das meiste allerdings, mit mäßigem Erfolg. Bis ich dann einen neuen Freund kennenlernte und sofort wusste, das wird der Mann, der mich und meine Zwillinge aus diesem Laden befreit.

Dass sich diese Rettung aus meinem Zustand jedoch kurz darauf schwieriger gestalten würde als gedacht, war mir bis dato nicht bewusst. Denn mit uns, ist auch seine 13-jährige Tochter von ihrer Mutter weg- und in sein Loft eingezogen. Und sie scheint wohl genauso wenig von mir begeistert zu sein, wie ich von ihr.

Ich bin Veronika Stein, 34 Jahre alt und verwitwet.

Hier beginnt meine ganz persönliche Geschichte.

»Hallo?«, erklingt laut hallend eine männliche Stimme durch die Regale von Veronikas Antiquitätengeschäft ›Dreiviertel Mond‹, nachdem ein Glöckchen an der Eingangstür läutet. Mit streng nach hinten gerichteten Haaren stolziert ein junger erwachsener Mann durch den Laden und schaut sich dabei hoch interessiert die Gegenstände in den Regalen für den Verkauf an.

Lächelnd betritt Veronika durch einen Fadenvorhang den Verkaufsraum und schaut dabei, völlig desinteressiert, direkt über den Tresen zu ihrem einzigen Kunden.

»Hallo mein Lieber, ich schließe gleich meinen Laden, kann ich dir noch schnell behilflich sein?«

Sich räuspernd geht der Kunde zielstrebig, aber doch mit einer gewissen Anspannung, auf eine außergewöhnliche, gar gespenstische Kleinskulptur zu. Neugierig nimmt er diese in die Hände, um sie ausgiebig zu begutachten.

»Ist dieser Krimskrams überhaupt was wert?«

»Nicht unbedingt, mein Lieber. Alles bezahlbar.«

»Steht draußen am Eingang nicht, dass bis heute Abend geöffnet ist?«

»Ich bin selbstständig, ich kann es mir leisten, mich nicht an Öffnungszeiten zu halten.«

»Es ist nicht gerade cool für die Kundschaft, die interessiert ist einzukaufen, dann vor geschlossener Tür zu stehen. Ich wollte schon öfter hier reintakeln, war aber immer Geschlossene Gesellschaft

Arrogant überhört Veronika diese Aussage und blickt dabei kurz auf ihre Armbanduhr, die sie an ihrem zarten Handgelenk trägt.

»Willst du nun was kaufen oder willst du gehen?«

Frech grinsend stellt der junge Mann die Skulptur wieder auf seinen staubigen Platz und läuft mit lässigen Schritten zum Tresen. Sanft fallen die Sonnenstrahlen im Hintergrund durch die großen Fenster auf den Boden. Auf ihrem Weg dahin tauchen sie all die Gegenstände in ein diffuses Licht, während die Stille und das Unbehagen zusammen mit dem aufgewirbelten Staub in der Luft schwebt.

»So ein Zippo, mit dem Totenkopf, das hätte ich gerne.«

»Das war es, mein Lieber?«

»Für mehr lohnt es sich hier nicht.«

Die rechte Augenbraue hochnäsig nach oben gezogen, nimmt Veronika das Sturmfeuerzeug von der Halterung und tippt den Preis in ihre Kasse ein. Blinzelt dabei schon auf die elektronische Bankkarte, die der Kunde ihr bereits vor die Nase gelegt hat.

Mit hängenden Schultern und einem Blick voller geheucheltem Mitleid entfleucht ihrem Mund ein Mhh.

»EC Zahlung bei mir leider nicht möglich. Entweder Bar oder gar nicht, mein Lieber.«

»Dein Ernst?«

Mit einem oscarreifen Lächeln, steckt Veronika das Feuerzeug wieder in die Halterung und schiebt die Bankkarte des Herren wieder zu ihm zurück. Scheinheilig entschuldigt sie sich dabei nochmals, herzlichst.

»Saftladen.«

»Einen schönen Tag wünsche ich dir noch.«

»Geschenkt.«

Trotz der verfahrenen Situation scheint der Mann nicht gerade frustriert zu sein, denn er verlässt den Laden mit einer gewissen Gleichgültigkeit. Dabei läutet wieder das Glöckchen, das wohl nur noch an einem Faden, an der Decke hängt. Genervt von diesem Tété-a-Tété storniert die Inhaberin den letzten Bon, als plötzlich zwei 11-jährige Jungs ins Geschäft stürmen und dabei Veronika sichtlich erschrecken.

»Hey ihr Lieben, seid nicht so wild. Wie geht es euch, wie war die Schule?«

Liebevoll umarmt die Mutter die Zwillinge Fabian und Median, küsst dabei sehnsüchtig die Wangen der zwei Brüder.

»War alles gut, Mama.«

 

»Ihr habt euch sogar schon umgezogen, ihr zwei Süßen. Auf euch ist Verlass. Kommt nochmal her.«

Sie bittet ihre Kinder in ihrer vertrauten Umgebung um eine weitere innige Umarmung. Kaum geschehen macht sie dann aber mit strenger Mine zügig Dampf, dass die kleine Familie den Laden verlässt.

Beim Betreten, der von vielen Menschen bevölkerten Straße, peitscht ihnen ein angenehm warmer Wind ins Gesicht. Die Blätter an den Bäumen bräunlich gefärbt, riecht es auch bereits nach Zuckerrüben und erinnert an den letzten vergangenen Herbst.

Gemeinsam überquert Veronika mit ihren Jungs den Zebrastreifen, um anschließend in ein schwarz lackiertes Auto einzusteigen.

Die Zwillinge auf der Rückbank wohlbehütet, begrüßt Veronika einen stattlichen Mann am Steuer mit einem Kuss. Ruckartig werden die Autotüren geschlossen und das erste Kompliment ihres Lebensgefährten Brandon erreicht ihre Ohren, bevor er dann den Motor startet.

»Mahagoni Braun? Tolle Haarfarbe. Wann warst du beim Friseur?«

»Heute Morgen, mein Lieber.«

»Gefällt mir.«

»Uns auch!«

Bestärken die Zwillinge das Selbstwertgefühl der Mutter, die daraufhin aufgesetzt lächelnd anfragt, ob denn Clara nicht mitkommt.

»Doch, doch. Sie war mit ihrer Mutter heute Morgen unterwegs und wird von ihr vor dem Restaurant abgesetzt. Sie wird bestimmt schon dort auf uns warten. Ach, ich freue mich auf unser gemeinsames Essen.«

»Herrlich«, antwortet Veronika, klappt ihren kleinen Handspiegel auf und zieht nochmal ihren Lippenstift nach.

Die Straßen sind frei. Die Ampeln grün. Geschwind kann dem schwarzen PKW durch die Innenstadt gefolgt werden, während die dicken Wolken am Himmel ihre Bahnen ziehen. Die Stadtlaternen erhellen so langsam das Gebiet, während die Sonne ihren Untergang, weit hinter dem Horizont, stillschweigend vollzieht.

Das Auto kurze Zeit später im dichten Regen vor einem hell erleuchtenden Gebäude geparkt, eilen Veronika, ihre Zwillinge und Brandon zum Eingang des noblen Restaurants. Zügig öffnet sich die Glastür automatisch, woraufhin die kleine Familie eintritt, um staunend ihre Blicke schweifen zu lassen. Umgeben von einer unglaublich beruhigenden Atmosphäre, erhaschen sie die vielen stilvollen Details im Raum, die an einen schönen Tag am Meer erinnern. Die gewölbte Zimmerdecke über ihnen besteht aus einem riesigen Aquarium, in dem sich unzählige bunte Fischarten tummeln. Anstatt von dezenter Hintergrundmusik werden sie von einem leisen, sehr entspannenden Meeresrauschen empfangen.

»Willkommen im Aqua Populus«, begrüßt der Chef des Hauses höchstpersönlich die vom Staunen erstarrten Gesichter, während sie die Jacken von einer Bedienung freundlich abgenommen bekommen.

»Haben Sie einen Tisch reserviert?«

»Ja, auf den Namen Courag und Stein.«

»Dann bitte folgen Sie mir«, ertönt es kaum vernehmlich aus dem ruhigen Mann, der daraufhin den Weg durch sein Restaurant weist, dicht gefolgt von seinen vier Gästen. Überwältigt von der bläulichen schillernden Idylle und dem feinen Sand, der den Weg ziert, blicken Median und Fabian neugierig auf die Teller der anderen Gäste. Dabei ist in Medians Gesicht Ekel zu erkennen, den er empfindet.

»Das sind alles tote Tiere auf den Tellern. Ist ja widerlich. Das kann ich nicht essen.«

»Das ist total abgefahren.«

Scheint Medians Bruder anderer Meinung zu sein.

Total verliebt klammert sich Veronika an Brandons Arm und äußert ihre Begeisterung mit einem lauten Wooow, während sie durch einen mit Muscheln dekorierten Türbogen laufen.

»Ich liebe diese Location jetzt schon. Vielen Dank für diese schöne Überraschung, mein Lieber.«

Lächelnd lässt Brandon seine Augen sprechen, bis er plötzlich die Stimme seiner 13-jährigen Tochter wahrnimmt.

»Mensch, das wird aber auch Zeit. Ich warte ja schon gefühlt tausend Stunden.«

»Erstmal hallo, mein Schatz«, versucht Brandon seine Tochter zu beschwichtigen, bevor er mit Veronika, Median und Fabian am großzügigen, runden Tisch Platz nimmt.

»Hi Fabian. Hi Median. Hallo Veronika.«

»Hallo Clara«, begrüßt die kleine Familie Stein das ungeduldige Fräulein, nachdem der Chef kurz weggerufen wird. Schnell setzt sich Clara zu den Zwillingen um, damit sie ihnen sofort ein paar neue, coole Videos auf ihrem Handy zeigen kann.

»Richtig hübsch hier. Hach, hoffentlich wird das ein harmonischer Abend.«

Äußert sich Veronika pessimistisch und bekommt dafür sofort einen bissigen Blick von ihrer Stieftochter zugeworfen.

»Klar wird das ein harmonischer Abend«, antwortet Brandon optimistisch und flüstert ihr anschließend ins Ohr, dass sie zu Hause im Whirlpool weiter planschen könnten. Natürlich nur, wenn Lust danach besteht.

»Warten wir es ab und lassen uns überraschen.«

Ein äußerst sympathischer Kellner gesellt sich zu den Gästen, überreicht die Speisekarte und erkundigt sich auch zugleich, ob denn die Familie bereits wüsste, was sie zum Trinken nehmen möchte.

»Ne Cola. Schön kalt. Mit Eiswürfel«, quietscht Clara als Erste, bevor der Rest der Familie ihre Wünsche äußert.

Bedankend kehrt der Kellner ihnen den Rücken zu, während der Chef nach kurzer Abwesenheit nochmal zu ihnen an den Tisch kommt.

Überaus zuvorkommend wünscht er der Familie einen zauberhaften Abend in seinem Restaurant und verabschiedet sich daraufhin freundlich.

Während sich das Rauschen des Meeres im Hintergrund mit den Klängen der Möwen vereint, genießt die kleine Familie ihren Abend im Aqua Populus. Zwar jedes Alter auf seine Art, trotz allem aber gemeinsam und mit guter Speise vor der Nase. Lachend und redselig lassen sich die Gemüter fallen, während Median nicht auf das Essen seiner Mutter schauen kann, da Veronikas Mahlzeit leblos zurückschaut.

Nur Veronikas und Claras Antisympathie ist in der Runde merklich spürbar, obwohl sie bisher keinen einzigen Satz gewechselt haben. Stören, vermag es allerdings niemanden.

Bis Clara plötzlich von Veronika und Brandons Turtelei sichtlich genervt, ihrer Stiefmutter eine bewusst provokante Frage stellen muss.

»Sag mal, Veronika. Wer wurde eigentlich zuerst geboren? Fabian oder Median?«

»Clara?!«, versucht Brandon die tickende Bombe zu entschärfen, die plötzlich in die Runde zwischen Veronika und Clara geworfen wurde.

»Was denn? Das interessiert mich. Darf man nicht fragen? Bekomme ich denn nun auch eine Antwort?«

Die Luft brennt. Tick, Tack, Tick, Tack, erklingt es leise.

Geschockt blickt Veronika ihren Lebensgefährten an, um sich daraufhin, vor Zorn zitternd, zu erheben.

»Ich hoffe, du hast vergessen deine Tochter aufzuklären, ansonsten wüsste ich jetzt nicht, wem von euch beiden ich als Erstes an die Gurgel gehen müsste! Ich nehme die Schlüssel und fahre heim, du kannst ja ein Taxi nehmen. Kommt meine Lieben.«

Fuchsteufelswild und tief Luft holend verlässt Veronika das vor Kurzem noch harmonische Gelage mit ihren Zwillingen im Schlepptau. Die nur zur Hälfte verspeisten Mahlzeiten bleiben einsam und immer noch dampfend auf dem Tisch zurück.

»Ist dein Akku all? Oder warum musstest du jetzt diese unpassende Frage an Veronika stellen? Wenn du unbedingt heimwolltest, hättest es auch anders sagen können«, verliert sich der Vater in Erklärungen, während seine Tochter nur gelangweilt mit ihren Schultern zuckt.

»Ich hab’s vergessen. Steht ja nicht auf ihren Shirts, dass die beiden Brüder adoptiert sind.«

Genervt schüttelt der Vater den Kopf, sieht dabei seinen schönen geplanten Abend mit seiner Lebensgefährtin wie eine Seifenblase platzen.

»Dass ihr euch so gut mit ihr versteht, das verstehe ich bis zum heutigen Tage nicht. Ich könnte die Gute manchmal an die Wand klatschen. Sie ist einfach so, einfach so. Hach. So dumm«, beklagt sich Veronika Minuten später aufgebracht, während sie mit ihren Zwillingen in einem Aufzug steht und genervt auf die Etagenanzeige blickt.

»Sie macht es, denk ich, nicht extra«, antwortet Median abmildernd.

»Das sei mal so dahingestellt, mein Lieber.«

Kurz darauf öffnet sich im vierten Stock die Tür des Fahrstuhls, durch die Veronika, mit ihren Zwillingen, eine weitläufige Wohnlandschaft betritt. Das gemütlich wirkende Loft wird durch unzählige, geschickt positionierte, Lichtquellen lauschig erhellt. Und das mitten im Raum platzierte Bad, nur abgegrenzt durch eine Umrandung aus Milchglas, wird durch das Licht des Mondes, welches durch das zwei Meter hohe Fenster schimmert, perfekt in Szene gesetzt. Auch die verschiedenen Abstufungen in dieser ehemaligen, kleinen Industriehalle verleihen dieser Wohnung einen besonderen Charme. Die Küche ist ebenfalls frei zugänglich und lediglich mit einem Bartresen etwas abgegrenzt.

Nur die drei Schlafzimmer sind angebaut und besitzen daher ihre eigene Privatsphäre. Allerdings haben auch sie das gleiche unverputzte Mauerwerk, wie wohl alle Loftwohnungen in diesem Gebäude.

»Wir machen uns bettfertig«, ruft Fabian angeberisch und läuft schnurstracks mit seinem Bruder ins Bad, aus dem sie wegen der nicht vorhandenen Decke deutlich zu hören sind. Genervt von allem und jedem schmeißt Veronika, Schuhe und Jacke neben die Couch und versucht daraufhin in Gedanken vertieft, mit dem Lesen einer Klatschzeitung Ruhe zu finden.

Am Tresen Platz genommen, bemerkt Veronika, wie der Aufzug runterfährt, weshalb sie jetzt schon mit den Augen rollt und ahnt, wer gleich nach Hause kommt. Zugleich lachen die Zwillinge lautstark auf, weshalb Veronika kurz zusammenzuckt und mit autoritärer Stimme Ruhe und Ordnung verlangt.

»Ist gut Mama.«

Im Verbund huschen die Brüder aus dem Bad, um anschließend der Mutter eine Gute Nacht zu wünschen. Gleich darauf flüchten sie in ihr Kinderzimmer.

»Gute Nacht, meine zwei Lieben.«

Kurz in der Stille eingetaucht, blättert Veronika die Seiten weiter, während die Lifttür sich öffnet und Brandon mit seiner Tochter Clara hereinspaziert.

»Hallo Schatz«, begrüßt er sie reumütig, doch Veronika würdigt ihn keines Blickes und verschwindet hastig in einem anderen Zimmer.

»Siehst du, man kann sich nicht mal entschuldigen, weil sie gleich abhaut und erst Tage später wieder sichtbar ist«, erklärt Clara selbstbewusst und zieht dabei den Weg ins Bad in Betracht.

»Nun hau schon ab, ich werde die Wogen glätten müssen.«

»Nachti, Papi.«

Nervös läuft Brandon durch sein Loft und öffnet mit Vorsicht seine Schlafzimmertür, durch die ihm ein sanfter Windhauch entgegenweht.

»Veronika Schatz?«, pustet er in sein Zimmer und schließt daraufhin leise die Tür. Er blickt zu der offen stehenden Balkontür und sichtet Veronika auf dem Vorbau. Nur die Nachtlichter, über dem aus Paletten gebauten Bett, erhellen das Zimmer.

»Hast du mit deiner Tochter geredet?«, will Veronika wissen, lehnt sich dabei ans Geländer und blickt über ein stillgelegtes Industriegelände, das trotz seiner tristen Ausstrahlung wunderschön aussieht.

»Es tut ihr Leid«, antwortet Brandon, schaut dabei wehleidig zum Whirlpool, der außerhalb, unter dem Schlafzimmerfenster für gemeinsame Stunden eingebaut wurde.

»Sie hat es vergessen.«

»Vergessen? Glaubst du das wirklich? Du bist ja noch dümmer als ich gedacht habe.«

»Och, Veronika Schatz, lass uns nicht auch noch streiten. Ich hätte da viel bessere Ideen«, versucht Brandon die Gemüter zu besänftigen, schmiegt sich dabei lüstern an ihren Rücken ran.

»Lass mich, ich will jetzt nichts von dir wissen«, lehnt Veronika seine zärtlichen Berührungen ab, bekommt dabei aber ein kleines Lächeln ins Gesicht geweht.

»Na Schatz, du und ich? Und der Whirlpool?«

Schnaufend dreht sich Veronika aus Brandons Reichweite. Vertröstet ihn auch augenblicklich. Denn die Mutter hat ein paar mehr Sorgen, die nicht einfach so von der Hand zu wischen sind.

»Brandon, wieso wirft deine Tochter mir plötzlich solch eine Frage an den Kopf? Hast du ihre Blicke gesehen, die sie mir manchmal zuwirft? Wieso ist sie denn jetzt auf einmal wieder hier eingezogen, nachdem ich mit Median und Fabian den Schritt hierher gewagt habe? Erklär mir das mal, mein Lieber.«

»Sie musste nach der Trennung mit ihrer Mutter gehen. Wie hätte ich denn mit meinem Job auf sie achthaben können? Mit deinem Einzug ist es eben wesentlich einfacher geworden, auf sie aufzupassen. Sie wollte eigentlich nie aus ihrer vertrauten Umgebung raus. Nun hat sie sie wieder, dank dir.«

 

»Herrliche Komplimente, mein Lieber. So kann ich ja getrost schlafen gehen«, erwidert sie sarkastisch.

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