Hineni – Hier bin ich!

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Die Erwählung

Das Wort Erwählung erscheint uns in der Bibel manchmal schwierig. Was hat es damit auf sich, wenn Gott sich erwählt? Bedeutet das gleichzeitig, dass andere ausgeschlossen sind? Wählen heißt ja eigentlich, ich entscheide mich für etwas und damit auch gegen etwas anderes. Es heißt, ich wähle aus mehreren eines aus. Was bedeutet es nun, wenn Gott erwählt?

Gott aber sucht, was verloren ging (Pred 3,15 ZÜR).

Gott sucht das Entschwundene wieder hervor (Pred 3,15 ELB).

Das beschreibt Gottes endlose, liebende Suche über alle Erwählung und alle Vorherbestimmung hinaus. Du bist erwählt, weil seine Sehnsucht dich sucht.

Das Törichte der Welt hat Gott auserwählt,

damit er die Weisen zuschanden macht;

und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt,

damit er das Starke zuschanden macht.

Und das Unedle der Welt und das Verachtete hat Gott auserwählt,

das was nicht ist, damit er das, was ist, zunichtemache,

dass sich vor Gott kein Fleisch rühme (1 Kor 1,27-28).

So sieht Erwählung Gottes aus. Bei ihm haben alle die die beste Chance, die sich klein, unscheinbar, ungenügend, schwach und minderwertig fühlen.

Er ist es, der sucht, sieht und Suchende erwählt. Nicht willkürlich, sondern er gibt damit Antwort auf suchende, sehnsuchtsvolle Herzen. Das, was uns abhält, in diese Berufung zu kommen, ist der Kampf um unser Herz. Und um diesen Kampf zu führen, sind wir von der Liebe Gottes erwählt. Aus dem Johannesevangelium wissen wir, dass Gott die Welt liebt – egal woher wir kommen.

Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat (Joh 3,16).

Seine Liebe gilt dir, gilt allen, denn Gottes Wesen ist Liebe, und seine Liebe erwählt.

… wegen der Liebe des Herrn zu euch … (5 Mose 7,8).

Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein (Jes 43,1b).

Beim Namen rufen kann dich nur jemand, der dich kennt. Das ist persönlich, weil Gott dich persönlich meint. An anderer Stelle heißt es:

Wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt ... (Eph 1,4).

Das sprach Paulus damals der Gemeinde von Ephesus zu, und das gilt für die Gemeinde heute ebenso. Wir waren auserwählt, bevor wir etwas waren, um zu sein, um heilig und tadellos vor ihm zu sein. Denn das ist nötig, damit wir ihm, dem heiligen Gott, nahe sein können. Und das ist seine Sehnsucht. Darum erwählt er uns; so wie Jesus seine Jünger erwählt hat, damit sie um ihn seien7.

Gott möchte uns um sich haben. Dazu wirst du erwählt. Das schließt keinen aus, aber er zwingt auch keinen dazu. Gott hat vor Grundlegung der Welt erwählt. Gott hat zuerst geliebt – dort beginnt alles.

Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt … (Joh 15,16).

Die er aber zuvor erwählt hat, die hat er auch im Voraus dazu bestimmt, nach dem Bild seines Sohnes gestaltet zu werden, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er im Voraus bestimmt hat, die hat er auch berufen. Und die er berufen hat, die hat er auch gerecht gesprochen. Die er aber gerecht gesprochen hat, denen hat er auch die Herrlichkeit verliehen (Röm 8,29-30 ZÜR).

Dieser Erwählung geht Liebe voraus; und dann sucht Erwählung das Verlorengegangene und wartet gleichzeitig auf eine Antwort.

Gott aber sucht, was verloren ging (Pred 3,15b ZÜR).

Dieser Satz erklärt seine endlose, liebende Suche über alle Erwählung, alle Vorherbestimmung hinaus. Sobald du auf Gottes Liebe antwortest, trittst du in deine Erwählung ein, und damit schließt sich der Kreis. Du wirst zu einem, der im Voraus dazu bestimmt war, zu einem, der berufen ist, der gerecht gesprochen ist und dem damit die Herrlichkeit Gottes verliehen wurde, mit dem einen Ziel: Du kannst nun Gemeinschaft mit Gott haben. Du bist nun in deiner Bestimmung, mit ihm zu sein.8 Und so kannst du mit Freimut vor seinen Thron treten.

Und wen er erwählt hat, den wird er zu sich nahen lassen (4 Mo 16,5b).

Wenn wir diesen Kreisverlauf vor uns sehen, dann sprechen wir nicht mehr davon, dass die einen erwählt sind und die anderen nicht. Jeder der Ja sagt, jeder, der glaubt, soll nicht verloren gehen. Allein Gottes Ja, seine Liebe, und dein Ja bringen dich in die Verheißung der Erwählung. Erwählung braucht eine freiwillige Antwort, und die bringt dich in deine Bestimmung als Sohn und Tochter.

Denn ein heiliges Volk bist du für den Herrn, deinen Gott; dich hat der Herr, dein Gott, aus allen Völkern erwählt, die auf Erden sind, damit du ein Volk des Eigentums für ihn seist. Nicht deshalb, weil ihr zahlreicher wärt als alle Völker, hat der Herr sein Herz euch zugewandt und euch erwählt – denn ihr seid das Geringste unter allen Völkern –, sondern weil der Herr euch liebte und weil er den Eid halten wollte, den er euren Vätern geschworen hatte, darum... (5 Mose 7,6-8 SLT).

Ich liebe es, wie und dass Gott sich dieses kleine, unscheinbare Volk Israel erwählt hat. Das ist das Törichte in Menschenaugen, aber es zeigt etwas von Gottes Art und Wesen. Und dann liebt Gott es, darüber zu sprechen. Gottes Wesen schaut auf das Kleine, auf das Geringe und macht es schön. Man sieht es den Menschen seines Volkes heute noch an. Als wir in Israel waren, schien es mir, als gingen sie sehr aufrecht, mit Stolz und Schönheit durch die Welt. Ist es die Würde, die ihnen durch diese Erwählung Gottes gegeben ist? Die ihnen in allen Zeiten nicht geraubt werden konnte?

Gleichzeitig sind sie den Menschen ein Anstoß. Man beginnt sie entweder zu lieben, weil man etwas von Gottes Erwählung in ihnen sieht und ahnt, dass dieses Volk auch etwas mit der eigenen Geschichte zu tun hat, oder sie werden einem zum Anstoß.

Gott sagt von sich selbst, dass er den Eid halten wollte. Er ist treu, trotz unserer Untreue, denn er kann nicht anders als treu sein. Es ist seine tiefste Art. Er ist diesem kleinen Volk treu, auch dort, wo Menschen untreu sind und ihn nicht erkennen. Gott wird seine Geschichte mit ihnen wie auch mit uns zu Ende führen. Doch die Frage ist, wen findet er vor? Wer lässt sich finden? Wer gibt Antwort und erlebt dann seine Herrlichkeit und lässt sich Gottes Herrlichkeit verleihen? Diese Herrlichkeit, welche die Nähe Gottes offenbar macht und uns in seiner Nähe sein lässt.

Die Krise

Gott ist auch ein eifernder Gott, so sagt uns die Bibel. Er sucht ungeteilte Herzen, Orte, an denen er wohnen kann – denn er liebt es zu wohnen.

Mit sehr unterschiedlichen Gefühlen gingen wir dieses Jahr 2020 auf Ostern zu. Während wir uns durch das Corona-Virus alle im selben Sturm befanden, saßen wir doch in unterschiedlichen Booten.

Wir erleben die Auswirkungen sehr unterschiedlich. Da gibt es jene, für die die Welt völlig auf den Kopf gestellt scheint und andere, für die sich das Außenleben endlich einmal ihrem Innenleben angleicht und die sich deswegen darin gar nicht so fremd, gar nicht so in Not fühlen. Und dann gibt es jene Menschen, die fragen: Wo ist Gott? Ist dieser Sturm von Gott?

Das erinnert mich an die Geschichte, als Jesus die Jünger über den See schickte und sie in einen Sturm gerieten. Man kann sich fragen, warum Jesus sie losschickte; er musste doch von dem Sturm gewusst haben. Warum sandte er sie scheinbar mitten in diesen Sturm hinein?

Und an jenem Tag sagte er zu ihnen, als es Abend geworden war: Lasst uns zum jenseitigen Ufer übersetzen! (Mk 4,35).

Jesus gebot ihnen, ans andere Ufer zu fahren. Er sagte nicht: Fahrt in den Sturm. Das andere Ufer war das Ziel. Es war auch der Ort, wo ein Mensch (der Gerasener) seine Heilung, seine Befreiung erleben sollte. Jesus hatte ein Ziel vor Augen, doch oftmals gehen unsere Wege zu diesem Ziel auch durch Stürme, denn Gottes Wegen stellen sich Stürme entgegen, um uns vom eigentlichen Ziel abzubringen.

Gott sieht weiter als bis zu diesem Virus. Er hat etwas im Blick, das wir zu einem großen Teil noch nicht sehen. Der Weg dorthin ist stürmisch, herausfordernd, beschwerlich und auch furchteinflößend.

Doch damals saß Jesus mit im Boot. Die Jünger waren nicht allein. Sie hatten den Friedensbringer mit an Bord, der Wind und Wellen gebieten konnte. Sie hatten den dabei, der auch im Sturm schlafen kann, weil in ihm keine Furcht ist. Und wenn wir meinen, Gott schlafe gerade, Gott schaue scheinbar gerade weg, dann ist es gut, sich daran zu erinnern:

Er wird nicht zulassen, dass dein Fuß wankt. Dein Hüter schlummert nicht. Siehe, nicht schlummert und schläft der Hüter Israels (Ps 121,3-4).

Ich möchte nicht nur das Licht am Ende des Tunnels sehen und darauf hinweisen; ich möchte das Licht im Tunnel, direkt an meiner Seite, sehen und darauf deuten. Hier, schau hin, du bist nicht allein. Er schläft und schlummert nicht, sondern ist um dich. Er ist dein Hüter.

Die Verlassenheit

An einem frühen Morgen fragte ich Gott: Was ist in deinem Herzen, Vater? Zeige uns dein Herz in diesen Tagen! Schau auf Golgatha – war die Antwort. Ich habe euch zuerst geliebt und sehne mich nach einer Antwort. Gott ist und bleibt bis an das Ende der Welt ein Gott mit Sehnsucht im Herzen. Er wirbt auf Golgatha um unser Herz. Nur kurze Zeit, bevor Jesus ans Kreuz ging, sagte er den Menschen:

Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke! (Joh 7,37b).

Und dann kommt das Kreuz, und die Jünger erleben einen Tag des Verlustes, der Enttäuschung, tiefster Trauer und Verlassenheit. Sie erleben die Krise ihres Lebens. Alle ihre Träume zerbrechen. Alles scheint umsonst gewesen zu sein, alles verloren. Und deshalb ergreift Angst und Schrecken ihre Herzen. Was bedeuten da noch die Worte Jesu? Woran konnten sie sich festhalten?

 

Aller Hoffnung beraubt, gingen sie in die Isolation, an einen Ort, wo sie sich aus Furcht vor den Juden hinter verschlossenen Türen verbargen. Auf dem Ölberg hatte Jesus den Jüngern gesagt, sie sollten wachen und beten; doch sie waren in Schlaf gefallen und später tatsächlich nicht bereit für das, was ihnen begegnete.

Und er stand auf vom Gebet, kam zu den Jüngern und fand sie eingeschlafen vor Traurigkeit (Lk 22,45).

In einer Übersetzung heißt es: Sie waren schlafend vor Traurigkeit.9

Manchmal fühlen wir uns wie betäubt von Schmerz, Traurigkeit und Enttäuschung. Es ist ein Kampf, ein Ringen, nicht schläfrig zu werden und stattdessen im Gebet, in der Begegnung mit Gott zu bleiben. Genau heute ist die Zeit, wo wir es so sehr brauchen.

Jesus hat es uns vorgelebt. Er wusste, er würde in Kürze für einen Moment tatsächlich von Gott verlassen sein. Die Sünde der Welt, meine Sünde, würde auf ihm liegen; und das würde gleichzeitig bedeuten, dass Gott sich zurückziehen würde von ihm. Das kostete Jesus über den unsagbaren Schmerz hinaus auch einen Gebetskampf, von dem es heißt, dass sein Schweiß wie Blutstropfen zur Erde fiel. Er hatte Todesangst vor dieser Trennung. Jesus, der die innigste Nähe zum Vater kannte und darin lebte, wusste um den Schmerz darüber, nicht mehr dort sein zu können. Das Kreuz, unsere Schuld würde ihn trennen vom Vater. Für einen Moment würde der Vater zurücktreten und Jesus würde dieses eine Wort aussprechen, das uns vergewissert, dass er wirklich durch die letzte Gottesverlassenheit gegangen ist:

Um die neunte Stunde aber schrie Jesus mit lauter Stimme auf und sagte: Elí, Elí, lemá sabachtháni? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mt 27,46).

In diesen Tagen kommt mir immer wieder dieses Wort in den Sinn – wache und bete! Wir sind an vielen Stellen schläfrig geworden. Die Umstände, Bequemlichkeit, Enttäuschung, Schmerz, Bitterkeit und Zweifel haben uns schläfrig gemacht. Manch einer von uns ist in seiner Traurigkeit eingeschlafen. Aber Krisenzeiten sind genau die Zeiten, in denen wir etwas lernen, die uns formen, die Wachstum hervorbringen, wenn wir uns aufstören lassen, wenn wir das Bisherige und Heutige in Frage stellen lassen.

Krisen und Wüsten sind Orte, an die wir nicht freiwillig gehen. Die Israeliten haben viel Zeit in der Wüste verbracht, viel Zeit mit Aufbegehren und Murren. Sei weise in Wüstenzeiten, d. h. es ist gut zu wissen: Woher bekomme ich Wasser? Wo habe ich einen Ort, an dem ich mich bergen kann? Wo finde ich Nahrung und welches Feuer hält mich in der Kälte der Wüstennacht warm? Enttäuschung kann jedes Feuer auslöschen. Sie kann den Blick auf die Treue Gottes versperren. Jesus hatte dazu aufgefordert, diejenigen, die durstig seien, sollten zu ihm kommen. Und kurz darauf war er nicht mehr da. Was macht das mit uns, wenn unsere Hoffnung gestorben ist?

Und dennoch kam nach der Dunkelheit das Licht, nach dem Tod die Auferstehung. Und bald danach kam die versprochene Quelle lebensspendenden Wassers, fortwährender Versorgung durch den Heiligen Geist.

Ja, manchmal müssen wir eine Strecke in der Wüste zurücklegen. Wir wissen nicht, wie lange sie dauert. Vielleicht ist das die größte Herausforderung. Doch in allem Ungewissen bleibt Eines gewiss – Gott ist vorher, während und nachher derselbe. Er verändert sich nicht, unabhängig von meinen Gefühlen und Umständen. Es kostet etwas, an ihm festzuhalten – der Preis ist mein Vertrauen. Ich muss ihm mein Herz anvertrauen. Es kostet etwas, ihn weiterzusuchen, weiterhin zu beten. Doch genau das ist es, was hilft, meine Wurzeln tiefer zu graben, sodass ich aus dem tiefsten Grund der Liebe heraus versorgt werde.

1 Vallotton, Kris, https://www.bethel.tv/podcast/sermons/episodes/478

2 Vgl. Dave Adamson, 52 Hebrew Words Every Christian Should Know, S.33, 2018.

3 Debora Sommer, Im Herzen ist Raum für mehr, S. 188, 2020.

4 Johannes Hartl, Gott ungezähmt, S. 14, 2016.

5 Martin Schleske, Krisenzeiten, Der Ruf des Raben, S. 129, 2020.

6 Vgl. Elberfelder Bibel, Offb 1,14.15, 2017.

7 Vgl. Mk 3,14.

8 Vgl. Mk 3,14.

9 Lutherbibel 1912.

2 Abraham
Die Vatergeschichte

Die erste große Vatergeschichte der Bibel beginnt mit Erwählung.

Du bist es, Herr, Gott, der du Abram erwählt hast und ihn aus Ur in Chaldäa herausgeführt und ihm den Namen Abraham verliehen hast (Neh 9,7).

Der Gott der Herrlichkeit erschien unserem Vater Abraham, als er in Mesopotamien war, ehe er in Haran wohnte, und sprach zu ihm: Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und komm in das Land, das ich dir zeigen werde (Apg 7,2-3).

Während wir auf das Äußere, die äußeren Umstände schauen, sucht und sieht Gott immer das Herz. Er sucht Herzen, die hungrig sind, die Antwort geben. Und Abram gibt Antwort. Er zieht weg aus seinem Vaterland. Er beginnt diesen Glaubensweg, dorthin zu gehen, wohin Gott ihn beim Gehen führen wird. Es fordert Vertrauen, diesen Weg zu gehen, den du nicht kennst, von dem du keine Karte hast. Und für den du so eng mit Gott verbunden sein musst, dass du seine Stimme hörst, damit sie dich leiten kann.

Es fordert Vertrauen und Glauben, um in die Wege Gottes einzustimmen, einfach loszugehen, ohne sie zu kennen.

Aus anderen Berufungsgeschichten, die aus menschlicher Sicht immer unmöglich erscheinen, kennen wir diese Worte: Ich bin der Herr; fürchte dich nicht; der Herr wird für dich streiten. Das spricht eigentlich immer dafür, dass ich es ohne Gott, ohne seine Hilfe, seine Kraft gar nicht tun kann. Warum bekommt Abram diese Worte an dieser Stelle noch nicht zu hören? Fand Gott so viel Vertrauen in ihm, dass es sie überflüssig machte?

Es ist gut, dass Gott immer weiß, wann wir etwas brauchen und es dann auch gibt. Er hat genau zur rechten Zeit Ermutigung, Trost, Hoffnung.

Abram bekommt Verheißungen und einen neuen Namen. Sie werden immer wieder an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Situationen wiederholt. So bekommt er den Sternenhimmel gezeigt als Erinnerung; er bekommt einen Namen mit einer neuen Bedeutung, die ihn immer wieder daran erinnert, welche Verheißung Gott in sein Leben hineingesprochen hat. Schlichter Gehorsam lässt Abram in ein Land gehen, das er nicht kennt, nicht sieht. Sein Gehorsam ist Antwort auf Gottes Auftrag, auf seine Berufung, auf seine Erwählung.

Abram zog aus, um anzukommen. Anzukommen im Verheißenen. Doch dort erleben wir häufig, dass das Verheißene umkämpft ist, dass der Feind das Land noch besetzt hält. Auch Abram geht es so. Und deswegen braucht er dort nun die Begegnung mit Gott, er braucht ein Wort, eine Verheißung.

Und Abram durchzog das Land bis zur Stätte von Sichem, bis zur Terebinthe More. Damals waren die Kanaaniter im Land. Und der Herr erschien dem Abram und sprach: Deinen Nachkommen will ich dieses Land geben (1 Mose 12,6-7).

Im Angesicht des Feindes wird Abraham das Land zugesprochen, in dem ein anderes Volk lebt. Ich will es dir geben! Das heißt, es gehört dir noch nicht. Du kannst es dir auch nicht einfach nehmen. Es ist etwas, das ihm für die Zukunft verheißen ist, das er noch nicht sieht. Das heißt schlicht und einfach: Warten. Warten bis zu dem Zeitpunkt, wo Gott es geben wird.

Was bedeutet es dann, in diese Verheißung hinein einen Altar zu bauen?

Und er baute dort dem Herrn, der ihm erschienen war, einen Altar (1 Mose 12,7b).

Ich liebe das, was Abraham und auch viele andere Menschen der Bibel an dieser Stelle ihrer Wege getan haben. Einen Altar zu bauen, bedeutet, einen Ort der Anbetung zu schaffen. Einen Ort, wo wir opfern. Dank opfern für das, was Gott uns versprochen hat. Und das hat eine Kraft. Ich habe von den Lobopfern erzählt, die ich für mein Buch gebracht habe. Bevor es geworden war, bevor ich wusste, wie und wann es werden würde, habe ich Gott dafür gedankt.

Ich habe Heilungen erlebt, einfach weil ich Gott auf sein Wort hin dafür gedankt habe, ohne schon das Ergebnis zu sehen. Solche Lobopfer kosten uns etwas. Sie kosten Vertrauen und ein Festhalten des Verheißenen, sie kosten es, die eigenen Gedanken und Gefühle loszulassen und dem Wort Gottes gegenüberzustellen. Weil Lobopfer uns etwas kosten, sind sie kostbar. Und sie brauchen nicht nur unser Vertrauen, sondern sie bauen es auch auf. Sie ziehen mich näher zu dem, der die Verheißung gegeben hat.

Tag für Tag gieße ich den Krug meines Öls über diesen Altar. Es ist allein mein Herz, das ich in diesen Zeiten geben kann; und ich ahne: Gott ist dies das Liebste. Während dieser Hingabe, die uns alles kostet, geschieht etwas Besonderes, denn sein Duft beginnt an uns zu haften. Die unmittelbare Nähe, die ich in diesen Zeiten so sehr brauche, bringt mich immer zum Vaterherz, das mich lenkt und mich versorgt.

Abram hatte diesen Auftrag bekommen, in das Land zu ziehen, das Gott ihm zeigen werde. Er war mit seinem Vater Terach von Ur nach Haran gezogen, und erst als dieser gestorben war, zog er weiter nach Kanaan.

Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde! (1 Mose 12,1).

So war er nach Kanaan gekommen. Er wohnte darin, hielt sich darin auf, zog in diesem Land umher. So erzählt es uns die Bibel. Nichts weiter geschah. Keine Eroberung, kein Kampf. Abraham bekommt keinen neuen Auftrag in dieser Zeit. Sein Auftrag heißt in diesem Moment: warten, ausharren – in das Land schauen.

Diese Zeiten sind herausfordernd. Sie zehren und zerren an unserem Herzen, und so geschieht es, dass Abraham, als eine Hungersnot ins Land kommt, die Flucht ergreift.

Der Umweg

Dann brach Abram auf und zog immer weiter nach Süden. Es entstand aber eine Hungersnot im Land; da zog Abram nach Ägypten hinab, um dort als Fremder zu leben, denn die Hungersnot lag schwer auf dem Land (1 Mose 12,9).

Diese Worte lassen etwas davon erahnen, dass er schon im Laufe der Zeit, während er in den Süden zog, etwas Abstand von der eigentlichen Verheißung genommen hatte. Und es zeigt mir, dass, wenn wir uns von unseren Verheißungen entfernen, es umso leichter geschehen kann, dass wir Umwege gehen. In dem Moment, wo wir uns abwenden von dem gesprochenen Wort Gottes, wo wir es vielleicht in Anbetracht der Umstände in Frage stellen, da geben wir anderen Gedanken, Fragen und Zweifeln Raum in uns, und sie können uns von dem eigentlichen Weg abbringen.

Es mag ja nur logisch erscheinen, vor einer Hungersnot zu fliehen, damit du nicht darin umkommst, was deine Verheißung verhindern könnte; doch was, wenn Gott eigentlich etwas anderes für dich vorbereitet hat? Wenn du auf der Flucht einen Weg gehst, der dich von deiner eigentlichen Verheißung wegbringt? Abram geht von da an diesen Umweg über Ägypten, und es bringt Not, es bringt Lüge und Täuschung über sein Leben.

Wohin gehe ich in Notzeiten, wohin kann ich mich flüchten? Bleibe ich in dem Land, das Gott mir gezeigt hat, oder flüchte ich mich in etwas anderes, in das, was mir logisch erscheint? Es wiederholt sich immer wieder in Gottes Berufungswegen, dass wir nicht das ganze Bild, den ganzen Weg sehen.

Eine Leuchte für meinen Fuß ist dein Wort, ein Licht für meinen Pfad (Ps 119,105).

Das bedeutet, jedes Wort leuchtet ein Stück weit – nur soweit, dass mein Fuß einen Schritt weitergehen kann. Wenn du mit einer Laterne in der Hand gehst, siehst du immer nur den nächsten Schritt. Das ist wirklich nicht weit. Aber Gott, der das Herz kennt, weiß, wer was zu welcher Zeit braucht. Und so redet er ganz unterschiedlich zu verschiedenen Menschen und in unterschiedlichen Zeiten. Wir sind einzig gefordert hinzuhören.

 

Als Abram sich von seiner Verheißung entfernte, kam er ganz schnell in neues Land, in neue Situationen, die eigentlich nicht für ihn bestimmt waren. Ungehorsam, andere Wege gehen, das kann uns aus dem Einflussbereich von Gottes Segnungen bringen, die er eigentlich für uns gedacht hatte. Das heißt nicht, dass Gott nicht mehr mit uns wäre. Abram erfährt Gottes Schutz auch in seiner Notlage in diesem fernen Land, aber es war nicht seine ursprüngliche Berufung und bringt ihn in Lüge und andere Menschen mit ihm in Not. Bisher hatte er im verheißenen Land sein können, trotz der anderen Bewohner dort. Es gibt keinen Bericht über Streit, Krieg, Schwierigkeiten. Was wäre geworden, wäre er dortgeblieben?

Nun, Gott lässt sogar auf seinem Umweg zu, dass Abram gesegnet wird. Doch selbst das, was wie Segen aussieht, führt ihn in eine neue Not, da es ihn in Streitereien mit seinem Neffen bringt. 1

Und das Land ertrug es nicht, dass sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß, und sie konnten nicht beieinanderbleiben (1 Mose 13,6 SLT).

So geht Abram Irrwege, die nicht von Gott vorherbestimmt waren, doch er ist weiter mit ihm. Gott ist zur Stelle, um zu helfen, zu bewahren und in das Ursprüngliche zurückzuführen, weil er ein Gott der Gnade, der Barmherzigkeit ist.

Wenn unsere Herzen ihm weiter zugewandt bleiben, hält er an seiner Berufung fest, selbst wenn wir Umwege gehen. Wo sich allerdings unser Herz von ihm trennt, wo wir uns bewusst gegen seine Wege entscheiden, da kann es sein, dass Gott verwirft und einen Plan B hervorbringt. So wie bei Saul. Er sollte König sein; Gott hatte ihn erwählt. Doch Sauls Herz entfernte sich von Gott, und Gott entschied, es sei nicht länger gut, an ihm als König festzuhalten.

Da sprach Samuel zu ihm: Der Herr hat heute das Königtum Israels von dir abgerissen und es einem anderen gegeben, der besser ist als du (1 Sam 15,28).

Es ist nicht die Schuld, nicht der Umweg, was uns aus Gottes Berufungen wirft. Es geht um unser Herz. Wenn Gott über David sagt, er sei ein Mann nach seinem Herzen, dann sehe ich David, wie er betrügt, die Ehe bricht und sogar mordet, und doch dieses Zeugnis von Gott erhält, weil er ein Herz hat, das bereit ist, Buße zu tun und umzukehren. David wurde zutiefst schuldig und musste auch die Konsequenzen seiner Schuld tragen; doch in dem Moment, in dem er ehrliche Reue über seine Schuld empfand, als er darauf hingewiesen wurde, kehrte er um und erlebte die Vergebung Gottes. So war sein Herz gemäß dem Herzen Gottes, weil es weich und berührbar war.

Auch Saul begehrte Vergebung: Ich habe gesündigt! Aber ehre mich doch vor den Ältesten meines Volkes … (1 Sam 15,30). Er spricht davon, dass ihn seine Sünde reut; doch der Herr sieht sein Herz und sieht darin die Wahrheit: das Bedürfnis nach eigener Ehre.

In der Geschichte von Abram erkennen wir, dass es nicht Gott ist, der uns Umwege führt. Unser eigenes Herz, Schuld, eigene Gedanken, Vorstellungen können uns aus der Bahn werfen. Und oftmals geschieht es, dass wir auf diesen Umwegen Gottes Stimme nicht mehr hören können, dafür aber manchmal das ernten, was wir gesät haben.

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