Vermögensverwaltung 2.0: Das 1x1 der Robo-Advisors

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2.4 Wie verwalten Robo-Advisors mein Geld?

Die meisten Robo-Advisors setzen darauf, die Marktsteigerung einzelner Märkte möglichst genau abzubilden und investieren dafür in ETFs. Das heißt, sie verzichten bewusst auf Stock Picking13 oder Market Timing14. Stattdessen bleiben sie möglichst lange und vollständig in einem gesamten Index investiert. Damit aber nicht der ursprüngliche Chance-Risiko-Mix im Depot aus den Fugen gerät, führen sie ein Rebalancing durch.

2.4.1 Was ist Rebalancing?

Ich gebe es gerne zu: Es gibt wenige Themen in der Finanzwelt, die mich so beeindrucken oder gar elektrisieren, wie die im Verborgenen wirkenden unscheinbaren Investmenttools, wie das Rebalancing. Wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, arbeitet der Robo-Advisor mit dem Anleger zusammen einen Chance-Risiko-Mix aus. Prinzipiell ist der Vorschlag zur Aufteilung auf Vermögensklassen (z. B. Aktien oder Anleihen) so lange gültig, wie sich die persönliche Situation und das Risikoprofil des Anlegers nicht verändert haben. Allerdings kann es im Zeitablauf zu Veränderungen auf dem Finanzmarkt kommen. Durch diese Kursänderungen verschieben sich die Anteile der Vermögensklassen im Depot des Anlegers, sodass sie nicht mehr mit der anfänglich bewussten und sorgfältig ausgewählten Aufteilung im Portfolio übereinstimmen. In einer solchen Situation erfolgt der Verkauf übergewichteter Positionen. Das dadurch frei gewordene Kapital wird im Regelfall zugunsten der im Laufe der Zeit untergewichteten Positionen investiert. So wird die ursprüngliche Depotaufteilung wiederhergestellt. Dieses regelmäßige Zurückführen des Portfolios auf sein Ausgangsgewicht nennt man in der Fachsprache „Rebalancing“. Dem Rebalancing wohnt ein wunderbar antizyklisches Moment inne. Man erhöht durch das Rebalancing den Anteil der Assets, die schlecht gelaufen sind, und führt das Gewicht der Assets, die gut gelaufen sind, zurück. Das ist der Stoff, aus dem Outperformances15 gemacht werden!

Zur Verdeutlichung sehen wir uns ein Beispiel (siehe auch Abb. 3, S. here) an. Ein Anleger hat 20.000 €, die er investieren möchte. Zusammen mit dem Robo-Advisor erarbeitet er einen Chance-Risiko-Mix für sein Depot aus. Dies sieht so aus, dass sein Portfolio zu gleichen Teilen aus Anleihen und Aktien bestehen soll. Dies setzt der Robo-Advisor auch so um, d. h. er investiert das Kapital zu 50 % in Aktien und zu 50 % in Anleihen.

Nach der Investition des Robo-Advisors entwickeln sich beide Märkte positiv. Allerdings legt der Aktienanteil deutlich stärker zu als der Anleiheteil des Depots. Dadurch verschiebt sich das Verhältnis von Aktien zu Anleihen im Depot und liegt plötzlich bei 60 % Aktien zu 40 % Anleihen, d. h. 60 % des Gesamtkapitals des Anlegers entfällt jetzt auf Aktien und nur noch 40 % auf Anleihen. Hierdurch ändert sich der ursprüngliche Chance-Risiko-Mix im Depot. Dies ruft den Robo-Advisor auf den Plan. Er führt ein Rebalancing durch, indem er Gewinner (Aktien) verkauft und Verlierer (Anleihen) zukauft. Um den 60 %-Depotanteil der Aktien wieder auf den ursprünglichen Anteil von 50 % zu bringen, muss der Robo-Advisor so lange Aktien verkaufen, bis deren Verkaufserlös 10 % des Depotwertes (Wert der Anleihen und Aktien im Depot) entspricht. Danach investiert der Robo-Advisor den Verkaufserlös in Anleihen. So stellt er die ursprüngliche Aufteilung des Depots wieder her16.


Aktien-Anteil im Depot Anleihe-Anteil im Depot
Betrag Anteil Betrag Anteil
Start 10.000 € 50 % 10.000 € 50 %
Vor Umschichtung 16.500 € 60 % 11.000 € 40 %
Rebalancing Es werden 2.750 € (entspricht 10 % des Depotwertes vor Umschichtung; 27.500 € = 16.500 € + 11.000 €) der Aktien verkauft und wiederum für 2.750 € Anleihen zugekauft. Das Depot ist anschließend wieder ausbalanciert.
Nach Umschichtung 13.750 € 50 % 13.750 € 50 %

Abb. 3: Rebalancing

Dieses Rebalancing geschieht im Idealfall automatisch, ohne dass der Anleger sich gesondert darum kümmern muss. Diese Arbeit übernimmt der Robo-Advisor. Wann der Robo-Advisor eingreift, basiert auf mathematischen Formeln und dem Management, das hinter dem Anbieter steht. Jeder Robo-Advisor verwendet eine andere Regel zum Rebalancing. Die wichtigsten sind:

 Time Based Rebalancing: Das Rebalancing wird nach einem vorab bestimmten Stichtag – z. B. jeden ersten Montag im Monat – durchgeführt17. Die Anpassung erfolgt in der Regel täglich, wöchentlich, monatlich, quartalsweise oder auch jährlich.

 Performance Based Rebalancing: Festlegung von Grenzwerten für die Veränderung der Gewichtung der einzelnen Positionen im Portfolio, beispielsweise +/- 5 %. Das bedeutet: Über- oder unterschreitet eine Position die ursprünglich festgelegte Gewichtung um 5 %, wird das Rebalancing durchgeführt.18 Ein Depot besteht z. B. zu gleichen Teilen aus Anleihen und Aktien, d. h. 50 % des Kapitals sind in Aktien und 50 % in Anleihen investiert. Es wird ein Rebalancing durchgeführt, wenn der Aktien- oder Anleiheanteil 5 % über- bzw. unterschreitet (also unter 45 % fällt bzw. über 55 % steigt). Aufgrund einer guten Entwicklung der Aktienmärkte steigt der Aktienanteil auf 56 % des Depots. Dies führt dazu, dass das Rebalancing durchgeführt wird.

Viele Studien zeigen, dass regelmäßiges Rebalancing einen Mehrwert bietet. Es dient der Risikokontrolle. Das Risikoprofil des Portfolios läuft nicht aus dem Ruder, es bleibt immer nahe an der gewählten, persönlichen Strategie des Anlegers. Man bleibt immer in allen Anlagen investiert. Selbst dann, wenn man Gewinner zu früh verkauft, ist der Schaden gering, da man mit der Gewichtung des ursprünglichen Depots immer noch in der jeweiligen Anlageklasse engagiert ist. Außerdem werden Anteile an risikoreicheren Positionen (wie z. B. Aktien) in Hochphasen tendenziell abgebaut und in Tiefphasen wieder aufgebaut. Das verbessert langfristig die Renditechancen.

Doch alle Experten wissen, dass diese Medaille eine Kehrseite hat: Rebalancing ist nicht kostenfrei. Grundsätzlich fallen beim Handeln Transaktionsgebühren (jedes Handeln kostet Gebühren; zu häufiges Handeln kostet mehr als es bringt) an19. Zudem fallen bei Veräußerungen von Anteilen mit Gewinn (Veräußerungsgewinn) Steuern an, die die Performance des Portfolios belasten können20. Allerdings sollten Anleger die Risikominimierung durch Rebalancing gegenüber der Steueroptimierung bevorzugen. Bei kleineren Vermögen reicht meist der Steuerpauschbetrag schon aus, um Steuerzahlungen zu vermeiden.



Jeder Robo-Advisor-Anbieter versucht bei der Aufstellung seiner Rebalancing-Regel den Spagat zwischen akzeptabler Abweichung gegenüber der ursprünglichen Depotzusammensetzung auf der einen Seite sowie den Transaktionskosten und Steuern auf der anderen Seite zu finden. Wie führen die Robo-Advisors diesen Spagat durch?