Seewölfe - Piraten der Weltmeere 400

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 400
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Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-808-9

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Roy Palmer

Ran an den Feind!

Wie ein Gespenst ist die Schebecke vor der Bucht aufgetaucht, und schon spucken ihre Kanonen Feuer, Rauch und Eisen. Gigantenhämmer schlagen auf den Zweimaster ein, der in der Bucht ankert. Es kracht und splittert, und die Schreie der Getroffenen gellen durch die Abenddämmerung. Die Schebecke wendet und bringt auch die andere Breitseite zum Einsatz. Auf die knapp dreißig Yards Distanz gibt es keinen Fehlschuß. Die Überraschung ist total. Bereits die erste Salve hat verheerende Folgen: Der Hauptmast kracht an Deck und erschlägt drei Männer. Zum Ankerhieven bleibt keine Zeit, zur Gegenwehr auch nicht. Noch vor Anker liegend, sinkt der Zweimaster. In der Dunkelheit verschwindet die Schebecke nach Südosten …

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Der bleiche Mond der Karibik streute sein silbriges Licht über die kleinen Inseln der Cay-Sal-Bank nördlich von Kuba aus und war an diesem Abend des 20. Juli 1594 Zeuge einer gespenstischen Szene. Gestalten krochen durch die Brandung auf den Strand eines der winzigen Eilande. Sie glichen großen Amphibien, die auf der Flucht vor einem unheimlichen Gegner oder den Unbilden der Natur waren.

Doch es waren Menschen – eine Frau und sechs Männer, die am Ende ihrer Kräfte zu sein schienen. Auf allen vieren bewegten sie sich, schoben sich erschöpft auf den weißen Sand und brachen unweit der Palmen und Mangroven zusammen. Zwei von ihnen drehten sich auf den Rücken. Heftig und unregelmäßig ging ihr Atem, zwei von ihnen stöhnten unter Schmerzen.

Es handelte sich um die Überlebenden der Zweimastschaluppe, eines Küstenseglers, der von der Black Queen und ihrer Crew in Cabanas gekapert und entführt worden war. Nur sie waren der flammenden Hölle entronnen, die so plötzlich und völlig unerwartet über sie hereingebrochen war.

Die Queen war eine harte Frau. Mit jedem Kerl nahm sie es auf, und noch nie hatte sie sich von irgendeinem Hundesohn unterkriegen lassen, auch von Caligula nicht. Doch hier, an diesem Abend des Schreckens, fühlte sie sich am Ende. Alles brach über ihr zusammen. Zum erstenmal in ihrem Leben war sie den Tränen nahe.

Alle Teufel der Hölle saßen ihr auf den Fersen, es gab kein Erbarmen mehr. Sie hatte den Bogen überspannt, jetzt mußte sie bezahlen. Sie zog nicht in Erwägung, daß sie froh sein mußte, überlebt zu haben, daß sie außerdem noch Glück im Unglück gehabt hatte, weil keine Haie erschienen waren. Sie dachte nur an ihre Niederlage. Die Vorstellung, daß nun alles aus war, raubte ihr fast den Verstand.

Sie lag auf dem Bauch, nackt bis auf ihren durchweichten Lendenschurz, ausgelaugt und verzweifelt. Ihre Finger gruben sich in den Sand. Sie keuchte, biß die Zähne aufeinander, bis sie knirschten, und wünschte sich, zu sterben.

Verloren, wieder ein Mißerfolg – dabei hatte sie alles so geschickt eingefädelt, als sie Don Antonio de Quintanilla, dem Gouverneur von Kuba, in Havanna die Botschaft zugespielt hatte. Endlich wußten die Spanier, wo sich das Versteck des Seewolfes und des Bundes der Korsaren befand, und Don Antonio hatte nicht gezögert, einen Verband von sechs Kriegsgaleonen und vier Kriegskaravellen zusammenzustellen, der ausgelaufen war, um die Engländer das Fürchten zu lehren.

Nur heimliche Beobachterin hatte die Queen sein wollen, Fühlungshalter bis zur Schlangen-Insel und dann lachender Dritter bei einem mörderischen Gefecht, in dem beide Kontrahenten Federn lassen würden.

Dennoch war alles anders gekommen, als sie sich ausgemalt hatte, wieder einmal. Wieder hatte sie kein Schiff mehr und war somit zur Bewegungslosigkeit verdammt.

Sie ballte die Hände zu Fäusten und hieb in den Sand, daß er hochstob. Nein! Auch jetzt gab sie nicht auf! Der Widerstand regte sich in ihr, Wut und Haß keimten auf, und ihr zäher Wille war wieder da. Kein Schlag vermochte sie derart zu treffen, daß sie sich nicht wieder aufzurichten verstand.

Sie wollte aufstehen. Ihre Bewegungen hatten jetzt fast wieder jene katzenhafte Geschmeidigkeit, an die ihre Kumpane gewöhnt waren. Aber sie hielt inne und sank wieder zu Boden. Erst jetzt merkte sie, daß auch sie verletzt war.

Caligula lag nicht weit von ihr entfernt und tastete nach seinem rechten Bein, das wie Feuer brannte und schmerzte. Er drehte den Kopf und blickte zu ihr. Seine Augen waren schmal, sein Gesicht verzerrt. Er spuckte aus und murmelte einen lästerlichen Fluch.

Auch er dachte an den überraschenden und äußerst harten Überfall zurück, und unwillkürlich schloß er in ohnmächtigem Zorn die Augen. Der Sprung über Bord hatte sie gerettet, sonst wären auch sie verloren gewesen. Alles war sehr schnell gegangen, fast zu schnell, um es wirklich fassen zu können.

Nur die nackte Haut hatten sie gerettet, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Angriff war zu blitzartig erfolgt. Das Brechen des Hauptmastes und der Tod der drei Kumpane hatten Entsetzen und Verwirrung hervorgerufen.

In dieser Zeit blieb keine Zeit zur Gegenwehr, geschweige denn, etwas von dem, was der Zweimaster mit sich führte, von Bord zu retten. Sie hatten alles der See überlassen müssen – und der Zweimaster lag auf dem Grund der Bucht. Unerreichbar, es sei denn, man tauchte. Und die Haie? Sie stellten eine permanente Bedrohung dar. Man mußte ständig mit ihnen rechnen.

Zwei der Kerle jammerten und fluchten wegen der Schmerzen, die sie verspürten. Die drei anderen waren bis auf Kratzer unversehrt, fluchten aber trotzdem herum und verwünschten die Angreifer.

„Seid still“, sagte Caligula gepreßt. „Was hat das jetzt noch für einen Sinn?“

„Caligula“, sagte einer von ihnen. „Wer waren diese Hurensöhne?“

„Ich weiß es nicht.“

„Hast du keine Ahnung, wer es sein könnte?“

„Nein, nicht die geringste!“ zischte er. „Und jetzt laßt mich in Ruhe!“

„Wir finden den Kahn wieder“, sagte einer der beiden Verletzten mit seltsam gequetscht klingender Stimme. „Und dann stechen wir diese Schweine ab und schneiden sie in Stücke.“

Caligula spuckte erneut aus und lachte verächtlich. Dann befaßte er sich wieder mit seinem Bein. Ein herumfliegender Holzsplitter hatte ihm den rechten Oberschenkel aufgerissen. Er blutete stark und konnte fühlen, wie es warm an seinem Bein hinunterrann. Er mußte etwas unternehmen und die Blessur verbinden.

Die Black Queen hatte sich auf den Rücken gelegt. Caligula warf ihr wieder einen Blick zu. Ihre festen Brüste, ihr ranker Körper, die verlockenden Hüften – all das konnte ihn zur Zeit nicht mehr reizen. Er war wütend auf sie, höllisch wütend.

Sie hob die Hand und berührte ihr Gesicht. Von einer Stirnwunde lief ihr Blut über die Augen und über die Wangen. Auch sie hatte eine Splitterverletzung, nur hatte sie es erst jetzt registriert.

Sie fühlte sich von einer dumpfen Benommenheit ergriffen und gefangengesetzt. Ihr Zustand war einem Schock nicht unähnlich. Sie versuchte, dagegen anzukämpfen und aus eigener Kraft wieder zu sich selbst zu gelangen, doch das Gefühl lastete wie ein Gewicht auf ihr. Noch wehrte sich ihr Inneres, vollends zu begreifen, was geschehen war.

Caligula indessen war stocknüchtern, trotz der Beinwunde. Seine Wut wuchs, er konnte sie kaum noch bezwingen. Wüste Pläne schossen ihm durch den Kopf.

Totaler Schiffbruch, dachte er, und das nur, weil sich dieses starrsinnige Weib in den Kopf gesetzt hatte, dabeizusein und ihre Rache auszukosten, wenn die englischen Hunde und ihre Genossen von den Spaniern vernichtet wurden. Zum Teufel! Das haben wir davon: Der Kahn ist abgesoffen.

Siedend heiß durchfuhr es ihn: An Bord des Zweimasters befanden sich die Schatztruhe sowie die Beute an Silberbarren – und, nicht zu vergessen, die Geldschatulle des rechtmäßigen Besitzers, den sie in Cabanas praktisch um sein gesamtes Eigentum geprellt hatten.

Satan, dachte Caligula, jetzt ist alles dahin, und wir sehen von dem Schatz und dem Silber nichts wieder. Aus der Traum. Ein Verlust auf der ganzen Linie.

„Queen“, sagte er. „Wir haben alles verloren, was wir hatten. Nicht mal eine brauchbare Feuerwaffe haben wir, ist dir das klar?“

Sie antwortete nicht. Sie lag nur da und starrte in den Nachthimmel.

„Was hast du jetzt vor?“ fragte er mit leiser, gefährlich klingender Stimme.

Wieder erwiderte sie nichts. Sein Gemütszustand wurde immer gereizter. Er war drauf und dran, sich auf sie zu stürzen. Ich hasse dich, dachte er, warum verreckst du nicht?

„Wir können versuchen, die Schätze durch Tauchen zu bergen“, murmelte Caligula mehr im Selbstgespräch. „Aber die Haie könnten uns daran hindern. Wir sind wirklich am Ende, es gibt keinen Ausweg mehr. Andererseits – die Klunker würden uns auf dieser verdammten Insel auch nicht mehr viel nutzen. Überhaupt nichts.“

 

„Wir brauchen was zu beißen“, sagte einer der unversehrten Kerle. „Und Trinkwasser. Das ist wichtiger.“

„Von Perlen, Gold, Edelsteinen und Schmuck wird man hier nicht satt“, brummte sein Nebenmann. „Und ein neues Schiff können wir mit dem Zeug auch nicht herbeizaubern. Was soll’s also, beim Henker?“

Caligula setzte sich auf, öffnete sein nasses Hemd und zerrte es sich vom Leib.

„Ja“, murmelte er. „Was soll’s? Welchen Sinn hat es noch, alles, was wir tun? Oh, was für Narren wir doch sind.“

„Was unternehmen wir?“ fragte der dritte unverletzte Pirat. „Wir können hier nicht rumhängen und Trübsal blasen.“

„Was du nicht sagst.“ Caligula riß sein Hemd in Fetzen und begann, sich den Oberschenkel zu verbinden, was wieder nicht ohne gräßliches Fluchen abging.

„Warte“, sagte einer der drei. „Ich helfe dir.“

„Nein!“ fuhr Caligula ihn an. „Hau ab! Verschwinde! Kümmert euch lieber um die beiden anderen!“ Er zerrte an dem nassen Stoff und knotete die Fetzen zusammen, was ihm wieder mörderische Schmerzen bereitete. Aber er erreichte dadurch, daß das Bluten aufhörte. Gleichzeitig wirkte das Seewasser, das wie Feuer in der Blessur brannte, säubernd und möglicherweise auch heilend, wie er sich einzureden versuchte.

„He!“ rief er den drei Kerlen zu. „Beeilt euch! Wie sehen die Wunden aus? Sind sie schlimm?“

„Soweit ich erkennen kann, sind keine Knochen verletzt“, erwiderte einer der Kerle, ein Kreole, den die Queen von der Galeone aus Nombre de Dios übernommen hatte. Er unterzog die beiden Verletzten, die wieder fluchten und stöhnten, einer kurzen Untersuchung. „Sie haben Fleischwunden.“

„Ich in der Brust“, sagte der eine Kerl.

„Bei mir sind’s der linke Arm und die Schulter!“ stieß der andere hervor. „Hölle, wie das brennt und zieht!“

„Stellt euch nicht wie Memmen an!“ fuhr Caligula sie an. „Noch seid ihr nicht tot, und ihr werdet daran auch nicht krepieren! So schnell stirbt man nicht! He, du!“ Er wandte sich an den Kreolen. „Du besorgst Seewasser! Schöpf es meinetwegen mit den Händen, wenn es nicht anders geht! Wascht die Blessuren aus und verbindet sie mit ein paar Fetzen, wie ich es getan habe!“

„Ja“, sagte der Kreole, dann begaben seine beiden Kumpane und er sich ans Werk.

Wenig später scheuchte Caligula die drei wieder auf, als sie sich auf dem Strand niederlassen wollten. „Weiter! Keine Müdigkeit vorschützen! Haut ab zu den Palmen und versucht, ein paar Kokosnüsse zu finden, verdammt noch mal! Ihr seht doch, daß ich mich mit dem kaputten Bein nicht bewegen kann! Muß man euch alles sagen?“

„Nein“, erwiderte der Kreole. „Wir sind schon unterwegs. Sollen wir auch nach einer Quelle Ausschau halten?“

Caligula fragte sich, ob die Bemerkung ironisch oder ernst gemeint war. Er beschloß, darüber keine weiteren Überlegungen anzustellen. Es lohnte sich nicht.

„Im Dunkeln werdet ihr kaum Erfolg haben“, erwiderte er. „Im Dschungel tretet ihr höchstens in ein Schlangennest.“

Sie entfernten sich, und er warf einen Blick zu den beiden Verletzten. Der eine war ohnmächtig, der andere lag auf der Seite und hielt ihm dem Rücken zugewandt.

Caligula drehte den Kopf in die entgegengesetzte Richtung und musterte wieder die Queen. Sie blickte nach wie vor starr in den Himmel, schien völlig teilnahmslos zu sein und nahm von dem, was um sie herum vorging, keinerlei Notiz.

Wie ihn das aufregte! Er kroch zu ihr und stieß sie mit dem Ellenbogen an.

„Was ist los mit dir?“ zischte er.

Sie zuckte zusammen und krümmte sich. „Laß mich in Ruhe!“

„Nein! Ich verlange eine Erklärung!“

„Eine Erklärung? Für was?“

„Für diesen ganzen Dreck“, erwiderte er. „Ich habe die Nase gestrichen voll. Ich will wissen, wo es jetzt langgeht. Wie stellst du dir die Zukunft vor – ohne Schiff?“

„Verzieh dich“, sagte sie mit kaum noch verständlicher Stimme. „Verschwinde! Tauch nach dem Kahn, tu, was du willst. Aber laß mich in Frieden.“

Wieder stieg die Wut in ihm hoch. Noch einmal stieß er sie mit dem Ellenbogen an, diesmal härter.

„So kannst du mit mir nicht sprechen“, sagte er. „So nicht.“

Jäh fuhr sie hoch und schmetterte ihm ihre Faust mitten ins Gesicht. „Laß mich zufrieden! Weg! Bastard! Pack dich!“ Plötzlich hatte sie ihr Messer in der Hand und stach auf ihn ein.

Caligula hatte sich – wegen des verletzten Beines – neben sie gesetzt. Jetzt konnte er sich gerade noch zur Seite werfen. Die Queen stieß einen Schrei aus und fiel mit dem Messer über ihn her. Sie war wie eine entfesselte Furie, sie tobte und fluchte und hackte wie verrückt auf ihn ein.

Caligula hatte nur noch eine Chance. Seine rechte Hand griff in den Sand, riß eine Ladung davon hoch und schleuderte ihn ihr ins Gesicht. Sie war wie geblendet, hustete und spuckte. Er trat ihr mit dem Fuß gegen die Schulter. Sie kippte zurück und stach mit dem Messer ins Leere.

Sein eigenes Gesicht schmerzte. Über der Nasenwurzel, wo sie ihn getroffen hatte, schien eine Beule zu schwellen. Mit einem wüsten Fluch warf er sich auf sie und versetzte ihr einen Fausthieb. Sie zappelte, kreischte und trat nach ihm, aber es gelang ihm, ihr das Messer abzunehmen. Er drückte ihr das Knie des gesunden Beines ins Kreuz und schlug noch einmal zu.

Diesmal verlor sie das Bewußtsein. Ihr Körper erschlaffte, sie rührte sich nicht mehr. Caligula hielt das Messer in der Hand. Er war wie rasend und senkte die Klinge. Für einen Moment war er drauf und dran, ihr die Kehle durchzuschneiden, dann aber hielt er inne und richtete sich schwer atmend auf.

Vielleicht war es der unmittelbare Kontakt zu ihrem Körper, der ihn an die Stunden der Leidenschaft erinnerte, die er mit ihr verbracht hatte. Bei aller Wut konnte er doch nicht vergessen, was ihn mit ihr verband. Er konnte sie nicht töten. Auch wenn sie ihn noch so schlecht behandelte – er war dazu nicht imstande.

Er wurde durch die drei Gestalten abgelenkt, die zum Strand zurückkehrten und einige große Kokosnüsse abluden.

„He, holla“, sagte der Kreole und lachte. „Das war mal ein feiner Kampf. Ich hab’ eben noch mitgekriegt, wie die Queen zu Boden gegangen ist. Recht so.“

„Halt’s Maul“, sagte Caligula. Er versuchte, ganz aufzustehen. Es gelang. Das Bein bereitete ihm jetzt weniger Schwierigkeiten, als er anfangs angenommen hatte. Mit einiger Überwindung konnte er sich aufrecht halten.

Der Kreole dachte nicht daran zu schweigen. Er trat näher.

„Da hast du ihr ein schönes Ding verpaßt“, sagte er. „Und was machen wir jetzt mit ihr?“

Caligula fixierte ihn aus schmalen Augen. Nachdem die Black Queen die kleine Galeone aus Nombre de Dios mit den Silberbarren an Bord gekapert hatte, hatte sie auch fünf Kerle übernommen, die den Wunsch geäußert hatten, bei ihr anzuheuern. Vielleicht, dachte Caligula jetzt, ist das ein Fehler gewesen. Nicht jeder Kerl paßt zu uns, und auch die Hautfarbe allein genügt nicht, um ein guter Mann in der Crew der Queen zu werden.

„Was willst du?“ fragte er lauernd.

Der Kreole grinste schief. „Dich beglückwünschen. Es war höchste Zeit, diesem verrückten Weib mal was aufs Maul zu hauen.“

„So?“

„Und eine gerechte Strafe für das, was sie uns zugemutet und angetan hat, wäre, sie hier ein bißchen über den Strand zu schieben.“ Er lachte gemein. „Wir nehmen sie uns vor, einer nach dem anderen. Was hältst du davon? Ist das nicht eine gute Idee? So haben wir nach der Niederlage wenigstens ein bißchen Spaß.“

Caligula schloß die Augen und öffnete sie wieder. Er war jetzt beinah dankbar, einen Kerl gefunden zu haben, an dem er seine aufgestaute Wut abreagieren konnte.

Kaum hatte der Kreole ausgesprochen, trat Caligula auf ihn zu und riß die Fäuste hoch. Er knallte ihm einen Hieb gegen die Brust, den nächsten unters Kinn – und dann hatte der Kreole das Gefühl, in einen Hurrikan geraten zu sein. Caligulas Fäuste flogen und wirbelten und trafen immer wieder. Stöhnend sank der Kreole auf die Knie.

Aber er setzte sich doch zur Wehr. Er packte Caligulas Beine und riß ihn um. Caligula brüllte vor Schmerz, er hatte das Gefühl, der rechte Schenkel werde von Flammen verzehrt. Er ging zu Boden und überrollte sich. Dann versuchte er, nach dem Messer zu langen, das er vorher hatte fallen lassen, um den Kerl mit den blanken Fäusten anzugreifen.

Aber der Kreole warf sich auf ihn. Sie fluchten und droschen mit den Fäusten aufeinander ein. Sie lösten sich voneinander, sprangen wieder auf und standen sich mit gesenkten Köpfen und erhobenen Fäusten gegenüber.

Der Kreole war ein tückischer Bulle mit einschlägiger Praxis im Raufen und sehr gutem Stehvermögen. Er wehrte sich nach Kräften – aber das steigerte Caligulas Wut nur noch. Er ließ den Kreolen auflaufen, steckte ein paar üble Hiebe ein, bearbeitete ihn dann aber mit einem Hagel von brettharten Schlägen.

Caligula war mit seiner Oberschenkelwunde zwar nach wie vor behindert, aber das ignorierte er jetzt. Sollte die Blessur wieder aufbrechen, sollte das Blut in Strömen fließen – es war ihm egal!

In einem wilden, brutalen Kampf schlug Caligula den Kreolen zusammen. Er selbst wurde auch angeschlagen, aber er stand noch, als der andere schwer zu Boden krachte.

Caligula stemmte die Fäuste in die Seiten und blickte zu den anderen, die alles mit wachsender Spannung und Betroffenheit verfolgt hatten.

„Hat noch jemand Lust auf eine Tracht Prügel?“ fragte er sie.

„Nein, Caligula“, erwiderte einer der Unverletzten. „Aber ich frage mich, warum es böses Blut zwischen uns gibt.“

„Das gehört dazu“, sagte Caligula rauh. Er schritt über den bewußtlosen Kreolen hinweg zur Black Queen, ließ sich neben ihr nieder und verfiel in dumpfes, brütendes Schweigen. Was sollte werden? Er wußte es selbst nicht.

Natürlich waren Zusammenstöße wie diese völlig unsinnig, das sah auch er ein. Aber mit dem Verlust des Zweimasters und ihrer mehr als trostlosen Lage auf dem kümmerlichen Eiland war bei allen einiges aus den Fugen geraten.

In solchen Extremsituationen – was in gewissem Sinne auch für die Black Queen und Caligula zutraf – zerbröckelte der Kitt, der eine Piratenhorde wie diese zusammenhielt. Das war vor allem dann der Fall, wenn die eiserne Hand der Führung fehlte, so wie jetzt.

Caligula aber wußte, daß die Queen sich erholen würde. Sie würde zu sich kommen, von der bisherigen Apathie zur Aktion übergehen und wieder mit herrischem Gebaren reagieren. Das wünschte er sich – selbst, wenn er dabei den kürzeren zog.

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