Denk an mich

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Roman Fessler

Denk an mich

SiFi Liebesgeschichte um zwei Teenager aus dem Jahr 2467. Gefährliche Abenteuer sind zu bestehen, bis es ein Happy End gibt?

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Einleitung:

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Impressum neobooks

Einleitung:

von Roman Fessler

Cover: …Fotolia

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Kontakt: mail@soft-book24.de

Jegliche Verwertung dieses Buches, mit all seinen Bestandteilen, ist ohne die Zustimmung des Herausgebers nicht gestattet.

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Kapitel 1

Die Nachricht, dass man sie töten wollte, traf sie wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Man teilte ihr mit, ihr Leben liege in den Händen eines 14 Jahre alten Jungen, den sie nicht kannte und den noch nie zuvor jemand gesehen hatte. Niemand konnte ihr etwas über diesen Jungen sagen. Man wusste rein gar nichts von ihm. Nur so viel, dass er allein die Macht besaß, die Menschen vor diesen Ungeheuern zu retten.

Die Bestien waren wie aus dem Nichts aufgetaucht. Wenige Tage nach Lisas 12.Geburtstag am 15.04.2467 waren die ersten Menschen verschwunden. Anfangs hatten alle an einen Unfall oder irgendeine Art von Unglück gedacht. Keiner hatte so recht an ein Verbrechen glauben wollen. Es gab zu Beginn auch nicht den geringsten Hinweis darauf, dass es Mord sein könnte. Die Behörden ermittelten und kamen zu keinem Ergebnis. Damals hatte noch keiner geahnt, mit wem man es zu tun hatte.

Es waren nur die Späher gewesen. Zu zweit oder zu dritt hatten sie das Land durchstreift und Informationen gesammelt. Sie waren bis zuletzt im Verborgenen geblieben. Aber auch sie hatten natürlich Hunger gehabt. So verschwanden immer mehr Männer und Frauen. Vor allem Frauen. Kinder hatten sie so lange gemieden, bis es immer schwieriger für sie geworden war, geeignete Beute zu finden. Als die Menschen aber immer vorsichtiger und misstrauischer geworden waren, hatten sie keine andere Wahl mehr gehabt, als sich auch nach Kindern umzusehen.

Anne war ein elfjähriges Mädchen gewesen, das gegen den ausdrücklichen Willen der Eltern alleine mit dem Fly-Board in der Dämmerung unterwegs gewesen war. Als sie nicht zum Abendessen erschienen war, hatten sich die Eltern natürlich Sorgen gemacht und begonnen, sie zu suchen. Innerhalb weniger Stunden war das ganze Dorf auf den Beinen gewesen. Damit hatten die Späher wohl nicht gerechnet. In jener Nacht war es zu einem ersten Aufeinandertreffen zwischen den Menschen und diesen Kreaturen gekommen.

Sogar die Erwachsenen waren beim Anblick ihrer Gegner vor Angst wie gelähmt gewesen. Polizisten waren sekundenlang starr vor Schreck dagestanden und hatten nicht daran gedacht, zu ihren Waffen zu greifen. Drei Männer und die Mutter von Anne waren in dieser Nacht getötet worden. Aber auch einer der Späher wurde ausgelöscht.

Die Erwachsenen sagten nicht, er sei getötet worden. Sie sagten, er sei ausgelöscht worden. Denn töten konnte man diese Monster nicht. Sie waren bereits tot. Lebende Tote. Zombies, die sich vom Fleisch lebender Menschen ernährten. Die Reste der kleinen Anne fand man in den Töpfen und Vorratsbeuteln der Späher. Zwei von ihnen waren in dem Durcheinander entkommen. Bis an die Zähne bewaffnet, hatten sie sich den Weg mit modernsten Waffen freigekämpft und sofort ihren Anführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie entdeckt worden waren. Daraufhin waren die Raumschiffe erschienen.

Die Menschen hatten dieser Invasion des Bösen buchstäblich nichts entgegenzusetzen. Im 25.Jahrhundert gehörten Kriege der fernsten Vergangenheit an. Es gab weder Armeen noch Soldaten. Zumindest nicht in eigentlichen Sinne des Wortes. Man besaß so etwas wie eine Verteidigungs-Streitmacht. Die sogenannten "Kämpfer" waren die Mitglieder spezieller Polizei-Einheiten. Sie jagten Mörder und andere Schwerverbrecher. Wobei diese zumeist nicht von der Erde selbst, sondern von anderen Planeten kamen und während ihres Aufenthalts in der Welt der Menschen ein Verbrechen begingen. Aus diesem Grund waren die Kämpfer besonders geschult für den Kampf gegen Außerirdische.

Die Informationen, die sie brauchten, um effektiv gegen solche Verbrecher vorgehen zu können, bekamen sie von den "Spionen". So wurden die Wissenschaftler bezeichnet, die den Außerirdischen auf den Zahn fühlten und alles über sie in Erfahrung zu bringen versuchten, was nur irgendwie von Interesse sein konnte. Das gesammelte Wissen gaben sie aber nicht nur an die Kämpfer, sondern auch an die "Denker" weiter.

Als Denker bezeichnete man eine bestimmte Sorte von High-Tech-Spezialisten, die Waffen entwickelten, welche mittels Gedankenkraft gesteuert und eingesetzt werden konnten. Egal, ob Fahrzeuge, Raumschiffe oder Androiden, alle Systeme wurden telekinetisch von einer Kampfzentrale aus gesteuert. Wurde eine Einheit zerstört oder kampfunfähig gemacht, wechselte der Denker einfach zur nächsten Einheit. Die Denker und ihre Waffensysteme waren die eigentlichen Soldaten. Sie führten die mörderischen Kämpfe gegen

Aggressoren. Die Kämpfer traten zumeist erst dann in Erscheinung, wenn es nur noch darum ging, die geschlagenen Feinde gefangen zu nehmen.

Dennoch waren die Kämpfer diejenigen, die ihr Leben riskieren mussten, wenn es zu Auseinandersetzungen kam. Sie waren die einzigen, die in direkten Kontakt mit den feindlich gesinnten Aliens kamen. Immer wieder gab es schreckliche Verluste, weil sich ein Außerirdischer der Verhaftung in letzter Sekunde doch noch entziehen wollte. Deswegen waren die Polizisten auch bei der Suche nach den Entführern der kleinen Anne äußerst wachsam und konzentriert gewesen.

Aber es waren eben keine Kämpfer, sondern nur einfache Beamte des örtlichen Polizei-Reviers. Als die den Kreaturen gegenüberstanden, gefror ihnen das Blut in den Adern. Ein Kämpfer hätte die Monster vielleicht töten können. Diese hartgesottenen Männer brachte so leicht nichts aus der Fassung. Sie hatten schon gegen die furchterregendsten Geschöpfe aus den finstersten Winkeln des Universums gekämpft. Doch diesmal half auch ihr Mut und ihre Entschlossenheit nichts. Die Zahl der Gegner war einfach viel zu groß.

Als die Raumschiffe in die Atmosphäre eintraten, verdunkelte sich der Himmel. Die Angreifer hatten es irgendwie geschafft, das Wetter zu beeinflussen. Was sich da zusammenbraute, war der gewaltigste Sturm, den die Welt je gesehen hatte. Die Messinstrumente der meteorologischen Stationen spielten vollkommen verrückt und zeigten Werte jenseits der Skalen an. Eine Schreckensmeldung jagte die andere.

Noch ehe der erste Schuss gefallen war, gab es bereits etliche Tote zu beklagen. Die Stürme entwurzelten Bäume und schleuderten sie wie Streichhölzer durch die Luft. Wo immer sie niederstürzten, gab es Tote und Verletzte. Häuser wurden zermalmt und Fahrzeuge wie Plastikdosen zerquetscht. Flutwellen überspülten die Küsten und ergossen sich weit bis ins Landesinnere. Zahlreiche Menschen ertranken in ihren Kellern, weil sie dachten, sie seien in den unterirdischen Schutzräumen sicher.

Aber vor dem, was nun kommen sollte, war niemand mehr sicher. Es war das Ende der Welt, wie die Menschen sie bisher gekannt hatten. Natürlich wusste das zu diesem Zeitpunkt noch niemand, auch wenn schon nach wenigen Stunden jedem klar geworden war, dass die Fremden gefährlicher waren, als alles, was je diesen Planeten heimgesucht hatte. Überall flohen die Menschen aus den Städten und Dörfern und versuchten, die höher gelegenen, baumlosen Graslandschaften zu erreichen.

 

Auch Lisa und ihre Familie wurden von den entfesselten Naturgewalten aus ihrem Haus vertrieben. Zum trauern blieb weder ihren Eltern noch ihr oder ihrem kleinen Bruder Martin Zeit. Alles ging so schnell, dass sie kaum Gelegenheit hatten, das Nötigste zusammenzupacken. Der fünfjährige Martin klammerte sich nur an seinen Stoffhasen und saß zitternd und mit geschlossenen Augen auf dem Rücksitz des Familien-Gleiters, während die Eltern in aller Eile Kleidung und Lebensmittel im Gepäckraum verstauten.

Die Mutter machte sich große Sorgen um Lisa. Als der Sturm sich erhob, wollte sie gerade zusammen mit ihrer Freundin Katharina die Schule verlassen. Sie waren auf dem Weg nach unten zu ihren Fly-Boards, als die Rektorin die Durchsage machte. Frau Michaelsen forderte alle Kinder auf, so schnell wie möglich nach Hause zu fliegen. Sie wusste zwar noch nichts von den Aliens und den Raumschiffen, aber die Meldungen, die sie über das heraufziehende Unwetter erhalten hatte, waren auch so besorgniserregend genug.

In der Halle drängten sich bereits Dutzende von Schülern um ihre Schränke mit den Fly-Boards. Es herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander. Lisa und Katharina brauchten eine ganze Weile, bis sie endlich ihre Boards holen konnten. Katharinas Board war schon etwas älter. Es hatte früher ihrem großen Bruder gehört, funktionierte aber noch immer ganz gut. Lisas Board dagegen war nagelneu. Es war gerade eben erst in die Läden gekommen.

Lang, breit, stabil und unglaublich schnell. Bis zu 80 km/h erreichte das Board. Absoluter Rekord! Lisas Eltern hatten lange gezögert, ehe sie sich dazu hatten durchringen können, ihr dieses Traum-Board zu kaufen. Sie hatten sich für die Luxus-Variante mit Vollausstattung entschieden. Alles andere war ihnen nicht sicher genug gewesen. Jetzt war Lisa die einzige in der ganzen Schule, die ein "Hurricane 3000 XL" hatte.

Mit diesem Wunderwerk der Technik konnte ihr nichts mehr passieren. Umgeben von einem Kraftfeld der Stärke 3, konnte sie mit Höchstgeschwindigkeit gegen eine Hausmauer fliegen, ohne dabei auch nur einen kleinen Kratzer abzubekommen. Aber das Beste war die Steuereinheit. Sie bestand nicht mehr nur aus einem denkenden und lernfähigen Elektronen-Gehirn wie bei den älteren Boards. Diese neue Steuereinheit funktionierte wie ein richtiger Androide!

Das Dumme war nur, dass Lisas Eltern den Androiden beim Kauf des Boards programmiert hatten und sich nun weigerten, ihr den Zugangscode zu verraten. Sie konnte zwar immer noch fliegen wie und wohin sie wollte, aber sie musste sich ständig diese nervtötenden Kommentare anhören. Sei vorsichtig! Pass auf! Das wird deinen Eltern aber gar nicht gefallen! Der reinste Alptraum. Dafür war dieser Androide aber auch an den Hauptcomputer angeschlossen wie jeder andere seiner Art. Und er war darauf programmiert, Lisas Anweisungen zu folgen.

Natürlich nur solchen, die nicht gegen die Befehle der Eltern verstießen. Das verursachte zu Beginn einige Probleme. Aber Lisa hatte schnell gelernt, ihre Wünsche so zu formulieren, dass der Androide sie erfüllen konnte. Er erwies sich als äußerst nützlich, wenn sie wieder einmal die Hausaufgaben vergessen oder keine Lust hatte, sich auf ein Referat vorzubereiten. Sie schloss ihr Lern-Tablet an das Board an und ließ den Androiden die Arbeit machen. Er sagte ihr auch, wo sich ihre Eltern befanden und was sie gerade taten. Wollte sie ungestört sein, brauchte sie nur noch "Harry" zu fragen und schon wusste sie, ob sie ihre Ruhe haben würde oder nicht.

Board-Android "Harry" war es auch, der ihr erklärte, was vor sich ging, als in der Schule das Chaos ausbrach. Er informierte Lisa darüber, wie kritisch und gefährlich die Situation war und was bei ihr zu Hause gerade geschah. Lisas Eltern hatten schon mehrfach versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Doch während der Unterrichtszeiten mussten die Kommunikatoren leise gestellt werden. Die Eltern konnten so zwar auf ihren Geräten erkennen, wo sich Lisa befand und was sie tat, aber sie konnten nicht mit ihr sprechen. Deswegen hatten sie Harry instruiert, Lisa zu sagen, sie solle auf der Stelle nach Hause kommen.

Lisa stieg auf ihr Board, aktivierte den Schwebemechanismus und das Kraftfeld und glitt langsam in Richtung Ausgang. Die großen Glastüren waren noch immer geschlossen. Das war nicht üblich. So wenig wie die Anweisungen der drei Lehrer, die dort standen und die Kinder streng ermahnten, sich nicht länger als nötig im Freien aufzuhalten. Es ziehe ein Sturm bislang unbekannter Stärke auf und ein jeder solle deshalb besonders wachsam sein. Keine Wettflüge, keine Loopings und keine Sprünge! Man solle sich dicht über dem Boden halten und in der Nähe der Generatoren besonders vorsichtig sein. Dann öffneten die Hausmeister die Türen.

Kapitel 2

Einige Kinder stürzten. Der Wind war bereits so stark, dass er die überall herumliegenden Äste und zu Boden gefallenen Früchte in Geschosse verwandelte, die wie Laserschüsse auf die Kraftfelder trafen und diese zum Teil bis an den Rand ihrer Belastbarkeit strapazierten. Das galt natürlich nicht für Lisas Board. Aber sie machte sich Sorgen um Katharina.

In der Woche zuvor war an Katharinas Board zwei Mal das Kraftfeld komplett ausgefallen. Sollte das nun wieder geschehen, konnte weiß Gott was passieren. Womöglich wurde sie ernsthaft verletzt. "Willst du mit mir fliegen?", fragte Lisa. Katharina schüttelte den Kopf. "Geht schon", antwortete sie. "Komm, lass' uns abhauen!"

Lisa sah sich um. Die Sonne war hinter dunklen Wolken verschwunden. Ein eigenartiges schmutzig-graues Licht umgab sie. Alles wirkte irgendwie fremd und unwirklich. Das kleine tropische Dorf verwandelte sich immer mehr in etwas, das sie nicht beschreiben konnte.

Gewiss, die niedrigen Häuser mit den weißen Wänden und den rotbraunen Dächern standen da wie eh und je und auch die üppige Vegetation an den Berghängen in der Ferne sah so aus wie immer, aber irgendetwas war plötzlich anders geworden. Alles wirkte mit einem mal so bedrohlich und beängstigend lebendig.

Die Bäume am Straßenrand, an denen sie seit Jahren jeden Tag vorbeigeflogen war, kamen ihr vor wie bösartige Riesen, die wütend ihre Fäuste schüttelten und sich brüllend von ihren Wurzeln zu befreien versuchten, welche sie am Boden festhielten. Lisa war beileibe kein abergläubisches Mädchen und auch nicht besonders schreckhaft, aber seit sie von den Monstern gehört hatte, die Menschen entführten und fraßen, war sie sich nicht mehr sicher, ob es nicht vielleicht doch so etwas wie Fabelwesen und Ungeheuer gab.

"Mach' dir keine Sorgen", sagte Harry. "Vor was fürchtest du dich?" Lisa wandte ihren Blick von den Bäumen ab. "Ach, nichts! Oder..., doch, Katharina, wird ihr Kraftfeld halten?" Harry scannte das Kraftfeld der neben ihnen fliegenden Katharina. "Es fluktuiert sehr stark", erklärte Harry. "Wir sollten uns besser beeilen!" Lisa gab Katharina ein Zeichen, daraufhin stiegen sie etwas in die Höhe und beschleunigten auf 35 km/h. "Was ist hier eigentlich los, Harry?", wollte Lisa wissen.

"Ein Sturm zieht auf", antwortete er mechanisch. "So schnell?" Lisas Stimme klang ängstlich. Harry schwieg einen Moment. Lisa wusste, dass er gerade die Datenbanken des Hauptrechners anzapfte, um die erforderlichen Informationen zu sammeln, die er für eine möglichst vollständige Antwort brauchte. "Es liegen keine Informationen vor, die erklären könnten, warum der Sturm so plötzlich entstanden ist. Die Meteorologen wurden von dieser Schlechtwetterfront ebenso überrascht wie alle anderen." Die Antwort machte Lisa nur noch nervöser. "Was ist mit den Wetter-Stationen im Weltall? Haben die nichts erkennen können?" Wieder ein kurzes Schweigen. "Der Kontakt zu den Forschungs-Androiden ist vor mehreren Stunden aus unbekannten Gründen plötzlich abgerissen", lautete die Antwort. "Aber mir sind nicht alle Informationen bekannt", fügte Harry hinzu. Lisa stutzte. "Was soll das heißen?" "Ein Teil der Daten ist als geheim eingestuft worden." "Von wem?" "Auf Anweisung des Verteidigungsministers." Gerade als Lisa eine weitere Frage stellen wollte, prallte ein schwerer Gegenstand gegen das Kraftfeld ihres Boards.

Sie sah hinüber zu Katharina und erkannte voller Entsetzen, dass deren Kraftfeld zerstört worden war. Mit den Händen rudernd, versuchte Katharina das Gleichgewicht zu halten. "Hilf ihr!", rief Lisa. In Sekundenbruchteilen dehnte Harry sein Kraftfeld über Katharina und deren beschädigtes Board aus und bewahrte sie so vor dem Sturz. "Deine Freundin ist unverletzt", stellte Harry fest, nachdem er ihren Körper geröntgt und gescannt hatte. "Das Board ist defekt." "Lass' es fallen!", sagte Lisa und half Katharina auf ihr Board. "Und jetzt bring' uns nach Hause!"

Lisas Mutter nahm ihre Tochter erleichtert in die Arme, als sie endlich ankamen. Doch für ein Gespräch oder Erklärungen blieb keine Zeit. Die Eltern waren bereits am Packen. "Bring Harry zu Papa! Schnell! Beeil dich!", drängte ihre Mutter. Vor dem Haus knallte es. Lisa rannte ans Fenster und sah hinaus. Im Garten gegenüber war ein Baum umgestürzt und auf den Gleiter in der Einfahrt der Nachbarn gefallen. Das Fahrzeug war nur noch Schrott. Lisa sah, wie die Frau aus dem Haus gestürzt kam und laute Entsetzensschreie ausstieß. Ihr Mann konnte sie kaum beruhigen. Der kleine Tommi stand in der Haustür und hielt sich beide Hände vors Gesicht. Lisa!", rief ihre Mutter noch einmal. "Bitte!"

Eine knappe Stunde später saß Martin im Gleiter, sein Stofftier in der Hand und brachte kein Wort mehr heraus. Der fünfjährige Lausejunge, der sonst nichts als Unsinn im Kopf hatte und mit Vorliebe seine große Schwester ärgerte, war so schockiert von dem, was um ihn herum vorging, dass er nur noch die Augen schloss und wartete. Er hoffte, dass alles nur ein böser Traum war und er nur wieder aufwachen musste, um allem ein Ende zu setzen. Doch dem war nicht so. Ganz im Gegenteil. Die Schreie und das Getöse um ihn herum wurden immer lauter.

Inzwischen war von Toten die Rede. Ein Mann am unteren Ende der Straße war angeblich von einem Baum erschlagen worden. In der Nähe des Supermarktes wurde ein Kind von einem Gleiter erfasst und gegen eine Hausmauer geschleudert. Es verstarb noch am Unfallort. Niemand kümmerte sich mehr um die

Unfallfahrerin, die mit zwei Kindern auf den Rücksitzen paralysiert in ihrem Gleiter saß und die blutverschmierte Wand anstarrte. Auch die schrillen Schreie der Mutter des getöteten Kindes schien keiner mehr wahrzunehmen. So wenig wie die Eltern den Streit der Nachbarn zur Kenntnis nehmen wollten. "Wir müssen hier weg!", rief der Vater so laut er konnte.

Lisa verstand kaum, was er sagte. Das Wüten des Sturmes hatte eine Intensität und Lautstärke erreicht, die es Lisa schier unmöglich machten, auf ihren eigenen Beinen zu stehen. Sie hielt sich die Hand über die Augen und sah zum Himmel empor. Es war finster geworden. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es gerade einmal zwei Uhr nachmittags war. Der Vater drückte ihr drei Körperlampen in die Hand. Eine befestigte sie mit einem Stirnband an ihrem Kopf, die anderen beiden mit Stoffbändern an ihren Handgelenken.

"Hast Du deinen Kommunikator bei dir?", schrie der Vater ganz dicht neben ihrem Ohr. Sie hielt ihn hoch. Der Vater nickte und wollte zurück ins Haus laufen. Da hielt ihn Lisa an der Hand fest. "Papa, was ist los?", fragte sie. "Sei ehrlich! Kommt der Sturm von diesen Monstern?" Der Vater nahm sie ganz fest in den Arm. "Sie wissen es nicht mit Sicherheit, aber es sieht ganz so aus!" Lisa schossen die Tränen in die Augen. Wie zu Stein erstarrt stand sie neben dem Gleiter ihrer Eltern, sah die Straße hinab auf die grellen Lichtkegel der anderen startenden Fahrzeuge und wurde sich plötzlich bewusst, dass all diese Leute ebenso wie sie selbst um ihr Leben fürchteten. Sie flüchteten nicht vor dem Sturm, sondern vor den menschenfressenden Bestien, von denen keiner wusste, wo sie herkamen und warum sie ausgerechnet die Erde angriffen.

"Steig ein!", sagte die Mutter mit mühsam unterdrückter Nervosität. Sie war mit den Nerven am Ende, wusste nicht mehr ein noch aus und zitterte aus Angst um das Wohl ihrer beiden Kinder. Lisa gehorchte wortlos, setzte sich zu ihrem Bruder auf die Rückbank und sah ihn an. Im bläulichen Innenlicht des Gleiters wirkte sein schweißnasses Gesicht wie das verzerrte Antlitz eines Toten. Seine Augen schienen tief eingesunken, dunkle Schatten lagen auf seinen Wangen und die Lippen wirkten blass und leblos. Lisa nahm Martins Hand und drückte sie. "Los geht's!", meinte der Vater und wollte den Gleiter starten. "Nicht!", rief Lisa.

 

Die Eltern erschraken und drehten sich entsetzt um. "Was ist? Ist etwas passiert? Bist Du verletzt?" Die Mutter fasste mit fahrigen Bewegungen nach hinten und tastete den Körper ihrer Tochter ab. "Wohin fliegen wir?", wollte Lisa wissen. "Was?" Lisas Vater sah sie verständnislos an. "Wohin fliegen wir?", wiederholte sie. "Lisa, bitte!", tadelte die Mutter. "Dafür ist jetzt wirklich keine Zeit!" Als der Vater wieder starten wollte, legte Lisa ihm schnell die Hand auf die Schulter. "Papa!" Es klang wie ein Hilfeschrei.

Der Vater drehte sich um und sah sie besorgt an. "Nach Norden, hinauf ins Grasland", antwortete er mit einem fragenden Blick auf Lisa. "Warum ist das so wichtig? Dort sind wir sicherer als hier unten im Regenwald." Lisa schwieg einen Moment. "Das glaube ich nicht", antwortete sie entschlossen. "Alle gehen dorthin, nicht wahr?" "Ja, es ist das Vernünftigste. Dort versammeln sich auch die Kämpfer und die Denker. Sie werden uns beschützen." Lisa schüttelte langsam den Kopf. "Wir werden dort alle sterben!"

Lisa erklärte ihren fassungslosen Eltern, dass es eine Falle sei. Sie war der Ansicht, die Monster hätten alles so geplant, um sie dort oben besser fangen oder töten zu können. Deswegen auch der Sturm. "Wie kommst du bloß auf sowas?", wollte die Mutter wissen. Lisa deutete nach hinten in den Gepäckraum. Dort lag Harry bei den anderen hastig verstauten Sachen. "Er hat vorhin zu mir gesagt, dass die Wetter-Stationen ausgefallen sind, bevor der Sturm kam. Das kann kein Zufall sein. Lass' mich ihn noch einmal fragen, in Ordnung?"

Sie aktivierte den Board-Androiden. "Hallo Harry, du musst mir unbedingt etwas sagen", begann sie. "Es ist wirklich wichtig!" "Sehr gerne! Du siehst schlecht aus, geht es dir nicht gut?" "Die Monster kommen", fuhr Lisa fort. "Alle fliehen ins Grasland. Sind wir dort sicher?" Harry schwieg und recherchierte in den Daten des Hauptrechners. "Unwahrscheinlich!", lautete die Antwort. "Die Spione haben vor etwa zehn Minuten an die Denker und Kämpfer gemeldet, dass sich eine große Zahl von feindlichen Raumschiffen direkt auf das Grasland im Norden zubewegt." Die Mutter riss die Augen auf und legte sich beide Hände vor den Mund.

"Mein Gott!"

"Wo können wir uns sonst verstecken?", wollte der Vater wissen. "Im Wald!", gab Harry prompt zur Antwort. Die Mutter protestierte energisch. "Bei dem Sturm? Da wimmelt es nur so von gefährlichen Tieren!", schrie sie hysterisch. "Außerdem weiß doch jeder, dass diese Bestien sich im Wald verstecken. Das haben sie bisher doch auch getan." Harry widersprach. "Jetzt verstecken sie sich aber nicht mehr!", sagte er. "Jetzt machen sie ganz offen Jagd auf Menschen." Als Harry das sagte, wurde es still im Gleiter.

"Also was machen wir jetzt?" Die Stimme der Mutter zitterte. Keiner wollte etwas sagen. "Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte?", fragte Harry. "Die Vulkanhöhlen scheinen mir ein geeignetes Versteck zu sein." Die Mutter war schockiert. "Dort überleben wir keine drei Tage! Diese Höhlen sind voller giftiger Dämpfe, es ist unerträglich heiß und darüber hinaus sollen sich dort unten alte Mülldeponien aus dem 20. und 21. Jahrhundert befinden. Ich habe keine Lust, neben radioaktiv verseuchtem Computerschrott zu schlafen. Ohne mich!"

"Hier draußen überleben wir wahrscheinlich nicht einmal die nächsten drei Stunden", sagte der Vater leise und resigniert. "Ich finde, Harry hat recht. Wir sollten zu den Höhlen fliegen." Lisa stimmte ihrem Vater zu. Martin starrte nur fassungslos aus dem Fenster des Gleiters, hinaus in die von gigantischen Blitzen erhellte Finsternis. Die Erde bebte unter gewaltigen Donnerschlägen. Zumindest hörte es sich an wie das Grollen eines sich nähernden Gewitters. Doch dann tauchten die Umrisse des Raumschiffs über ihnen auf. Das was sie eben noch für Blitze gehalten hatten, war nichts anderes als die Leuchtspur von lasergesteuerten Raketen. Direkt vor ihren Augen zerbarst das Haus der Rektorin in tausend kleinste Teile und verwandelte sich in einen Meteoriten-Hagel, der über dem ganzem Dorf niederging. Ein Steinbrocken traf mit voller Wucht die Frontpartie des Gleiters.

"Flieg los!", schrie die Mutter.