Yvonnes bester Freund

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Yvonnes bester Freund
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Robert Zuschrott

Yvonnes bester Freund

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Yvonnes bester Freund

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

Impressum neobooks

Yvonnes bester Freund

„Juhu, endlich Ferien“, hörte man hunderte Kinder schreien. Kurz darauf strömten alle auf den großen Innenhofplatz der Volksschule „Elisabeth“ in Graz. Manche Eltern warteten bereits in ihren vollgepackten Autos, um sofort in den wohlverdienten Urlaub zu starten. Zeugnisse wurden wehend in die Höhe gehalten. Hin und wieder flossen auch so manche Tränen, weil das Zeugnis nicht so ausfiel, wie man es sich erhofft hatte. Auch die Lehrer atmeten erleichtert auf. 8 Wochen Schonfrist vor dem nächsten Schuljahr.

Etwas Anlauf und ein großer Sprung über die 3 Eingangsstufen hinunter, so kam Yvonne aus der Schule gestürmt. Hopsend und pfeifend eilte sie in Richtung „Villa Hartenau“, einem Mädchenheim, dass in der Nähe der Schule war. Frau Thomaschitz, die Erzieherin und Leiterin des Heimes, wartete schon auf das Mädchen, um das Zeugnis zu inspizieren. Nur einen Zweier in Sachkunde, sonst alles Einser.

„Das hab ich wieder gut hingekriegt“, grinste Yvonne. Auch Frau Thomaschitz war von dem Zeugnis sichtlich beeindruckt. Yvonne war ein kleines, neunjähriges Mädchen das vor Lebensfreude nur so strotze und dessen Temperament nur sehr schwer zu zügeln war. Manchmal half sie Rosi in der Küche. Einer sehr korpulenten Frau, die ebenfalls immer lustig aufgelegt war und die, wie Yvonne auch, immer für Blödsinn gut war. Yvonnes Mutter war ständig beruflich im Ausland unterwegs und hatte dadurch nur sehr wenig Zeit für das Mädchen. Der Vater wurde für ein sehr schweres Verbrechen für mindestens 20 Jahre ins Gefängnis gesteckt.

„Weißt du eigentlich, das du das schönste Zeugnis vom ganzen Heim hast?“

„Ich weiß. Das wird schon langsam langweilig“, grinste Yvonne.

„Zur Belohnung darfst du heute zu dem kleinen Fest in Stifting gehen von dem du neulich geredet hast.“

„Wirklich? Danke“, strahlte Yvonne und fiel Frau Thomaschitz um den Hals. Frau Thomaschitz gab Yvonne noch 20 Euro Taschengeld mit.

„Um spätestens 6 Uhr abends bist du wieder da“, orderte Frau Thomaschitz an und schon war die Kleine weg.

Beim Fest angekommen, schlenderte Yvonne durch die Wege bei den vielen Ständen und staunte nicht schlecht. Auf einmal bekam Yvonne feuchte Augen, als sie bei einem Stand ein wunderschönes paar Schuhe sah.

„Wollen Schuhe haben? Ganz billig. Fir dich. Nur 40 Euro.“

„Die sind wirklich wunderschön, aber ich hatte auch Hunger und jetzt habe ich nur mehr 10.“ Auf einmal kam der ausländische Verkäufer von seinem Stand hervor und steckte die Schuhe in einen Plastiksack.

„Du seien so liebes Mädchen und haben sicher schäne Zaignis von Sule. Ich dir Schuhe Gratis schenken.“

„Wirklich?“, strahlte Yvonne, fiel dem Ausländer um den Hals und gab ihm ein Küsschen auf die Wange. Dieser bekam ein breites grinsen.

„Sisse glaine“, murmelte er und winkte dem davon hopsenden Mädchen nach.

An einer Straßenecke angekommen, sah sie eine kleine Menschenmenge. Neugierig zwängte sie sich durch und sah, wie ein sehr zerzauster Straßenmusikant seine Lieder von sich gab. Yvonne gefiel die Musik. Aufmerksam und mit glänzenden Augen hörte sie ihm zu. Vor allem von seiner Gitarre und wie er damit spielte war sie sichtlich begeistert. Fröhlich begann sie mit dem Hintern zu wackeln. Als der Straßenmusikant Yvonne bemerkte, konnte er sein Schmunzeln nicht mehr verhalten und wackelte ebenfalls mit seinem Hintergestell.

Nach geschlagenen zwei Stunden schlenderte Yvonne weiter und sah sich einen Stand nach dem anderen an.

„Hallo Yvonne!“, rief plötzlich jemand von hinten. Als sie sich umdrehte, fiel ihr Sylvia schon um den Hals. Eine Schulfreundin aus der selben Klasse. „Warst du auch schon beim Karussell?“

„Nein, ich hab mir von dem Geld Schuhe gekauft“, protze Yvonne und lies Sylvia in den Sack schauen.

„Wau“, staunte Sylvia. „Wie viel?“

„40.“

„Super, und ich hab fast alles beim Karussell und beim Zuckerwattestand gelassen.“

„Dafür hab ich nachher kein Bauchweh“, kicherte Yvonne. „Bist du alleine da?“

„Sicher. Ich bin nämlich nicht allein im Heim.“

„Ok, ich muss wieder. Meine Mutter wartet da drüben.“

„Also tschüssi“, rief Yvonne und winkte Sylvia nach.

Wieder an dieser Ecke angekommen, sah Yvonne die Gitarre einsam und verlassen an der Mauer lehnen. Yvonne konnte einfach nicht anders. Sie setze sich auf einen großen Stein, nahm die Gitarre und probierte ein bisschen daran zu zupfen. Noch nie hatte Yvonne eine Gitarre in der Hand gehalten aber es gefiel ihr. Bald kam sie drauf, dass man die Finger auf die Saiten drücken musste, um einen anderen Ton zu bekommen.

„So habe ich auch einmal angefangen.“ Erschrocken blickte Yvonne auf und sah den Straßenmusikanten. Dieser lehnte gut gelaunt an der Mauer und lies sich sein Hot Dog schmecken.

„Bist du jetzt böse auf mich?“

„Aber nein“, grinste der Straßenmusikant.

„Ich mache sie bestimmt nicht kaputt.“

„Davon bin ich überzeugt. Ich habe gesehen, wie du mit meinem Heiligtum umgehst.“

„Kannst du mir zeigen, wie man damit spielt?“

„Oh da brauchst du sehr, sehr viel Übung. So etwas kann man nicht von heute auf morgen lernen.“

„Macht nichts. Ich habe doch jetzt Ferien. Und ich möchte es so gerne lernen und so gut spielen können wie du. Außerdem ist es im Heim immer so langweilig, bis meine Mami mich nach Hause holt. Bitte bitte“, flehte Yvonne ihn förmlich an und setze sogar noch ihren Dackelblick auf. Da konnte der Straßenmusikant einfach nicht widerstehen.

„Ich heiße Bobby, und du?“

„Und ich Yvonne.“

„Sehr angenehm. In welchem Heim wohnst du denn?“

„Hartenau.“

„Hey, das ist von meinem Platz nicht weit weg.“

„Dein Platz?“

„Ja, wo ich sonst immer spiele. Ich bin ab 2 Uhr nachmittags immer im Teggethofpark zum üben.“

„Wie gesagt, ich habe jetzt Ferien.“

„Komm doch einfach vorbei, dann zeig ich dir ein bisschen was.“

„Au super“, freute sich Yvonne. „Ich muss aber jetzt heim. Wir sehen uns morgen.“ Yvonne schüttelte noch kräftig Bobbys Hand und lief zur nächsten Bushaltestelle. Irgendwie war es Yvonne durch den Kopf geschossen, dass sie um 6 Uhr zu Hause sein sollte.

„Halli Hallo. Ist keiner hier?“, hallte es durchs ganze Haus.

„Schönen guten Abend kleines Fräulein“, sagte Frau Thomaschitz in einem strengen Ton. „Wir hatten 6 Uhr ausgemacht und nicht halb 7.“

„Tut mir leid, Frau Thomaschitz, aber ich habe den Bus verpasst. Ehrlich, er ist mir vor der Nase davongefahren.“

„Und was war der Grund?“

„Ich ä.... ich habe einen Schulfreund getroffen. Wir haben sehr viel Spaß gehabt.“

„Auf jeden Fall haben wir schon zu Abend gegessen. Wenn du Hunger hast, musst du in die Küche gehen und Rosi bitten, ob sie dir noch etwas richtet.“

„Ich habe schon noch ein bisschen in Reserve“, meinte Rosi durch die Küchentüre. Yvonne hatte noch einen mächtigen Hunger mit nach Hause gebracht. Rosi betrachtete die Kleine mit einem breiten Grinsen, denn es gefiel ihr, dass es Yvonne schmeckte. Nach dem Abendessen eilte Yvonne in den Gemeinschaftsraum, nahm aus dem hintersten Schrank die alte Gitarre heraus, setzte sich in das Sofa und begann zu klimpern. Ihr ging Bobby nicht aus dem Kopf. Er spielte mit der Gitarre, als ob es das leichteste auf der Welt sei. So wollte sie auch unbedingt spielen können. Yvonne hatte das Puppenspielen mit der Zeit satt. Der CD- Player stand auch um sonst auf Yvonnes Schreibtisch. Umso mehr war Frau Thomaschitz verwundert, dass die Kleine plötzlich Interesse für ein Instrument hatte.

Die „Villa Hartenau“ war kein richtiges Heim, sondern eher eine Art Einrichtung für Waisenkinder. Und Frau Thomaschitz war keine richtige Erzieherin, sondern eher eine Art Pflegemutter, die sich um die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder kümmerte. Sie spielt mit den Kindern, kümmert sich um die Hausaufgaben, lernt mit ihnen und bringt sie eine nach der anderen ins Bett. Sehr oft liest sie den Kindern Geschichten vor und hin und wieder erfüllt sie den Kindern auch mal ausgefallene Wünsche. Sie lies die Kinder einfach Kinder sein und drängte sie auf keinen Fall ins frühe Erwachsenwerden. Außer Yvonne lebten noch 5 andere Mädchen im Heim. Die allerdings wurden von einer Kindergruppe zu einem 3-Wöchigen Zeltlager nach Keutschach eingeladen. Yvonne beschloss nicht mitzufahren, sondern freute sich schon riesig auf einen Urlaub mit ihrer Mutter, die sich in den Ferien regelmäßig 3 – 4 Wochen frei nahm.

 

„Das klingt aber schön. Wo hast du das gelernt?“

„Noch gar nicht“, grinste Yvonne. „Aber ich werde es bald lernen. Ich habe sogar schon einen Lehrer gefunden.“

„Aha. Und wer soll das bitte sein?“

„Bobby.“

„Bobby? Kenn ich ihn?“

„Nein. Bobby ist ein Freund aus der Schule. Wegen ihm hab ich heute meinen Bus verpasst. Er hat mir fest versprochen, dass er es mir beibringt.“

„Wie alt ist denn dieser Bobby?“

„Weiß ich nicht. Äh... Er geht in die Hauptschule. 12 oder 13 glaub ich.“

„Na gut. Wird er es wohl schaffen, dich pünktlicher als heute nach Hause zu schicken?“

„Ganz bestimmt, Frau Thomaschitz.“

„Na gut. Wenn du es wirklich möchtest. Wann soll es denn losgehen?“

„Morgen um 2 Uhr treffen wir uns wieder.“

„Was? Morgen schon? Also schön. Aber wenn du wieder so wie heute zu spät kommst, blase ich die Sache sofort wieder ab. Ist das Klar?“

„Pfadfinderehrenwort“, strahlte Yvonne. Frau Thomaschitz wusste, dass Yvonne nicht zu den Mädchen zählte, die sofort wieder aufgeben, wenn etwas nicht sofort funktionierte. Außerdem war es ihr nur recht, dass sich Yvonne so ein Hobby zulegen wollte, denn die Kleine konnte auch sehr gut singen und hatte ein sehr gutes Gehör.

Am nächsten Tag räumte sie ihr leeres Geschirr hastig vom Tisch ab. Rosi bemerkte auch, dass es Yvonne von Tag zu Tag immer eiliger hatte. Auch in der Küche wurde sie mit dem Abtrocknen immer schneller. Einmal rutschte ihr ein Untertässchen vom Frühstückgeschirr aus den kleinen Händen und zerbrach am Boden in tausend Scherben.

„Kann doch mal passieren“, meinte Rosi.

„Gell, Rosi, jetzt hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank“, antwortete Yvonne mit breitem Grinsen. Im ersten Moment sah Rosi ein bisschen verdutzt, denn sie fühlte sich in ihrer Ehre etwas gekränkt. Aber sie wusste, das Yvonne es nicht so meinte und verzieh ihr das lose Mundwerk.

„Wie abgemacht, um 6 Uhr“, mahnte Frau Thomaschitz noch.

„Ich hab es ja versprochen“, rief Yvonne noch zur Eingangstüre hinein. Dann rannte sie los in Richtung Park. Es dauerte nicht lange, da hörte sie auch schon die Musik, die ihr so gut gefallen hatte und folgte ihren Ohren. Bobby saß bereits Mutterseelen allein auf einer Bank und spielte munter drauf los.

„Hallo, kleine Prinzessin“, sagte er freundlich, als er Yvonne erblickte

„Hallo Bobby. Zeigst du mir heute, wie man Gitarre spielt?“

„Möchtest du das wirklich?“

„Und wie“, strahlte Yvonne.

„Na dann komm mal her,“ sagte Bobby, nahm Yvonne auf den Schoß und zeigte ihr die ersten 3 Griffe. Er zeigte ihr, wo sie die Finger hin drücken musste, und erklärte ihr alles mit sehr viel Geduld und so, dass sie es auch verstand. Aufmerksam und mit viel Interesse hörte sie Bobby zu und fragte ihm Löcher in den Bauch, wenn sie einmal etwas nicht verstand. „Weißt du, es braucht sehr viel Zeit, bis man es richtig kann. Und bis dahin heißt es fleißig üben.“

„Darf ich einmal die Gitarre alleine nehmen?“

„Ich bitte sogar darum, denn meine Füße sind schon ganz flach.“

„Gar nicht wahr“, lachte Yvonne. „Wie bist du eigentlich dazu gekommen, auf der Straße Gitarre zu spielen?“, fragte Yvonne neugierig.

„Weißt du, ich hatte einmal eine richtig gute Band, mit der ich sehr erfolgreich herumgezogen bin“, begann Bobby zu erzählen. „Sie hieß damals `The Rock Action`. Wir waren sogar einige Male in der Hitparade.“

„Warum hast du denn aufgehört?“

„Ich hatte damals eine Freundin, die auch ein kleines Mädchen in ihren Bauch getragen hat. Sie sind beide bei einem Unfall gestorben. Ich war damals mit meinen Jungs gerade in Deutschland auf Tournee, als das passierte. Ich konnte den beiden nicht einmal helfen. Sie sind beide im Krankenhaus gestorben und ich war nicht einmal da.“ Yvonne bemerkte, wie die Tränen über Bobbys Wangen rannen, und wie sehr ihn das quälte. „Da habe ich geschworen, nie wieder auf Tournee zu gehen und nie mehr Musik zu machen. Aber das ist das Einzige, das ich wirklich kann. Und jetzt belaste ich auch noch ein kleines Mädchen mit meinen Problemen.“

„Du hast sie sicher sehr lieb gehabt. Ich weiß, ich bin noch sehr klein, aber ich sehe, dass dir das noch immer sehr weh tut“, versuchte Yvonne Bobby mit allen Mitteln zu trösten und wischte ihm mit ihrer kleinen Hand die Tränen weg. Bobby nahm seine Gitarre und spielte ein wunderschönes Lied, dass er für seine Freundin und das Baby geschrieben hatte. Von da an trafen sich die beiden jeden Tag, und das nicht nur zum Üben. Es entstand zwischen Bobby und Yvonne eine dicke, untrennbare Freundschaft.

II

Samstag war es und die Sonne schien schon beim Fenster herein, als Yvonne die Augen aufschlug. Heute war ihr zehnter Geburtstag und den wollte sie auf keinen Fall im Bett verbringen. Schnell gewaschen und angezogen rannte sie die Stiegen hinunter und traute ihren Augen nicht.

„Mami“, rief sie, stürmte los und fiel ihrer Mutter um den Hals. „Du hast mir so gefehlt.“

„Du mir auch, mein Engelchen.“

„Holst du mich heute nach Hause?“

„Leider erst in zwei Wochen. Ich habe nämlich noch ein paar Termine, die ich auf keinen Fall aufschieben kann. Ich hoffe, du bist mir deswegen nicht böse?“

„Aber nein. Ich habe doch Bobby.“

„Bobby?“

„Sie wissen schon. Der Junge aus Yvonnes Schule, der ihr das Gitarre spielen beibringt. Ich habe es ihnen am Telefon erzählt.“

„Wie bitte Frau Thomaschitz? Sie haben mit Mami telefoniert und mir nichts gesagt?“, fragte Yvonne und stützte ihre Hände in die Hüften. „Das war gemein.“

„Sei nicht böse auf Frau Thomaschitz. Sonst hätte ich ja nicht gewusst, womit ich dich an deinem Geburtstag überraschen könnte, mein Schatz“, sagte Frau Kramer, Yvonnes Mutter zauberte ein riesen Paket hervor. „Alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz.“ Neugierig stürzte sich Yvonne auf das Paket, um es sofort auszupacken. Ihre Augen strahlten als sie eine nagelneue Gitarre samt einen dazugehörenden Koffer heraus blitzen sah.

„Du siehst, hin und wieder haben deine Mutter und ich auch Geheimnisse“, grinste Frau Thomaschitz. Vor lauter Freude fiel Yvonne ihrer Mutter um den Hals.

„Danke, Mami. Die ist wirklich wunderschön.“ Yvonne setzte sich hin und probierte die Gitarre sofort aus.

„Meine Güte, du machst ja richtige Fortschritte“, staunte Frau Kramer und Frau Thomaschitz lächelte im Hintergrund.

„Und ich werde noch besser. Das habe ich alles von Bobby gelernt“, protzte Yvonne.

„So aber jetzt muss ich aber wirklich los, sonst komme ich noch zu spät zu dieser Sitzung. Auf wiedersehen, mein Kind und noch mal alles Gute zum Geburtstag.“

„Baba Mami und vielen, vielen Dank für die schöne Gitarre.“

„Gern geschehen mein Schatz.“

„Auf Wiedersehen Frau Kramer“, verabschiedete sich noch Frau Thomaschitz und machte hinter ihr die Türe zu. Inzwischen hatte Yvonne die Gitarre schon wieder in den Koffer gepackt, denn die musste sie Bobby unbedingt zeigen.

Kaum im Park angekommen, hörte sie schon Bobby mit seiner Gitarre spielen.

„Hallo, kleine Prinzessin.“

„Hallo Bobby. Schau mal was ich von meiner Mami zum Geburtstag bekommen habe.“

„Das ist aber ein schönes Instrument. Wie alt bist du denn heute geworden?“

„Ganze zehn Jahre“, antwortete Yvonne stolz, packte gleich ihre neue Gitarre aus und setzte sich damit neben Bobby.

„Du bist ein richtiges Naturtalent und wenn du weiter so brav übst, können wir bald gemeinsam auftreten.“

„Meinst du wirklich?“

„Ja, aber pack die Gitarre erst mal ein, denn ich möchte dir etwas zeigen.“ Er nahm Yvonne an der Hand und ging mit ihr zu einem alten Haus. Von außen sah es aus, als ob es kurz vor dem Abriss stand. Yvonne schaute zwar etwas verschreckt aber sie vertraute Bobby und ging mit ihm rein. Drinnen staunte sie nicht schlecht als sie sah, wie schön es hergerichtet war.

„Und da wohnst du?“, fragte Yvonne.

„Fühle dich wie zu Hause“, antwortete Bobby. Überall im Wohnzimmer hingen Bilder von Bobbys ehemaliger Band. Bobby kam mit einem Stapel Fotoalben und blätterte mit Yvonne eines nach dem anderen durch. Er zeigte Yvonne alle Fotos und erklärte ihr alles so, dass sie es auch verstand. Yvonne war begeistert, denn sie hatte ja Bobby immer nur in den alten, zerrissenen Klamotten gesehen. Bobby hatte noch alle Anzüge und Kostüme aufbehalten, mit denen er mit seiner Band aufgetreten ist. Er führte extra für Yvonne eine kleine Modeschau durch. Yvonne pfiff und klatschte bei jedem Kostüm in dem Bobby auftauchte. „Und da habe ich auch noch etwas für dich“, sagte er und holte ein hellblaues Kleidchen mit weißen Spitzen aus dem Schrank. „Probier das einmal an.“

„Soll ich wirklich?“

„Aber ja.“ Kaum hatte sich Yvonne umgezogen, pfiff und klatschte Bobby. „Gefällt es dir?“

„Ja, das ist traumhaft. Wunderschön.“

„Ich habe es schon viele Jahre im Schrank. Es hätte eigentlich meiner Tochter gehören sollen, wenn sie noch leben würde. Jetzt gehört es dir, meine kleine Prinzessin. Ich wünsche dir damit alles Gute zum Geburtstag. Bleib so liebenswert und lebensfroh wie du bist.“ Yvonne fiel Bobby um den Hals und küsste ihn auf die Wange. Tränen der Freude standen in den Augen des kleinen Mädchens.

„Das Kleid ist wunderschön. Danke Bobby. Ich werde immer gut darauf aufpassen und nicht schmutzig machen. Das verspreche ich dir.“

„Ich weiß“, antwortete Bobby. Bobby improvisierte für Yvonne noch eine kleine Geburtstagsfeier. Sie lachten und alberten herum. Und das erste mal nach sehr langer Zeit spielte und sang Bobby auch wieder lustige und fröhliche Lieder. Yvonne sang und jauchzte mit, dass es nur so eine Freude war.

„Wir sind schon ein starkes Team wir zwei“, sagte Yvonne als der Abend hereinbrach und sie sich auf den Heimweg vorbereitete.

„Das sind wir und das werden wir auch immer bleiben“, antwortete Bobby als er sich von Yvonne verabschiedete.

„Danke für alles. Frau Thomaschitz macht sich sicher schon Sorgen.“

„Nichts zu danken. Habe ich doch gerne gemacht. Noch mal alles Gute und komm gut nach Hause.“

„Danke, Bobby. Tschüss bis morgen“, rief Yvonne noch und rannte, so schnell sie nur konnte, nach Hause.

Im Heim angekommen, stand Frau Thomaschitz bereits mit verschränkten Armen in der Türschwelle.

„Belieben das Fräulein auch wieder nach Hause zu kommen.“

„Tut mir leid, Frau Thomaschitz, aber Bobby hat für mich eine Geburtstagsparty gegeben und die war sooo lustig. Sehen sie nur. Das schöne Kleid hat er mir geschenkt.“

„Dieser Bobby hat dich wohl sehr gern. Er muss sicher dafür sein ganzes Taschengeld geopfert haben.“

„Äh... weiß ich nicht. Oder es hat seiner Schwester nicht mehr gepasst.“

„Kann auch sein. Es ist wirklich sehr schön. Hast du schon zu Abend gegessen?“

„Ja.“

„Dann ab mit dir ins Bett. Es ist schon spät.“ Das ließ sich Yvonne nicht zweimal sagen, denn so schön für sie der Tag heute auch war, so anstrengend war er auch.

„Das war heute mein aller, allerschönster Geburtstag“, dachte sich Yvonne. Eine Gitarre und ein wunderschönes Kleidchen, davon hätte sie nie zu träumen gewagt. Und dann die Party bei Bobby, die für sie der absolute Knaller war. Völlig fertig, aber mit einem Lächeln im Gesicht glitt Yvonne hinüber ins Land der Träume.

„Ich mag mich zwar täuschen, aber Yvonne kommt mir irgendwie verändert vor. Sie ist viel froher aber auch viel hektischer geworden. Meinen Sie nicht auch, Frau Thomaschitz?“, bemerkte Rosi, als ihr Frau Thomaschitz im Gang entgegen kam.

„Das habe ich auch schon bemerkt. Das hängt sicher mit diesem Bobby zusammen.“

„Sicher. Ich hatte meine erste große Liebe auch schon mit acht. Vielleicht sollten wir zum Dank diesen Bobby einmal zum Essen einladen.“

„Kommt gar nicht in Frage, Rosi. Wenn die anderen Mädchen Wind davon bekommen, bringen sie ihre Freunde auch gleich mit. Und wissen sie was das heißt?“ Rosi setzte plötzlich ein breites Grinsen auf.

„Ja, Frau Thomaschitz, Vergnügen.“

„Aber Rosi. Ihr Männerverschleiß muss sich nicht unbedingt auf die Kinder ausweiten. Außerdem sind diese noch viel zu jung.“

„Ach ja? Seit wann kommen Kinder beim Herumtollen und beim Spielen auf lüsterne Gedanken?“, sagte Rosi in einem forschen Ton und ging empört in ihr Quartier. Frau Thomaschitz musste lachen, denn sie kannte Rosi nur zu gut. Auch Rosi ist in der „Villa Hartenau“ aufgewachsen, dass Frau Thomaschitz seit gut 15 Jahren leitete. Rosi war zwar nicht gerade die Hellste, hatte aber ein gutes Herz und war für Männergeschichten immer zu haben. Und auch immer für Überraschungen gut. Rosis Kochkünste waren schon immer unübertroffen. Auch die Kinder liebten sie und alberten mit ihr herum.

 

„Yvonne hat sich wirklich sehr verändert seit sie Gitarrestunden bei diesem Bobby nimmt. Und das schöne Kleidchen, das er ihr geschenkt hat. Ein Traum, und steht der Kleinen sehr gut“, dachte sich Frau Thomaschitz, als sie gerade im Aufenthaltsraum bei ihren Strickarbeiten saß. Dabei konnte sie sich so richtig entspannen. Obwohl Yvonne alles andere als Stress bedeutet, denn das Mädchen war nicht nur sehr brav, sondern für ihr Alter auch noch sehr selbstständig. Frau Thomaschitz war eine sehr tolerante Frau, und ließ die Mädchen einfach Mädchen sein. Zum Teil sehr ruhig, aber zum Teil auch sehr lebhaft wie Yvonne. Yvonne durfte ihr lebhaftes Temperament in vollen Zügen ausleben. Natürlich bis zu einem gewissen Grad, und das wussten die Mädchen auch, denn Yvonne hatte auch die Gabe, jedes auch noch so ruhige Kind mitzureißen. Und da hatte Frau Thomaschitz alle Hände voll zu tun darauf zu achten, dass es nicht zu wild abgeht. Meistens geht es gegen Rosi, die es natürlich freut, dass sich die Kinder mit ihr beschäftigen. Auch Frau Thomaschitz wird zeitweise von den Mädchen nicht verschont. Bis es so weit ist und ihr Wort Gesetz wird. Deshalb wird sie von den Kindern richtig vergöttert.

Am nächsten Morgen glaubte Frau Thomaschitz ihren Ohren nicht zu trauen. Yvonne hatte nach langer Zeit ihre Kinderlieder-CD in den Player gesteckt und spielte fleißig mit. Obwohl sie noch sehr viele Fehler machte, und sich darüber fürchterlich ärgerte, war aufgeben für Yvonne ein Fremdwort. Vormittags übte sie fleißig im Heim, und nachmittags lernte sie von Bobby immer wieder neue Sachen dazu. Und sehr oft hatten die beiden einen riesen Spaß. Hin und wieder war Yvonne auch dabei, wenn Bobby an seinem Platz spielte, um seine Brötchen zu verdienen. Inzwischen kannte Yvonne jedes seiner Lieder und sang fröhlich mit.

Eines schönen Tages, als Bobby gerade eine Pause einlegte, um sich etwas zum Essen zu holen, nahm Yvonne einfach seine Gitarre und spielte unbekümmert weiter. Sofort hatte sich eine riesige Menschenmenge angesammelt und hörte dem Mädchen aufmerksam zu. Und sehr viele Leute warfen auch noch Geld in den Koffer. Bobby hatte sehr große Mühe, wieder an seinem Platz zu kommen. Er musste sich die Augen reiben, um zu glauben, was Yvonne hier veranstaltete. Da stand doch Yvonne mit seiner Gitarre, und spielte, und sang was das Zeug hält. Und die Leute klatschten und jubelten ihr zu. Da blieb Bobby nichts anderes übrig. Er stellte sich einfach mit Yvonnes Gitarre dazu und spielte mit ihr im Duett. Zum Schluss spielten die beiden ein Duett, das Bobby ganz neu für Yvonne und ihn geschrieben hatte.

„Wir sind doch ein tolles Team, wir zwei. Meinst du nicht auch?“

„Ja, kleine Prinzessin, und du spielst auch schon sehr gut.“

„Tja dank eines super Lehrers“, rief Yvonne ganz begeistert.

Bobby staunte nicht schlecht, als er seinen Koffer aufmachte. So voll war er überhaupt noch nie. Er nahm ein paar Scheinchen heraus und wollte sie Yvonne geben, die aber abblockte. „Du brauchst es doch viel nötiger als ich. Außerdem bekomme ich ja Taschengeld.“ Das ihm Yvonne geholfen hatte, wusste er nur zu gut. Aber auch, dass sich das auf keinen Fall wiederholen dürfe.

„Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, dich einfach hinzustellen und zu spielen?“

„Wie du weggegangen bist, wollten die Leute auch gehen. Außerdem wollte ich es auch einmal ausprobieren und es hat Spaß gemacht. Vor allem, wie die Leute geklatscht haben. Aber ein komisches Gefühl hatte ich am Anfang schon.“

„Das nennt man Lampenfieber. So ist es mir am Anfang auch immer gegangen.“ Dann senkte Bobby den Kopf. „Weißt du, das was du heute gemacht hast, werde ich dir nie vergessen. Du hast in der kurzen Zeit wirklich sehr, sehr viel gelernt, aber das heute war zu gefährlich und darf sich auf keinen Fall wiederholen.“

„Warum? Ich könnte dir noch viel mehr helfen.“

„Du hast ein sehr gutes Herz, aber was hättest du gemacht, wenn uns wer von deinen Leuten gesehen hätte? Dann wäre es aus gewesen.“

„Es hat so viel Spaß gemacht, dass ich an das gar nicht gedacht habe“, sagte Yvonne leise und mit ebenfalls gesenktem Kopf. „Bist du jetzt böse auf mich?“, fragte Yvonne und sah Bobby mit einem treuherzigen Blick an. Bobby nahm seine kleine Prinzessin in den Arm und drückte sie an sich.

„Aber nein“, sagte er mit leiser Stimme. „Wie könnte ich jemals auf dich böse sein?“

„Ich verspreche dir, ich werde das nie, nie mehr tun. Aber jetzt muss ich ins Heim, denn morgen kommt meine Mami und holt mich nach Hause.“

„Dann wünsche ich dir noch einen schönen Abend“, sagte Bobby und begleitete seine kleine Prinzessin zur Tür.

„Tschüß, Bobby“, rief Yvonne noch und lief in Richtung Heim. Frau Thomaschitz hatte es bereits aufgegeben, Yvonne bei der Tür im Empfang zu nehmen, da sie es schon gewohnt war, dass Yvonne immer zu spät nach Hause kam. Außerdem waren ja Ferien. Umso beruhigender war es für sie, wenn sie der Kleinen am Abend noch beim Gitarre spielen zuhörte.

„Sag mal, kannst du auch bekanntere Lieder spielen?“,fragte Frau Thomaschitz.

„Welche?“, entgegnete Yvonne. Frau Thomaschitz setzte sich ans Klavier und spielte ein Lied von John Lennon. Frau Thomaschitz gab hin und wieder mal private Klavierstunden. Ein paar Lieder davon kannte auch Yvonne und spielte mit der Gitarre mit. Die beiden musizierten und sangen fast bis Mitternacht.

Rosi, die bei diesem Krach auch nicht schlafen konnte, hopste und tanzte mit einem Besen in der Hand fröhlich und vergnügt im Wohnzimmer herum. Es war sichtlich schwer für Yvonne, sich bei diesem urkomischen und köstlichen Anblick, zu konzentrieren. Ein Lachkrampf plagte den andern. Besonders, wenn Rosi ihre 105 Kilo in eleganter Art und Weise durch den Raum beförderte. Besonders ihr Rock and Roll war eine Augenweide. Als Rosi dann zum Tango ansetzte, war das Fass übergelaufen. Frau Thomaschitz beugte sich über das Klavier und Yvonne fiel vor lauter lachen fast die Gitarre aus der Hand. Schallendes Gelächter füllte das gesamte Haus. Beide hatten richtig Mühe, die richtigen Töne zu finden. Als Frau Thomaschitz und Yvonne ruhigere Lieder spielten, lies sich Rosi schweißgebadet in ein Sofa fallen. So viel Spaß hatte sie schon lange nicht mehr gehabt und schlief im Sofa mit einem breiten Grinsen im Gesicht ein. „Das können wir ruhig öfters machen“, flüsterte sie Frau Thomaschitz zu, als sich die beiden aus dem Aufenthaltsraum schlichen.

„Keine schlechte Idee. Aber jetzt heißt es schlafen gehen.“

„Okay, Gute Nacht, Frau Thomaschitz.“

„Schlaf gut.“ Yvonne war schon richtig müde und schlief auch schon bald in ihrem Bettchen ein.

Frau Thomaschitz freute es, dass sich Yvonne in kurzer Zeit zu einem richtigen Profi auf der Gitarre entwickelt hat.

„Dieser Bobby hat wirklich ganze Arbeit geleistet“, dachte Frau Thomaschitz. Ihr war es nur recht, denn erstens kommt die Kleine nicht auf dumme Gedanken, die sie in Schwierigkeiten bringen könnte, und zweitens hatte sie jetzt jemanden, mit dem sie im Heim musizieren kann. Seit Frau Thomaschitz nicht mehr unterrichtete, hatte sie kaum noch Zeit gefunden, sich hinter das Klavier zu klemmen und zu spielen. Auch sie kannte die Musik der „Rock Action“ sehr gut. Umso erstaunter war sie, dass Yvonne die Lieder dieser legendären Band kannte und sogar spielte. Diese Gruppe war doch weit vor ihrer Zeit gewesen. Vielleicht war dieser Bobby ein Fan dieser Band.

„Du kannst mir ja auch das Gitarrespielen beibringen“, sagte Rosi am nächsten Morgen, als ihr Yvonne nach dem Frühstück in der Küche half.

„Vielleicht. Aber du könntest ja beim nächsten Mal ein paar Töpfe und Pfannen aus der Küche mitnehmen und Schlagzeug spielen.“

„Keine schlechte Idee“, sagte Rosi begeistert.

„Aber vorher musst du noch singen lernen“, lachte Yvonne, als zur selben Zeit die Küchentüre aufging und Frau Thomaschitz herein blinzelte.

„Yvonne, Besuch für dich.“

„Mami“, rief Yvonne laut, lies alles liegen und stehen, und rannte aus der Küche in Richtung Aufenthaltsraum. Beide sahen der Kleinen noch kurz nach. Dann schälte Rosi die Kartoffel weiter und wackelte sehr heftig mit ihrem leicht überdimensionalen Hinterteil. Aufgestachelt vom musikalischen Vorabend, pfiff und sang sie laut, falsch, aber mit viel Begeisterung dazu. Frau Thomaschitz sah Rosi noch an, lachte, und ging danach kopfschüttelnd in den Aufenthaltsraum, wo sich Yvonne und ihre Mutter liebevoll umarmten. „Mami hat jetzt zwei Wochen Urlaub und ich darf mit nach Hause“, strahlte Yvonne übers ganze Gesicht.

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