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Robert Korn

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Imprint

Robert Korn

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© 2017 Robert Korn

Erschienen bei www.epubli.de, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Cover: Erik Kinting | www.buchlektorat.net Konvertierung: Sabine Abels | www.e-book-erstellung.de

Inhalt

Doch!

Der Wolf und das Schaf

Der Angler

Fragen

Bänderriss

Aufstieg

Lebewohl

Leck

Absturz

Musik

Nicht noch einmal

Allein

Die Feder und der Knopf

Und ging weiter

Der 500-Euro-Schein

Briefwechsel

Konferenz

Ein Experiment

Aufgebracht

Tagebuch

Doch!

Änderung

Fälle

Die Suche

Sinnliche Gewissheit

Wahrnehmung

Verstand

Begierde

Herrschaft und Knechtschaft

Allgemeinheit des Selbstbewusstseins

Stoizismus

Skeptizismus

Vernunft

Der Geist

Eingriff

Enttäuscht

Entrückt

Aufgewühlt

Beglückt

Neugierig

Unruhig

Gefangen

Abgründig

Froh

Plötzlich

Amüsiert

Hilfreich

Dankbar

Negativ

Träume

Nicht entflammbar

Neonfarben

Berührung

Entspannung

Aufdringlich

Verwandlung

Prüfung

Gedankenschritte

Denken

Selbstdenken

Liebe zum Denken

Kommunikation

Zuhören

Lesen

Schreiben

Lernen

Geduld

Moral

Schule

Langeweile

Konsumismus

Selbstmotivation

Nihilismus

Stimmung

Spielen

Liebe

Doch!

Geschichten

Günther Anders

„Denn die Fabelfreude ist eine Zwillingsschwester der mathematischen Freude, die im einzelnen Kreise die Gesetze aller Kreise überhaupt genießt: auch sie besteht im Genuss der Idee.“

Der Wolf und das Schaf

Das Schaf ging auf einen Fluss zu, um daraus zu trinken. Da sah es plötzlich, wie sich weiter oberhalb auch ein Wolf dem Wasser näherte. Als es seinen ersten Schreck überwunden hatte, versuchte es, sich unauffällig zu entfernen.

Doch schon nach wenigen Schritten hörte es den Wolf wütend schreien: "Nie wollt ihr etwas mit uns zu tun haben!"

Das Schaf fuhr heftig zusammen und fing an zu rennen. Es wusste: der Wolf und seinesgleichen hatten schon viele seiner Artgenossen gerissen.

"Wolfshasser seid ihr!", tönte der Wolf wieder. Das Schaf reckte seinen Kopf jetzt ganz nach vorn. Mit seinen Hinterläufen stieß es sich noch stärker ab als vorher. Warum konnte es nur nicht hoch bis in den Himmel fliegen?

"Ihr solltet euch schämen!", empörte sich der Wolf weiter. In dem Augenblick, wo er es fast eingeholt hatte, schlug das Schaf einen Haken. Doch es half ihm nichts. Direkt hinter ihm fing der Wolf wieder an zu brüllen. "Feige seid ihr auch!"

Plötzlich durchzuckte das Schaf ein wilder Schmerz. Der Wolf riss ihm mit den Zähnen ein Büschel Haare aus. Laut aufschreiend, änderte es noch einmal die Richtung. Gerade noch rechtzeitig sprang es in einem hohen Bogen in den Fluss. Kaum am anderen Ufer angekommen, brach es bewusstlos zusammen. Der Wolf war ihm vor lauter Wasserscheu nicht gefolgt. Als das Schaf schließlich aus der Ohnmacht erwacht war, hörte es wieder die Stimme seines Feindes. "Wolfshasser seid ihr!", schrie er zu dem Schaf hinüber.

Da sprang es mit einem Mal so heftig hoch, dass seine Hufe auf den Steinen laut aufschlugen. "Ja", schrie es mit Schaum vor der Schnauze, "ich hasse euch alle, der Blitz soll euch erschlagen!"

"Was ich gesagt habe", sagte der Wolf kühl, warf seinen Kopf nach hinten und ging langsam davon.

Der Angler

Die Schnur spannte sich erneut. Sofort beugte sich der Angler vor. Mit einem Ruck zog er an seiner Angel einen weiteren Fisch aus dem Wasser. "Drei Fische", sagte er sich, "sind genug."

Als er sich zum Gehen wandte, hielt er plötzlich inne. Nicht weit von ihm entfernt schwammen im Meer viele Federn. Sie waren weiß und hatten jeweils einen schwarzen Punkt in der Mitte.

 

Mit einem Mal erinnerte er sich wieder an ein lautes Geräusch. Er hatte es genau in dem Moment gehört, als er den letzten Fisch geangelt hatte.

"Vielleicht", so dachte er, "ist eine Kiste mit Vogelfedern von einem Schiff herabgefallen.“ Doch schon kurz darauf zweifelte er an seiner eigenen Vermutung. Im Meer vor ihm sah er nämlich nichts, was sie hätte bestätigen können.

Er ging nun rasch nach Hause. Trotz der späten Stunde schien die Sonne immer noch heiß. Als er die drei Fische schließlich gebraten und gegessen hatte, setzte er sich auf eine Bank vor seinem Haus.

Erst jetzt dachte er wieder an die weißen Federn mit den schwarzen Punkten. Vielleicht, fuhr es ihm mit einem Mal durch den Kopf, hatten sie mit dem Aufprall auf dem Wasser auch gar nichts zu tun. Sie könnten ebenso, setze er an und stockte.

Auf dem Weg vor ihm sah er zwei Männer, die einen jungen Mann auf einer Bahre trugen. Sein Körper war stark gerötet.

"Ertrunken", sagte einer der beiden Männer, nachdem der Angler zu ihnen gegangen war. Auf seine Frage: "Wie?" fingen beide plötzlich an zu grinsen. Verwirrt sah er sie an. Ein Kind, sagten sie, habe behauptet, er sei vom Himmel gefallen. Als der Angler das hörte, grinste auch er.

Doch schon im nächsten Augenblick wurde seine Miene wieder ernst. Er sah einen weiteren Mann den Weg hinaufkommen. Hinter sich her zog er zwei Gebilde, die aussahen wie große Vogelschwingen. Sie waren zum Teil beschädigt.

Der Angler staunte noch mehr, als er sie von nahem sah. Ihre Federn waren weiß und hatten jeweils einen schwarzen Punkt in der Mitte. Wo er die Gestelle gefunden habe? "An den Armen des Ertrunkenen", antwortete ihm der Mann. Langsam ging der Angler wieder zu seinem Haus zurück.

Einige Zeit später sah er auf dem Grund des Meeres etwas Helles leuchten. "Eine Riesenperle!", rief er und sprang ins Meer.

Tief unten im Wasser erschrak er plötzlich heftig. Statt der Perle erblickte er den Kopf des Ertrunkenen. Ihm war, als schaute dieser ihn fragend an.

Fragen

"Was ist Philosophie?" Wie sie darauf komme, fragte ich sie überrascht. Sie hielt eine Anzeige hoch und las: "Unsere Philosophie heißt Sicherheit!" "Nein!", erklärte ich. "Echte Philosophie ist eher das Gegenteil davon."

Meine Cousine sah mich verwirrt an. Ich bemühte mich deshalb, mich verständlicher auszudrücken. "Ein Philosoph“, sagte ich, „zweifelt gerade an dem, was man gewöhnlich für sicher hält."

Während meine Cousine einen Schritt auf mich zu machte, verengte sie die Augen. "Wozu?", fragte sie, "soll das gut sein?" "Scheinsicherheiten", sagte ich, "können gefährlich sein."

Ich sah von meinem Schreibtisch aus, wie sich plötzlich das Gesicht meiner Cousine wieder entspannte. "Ja", nickte sie, "fragt man sich nicht, ob man den Stoff für die Mathe-Arbeit auch wirklich beherrscht, kann man sie leicht verhauen."

Mich verblüffte, wie ernsthaft sich meine Cousine mit meinen Antworten auseinandersetzte. Noch vor wenigen Monaten, als sie bei uns in den Ferien zu Besuch gewesen war, hatte sie sich nur für Pferde interessiert.

Sie zog nun die Tür hinter sich zu und setzte sich auf den Stuhl neben dem Fenster. Wieder blickte sie mich mit halb zugekniffenen Augen an.

„Wenn", sagte sie, "die Philosophie alles anzweifelt, müsste sie sich dann nicht auch selbst in Frage stellen?" Ich gab ihr Recht, fügte jedoch noch hinzu, ein Zweifel könne sich auch als unbegründet herausstellen.

Meine Cousine erstaunte mich erneut. Sie zeigte sich nicht nur an Philosophie interessiert, sie konnte auch gute Fragen stellen. Woran aber lag es, dass sie sich so sehr verändert hatte?

An ihrem Gesicht konnte ich erkennen, dass sie wieder angestrengt nachdachte. „Was“, fragte sie, „bedeutet das Wort ‚Philosophie‘ eigentlich? “Liebe zur Weisheit“, sagte ich.

Bei dem Wort "Liebe" errötete meine Cousine auf einmal tief. Da tauchte plötzlich in mir ein Gedanke auf: „Vielleicht hat sie sich in jemanden verliebt!“

Als ich sie darauf ansprach, drehte sie den Kopf abrupt zum Fenster hin. Einen Augenblick später wandte sie sich mir wieder zu.

Sie bestätigte, was ich vermutet hatte.

Bänderriss

Als sie den Flur betrat, stockte ihr kurz der Atem. Zu ihrem Schreck sah sie, dass ihr Freund ihr an Krücken entgegenkam. "Dreifacher Bänderriss!", sagte er erbittert.

Er sei in seiner Firma, erfuhr sie, zu schnell um eine Ecke gebogen und dabei böse gestürzt. “Ärmster!", sagte sie und streichelte ihm sanft den Rücken. Doch sie konnte ihn auch hierdurch nicht beruhigen. Zu groß war seine Verärgerung darüber, dass er für die nächsten sechs Wochen krankgeschrieben war.

Da sie in der Kantine ihrer jeweiligen Firma schon zu Mittag gegessen hatten, aßen sie zum Abendessen nur eine Kleinigkeit.

"Zeit für mich, ins Bett zu gehen", sagte sie gegen zehn. "Für mich?", fragte er spitz. Überrascht sah sie ihn an. Kurz vorher hatte er ihr noch angekündigt, er werde heute länger fernsehen.

Gleich nachdem sie am nächsten Abend die Wohnungstür geöffnet hatte, sah sie ihn schon mit seinen Krücken im Flur stehen. Ihr war, als hätte er dort bereits länger auf sie gewartet. "Heute gibt es dein Lieblingsgericht!", rief sie und deutete mit dem Kopf auf ihre Tragetasche. "Lachs mit Wildreis!"

Beim Essen erzählte sie, was sie tagsüber im Büro erlebt hatte. Ihr fiel auf, dass er danach nur noch wenig sprach. "Warum so einsilbig?" „Was“, entgegnete er ihr darauf, „kann ein Krüppel wie ich schon erleben.”

Der Ton seiner Antwort gefiel ihr nicht. Dennoch legte sie zart ihre Hand auf die seine. "Ihm fehlt die Arbeit", dachte sie. Wenig später bat er sie, ihm morgen ein Wirtschaftsmagazin mitzubringen.

Während sie am nächsten Abend die Wohnungstür aufschloss, überlief es sie mit einem Mal heiß. Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte, das Magazin zu kaufen.

"Entschuldige!", sagte sie sofort nach der Begrüßung. "Bei uns ging heute alles drunter und drüber." "Verstehe", erwiderte er höhnisch, "die Arbeit geht stets vor."

"So darfst du nicht mit mir reden. Wie oft hast nicht auch du schon etwas vergessen!" Nichts davon sagte sie. Stattdessen lief sie schell in die Küche und schob geräuschvoll eine gut belegte Pizza in den Backofen.

Kaum hatte sie am nächsten Abend die Tür geöffnet, da traute sie ihren Augen nicht. Vor ihr saß ihr Freund mit einem Wecker in der Hand. "Eine halbe Stunde zu spät!", fuhr er sie an. Dabei reckte er die Hand mit dem Wecker in die Höhe. Nach einer kurzen Pause fuhr er leise fort: "Warum nicht vorher noch mit einem Kollegen ein Bier trinken? Der Krüppel kann ja warten!"

Jetzt konnte sie ihren Zorn nicht mehr länger unterdrücken. "Sieh dich doch nur einmal an", schrie sie mit hochrotem Kopf, "du sitzt hier und beleidigst mich. So kann es mit uns nicht mehr weitergehen!"

Mit einer heftigen Bewegung griff sie in ihre Tasche und zog das Magazin hervor. Äußerlich plötzlich wieder ruhig, legte sie es auf die Kommode neben ihm. „Hier“, erklärte sie, „siehst du den Grund für mein Zuspätkommen!"

Einen Augenblick lang sah er sie mit einem tückischen Lächeln an. Dann sagte er ganz langsam zu ihr: "Das perfekte Alibi!"

Unwillkürlich wich sie vor ihm zurück. Statt noch etwas zu sagen, ließ sie die Tür sprechen: Sie schlug sie mit ganzer Wucht hinter sich zu.

Aufstieg

Womit ist der Schlitten bloß beladen? Nur einmal hatte er versucht, es herauszufinden. Dabei war er auf dem verharschten Schnee ausgerutscht und beinahe in die Tiefe gestürzt. Sosehr er sich auch wünschte, sich wieder umzudrehen, er wollte nicht noch einmal sein Leben gefährden.

Keuchend zog er den schwer beladenen Schlitten weiter den Berg hinauf. Das dicke Seil hatte seine rechte Schulter schon wund gescheuert. Obwohl er fest entschlossen war, nicht aufzugeben, spürte er: seine Kräfte ließen immer mehr nach.

Als er wieder ein Stück weitergekommen war, begann der Schnee plötzlich zu glitzern. Für einen Moment trat der Mond aus den Wolken hervor. Kurz darauf bemerkte er erstaunt, dass sich der Schlitten jetzt auf einmal ganz leicht ziehen ließ. Offenkundig war er auf ein Plateau geraten.

"Endlich!", jubelte es in ihm. Er wollte schon anhalten, als ihn plötzlich ein Schreck durchfuhr. Sein rechter Fuß trat gerade ins Leere. Er kippte nach vorn und stürzte ab. Tief unten fiel er zum Glück weich in eine dicke Schneewehe. Noch während er sich darüber wunderte, ertönte mit einem Mal ein ohrenbetäubender Lärm.

Augenblicklich schrak er hoch. Sich mit beiden Händen das Gesicht reibend, sah er wieder das Ende seines Traumes vor sich. Nicht weit von ihm war an einem Felsvorsprung der Schlitten mit seiner Last zerschellt. Er wusste nun, um was es sich bei dieser gehandelt hatte. „Ein großer Eisklotz also!“, murmelte er und stieg nachdenklich aus seinem Bett.

"Guten Morgen!", sagte er, als er einige Zeit später das Büro betrat. Die Arbeitskollegen sahen ihn erstaunt an. Noch nie hatte er sie morgens bei seiner Ankunft begrüßt.

Lebewohl

"Du arbeitest zu viel!", sagte einer der Kollegen zu ihm. Er tat so, als sei er in eine Akte vertieft. Als alle das Büro verlassen hatten, stand er auf und ging zum Aufzug.

In einem Abstellraum griff er nach seinem Handy. Auf dem Display sah er plötzlich die Umrisse eines Briefes. Kaum hatte er ihn mit klopfendem Herzen geöffnet, da fühlte er sich wieder schmerzlich enttäuscht. Auch diesmal hatte er die von ihm so sehr gewünschte Nachricht nicht erhalten.

Mit einer heftigen Bewegung stieß er seinen Oberkörper gegen die Lehne des Drehstuhls. Darauf schaute er zum Fenster hinaus. „Wie zum Hohn!“, dachte er. Keine Wolke trübte den strahlend blauen Himmel.

„Ich rufe dich an“, hörte er sie erneut mit ihrer dunklen Stimme sagen. Kurz bevor sie sich vor zwei Tagen voneinander verabschiedet hatten, hatte er ihr seine Visitenkarte gegeben. Kennengelernt hatte er sie auf der Party eines Bekannten.

Nach der Mittagspause schaute er im Büro eine Weile mit abwesendem Blick auf die vor ihm liegende Akte. Abermals sah er die Frau vor sich. Zu ihren langen, blonden Haaren hatte sie zwei glänzende, goldene Ohrringe getragen.

Dann, plötzlich, griff er nach seinem Handy. Doch wieder hatte ihn seine Hoffnung getrogen. Nicht sein Handy hatte geklingelt, sondern das seines Arbeitskollegen vor ihm.

Er sah, dass sich am strahlend blauen Himmel immer noch keine Wolke zeigte. „Er verhöhnt mich also immer noch“, dachte er und öffnete endlich die Akte. Doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte sie kaum lesen. In einem fort verschwammen ihm die Buchstaben vor den Augen.

Sich schließlich von der Akte abwendend, bemerkte er, dass eine Fliege reglos an der Scheibe hing. Auf der Fensterbank darunter entdeckte er noch eine weitere. Tot auf dem Rücken liegend, waren ihre vielen Beinchen ineinander verhakt. Eine Zeitlang konnte er den Blick davon nicht lösen.

Dann jedoch erhob er sich von seinem Platz und fing die noch lebende Fliege behutsam ein. Als er sie nach draußen geworfen hatte, sah er, wie sie immer tiefer hinabfiel. Doch kaum hatte sie sich schließlich gefangen, schraubte sie sich rasch ein Stück weit hoch und flog mit einer wellenförmigen Bewegung davon.

Wieder an seinem Schreibtisch, fasste er plötzlich einen Entschluss. „Lebewohl!“ hämmerte er aufs Display seines Handys und freute sich. Er konnte die Buchstaben wieder gut lesen.

Leck

Laut schrammte das Schiff an etwas Hartem entlang. Ein Aufprall war vorhergegangen.

Als wir uns besorgt vor der Brücke versammelt hatten, sprach der Kapitän: „Wir haben gerade ein Wrack gestreift. „Doch kein Grund zur Beunruhigung! Das Leck“, sagte er, „wird sich leicht verstopfen lassen.“

„Leicht?“, wiederholte ich ungläubig. Darauf musterten mich einige der Umstehenden mit abschätzigen Blicken.

Der Kapitän, ein beleibter, älterer Mann, betonte noch, bis zum Hafen sei es nicht mehr weit.

Schon bald zeigte sich deutlich: das Schiff sank tiefer. Wieder wandte sich der Kapitän an uns. Leider, begann er, sei das Leck größer, als sie gedacht hätten. Dennoch bestehe auch weiterhin kein Grund zur Besorgnis. „Die Pumpen“; sagte er mit erhobener Stimme, „sind ganz neu.“

 

„Fragt sich nur, ob sie auch stark genug sind“, dachte ich laut. Ich hatte meinen Satz kaum beendet, als mich einer anfuhr. „Immer musst du das letzte Wort haben!“ „Richtig!“, riefen all die, die meine Äußerung gehört hatten.

Statt sich zu heben, senkte sich das Schiff mit der Zeit noch weiter ins Meer.

Erneut trat der Kapitän deshalb auf die Brücke. Die Pumpen, teilte er uns mit, hätten sich leider als nicht ganz so leistungsfähig herausgestellt, wie sie alle angenommen hätten. Doch er sei sich sicher: den Hafen könnten sie trotzdem noch aus eigener Kraft erreichen.

Ob er nicht vorsorglich die Küstenwache informiert habe, fragte ich ihn vor der Mannschaft. „Nein!“, rief er und sah mich grinsend an. Er wolle sich doch nicht, sagte er, lächerlich machen.

Nach einer kurzen Pause begann er wieder zu sprechen: „Hinter euch liegt eine lange Fahrt. Ihr habt euch eine Ruhepause verdient. Freibier für alle!“

Jubelnd verschwand die Mannschaft nach und nach unter Deck. „Schwarzseher!“, hatte mich vorher noch einer angefaucht.

Als außer mir keiner mehr auf Deck war, blieb ich noch eine Weile unschlüssig stehen. Mir schien, als ragte das Schiff wieder etwas höher aus dem Wasser. „Also doch ein Schwarzseher?“, fuhr es mir mit einem Mal durch den Kopf.

Doch schon im nächsten Moment schlug ich rücklings auf das Schiffsdeck. Ich geriet sofort ins Rutschen, prallte gegen mehrere Gegenstände und stürzte ins Wasser. Mit letzter Kraft konnte ich mich auf eine im Meer treibende Kiste hochhieven.

Als ich kurz darauf den Kopf wandte, stockte mir plötzlich der Atem. In einiger Entfernung ragte das Schiff von seiner Mitte an steil aus dem Wasser. Einen Augenblick lang verharrte es in dieser Lage. Dann jedoch versank es um so schneller.

Ich hatte Glück: schon bald wurde ich von einem vorbeifahrenden Schiff aus entdeckt. Woran es liege, dass ich als einziger überlebt habe, fragte man mich an Bord.

"Es lag", sagte ich, "vor allem am Zweifel."

Absturz

„Endlich!“, sagte er sich und füllte das Glas vor ihm mit Korn. Er hatte gerade einen Schluck getrunken, als er seinen Augen nicht traute.

Das Bild auf seinem Fernseher stürzte förmlich ab. Er sah dann nur noch eine schwarze Fläche mit einem Lichtpunkt in der Mitte. Mit heftigen Bewegungen drückte er auf die Tasten der Fernbedienung. Doch so oft er es auch tat, auf dem Bildschirm änderte sich nichts.

„Warum nur?“, rief er in die eingetretene Stille. Seinen Kopf weit vorgestreckt, starrte er eine Weile auf den Fernseher. Dann, plötzlich, sprang er hoch.

Als er die Nummer des Fernsehnotdienstes gewählt hatte, war die Leitung besetzt. Erst nach mehreren Minuten wurde sie wieder frei.

„Mit der Freundin telefoniert man erst nach der Arbeit!“, herrschte er den Mann am anderen Ende der Leitung an. Dieser ließ sich dadurch nicht provozieren und versprach, ihm einen Monteur mit einem Leihgerät zu schicken. “Aber dalli!”, sagte darauf der andere und beendete sein Telefonat.

Nach fünf harten Arbeitstagen hatte er sich zu Beginn des Wochenendes auf einen Fernsehabend gefreut. Seit sich seine Frau vor einiger Zeit von ihm getrennt hatte, lebte er wieder allein.

Erst jetzt sah er, dass das Schnapsglas vor ihm noch reichlich Korn enthielt. Er leerte es mit einen Zug und schenkte es gleich wieder voll.

In spätestens einer halben Stunde werde der Monteur mit den Fernsehgerät da sein, hatte der Mann ihm gesagt. Unruhig ging er in seinem Wohnzimmer auf und ab und schüttete noch einige weitere Schnäpse in sich hinein.

Nach einer halben Stunde war der Monteur immer noch nicht eingetroffen. Dieser stecke leider im Stau, sagte ihm der Mann vom Notdienst so ruhig wie nur möglich. „Hätten Sie nur“, schrie ihn trotzdem der andere an, „stets Ihre Arbeit getan, so wäre der Monteur längst schon hier!“

Voller Wut schleuderte er den Handapparat seines Telefons auf den Sessel. Als sich die Ankunft des Monteurs auch weiterhin verzögerte, hielt der Mann es in seinem Wohnzimmer nicht mehr aus. Heftig schwankend, trat er auf den Balkon.

Unter ihm war weit und breit kein Wagen vom Fernsehnotdienst zu sehen. In der Hoffnung, ihn vielleicht doch noch hinter einem geparkten Transporter entdecken zu können, kletterte er mit letzter Kraft auf die Balkonbrüstung.

„Tödlich abgestürzt!“, sagte einige Zeit später der Fahrer eines Krankenwagens zu dem mittlerweile eingetroffenen Monteur.