DIE SUCHE NACH ATLANTIS

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Er hörte auf zu strampeln und ruhte sich auf einer der Felsplatten aus, während er seine Aufmerksamkeit auf das richtete, was unter ihm lag. Es war die Farbe gewesen, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Braun oder vielleicht Bronze. So oder so, es stand in scharfem Kontrast zu dem sandigen Schatten der Baublöcke. Hunt blickte auf sein Luftdruckmessgerät und bat Jayden dasselbe zu tun. Sie hatten beide genug Luft übrig, um zu dem mysteriösen Objekt hinunterzuschwimmen. Hunt zeigte darauf und beobachtete, wie Jayden seine Augenbrauen hob.



Dann ließ Hunt etwas Luft aus seiner Tarierweste entweichen, damit er sinken konnte, und begann zu dem Objekt zu schwimmen.





Kapitel 4



Das ungewöhnliche Objekt sah deutlich näher aus, als es war. Das ging Hunt durch den Kopf, als er und Jayden tiefer hinabsanken. Das Gewirr aus Steinplatten und Felsbrocken wurde komplexer, je tiefer sie gelangten, und bildete kleine Hügel, über die sie entweder hinüber oder drumherum schwimmen mussten.



Aber der Anblick des Objekts ließ sein Herz schneller schlagen und führte ihn weiter hinab. Er blickte auf seinen Tiefenmesser, als er an einem konkaven Block vorbeischwamm: 38 Meter. Zu tief, um viel länger unten zu bleiben, aber das Objekt – jetzt sah es aus, als könnte es etwas Interessantes sein, da er etwas erblickte, was wie gemeißelte Details aussah – lag immer noch etwas weiter unten am überfluteten Hang. Die extreme Wasserklarheit machte es schwierig, den Abstand genau abzuschätzen. Jayden klopfte ihm auf die Schulter und zeigte ihm seinen Luftmesser. Auch er war besorgt über die Tiefe. Hunt zeigte auf seine Uhr und hielt fünf Finger hoch, um anzuzeigen, wie viele Minuten sie noch hier unten verbringen würden, bevor sie beginnen sollten, an die Oberfläche zurückzukehren.



Dann traten sie ihren Weg in Richtung des hellbraunen Objekts an. Hunts Neugierde wuchs mit jedem Flossenschlag, als sie sich der unbekannten Kuriosität näherten. Bis jetzt schien es jedenfalls das Einzige hier drin zu sein, was kein Steinblock war. Also was war es?



Hunt ließ seinen Lichtstrahl von links nach rechts und wieder zurück schweifen und untersuchte das Gebiet nach irgendetwas, das entweder aus archäologischer Sicht bemerkenswert oder eine potenzielle Gefahr für sie selbst sein könnte. Bislang entdeckte er keines von beiden, abgesehen von dem bräunlichen Objekt, das etwas heller als der umgebende Fels war, und von dem er nun annahm, dass es sich um eine Art Statue handelte. Jayden und er stoppten ein paar Meter davon entfernt, um sie nicht unabsichtlich zu beschädigen. Beide ließen ihre Lichtstrahlen über den seltsamen Fund gleiten.



Innerhalb von Sekunden war sich Hunt ziemlich sicher, dass er wusste, was es war, aber er wollte es noch aus einem anderen Blickwinkel betrachten, also schwamm er um das Objekt herum, bis er eine andere Seite davon sehen konnte. Sein Verdacht wurde bestätigt.



Er sah einen lebensgroßen Kopf, der seiner Vermutung nach aus Bronze zu bestehen schien. Der Kopf war abgetrennt von dem, woran er befestigt gewesen war, sei es nun eine Ganzkörperstatue oder eine Art erhobenen Sockels für die Büste allein. In dem Bewusstsein, dass ihnen hier unten die Zeit davonlief, schoss Hunt schnell ein paar Bilder von dem Objekt, sodass Madison und ihr Team es in der Position begutachten konnten, in der sie es gefunden hatten.



Dann näherte Hunt sich der Statue. Er zeigte darauf und deutete, nachdem er Augenkontakt mit Jayden aufgenommen hatte, in Richtung Oberfläche. Er würde versuchen, ihn mit nach oben zu nehmen. Jayden zuckte mit den Achseln und deutete auf seine Uhr. Die Bedeutung war Hunt klar:

Okay, wenn du es schaffst, aber beeile dich besser.



Hunt untersuchte die Art und Weise, wie der Bronzekopf inmitten des Haufens Steinblöcke lag. Er lag über einer fußbreiten Lücke; sollte er fallen, wäre er unwiederbringlich verloren. Deshalb achtete Hunt darauf, seine Hand fest unter den Kopf zu legen, bevor er ihn herauszuheben versuchte. Er keuchte vor Anstrengung und nahm Augenkontakt mit Jayden auf, nachdem er nicht auf der Stelle Erfolg hatte.

Dieses Ding ist schwer!

 Dann verdoppelte er seine Anstrengungen und versuchte es erneut. Diesmal wusste er, womit er es zu tun hatte. Mit einem Knie gegen eine Steinplatte und einem Ellbogen gegen eine andere, spannte er alle Muskeln seines Körpers an, um den schweren Kopf der Statue hoch und aus der Spalte zu heben, in der er sich seit unzähligen Jahren befunden hatte.



Langsam aber sicher hob Hunt das Artefakt aus dem felsigen Keil, bis es nur noch in seinen Armen lag. Bevor er sich Jayden zuwandte, um von ihm etwas Hilfe zu bekommen, warf er einen Blick hinunter in die Spalte.



Ein menschliches Skelett lag ausgestreckt auf einer Steinplatte etwa sechs Meter weiter unten. Er steckte seine Maske so tief, wie er es wagte, in die Spalte und schaute hinunter in den Abgrund, aber er konnte nichts außer dem Skelett erkennen. Hunt hielt den Kopf der Statue in der Beuge eines Ellbogens, während er seine Kamera griff und sie Jayden reichte. Die da oben würden definitiv ein Bild dieses Skeletts haben wollen. Jayden nahm die Kamera und sah hinunter durch die Öffnung. Dann schaute er kurz zu Hunt, die Augen geweitet, und schoss ein Foto.



Nachdem das getan war, drückte sich Jayden von der Spalte hoch und half Hunt, den Kopf zu halten, während dieser seiner Tarierweste etwas Luft zufügte, um das zusätzliche Gewicht zu überwinden. Beide Taucher wussten, dass eine andere Möglichkeit darin bestand, den Bleigurt fallen zu lassen, da der Kopf diesen mehr als ausglich, aber sollte er den Kopf fallen lassen, würde er mit verheerenden Auswirkungen auf seine Gesundheit an die Oberfläche schießen.



Hunt blähte seine Weste fast bis zur vollen Kapazität auf, bevor er in der Lage war, im Wasser zu treten, ohne zu sinken, während er den Kopf hielt. Dann begannen er und Jayden ihren langsamen und vorsichtigen Aufstieg zur Oberfläche, welche über ihren Köpfen schimmerte und glitzerte, wenn sie ihre Tauchlichter darauf richteten. Sie suchten sich ihren Weg um einen Überhang aus Pyramidenplatten herum, bevor sie ihren vertikalen Aufstieg fortsetzten. Jayden starrte dabei oft auf seinen Luftdruckmesser. Dieser befand sich im roten Bereich. Er dachte lieber nicht darüber nach, was Hunts Gerät anzeigte, so belastet, wie er mit dem zusätzlichen Gewicht war, was ihn dazu brachte, noch schwerer und schneller zu atmen.



Was sie beide weiter antrieb, waren die Arbeitsleuchten, die oben am Rand des Wassers angebracht worden waren. Zuzuschauen, wie diese näherkamen, war ein großer Trost. Hunt konzentrierte sich so sehr auf sie, dass er den Lichtkegel von unten beinahe nicht bemerkte.



Als er nach unten blickte, um sicherzustellen, dass er nicht zu nah an den Felsplatten war, sah er es. Ohne Zweifel. Ein durchdringender Lichtkegel, der scheinbar aus dem Nichts der Tiefe emporstieg.



Was war

das?

 Er ließ vor Überraschung beinahe den Bronzekopf fallen und sah hinüber zu Jayden. Doch sein Tauchpartner schaute unentwegt zu den Arbeitsleuchten hinauf. Hunt trat mit dem rechten Bein aus und traf Jayden mit der Flossenspitze. Dieser schaute auf der Stelle zu ihm. Hunt deutete mit dem Kopf nach unten, bis Jayden seinen Blick in die Tiefe richtete.



Hunt konnte an der Reaktion seines Freundes erkennen, dass etwas vor sich ging. Er sah selbst wieder hinunter, obwohl es schwierig war, während er das Artefakt trug. Das Licht, woher auch immer es stammte, bewegte sich schnell. Es war bereits aus seinem Sichtfeld verschwunden, sodass er sich umdrehen musste, um ihm zu folgen. Eine Welle Adrenalin rauschte durch seinen Körper.



Ein Unterwasser-Scooter.



Das torpedoförmige Fahrzeug besaß neben einer an der Nase angebrachten Halogenleuchte einen einzelnen Propeller, mit dem ein Taucher durch das Wasser gezogen wurde. Hunt konnte den Taucher nicht sehen, weil der Scheinwerfer ihn blendete, aber er konnte an der Geschwindigkeit und der scharfen Aufwärtsbewegung des Scooters erkennen, dass es sich dabei um keinen Forschungstaucher handelte, selbst für den Fall, dass Madison vergessen hatte, zu erwähnen, dass sie bereits Taucher mit Ausrüstung vor Ort hatte. Und das hatte sie nicht erwähnt, also wer war dieser Typ?



Mach daraus Typen, Plural

, dachte er, als ein zweiter Scooter-Taucher hinter Felsbrocken hervor in Sicht schoss.

Und wie sind sie hier reingekommen?

 Es gab keine Möglichkeit, dass sie nach ihnen reingekommen waren, sie hätten das Platschen gehört, wenn sie ins Wasser getaucht wären, und hätten die Lichter gesehen. Nein, sie mussten auf einem anderen Weg hereingekommen sein. Er versuchte sich die LiDAR-Bilder ins Gedächtnis zu rufen, die er im Zelt gesehen hatte, aber mit all dem, was vor sich ging, konnte er kein Bild heraufbeschwören, das ausreichend detailliert war, um hilfreich zu sein.



Und jetzt gerade, nahm er an, spielte es kaum eine Rolle, denn beide Scooter hielten mit einer Geschwindigkeit auf sie zu, die nahe ihrer Höchstgeschwindigkeit von etwa fünf Knoten liegen musste. Wer waren sie und was wollten sie? Hunt hatte keine Ahnung, aber unter Wasser in einer ägyptischen Pyramide mit einem Tank, der kaum noch Luft enthielt, war keine Zeit, anzuhalten und zu plaudern, also setzte er seinen Aufstieg fort.



Glücklicherweise, dachte Hunt, war bei diesem Tauchgang kein Dekompressionsstopp erforderlich, sonst hätte er in drei oder vier Metern Tiefe anhalten und ein paar Minuten lang Luft atmen müssen, um die Dekompressionskrankheit zu vermeiden, bevor er den Aufstieg abschließen konnte. Stattdessen konnte er einfach hoch schwimmen. Was eine gute Sache war, denn seine Luft schien verdammt knapp zu sein.

Wahrscheinlich ist es gut, dass meine Hände damit beschäftigt sind, den Kopf zu halten, denn sonst würde ich auf die fallende Nadel meines Luftdruckmessers starren

, dachte Hunt.

 



Aber während er zur Oberfläche starrte, welche etwa zehn Meter entfernt schien, sah Hunt, dass es doch noch etwas anderes gab, was ihn davon abhalten würde, dorthin zu gelangen. Die zwei Scooter-Taucher näherten sich seiner Position, ohne abzubremsen, bis einer von ihnen ein paar Meter über Hunts Kopf stoppte. Doch der andere hielt nicht an. Seine spitze Nase war direkt auf Hunts Mitte gerichtet. Er würde ihn rammen.



Hunt wollte sich den Scooter mit einem Arm vom Leib halten, aber er wusste, dass er dann riskieren würde, den Bronzekopf fallen zu lassen. Daher tat er das Beste, was ihm einfiel, und drehte sich dem Scooter seitwärts zu, den rechten Ellbogen angewinkelt.



Trotz Hunts Bereitschaft war Jayden derjenige, der den Angriff des Unterwasser-Scooters vereitelte. Der Ex-Marine schlug mit der geschlossenen Faust seiner rechten Hand auf die Nase des Unterwasserfahrzeugs und stieß dieses von seinem Kurs, sodass es Hunts Körper lediglich streifte, ohne ernsthaften Schaden anzurichten. Hunt hatte noch immer den Bronzekopf in seinem Besitz, während der Taucher seinen Scooter in eine Kurve legte, um erneut auf ihn zuzukommen.



Hunt setzte seinen Aufstieg fort, während Jayden weiterhin das marodierende Fahrzeug abwehrte. Aber bald stieß Hunt mit dem Kopf gegen die Beine des anderen Tauchers. Dieser Mann – und Hunt konnte anhand der Stärke, mit dem dieser ihn trat, erkennen, dass es sich tatsächlich um einen Mann handelte – verließ seinen Scooter zugunsten eines Nahkampfes mit Hunt. Er griff mit einer behandschuhten Hand nach Hunts Luftschlauch in dem Versuch, sein Mundstück zu entfernen, aber Hunts schnelle Kopfbewegung führte dazu, dass der Angreifer ins Leere griff.



Hunt erwiderte den Angriff, indem er den Bronzekopf mit beiden Händen in die Seite seines Gegners stieß. Er spürte Rippen knacken und vernahm mit großer Zufriedenheit das schmerzvolle Stöhnen, das seine Ohren durch das Wasser erreichte.



Er erhielt auch einen ersten Blick auf das Gesicht des Angreifers, als der seinen Kopf unter Schmerzen zur Seite riss. Weißer Mann, Schnurrbart, etwa vierzig Jahre alt, stellte Hunt fest. Das war alles, was er durch die Tauchermaske erkennen konnte. Er bemerkte, dass es eine Vollgesichtsmaske mit integrierter Elektronik war, die es ihm erlaubte, mit seinem Tauchpartner zu kommunizieren. Wie zur Bestätigung sah Hunt die Lippen des Mannes sich hinter seiner Maske bewegen, dann rammte die zweite Scooterspitze in Hunts Rücken.



Es gelang ihm, den Bronzekopf festzuhalten, aber dann blendete ihn der Schimmer eines Tauchlichts, das von einer metallenen Oberfläche reflektiert wurde, als ein gezacktes Tauchermesser von oben in Richtung seines Halses gestoßen wurde. Hunt wich der Klinge aus und sah dann Jaydens neoprenüberzogenen Arm die behandschuhte Hand, die das Messer hielt, umklammern. Er konnte dies nicht länger als ein Missverständnis oder einen Kontrollverlust über die Scooter oder irgendetwas dieser Art werten. Dies war ein eindeutiger Versuch, sie zu töten.



Aber warum? Die Frage echote durch seinen Kopf, während er den Messermann mit Jayden in die Mangel nahm und erneut den Bronzekopf nutzte und ihn in den Rücken des Angreifers rammte. Hunt hörte das durchdringende Knacken von Knochen, während Jayden die Hand des Messerschwingers zurückbog, bis das Handgelenk brach und die Klinge aus seiner Hand fiel.



Der Angreifer wurde schlaff und trieb ab, während sein Scooter langsam sank. Hunt nahm die Gelegenheit wahr und schnappte sich die Maschine mit einer Flossenspitze. Vielleicht könnte er damit schneller von hier verschwinden, da er wahrscheinlich kaum noch Luft übrighatte.



Hunt hakte ein Bein um das batteriebetriebene Antriebsgerät und zog es unter seinen Körper. Er beugte sich darüber, sodass er das Gewicht des Artefaktkopfes stützte. Über sich konnte er Arme und Beine ausmachen, wo Jayden mit dem verbliebenen Angreifer kämpfte, aber da er das schwere Artefakt trug, entschied er, dass er einen Abgang machen sollte, solange er noch konnte. Jayden würde sicherlich klarkommen. Er fand den Handgriff des Scooters und drückte ihn ganz nach unten. Sofort wurde er mit dem Schnurren des Elektromotors belohnt, woraufhin ihn das Tauchfahrzeug von dem Kampf weg und zur Oberfläche zog.



Hunt richtete die Nase des Scooters auf die Versorgungsleuchten, die schnell größer wurden. Als er einzelne Wasserwellen an der Oberfläche erkennen konnte, was bedeutete, dass er ihr sehr nahe war, wollte er seinen nächsten Atemzug machen, aber da war nichts mehr. Er versuchte noch einmal zu atmen, aber es ging nicht. Dennoch entschied er, dass er es schaffen würde, ohne den schweren Kopf loszulassen. Das Letzte, was er tun wollte, war, das Objekt jetzt zu verlieren.



Hunt erblickte ausgestreckte Arme am Rand des künstlichen unterirdischen Sees. Das Gefühl, Hilfe bereitstehen zu haben, erfüllte ihn mit Zuversicht. Er steuerte den Scooter auf die Steine hoch und griff das Artefakt mit beiden Händen, damit es nicht zurück ins Wasser fiel, während einer von Madisons Technikern den Scooter aus dem Wasser zog.



Madison war da und beugte sich über ihn, ihre weichen Züge voller Sorge. Hunt reichte ihr den antiken Kopf. »Nimm das. Bewahre es sicher auf und geh zurück. Die Männer da unten sind gefährlich.«



Madison nahm den Bronzekopf entgegen, offensichtlich das Gewicht nicht erwartend. Hunt hielt ihn für sie, bis sie ihren Griff dem Gewicht angepasst hatte. Dann zog Hunt seine leere Tauchflasche aus und ließ sie auf die Felsen fallen. Bevor Madison fragen konnte, was er tat, sprang er zurück ins Wasser.



Jayden kämpfte etwa sechs Meter unter ihm mit dem feindlich gesinnten Taucher. Der andere Scooter war nirgendwo zu sehen, wahrscheinlich war er zu Boden gesunken, nachdem er von seinem Fahrer für den Kampf verlassen worden war, vermutete Hunt. Er überwand die verbleibende Distanz zum Nahkampf im Brustschwimmen, wobei er nicht sagen konnte, wer die Oberhand hatte. Beide Taucher kämpften wie tasmanische Teufel, wirbelnd und fuchtelnd in einem chaotischen Gewirr von Armen, Beinen, Flossen und Bläschen.



Er sah sich nach dem zweiten Taucher um, dem er die Rippen mit dem Artefakt gebrochen hatte, sah aber keine Spur von ihm.



Hunt löste das Titan-Tauchmesser, das an seiner Wade befestigt war. Während er den Scooter gefahren und den Bronzekopf getragen hatte, war es ihm nicht möglich gewesen, es zu benutzen. Jayden musste eigentlich keine Atemluft mehr übrig haben. Er musste diesen Kampf sofort beenden. Hunt kam näher, sein Messer bereit, und beobachtete die um sich schlagenden Gliedmaßen. Er suchte nach einer Gelegenheit. Glücklicherweise war die Flasche des Eindringlings schwarz gefärbt, während Jaydens gelb war, und es war dieser Unterschied, der es Hunt ermöglichte, den Feind von seinem Freund zu unterscheiden.



Hunt hatte nicht den Wunsch, einen anderen Menschen zu verstümmeln oder zu töten, aber er würde alles tun, was er tun musste, um seinen Freund und sich zu beschützen. Er schwamm mit dem Messer herbei und griff nach dem Luftschlauch, der an der schwarzen Flasche angebracht war. Er packte das Gummi mit der linken Hand und schnitt es dann durch. Ein dicker Strom von Blasen – die verbleibende Luftzufuhr des Tauchers – entwich auf der Stelle aus dem abgetrennten Schlauch.



Wie erwartet wechselte ihr Feind sofort von offensiven Kampftechniken zum Selbsterhaltungstrieb. Er drehte und krümmte sich und versuchte von seinen Gegnern fortzukommen, damit er an die Oberfläche zum Atmen schwimmen konnte. Jayden hielt ihn immer noch fest, aber Hunt zog ihn weg und schüttelte seinen Kopf.

Lass ihn gehen.

 Er war keine Bedrohung mehr für sie.



Jayden ließ den mysteriösen Taucher los und der schwamm von ihnen weg, zuerst seitlich und dann vertikal in Richtung der Luft, die ihn oben erwartete.



Jayden reichte Hunt das Mundstück seines »Oktopus«, ein zweiter Regler, der von Tauchern in Notfallsituationen verwendet wurde. Er erlaubte beiden, aus dem gleichen Tank aber aus verschiedenen Mundstücken zu atmen.



Nachdem die Blasen aufgestiegen waren, schaute sich Hunt um, um nachzusehen, ob der andere Taucher noch irgendwo lauerte, aber er sah nichts weiter als den ungeordneten Haufen von Steinplatten.



Die beiden Ex-Marine-Soldaten sahen einander an und schwammen zur Oberfläche.





Kapitel 5



Jemand aus Madisons Archäologenteam wartete auf Hunt und Jayden, um ihnen auf die trockenen Pyramidenfelsen zu helfen. Madison selbst blickte zu ihnen hinüber, kam aber diesmal nicht, um sie selbst zu begrüßen. Sie war zu sehr damit beschäftigt, auf den Bronzekopf zu starren, den Hunt ihr gegeben hatte.



Hunt und Jayden zogen sich auf den trockenen Teil der unterirdischen Kammer und streiften ihre Tauchausrüstung ab. Sobald sie frei von ihrer Ausrüstung waren, stand Hunt auf und richtete sein Tauchlicht auf den trockenen Teil des großen Raums.



»Hast du hier oben niemanden gesehen? Niemand anderen, der nicht Teil deines Teams ist?«, fragte er Madison. Die Archäologin sah von dem bronzenen Artefakt auf und schüttelte ihren Kopf.



»Nein. Entweder waren sie bereits in der Kammer, bevor wir hier ankamen – was ich für unwahrscheinlich halte – oder sie sind durch einen der Verbindungsschächte unter Wasser reingeschwommen. Außerdem gibt es hier oben, wie du sehen kannst, viele schattige Ecken und Winkel, in denen eine Person verschwinden könnte, ohne gesehen zu werden.«



Während Hunt antwortete, lief Jayden langsam umher, auf der Suche nach Anzeichen, dass die Eindringlinge noch hier verweilten.



»Dann haben sie also einen anderen Weg in diese Kammer gefunden?«



Maddy nickte. »Die LiDAR-Bilder haben viele Details gezeigt, viele mögliche Durchgänge. Ich bin nur zufällig diesen Weg entlang gekommen …« Sie ruckte mit dem Daumen in Richtung der Plattenwand, in der sie eine Öffnung freigemacht hatten. »… aber das bedeutet nicht, dass es keine anderen Wege gibt.«



Hunt ging hinüber zu Maddy, damit er seine Stimme senken konnte, da er sich nicht länger sicher sein konnte, wer in Hörweite war. »Warum sollte es so viel Interesse an dieser speziellen Kammer geben? Weil sie geflutet ist?«



Madison zuckte mit den Schultern. »Das Wasser ist sicherlich ungewöhnlich. Und natürlich ist es hier bereits seit Tausenden von Jahren so, daher ist es schon merkwürdig, dass es genau jetzt so viel Aufmerksamkeit erregt.«



Hunt nickte zu dem bronzenen Kopf in Madisons Armen. »Seltsam, es sei denn, es gibt hier drin Artefakte, die etwas wert sein könnten.«



Maddy blickte hinunter auf den Bronzekopf. »Weißt du, dieser Kopf ist in der Tat sehr ungewöhnlich. Ich muss ihn in mein Feldlabor bringen, damit ich Tests durchführen kann.«



Hunt sah sich in der Kammer um. »Achte darauf, dass du hier nicht mehr allein herumläufst. Jayden und ich werden noch eine Weile hierbleiben, um sicherzustellen, dass diese Taucher nicht zurückkehren, dann treffen wir uns bei deinem Zelt. Dein Team wird mit dir zurückkehren, oder?«



Maddy nickte. »Bis gleich.«





***





»In der Kühlbox da drüben ist kaltes Bier, wenn ihr welches wollt«, sagte Madison, ohne von dem Bronzekopf aufzusehen, den sie auf einem Klapptisch abgelegt hatte. Sie, Hunt und Jayden waren die einzigen Personen im Laborzelt, während der Rest ihres Teams die Ausgrabungsarbeiten fortsetzte. Einige von ihnen hatten sie mit Funkgeräten in der gefluteten Kammer zurückgelassen, damit sie verdächtige Aktivitäten melden konnten, aber bisher hatte niemand etwas Ungewöhnliches gesehen. Madison hatte kleinlaut erklärt, dass sie die Behörden nicht zur Baustelle rufen wollte, wenn niemand in Gefahr war, weil es ihre Grabung auf Eis legen würde, was sie sich mit ihrer Karriere im Moment nicht leisten konnte.



Hunt und Jayden machten jeweils ein Sakara-Bier auf. »Glückwunsch, du bist nun ein zertifizierter Pyramidentaucher«, sagte Hunt zu Jayden, der mit einem Lächeln nickte.



»Ich hätte nie gedacht, dass ich diese Zertifizierung erhalte.«



»Komm schon, lass uns sehen, was wir von diesem verrückten Tauchgang mitgebracht haben.« Hunt ging zum Tisch, auf dem Maddy den Bronzekopf untersuchte. Sie zeigte auf die Stelle am Hals, wo der Kopf abgetrennt worden war.



»Hier sehen wir also, wo der Kopf von der Basis getrennt wurde. Von der Art und Weise, wie es hier ausstrahlt, sieht es für mich so aus, als wäre er Teil einer Ganzkörperstatue gewesen, im Gegensatz zu einer Büste. Ich habe bereits einige Bilder davon gemacht und werde jetzt die Bilddatenbank durchsuchen, um zu suchen, ob wir eine Übereinstimmung finden können.«

 



Hunt und Jayden kamen näher, um sich das Artefakt genauer anzusehen, das so viel Mühe gekostet hatte, es zu bekommen, während Maddy auf ihrem Laptop tippte. »Kann ich mal anfassen?«, fragte Hunt die Archäologin, während seine Finger fast die rauen Kanten berührten, wo er von dem Rest abgetrennt worden war.



»Ich wette, das ist nicht das erste Mal, dass du sie das fragst«, scherzte Jayden. Maddy schlug mit einem Ausdruck eines Luftbildes der Ausgrabungsstätte nach ihm, dem er geschickt ausweichen konnte.



»Du kannst ihn leicht berühren, aber nicht so sehr, dass er sich bewegt, okay? Wir wollen nicht, dass etwas abbricht.«



Hunt sagte, er verstand, und fuhrt fort, mit den Fingern über das Artefakt zu fahren. Nicht, dass er wüsste, wie sich Bronze anfühlte, aber er mochte es, sich die Geschichte des Stücks vorzustellen, während er es berührte, eine Verbindung zwischen sich und der fernen Vergangenheit zu fühlen. Er schloss die Augen und versuchte sich die Statue in ihrer ursprünglichen Umgebung vorzustellen, die Menschen, die vorbeiliefen und sie bewunderten, während sie ihrem täglichen Leben nachgingen …



»Carter, vielleicht solltest du auf Kaffee umsteigen, du schläfst bei der Arbeit ein.«



Hunt öffnete seine Augen und sah zu Maddy. »Haben wir schon eine Vorstellung vom Alter dieses Dings?«



Sie hielt inne, um vom Computer aufzuschauen. »Ich denke, es ist sehr alt. Aber wir werden es bald sicher wissen. Sie lassen drüben im Laborzelt eine Probe durchlaufen. Wir opfern für die Geschwindigkeit ein wenig Genauigkeit, aber es sollte sich auf tausend Jahre genau datieren lassen.«



Hunt sah die Statue überrascht an. »Also hast du ein Stück davon entfernt?«



Maddy zuckte mit den Achseln und grinste verlegen. »Es gibt keine andere Möglichkeit, es zu datieren. Es ist ein winziger Splitter, von dem ich mir sicher bin, dass er sich zufällig bei eurer vorsichtigen Ausgrabung abgelöst hat.« Sie betonte den letzten Teil des Satzes zusätzlich und entlockte den beiden Tauchern verlegene Blicke.



Ein Ton ertönte aus dem Laptop und Maddys Gesichtsausdruck hellte sich auf. »Ich habe eine Übereinstimmung bei der Bildersuche.«



Alle drei drängten sich um den Bildschirm, wo ihnen das Bild einer Statue den Atem raubte. Es gab zwei Bilder, eines ein Gemälde und eines ein Foto. Beide Statuen schienen aus Bronze zu sein, aber einer von ihnen – der auf dem eigentlichen Foto – fehlte der Kopf. Madison deutete auf das andere Bild, das Gemälde, bevor sie es vergrößerte, um mehr Details auf dem Kopf zu sehen. Die Figur war ein erwachsener Mann mit einer klassischen römischen Nase und kurzem, gewelltem Haar, der auf einem Pferd saß. Sein Ausdruck war etwas streng.



»Ich würde sagen, das ist unser Freund hier.« Sie betrachtete den Bronzekopf auf dem Tisch, während auch Hunt und Jayden Vergleiche anstellten.



»Die Merkmale und Proportionen scheinen genau zu passen«, sagte Hunt.



»Was ist also mit dem auf dem Foto passiert?«, wollte Jayden wissen.



»Hat den Kopf verloren«, scherzte Hunt.



Maddy lehnte sich vor und verengte die Augen, um den Text auf dem Bildschirm zu lesen. »Hier steht, dass diese Statue früher auf den Azoren stand und nach Westen zeigte, seltsamerweise mit einer Inschrift in der Inka-Sprache,

cati

, das grob übersetzt

geh da lang

 heißt.«


Sie hielt inne, um die Reaktionen ihres Publikums zu beurteilen, aber Hunt und Jayden schienen in Gedanken versunken. Nach einer Pause fuhr sie fort. »Die vollständige Statue von Pferd und Reiter wurde entdeckt, als die Portugiesen 1427 die Azoren gesichtet haben. Sie brachten sie zum König von Portugal, aber die Statue zerbrach und die Stücke gingen danach verloren.« Sie sah zu ihnen auf und lächelte. »Außerdem gibt es hier eine Verbindung zu den Inka, was merkwürdig ist.«



Hunt war der Erste, der die Gedanken aussprach, die durch ihre Köpfe wirbelten. »Wie kommt also der Kopf einer Statue von den Azoren in eine überflutete unterirdische Kammer der Großen Pyramide von Gizeh?«



Bevor ihm jemand antworten konnte, hörten sie eine Stimme am Eingang des Zelts.



»Dr. Chambers, die Testergebnisse sind hier. Darf ich reinkommen?«



Maddy drehte sich im Stuhl um und rief zum Zelteingang: »Ja, bitte tu das«, bevor sie in gedämpftem Ton zu Hunt und Jayden sagte: »Sieht so aus, als würden wir gleich herausfinden, wie alt dieses Ding ist.«



»Was vermutest du?«, fragte Hunt, während ein junger Mann eine