Deutsche Geschichte

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Den Schau­en­bur­gern, ei­nem rei­chen und tap­fe­ren Ge­schlecht, von de­ren Stamm­burg in der Ge­gend von Min­den noch Rui­nen vor­han­den sind, ver­lieh Kon­rad II. die Gra­fen­wür­de. Lo­thar be­lehn­te als Her­zog von Sach­sen den Gra­fen Adolf I. mit der Graf­schaft Hol­stein, die von den Hol­s­ten, Stor­marn und Dith­mar­schen be­wohnt war und an das sla­wi­sche Nor­dal­bin­gi­en grenz­te. Ihm folg­te sein Sohn Adolf II., der ur­sprüng­lich zum Geist­li­chen be­stimmt ge­we­sen war und in­fol­ge sei­ner Er­zie­hung nicht nur eine gründ­li­che­re Bil­dung, son­dern auch eine tiefe­re Auf­fas­sung sei­ner Pf­lich­ten hat­te, als bei den welt­li­chen Fürs­ten üb­lich war. Er sprach ge­läu­fig la­tei­nisch und ver­stand auch das Sla­wi­sche. Er be­müh­te sich, die un­ter­wor­fe­nen Sla­wen für das Chris­ten­tum zu ge­win­nen und kul­ti­vier­te das neu­ge­won­ne­ne Land in groß­ar­ti­ger Wei­se durch An­sied­lung von Frie­sen, Hol­län­dern und West­fa­len, de­nen er es un­ter vor­teil­haf­ten Be­din­gun­gen über­ließ. Auf ei­ner In­sel zwi­schen den Flüs­sen Wa­cke­nitz und Tra­ve, wo die Sla­wen in ei­nem hei­li­gen Hain die Göt­ter ver­ehrt hat­ten, grün­de­te er die Stadt Lü­beck, die die güns­ti­ge Lage an der Ost­see schnell er­blü­hen ließ. Da Hein­rich durch sie sei­ne bin­nen­län­di­sche Stadt Bar­de­wiek be­nach­tei­ligt fand, ver­lang­te er, dass Adolf ihm Lü­beck ab­tre­te, als sich Adolf wei­ger­te, ver­nich­te­te er Lü­becks Han­del; das Ende war, dass Adolf um der Stadt und um des Frie­dens wil­len nach­gab und sie dem Her­zog schenk­te. Graf Adolf, den der Chro­nist so­wohl we­gen sei­ner Her­zens­gü­te wie we­gen sei­ner Klug­heit rühmt, fiel im Jah­re 1164 in der großen Sla­wen­schlacht bei Dem­min, die über sei­nem Leich­nam in ei­nem voll­stän­di­gen Sie­ge en­de­te. Wenn Hein­rich der Löwe ihm, sei­nem vä­ter­li­chen Freun­de, an ver­stän­di­ger und mensch­li­cher Ge­sin­nung nach­stand, so über­rag­te er ihn an Wil­lens­ge­walt und Macht der Per­sön­lich­keit. Da er sich als Kö­nig ge­bo­ren fühl­te, be­han­del­te er alle, die sich wei­ger­ten, ihm un­ter­tan zu sein, als Re­bel­len. Un­ter­war­fen sie sich, sorg­te er für sie als Kö­nig. Bei sei­nen Städ­te­grün­dun­gen, Lü­beck und Schwe­rin, ver­fuhr er mit au­ßer­or­dent­li­cher Weit­her­zig­keit; denn er be­hielt sich nur die hohe Ge­richts­bar­keit vor, üb­ri­gens ge­stand er den Bür­gern vol­le Selbst­ver­wal­tung zu, in der Mei­nung, so am si­chers­ten das Ge­mein­we­sen zur Blü­te zu brin­gen. Ent­spre­chend dem ger­ma­ni­schen Be­griff der Ei­gen­kir­che er­hiel­ten die Bür­ger das Recht der Pfar­rerwahl für die Pfarr­kir­che. Es ist nicht un­mög­lich, dass Hein­rich in sei­ner Städ­te­po­li­tik durch sei­nen Schwie­ger­va­ter Kon­rad von Zäh­rin­gen be­ein­flusst war, der schon vor Jahr­zehn­ten mit großer Li­be­ra­li­tät die Stadt Frei­burg ge­grün­det hat­te; aber vor al­lem lei­te­te ihn der si­che­re po­li­ti­sche Blick, sein na­tür­li­ches Erbe. Den küh­nen Geist der säch­si­schen Kauf­leu­te, die mit ih­ren Han­dels­rei­sen ein wirt­schaft­li­ches Netz über das Meer nach Eng­land und Skan­di­na­vi­en und im Os­ten bis Russ­land spann­ten, er­kann­te er als dem sei­ni­gen ver­wandt, er ver­band sich mit ihm und mach­te ihn sich zu­nut­ze. Auch in der Be­zie­hung zu den Sla­wen zeig­te er großen Sinn. Kam es ihm mehr auf ihre Ab­ga­ben an als auf ihr See­len­heil, so woll­te er sie auch nicht als Hei­den ver­nich­ten, und an dem Kreuz­zu­ge, der ge­gen sie un­ter­nom­men wur­de, be­tei­lig­te er sich nur un­gern. Na­tio­na­le Ab­nei­gung lag ihm fern, er über­ließ dem Sla­wen­fürs­ten Pri­bis­law, der ihm treu blieb, einen Teil Meck­len­burgs als Fürs­ten­tum. Pri­bis­law ist der Ahn­herr der Dy­nas­tie, die bis 1918 in Meck­len­burg re­giert hat. Zwar wenn man liest, dass Graf Gun­ze­lin von Schwe­rin, des Her­zogs treu­er Die­ner, je­den Sla­wen, der an­ders­wo als auf der rich­ti­gen Stra­ße an­ge­trof­fen wur­de, ohne sich aus­wei­sen zu kön­nen, auf­hän­gen ließ, so sieht man, dass der un­will­kür­lich ver­drän­gen­de Druck, den die ar­beits- und ord­nungs­ge­wöhn­te­ren Deut­schen auf die Sla­wen aus­üb­ten, durch ge­walt­tä­ti­ge Maß­re­geln ver­stärkt wur­de. »Al­lent­hal­ben sind die Sla­wen auf­ge­rie­ben und ver­trie­ben wor­den; vom Ozean ist star­kes und un­zäh­li­ges Volk ge­kom­men, das der Sla­wen Land ge­wann.« So, mit we­ni­gen Sät­zen be­schließt der Pfar­rer Hel­mold zu Bösau am Plö­ner See, der Chro­nist die­ser Kämp­fe, die Ge­schich­te vom Un­ter­gang der Sla­wen in Deutsch­land. »Die kläg­li­chen Über­res­te der Sla­wen sa­hen sich in­fol­ge des Ge­trei­de­man­gels und der Ver­hee­rung ih­rer Fel­der ge­zwun­gen, sip­pen­wei­se zu den Pom­mern oder Dä­nen zu flie­hen, die sie er­bar­mungs­los an die Po­len, Sor­ben und Böh­men ver­kauf­ten.« Sie wa­ren die Be­sieg­ten, die Schwä­che­ren. Kei­nes­wegs fehl­te es ih­nen an Tap­fer­keit und krie­ge­ri­scher Kraft; denn jahr­hun­der­te­lang hiel­ten sie sich nicht nur ge­gen die Deut­schen, son­dern war­fen sie zu­rück und wü­te­ten un­ter ih­nen mit der­sel­ben Grau­sam­keit, die sie er­lit­ten hat­ten. Wei­chen muss­ten sie schließ­lich der grö­ße­ren Leis­tungs­fä­hig­keit der ar­beit­sa­men Deut­schen und der hö­he­ren Ent­wick­lung ih­rer Land­wirt­schaft. Ihren krum­men Pflug ohne Ei­sen wür­den sie wohl nicht so lan­ge be­hal­ten ha­ben, wenn sie we­ni­ger un­ru­hig, we­ni­ger trä­ge, mehr ge­neigt zu an­dau­ern­der, re­gel­mä­ßi­ger Ar­beit ge­we­sen wä­ren. Die Deut­schen emp­fan­den, so­lan­ge sie ei­ni­ger­ma­ßen frei und des Er­tra­ges ih­rer Ar­beit si­cher wa­ren, die Ar­beit nicht als Fluch, son­dern als we­sent­li­chen In­halt ih­res Le­bens und Aus­druck ih­rer Per­sön­lich­keit. Wie die Tüch­tig­keit der Deut­schen an­er­kannt wur­de, geht dar­aus her­vor, dass auch sla­wi­sche und an­de­re frem­de Fürs­ten sie zur Be­sied­lung ins Land rie­fen.

Ne­ben Hein­rich dem Lö­wen und Adolf von Hol­stein wa­ren Erz­bi­schof Wich­mann von Mag­de­burg und Al­brecht der Bär große Ko­lo­ni­sa­to­ren. Bei­de stamm­ten aus der Ge­gend des Har­zes. Erz­bi­schof Wich­mann hat das Land Jü­ter­bog be­sie­delt und die Stadt Jü­ter­bog ge­grün­det und mit dem Mag­de­bur­ger Recht be­schenkt. Der schö­ne, le­bens­lus­ti­ge Mann, ein treu­er An­hän­ger des Kai­sers, ge­hör­te zu den Geg­nern Hein­richs des Lö­wen, such­te aber doch im­mer eine per­sön­li­che Ver­stän­di­gung zu er­mög­li­chen. Er hielt sei­ne Stadt Mag­de­burg in fes­ter Hand; aber von ihm stammt eine Ur­kun­de, in der er bei Be­grün­dung ei­ner Schus­te­rin­nung fest­setzt, die­sel­be sol­le kei­ne an­de­re als selbst­ge­wähl­te Be­hör­den über sich ha­ben, weil Ehre und Nut­zen ohne Frei­heit als ge­mei­ne Knecht­schaft an­zu­se­hen sei. Mit der­sel­ben Li­be­ra­li­tät ver­fuhr er bei An­set­zung der Sied­ler; sie brauch­ten we­der Haus- noch Bo­den­zins zu zah­len, bis sie einen ge­nü­gen­den Er­trag ih­res An­baus er­zielt hat­ten. Al­brecht der Bär hat die Alt­mark und die Mark Bran­den­burg an das Reich ge­bracht und mit Deut­schen be­sie­delt. Er hat­te mit dem sla­wi­schen Fürs­ten von Bran­den­burg einen Erb­ver­trag ge­schlos­sen, und es ist über­lie­fert, als der­sel­be ge­stor­ben sei, habe sei­ne Frau sei­nen Tod ver­heim­licht, bis der von ihr be­nach­rich­tig­te Al­brecht un­be­merkt an­ge­kom­men sei, um die Re­gie­rung zu über­neh­men. Auch die Lau­sit­zen, die jahr­hun­der­te­lang ein zwi­schen Po­len, Böh­men und Deut­schen schwan­ken­der Be­sitz wa­ren, wur­den um die­se Zeit end­gül­tig ger­ma­ni­siert. Schon der be­rühm­te Wi­precht von Groitzsch, der zur­zeit der letz­ten sa­li­schen Kai­ser auf den Gra­nit­fel­sen bei der spä­te­ren Stadt Baut­zen als Mark­graf mäch­tig wal­te­te, hat­te Fran­ken, Hol­s­ten, Bay­ern und Tü­rin­ger ins Land ge­ru­fen, die in den Na­men noch blü­hen­der Fa­mi­li­en eine Spur ge­las­sen ha­ben. Für die Chris­tia­ni­sie­rung und Ger­ma­ni­sie­rung der Ge­gend der süd­li­chen Elbe und ih­rer Ne­ben­flüs­se wa­ren von je­her die Bi­schö­fe von Mei­ßen tä­tig.

Was die Bau­ern von West­fa­len, Hol­land, Fries­land, Flan­dern ver­an­lass­te, ihre Hei­mat auf­zu­ge­ben und aus­zu­wan­dern bis in die Wäl­der ei­nes un­ga­ri­schen Grenz­lan­des, wo Wolf und Luchs und Elen­tier hei­misch wa­ren, dar­über kann man nur Ver­mu­tun­gen an­stel­len. Aus zeit­ge­nös­si­schen An­deu­tun­gen muss man schlie­ßen, dass es zum Teil Küs­ten­be­woh­ner wa­ren, de­nen Sturm­flu­ten das noch nicht ein­ge­deich­te Land ent­ris­sen hat­ten, zum Teil die­je­ni­gen Bau­ernsöh­ne, die, wäh­rend der Jüngs­te nach hol­län­di­schem und flä­mi­schem Recht den Hof erb­te, ihr Glück in der Frem­de zu su­chen pfleg­ten. Aber ab­ge­se­hen von den be­son­de­ren Um­stän­den ist es na­tür­lich, dass aus dem über­reich be­sie­del­ten Wes­ten stets ein Teil der Be­völ­ke­rung ab­zu­strö­men be­reit war. Man sieht, wie groß die Zahl der frei­en Bau­ern im nord­west­li­chen Deutsch­land noch ge­we­sen sein muss, denn die Hö­ri­gen wür­den ihre Her­ren nicht in so großer Zahl ent­las­sen ha­ben. Dass die be­nach­bar­ten Grund­her­ren sie be­drück­ten und ab­hän­gig zu ma­chen such­ten, wird sie mit be­wo­gen ha­ben, den wei­ten Weg nach dem Os­ten zu wa­gen.

Deutsch­land konn­te noch ver­schwen­den mit Land und mit Men­schen. Zahl­lo­se wur­den auf­ge­rie­ben, zahl­lo­se wa­ren so­fort wie­der da, eben­so kampf­lus­tig, ar­beits­tüch­tig und tod­be­reit, und un­ab­seh­bar harr­ten ih­rer rau­en Hän­de die leh­mi­ge Schol­le, der Sumpf, die un­end­li­chen Ei­chen- und Bu­chen­wäl­der. Dass ein so wei­tes, nur dünn be­wohn­tes Ge­biet zwi­schen Elbe und Oder und zwi­schen Oder und Weich­sel dem wach­sen­den Vol­ke als Ko­lo­ni­alland zur Ver­fü­gung stand, war ein un­er­mess­li­ches Glück. Es be­deu­te­te nicht nur einen Macht­zu­wachs, son­dern es gab dem gan­zen Vol­ke Ge­le­gen­heit zur Be­tä­ti­gung, den Ar­men Brot und ver­hin­der­te, dass Mas­sen­ar­mut ent­stand. Wa­ren die Städ­te des Wes­tens über­füllt, so konn­te hier, auf dem Lan­de und in neu­ge­grün­de­ten Städ­ten, die Frei­heit eine Zuf­lucht fin­den.

 

Die letzten Hohenstaufer

Was die Lan­go­bar­den, was die Ka­ro­lin­ger, was die star­ken Ot­to­nen und die her­ri­schen Sa­lier ver­ge­bens er­streb­ten, das schi­en nun den Stau­fen zu­zu­fal­len: die Herr­schaft in Ita­li­en. Das süd­li­che Reich, das im Be­sitz Grie­chen­lands ge­blie­ben war, das dann die Nor­man­nen er­obert und zur Ver­fü­gung des Paps­tes ge­stellt hat­ten, das hat­te Bar­ba­ros­sa an sei­nen Sohn ge­bracht. Eine neue mär­chen­haf­te Welt tat sich den Deut­schen auf, wo das Grab des großen Zau­be­rers Vir­gil und der Ein­gang zu den Höh­len des Ha­des wa­ren, wo die heid­nischen Sa­ra­ze­nen mit den Küns­ten des Ori­ents die christ­li­che See­le be­rück­ten. Vom Bal­ti­schen Mee­re bis zum Adria­ti­schen und zum Mit­tel­mee­re brei­te­te sich das Hei­li­ge Reich und schon wuchs es hin­über nach Afri­ka und nach Asi­en. Es ver­lor nicht im Nor­den, was es im Sü­den ge­wann, viel­mehr dehn­te es sich wei­ter und wei­ter nach dem Os­ten, und bald konn­ten sei­ne Kauf­leu­te, ohne frem­des Ge­biet zu be­rüh­ren, Bern­stein von der sam­län­di­schen Küs­te nach Pa­ler­mo füh­ren. In­mit­ten des mit­täg­li­chen Glan­zes, der wie ein Man­tel von Feu­er das Stau­fer­reich um­starr­te, lief zu­wei­len ein Schau­er über die See­le des deut­schen Vol­kes. War es das ah­nungs­vol­le Be­wusst­sein, dass es nicht gut ist, die Höhe er­reicht zu ha­ben, weil alle na­tür­li­chen Din­ge sich auf­lö­sen müs­sen und von der Höhe zur Tie­fe stre­ben? An der Mo­sel sah man auf schwar­zem Geis­ter­roß Diet­rich von Bern vor­über­glei­ten. Trieb den Un­be­sieg­ba­ren die Sor­ge um sein be­droh­tes Volk? Ein an­de­rer Schat­ten rühr­te sich im auf­ge­wühl­ten Ab­grund und stieg war­nend ans Licht: der An­ti­christ. Im­mer von Zeit zu Zeit be­un­ru­hig­te die­se apo­ka­lyp­ti­sche Ge­stalt die Ge­mü­ter; jetzt zog ihn das Ge­fühl des En­des her­bei, den man auch den En­de­krist nann­te. In dem Spiel vom An­ti­christ, das wahr­schein­lich am Ende des 12. Jahr­hun­derts in Deutsch­land auf­ge­führt wur­de, misch­te sich dies End­ge­fühl mit dem stol­zen Be­wusst­sein der durch den Kö­nig ver­wirk­lich­ten Wel­t­herr­schaft. Sei­nen Tri­umph, dem sich alle Mäch­te un­ter­ord­nen, den auch Frank­reich an­er­kennt, das auf die Nach­fol­ge Karls des Gro­ßen und die Wel­t­herr­schaft An­spruch er­hob, un­ter­bricht der An­ti­christ mit den Schick­sals­wor­ten: Mei­nes Rei­ches Stun­de ist ge­kom­men. Nicht die Reichs­fein­de füh­ren sei­nen Sturz her­bei, von der gott­ähn­li­chen Macht des Bö­sen um­garnt, steigt er selbst vom Thro­ne und legt sei­ne Kro­ne dem An­ti­christ zu Fü­ßen. Wie im ger­ma­ni­schen My­thos von der Göt­ter­däm­me­rung der Bruch des Rech­tes durch die Göt­ter das Ende her­bei­führt und recht­fer­tigt, so hier der Ab­fall des Kai­sers von Gott, da er das ver­larv­te Böse nicht mehr vom ech­ten un­ter­schei­det.

Die Nach­richt vom fer­nen Tode Bar­ba­ros­sas ging wohl wie eine Wol­ke über die Mit­tags­glut des Rei­ches; aber sie brann­te fort, ob­wohl der Um­stand, dass die Söh­ne der Hero­en ent­ar­tet zu sein pfle­gen, den Über­gang der Herr­schaft auf die Er­ben ei­nes Gro­ßen ge­fähr­lich macht. Alle Kin­der Fried­richs I., sei­ne fünf Söh­ne, wie sei­ne Töch­ter, star­ben jung; zwei von den Söh­nen al­ler­dings, Kon­rad, Her­zog von Sach­sen, und Phil­ipp, der jüngs­te, durch Mord. Hein­rich, schon zu Leb­zei­ten des Va­ters Mit­re­gent, ent­sprach äu­ßer­lich nicht dem Bil­de der Deut­schen von ih­rem Kai­ser; wohl war er schön von Ge­sicht, aber dun­kel und schmäch­tig. In der Kunst des Herr­schens glich er dem Va­ter, nur dass alle sei­ne Äu­ße­run­gen um eine Schwin­gung här­ter und schär­fer wa­ren. Ein Lie­bes­ge­dicht, das von ihm vor­han­den ist, zeigt, dass er sich rit­ter­li­che Bil­dung an­ge­eig­net hat­te, und deu­tet viel­leicht auf Stun­den des Spiels und der Schwär­me­rei, die ihm be­schie­den wa­ren; es be­glei­tet mit weh­mü­ti­gem Flug sei­nen blu­ti­gen Gang durch die Ge­schich­te.

Zwei Zie­le ver­folg­te Hein­rich VI.: das Kö­nig­tum in Deutsch­land erb­lich zu ma­chen und sich Sü­dita­li­en zu un­ter­wer­fen, auf das er durch sei­ne Hei­rat mit Con­stan­ze An­spruch hat­te, bei­des fast aus­sichts­lo­se Un­ter­neh­mun­gen. Be­denkt man, dass alle Kö­ni­ge die Erb­lich­keit der Kro­ne, wenn auch meist nur im ein­zel­nen Fal­le, an­ge­strebt hat­ten, und dass im­mer mehr von Fürs­ten und Papst ge­mein­sam der Grund­satz der Erb­lich­keit hef­tig be­kämpft wur­de, er­scheint es wie ein Wun­der, dass auf ei­nem Hof­ta­ge zu Würz­burg im Jah­re 1196 der jun­ge Kai­ser die An­nah­me des­sel­ben durch­setz­te. Wahr­schein­lich ver­zich­te­te er schon bald da­nach auf den er­lang­ten Er­folg, um die Stim­men wi­der­stre­ben­der Fürs­ten für die Wahl sei­nes Soh­nes zu ge­win­nen; eine Erb­mon­ar­chie in Deutsch­land hät­te auf die Dau­er wohl we­der die Ei­fer­sucht der Stäm­me noch die geo­gra­fi­sche Be­schaf­fen­heit Deutsch­lands ge­lit­ten. Auch in Un­ter­ita­li­en er­reich­te er, was er woll­te: nach grau­sa­mer Un­ter­drückung des Wi­der­stan­des muss­te sich Si­zi­li­en un­ter­wer­fen. Mit den un­ge­heu­ren Reich­tü­mern, die ihm aus dem Schatz der nor­man­ni­schen Kö­ni­ge zu­fie­len, si­cher­te er sich die An­hän­ger­schaft der deut­schen Fürs­ten und Rit­ter. Eine zwei­te au­ßer­or­dent­li­che Ein­nah­me ver­schaff­te ihm die Ge­fan­gen­schaft von Richard Lö­wen­herz, der sich nur durch ein großes Lö­se­geld die Frei­heit er­kau­fen konn­te. Den Papst ge­wann er da­durch, dass er das Kreuz nahm, ver­mut­lich ohne die Ab­sicht, selbst den Kreuz­zug an­zu­tre­ten. Die nüch­ter­ne Art, wie er, ein­zig den po­li­ti­schen Nut­zen im Auge, die Ge­bo­te der Rit­ter­lich­keit und zu­wei­len auch die der Ehre und Men­sch­lich­keit bei­sei­te ließ, miss­bil­lig­te man­cher Zeit­ge­nos­se; et­was Un­heim­li­ches lag in sei­ner Ver­bin­dung mit der Frem­den, die Mut­ter sei­nes Soh­nes war und als Ver­tre­te­rin ih­res Vol­kes ihn hass­te und, wie es hieß, ihn ver­gif­te­te. Wenn die trot­zi­gen deut­schen Fürs­ten kei­nen Wi­der­spruch ge­gen ih­ren schnei­di­gen Herrn wag­ten, wenn die Si­zi­lia­ner sich un­ter­war­fen und selbst das Glück an ihn ge­fes­selt schi­en, der Tod blies gleich­gül­tig das stol­ze Licht aus.

In Deutsch­land über­wog noch die An­häng­lich­keit an die stau­fi­sche Dy­nas­tie; aber in Ita­li­en war das Auf­schnel­len des Wi­der­stan­des umso hef­ti­ger, je straf­fer die Zü­gel ge­spannt ge­we­sen wa­ren. Nach­dem die Stau­fer nahe dar­an wa­ren, eine Erb­mon­ar­chie in Deutsch­land zu er­rich­ten, und Si­zi­li­en er­obert hat­ten, wa­ren die Päps­te ent­schlos­sen, sie zu ver­nich­ten. Zu die­sem Zweck ver­ban­den sie sich mit den lom­bar­di­schen Städ­ten. Wä­ren die deut­schen Kö­ni­ge Her­ren im Sü­den, Her­ren in der Lom­bar­dei und dazu noch Her­ren in der To­s­ka­na durch den Be­sitz der Mat­hil­di­schen Gü­ter, so konn­te Rom, von al­len Sei­ten ein­ge­schlos­sen, ih­nen nicht ent­ge­hen; sie wa­ren dann in Wahr­heit Kö­ni­ge von Ita­li­en. Das Ge­fühl, Rom zu sein, Ita­li­en zu sein, er­füll­te die Päps­te mit der Ener­gie na­tio­na­ler Lei­den­schaft. So we­nig wie einst die Lan­go­bar­den woll­ten sie jetzt die Deut­schen in Rom und Ita­li­en dul­den, wie einst der Fran­ken­kö­nig muss­te jetzt ein Fürst ge­won­nen wer­den, um Ita­li­en zu be­frei­en. Der tra­gi­sche Wi­der­spruch, dass der Papst schick­sals­mä­ßig Nach­fol­ger der Cäsa­ren ge­wor­den war und doch kein Schwert führ­te, viel­mehr durch sein Amt zum Frie­dens­fürs­ten be­stimmt war, macht das Dä­mo­ni­sche sei­nes Wü­tens ge­gen die Kai­ser, die er selbst ge­ru­fen und ge­salbt hat­te, ver­ständ­lich. Ohn­mäch­tig im welt­li­chen Sinn konn­te er nur durch Fluch und Bann, durch das Gift der Ver­leum­dung wir­ken.

Lo­thar von Seg­ni, der als In­no­cenz III., erst 37 Jah­re alt, Papst wur­de, er­klär­te sei­nen Stand­punkt, in­dem er sag­te, dem Fürs­ten wer­de die Macht auf Er­den, dem Pries­ter aber auch die Ge­walt im Him­mel ver­lie­hen, je­nem nur über den Leib, die­sem auch über die See­le. So viel die Wür­de der See­le die des Lei­bes über­ra­ge, eben­so über­ra­ge die Wür­de des Pries­ter­tums die des Kö­nig­tums. Ei­nen Ein­fluss auf die Kö­nigs­wahl habe der Papst zu be­an­spru­chen, weil das Reich ihm sei­nen Ur­sprung und sei­ne Vollen­dung ver­dan­ke, den Ur­sprung, weil er das Reich von Grie­chen­land nach Rom ver­pflanzt habe, die Vollen­dung, weil er dem Kö­nig die Kai­ser­kro­ne ver­lei­he. Die Stau­fer nann­te er ein Ge­schlecht von Ver­fol­gern der Kir­che; er wür­de, wenn er einen Stau­fer krö­ne, ei­nem Räu­ber Waf­fen ge­gen sich selbst in die Hand drücken. Die Fürs­ten in­des­sen, geist­li­che wie welt­li­che, be­strit­ten dem Papst in be­stimm­ten Aus­drücken das Recht zur Ein­mi­schung in die Wahl, und Hein­richs Bru­der Phil­ipp, ein lie­bens­wür­di­ger und be­lieb­ter Mann, hat­te sich all­ge­mei­ne Aner­ken­nung er­kämpft, als er von Otto von Wit­tels­bach, der sich von ihm be­lei­digt glaub­te, er­mor­det wur­de. Otto, Hein­richs des Lö­wen Sohn, den In­no­cenz als An­ge­hö­ri­gen ei­ner der Kir­che er­ge­be­nen Fa­mi­lie un­ter­stützt hat­te, trat als un­be­strit­te­ner Kai­ser so­fort in den un­ent­rinn­ba­ren Ge­gen­satz ein, in­dem er mit Nach­druck die Reichs­rech­te auf Ita­li­en gel­tend mach­te und sich zur Erobe­rung Si­zi­li­ens an­schick­te. »Es reut mich, den Men­schen ge­macht zu ha­ben«, sag­te In­no­cenz mit den Wor­ten Got­tes. Un­ge­fähr­li­cher als der rück­sichts­lo­se Wel­fe kam ihm der ju­gend­li­che Fried­rich vor, Hein­richs VI. Sohn, der als sein Mün­del in Si­zi­li­en auf­ge­wach­sen war und mit dem er in gu­tem Ein­ver­neh­men stand. Als der Acht­zehn­jäh­ri­ge ins Reich auf­brach und durch Rom kam, be­geg­ne­ten sich der mäch­ti­ge Papst und der stol­ze Stau­fer zum ers­ten und ein­zi­gen Male. In­no­cenz starb vier Jah­re spä­ter; vor­her hat­te er die Ge­nug­tu­ung, auf ei­nem Kon­zil im La­te­ran den auf­säs­si­gen Wel­fen ab­zu­set­zen. In der Kir­che hat er das mon­ar­chi­sche Prin­zip, das er im Reich so schnei­dend be­kämpf­te, ge­stärkt und in al­len Län­dern au­ßer Frank­reich die Bi­schö­fe von sich ab­hän­gig ge­macht.

Im 7. und 8. Jahr­hun­dert wie­sen es die Päps­te streng zu­rück, wenn sie als all­ge­mei­ne Bi­schö­fe an­ge­re­det wur­den, weil sie da­durch den üb­ri­gen Bi­schö­fen, ih­ren Brü­dern, zu nahe trä­ten. Sie woll­ten nicht mehr sein als die an­de­ren, nur wenn ei­ner sich ver­gan­gen hät­te, woll­ten sie sie zu­recht­wei­sen und in Fäl­len des Strei­tes oder der Un­ge­wiss­heit ent­schei­den dür­fen. In­no­cenz III. be­schränk­te ihre Rech­te, bis sie nicht viel mehr als Be­am­te des Paps­tes wa­ren. Der Geist Roms rich­te­te sich ge­bie­te­risch auf. Wozu ein­zel­ne Päps­te den Grund ge­legt hat­ten, das stand nun hül­len­los mas­siv da: die rö­mi­sche Wel­t­herr­schaft in der Hand der Päps­te. Wie­der­ge­kom­men war die Ver­göt­te­rung der Cäsa­ren, die einst die christ­li­che Kir­che als Blas­phe­mie der Hei­den ver­dammt hat­te. In­no­cenz III. sag­te, er sei we­ni­ger als Gott und mehr als die Men­schen und leg­te den Ton mehr auf das Er­ho­ben­sein des Sterb­li­chen in die Nähe der All­macht als auf den Zwi­schen­raum, der ihn noch von Gott trenn­te. Das­sel­be Ziel ver­folg­te Gre­gor IX. in an­de­rer Art. In­no­cenz war ein großer Or­ga­ni­sa­tor, um­sich­tig, im­mer sei­ner Zwe­cke be­wusst und sei­ne Mit­tel be­herr­schend mit der ru­hi­gen Si­cher­heit des rei­fen Man­nes. Gre­gor war alt, als er zur Re­gie­rung kam, und das Al­ter mil­der­te sei­ne Lei­den­schaft nicht, son­dern stei­ger­te sie zu äu­ßers­tem Un­ge­stüm. Er muss­te große Ta­ten in eine kur­ze Span­ne zwin­gen, muss­te mit dem Feu­er des Geis­tes die Ge­brech­lich­keit des Kör­pers er­set­zen. Der Stil der päpst­li­chen Ku­rie, der von je­her eine Mi­schung spät­rö­mi­schen Pom­pes und from­mer Rüh­rung ge­we­sen war, schwoll grell an. Gre­gor ent­zün­de­te einen ro­ten apo­ka­lyp­ti­schen Him­mel über Ita­li­en und Deutsch­land. Aber auch in das Kai­ser­tum drang rö­mi­scher Atem ein. Fried­rich I. zwar hat­te die rö­mi­schen Ide­en nur be­nützt, sich nicht da­von be­herr­schen las­sen; aber schon Hein­rich VI., vor dem, als er in Pa­ler­mo ein­zog, das Volk sich wie vor ei­nem Gott in den Staub warf, be­gann in Si­zi­li­en eine Herr­schaft auf­zu­rich­ten, de­ren zen­tra­lis­ti­scher Cha­rak­ter der deut­schen Auf­fas­sung wi­der­sprach. Fried­rich II. vollen­de­te den Be­am­ten­staat, den er un­um­schränkt wie ein De­spot re­gier­te, wie der Papst über die sterb­li­chen Men­schen in die Nähe der Gott­heit ent­rückt. Auch in Fried­richs Kanz­lei wur­de ein ge­bausch­tes Pa­thos üb­lich; zwei Mäch­te stie­ßen auf­ein­an­der, die sich be­wusst wa­ren, auf ei­ner Ebe­ne zu Häup­ten der Mensch­heit zu kämp­fen.

 

Fried­rich II. such­te sich im Be­ginn sei­ner Re­gie­rung mit In­no­cenz und des­sen Nach­fol­ger Ho­no­ri­us gut zu stel­len, in­dem er förm­lich ver­sprach, ers­tens sein Kö­nig­reich Si­zi­li­en nicht mit dem Rei­che zu ver­ei­ni­gen, son­dern es, so­wie er Kai­ser ge­wor­den wäre, sei­nem Soh­ne Hein­rich zu über­ge­ben, zwei­tens einen Kreuz­zug zu un­ter­neh­men. Nach­dem er im Jah­re 1219 zum Kai­ser ge­krönt war, blie­ben bei­de Ver­spre­chun­gen un­er­füllt. Die Vor­wür­fe des Paps­tes gab er zu­rück, in­dem er sag­te, dass Ho­no­ri­us schlecht qua­li­fi­zier­te nie­de­re Leu­te als Kreuz­zugs­pre­di­ger nach Deutsch­land schi­cke. Als Gre­gor Papst wur­de, ver­fin­gen die Aus­flüch­te nicht mehr. Fried­rich sol­le, sag­te er, sich von den Lüs­ten der Welt ab­keh­ren, dem Himm­li­schen zu. Ihm sei eine drei­fa­che Kro­ne ver­lie­hen: von Deutsch­land, der Mut­ter, er­hal­te er die Gna­den­kro­ne durch die freie Wahl der Fürs­ten, von der Lom­bar­dei, der Stief­mut­ter, die Kro­ne der Ge­rech­tig­keit, vom Paps­te, dem Va­ter, die Kro­ne des Ruh­mes, die ihm den Vor­rang vor al­len Ge­wal­ten der Welt gebe und das Reich mit Chris­tus, der eben­falls mit ei­nem drei­fa­chen Dia­dem ge­krönt sei. Kei­nen ge­rin­gen Rang ge­stand Gre­gor sei­nem Geg­ner mit die­sem pracht­vol­len Bil­de zu; er dach­te groß ge­nug, sich mit ei­nem Eben­bür­ti­gen mes­sen zu wol­len. Im Spät­som­mer des­sel­ben Jah­res schiff­te sich Fried­rich, um den Kreuz­zug an­zu­tre­ten, in Brin­di­si ein; aber plötz­lich wur­de er krank, wie er sag­te, und muss­te zu­rück­blei­ben. Das ent­fach­te den Streit von Neu­em. Ohne Un­ter­su­chung setz­te Gre­gor vor­aus, dass die Krank­heit des Kai­sers vor­ge­täuscht sei, und ex­kom­mu­ni­zier­te ihn, sich dar­auf stüt­zend, dass der Kai­ser selbst sich dem Bann ver­fal­len er­klärt hät­te, wenn er sein Ver­spre­chen nicht er­fül­len soll­te. Fried­rich be­ant­wor­te­te den An­griff da­mit, dass er al­len Kle­ri­kern, Or­dens- und Welt­geist­li­chen in Si­zi­li­en be­fahl, den Got­tes­dienst wie im­mer ab­zu­hal­ten, wid­ri­gen­falls er ihre Gü­ter ein­zie­hen wür­de, und dass er die an­ge­se­hens­ten rö­mi­schen Fa­mi­li­en zu sei­nen Va­sal­len mach­te, in­dem er ih­nen ihre Gü­ter ab­kauf­te und sie da­mit be­lehn­te. Dann un­ter­nahm er die Kreuz­fahrt und er­rang einen über alle Er­war­tung glän­zen­den Er­folg. Ohne Kampf, durch per­sön­li­ches Ver­han­deln und klu­ges Ein­ge­hen auf die Ei­gen­art der Sa­ra­ze­nen be­wirk­te Fried­rich, dass der Sul­tan ihm Je­ru­sa­lem, Beth­le­hem, Na­za­reth, die hoch­hei­li­gen Orte Pa­läs­tinas, dazu Ty­rus und Si­don über­ließ; ein­zig der Tem­pel des Herrn in Je­ru­sa­lem soll­te un­ter sa­ra­ze­ni­scher Be­wa­chung blei­ben, weil die Sa­ra­ze­nen dort zu be­ten pfleg­ten, aber den Chris­ten soll­te frei­er Zu­tritt zur Ver­rich­tung ih­rer An­dacht ge­währt sein. Ver­schie­de­ne an­de­re Ver­güns­ti­gun­gen ka­men dazu. Es war ein Er­folg, der ei­nem Wun­der glich und wie ein Got­tes­ur­teil zu­guns­ten des Kai­sers er­schi­en. Trotz­dem be­herrsch­te Fried­rich sich so weit, dass er sich zwar die Kro­ne in Je­ru­sa­lem auf­setz­te, aber einen Got­tes­dienst, weil er ge­bannt war, nicht ab­hal­ten ließ. Dass gleich dar­auf Ge­sand­te des Paps­tes er­schie­nen und in sei­nem Na­men die hei­li­gen Stät­ten mit dem In­ter­dikt be­leg­ten, hob das An­se­hen des Kai­sers; denn wäh­rend die­ser den Chris­ten des Hei­li­gen Lan­des Frie­den und Recht brach­te, stör­te je­ner den Frie­den und das Ge­bet. Die Tat­sa­che, dass der Kai­ser, der das Hei­li­ge Land ge­wann, vom Papst ge­bannt war, ließ nicht nur in Deutsch­land, son­dern auch in ei­nem Teil des Aus­lan­des den Kai­ser als einen Gläu­bi­gen, den Papst als einen Frie­dens­bre­cher er­schei­nen.

Dass Fried­rich eine so maß­vol­le Hal­tung be­wahr­te, war Ver­dienst des Deutschor­dens­meis­ters Her­mann von Salza, dem dar­an lag, die bei­den Häup­ter der Chris­ten­heit in ein gu­tes Ver­hält­nis zu brin­gen. Auf sei­nen Rat hör­te der Kai­ser wie sonst auf we­nig Men­schen, weil er ihn ach­te­te und fühl­te, dass er im­mer das je­weils Bes­te woll­te. Von dem nicht größ­ten, aber in­ter­essan­tes­ten al­ler Kai­ser ist wie vom Ze­bra schwer zu sa­gen, wel­ches die Grund­far­be sei­nes Cha­rak­ters war. Er war nicht, wie sein Groß­va­ter Fried­rich Bar­ba­ros­sa, der al­lem und al­len ge­gen­über un­er­schüt­ter­lich der glei­che war, aus Hei­ter­keit und Zorn im­mer wie­der in das Gleich­ge­wicht ru­hi­gen Erns­tes über­ge­hend. Fried­rich II. lieb­te es, mit den Din­gen zu spie­len, es gab nichts, was sei­ne ita­lie­ni­sche Skep­sis nicht be­nag­te; aber er selbst woll­te sehr ernst ge­nom­men sein, und das ge­hei­lig­te Fun­da­ment, auf das er sich stell­te, durf­te nicht an­ge­tas­tet wer­den. Er er­laub­te sich ke­cke Scher­ze über christ­li­che Glau­bens­sät­ze, be­ton­te aber zu­gleich sei­ne Recht­gläu­big­keit, ver­folg­te die Ket­zer und führ­te die Spra­che des bi­bel­fes­ten Be­ken­ners im wit­zi­gen Mun­de. Sein schar­fer Ver­stand durch­drang Din­ge und Men­schen, durch­schau­te alle Falsch­hei­ten und sah hin­ter hoch­tra­ben­den An­kün­di­gun­gen die nied­ri­gen Ab­sich­ten; das gab ihm ein Ge­fühl der Über­le­gen­heit und ließ ihn die Men­schen ver­ach­ten. Vor nichts hat­te er Ehr­furcht au­ßer vor sei­ner kai­ser­li­chen Wür­de. Er er­mahn­te sei­nen Sohn Kon­rad, eif­rig zu stu­die­ren, da­mit er tüch­tig und wei­se wer­de. Denn die Kö­ni­ge, schrieb er ihm, wer­den ge­bo­ren wie die üb­ri­gen Men­schen und ster­ben auch wie sie. Sie hör­ten auf, Kö­ni­ge zu sein, wenn sie die kö­nig­li­che Weis­heit ver­gä­ßen und sich von Pri­vat­in­ter­es­sen be­herr­schen lie­ßen. Dann aber sprach er von dem ed­len Blut der Fürs­ten, dem ein fei­ner und ed­ler Geist ein­ge­gos­sen sei, und er pfleg­te vom Blut der Stau­fer als vom Reichs­ge­blüt oder dem Blut der Gött­li­chen zu spre­chen. Sol­che Aus­füh­run­gen wa­ren zu­wei­len ein Re­de­prunk, den er für an­ge­mes­sen hielt und über den er in man­chen Au­gen­bli­cken viel­leicht lach­te, da er wirk­lich über­zeugt war, dass Kö­ni­ge Men­schen wä­ren wie alle Men­schen; zu­gleich aber fühl­te er sich hoch über al­len Men­schen so­wohl durch sei­ne Ab­kunft wie durch sei­ne Be­ga­bung und Per­sön­lich­keit. Er hat­te zu sei­nem küh­len Ver­stan­de und nüch­ter­nen Scharf­blick die Ve­he­menz des Ge­nies und das schmerz­lich se­li­ge Selbst­be­wusst­sein des Letz­ten ei­ner be­deu­ten­den Fa­mi­lie. Auch sei­ne äu­ßer­li­che Er­schei­nung war nicht ein­fach: man rühm­te sein schö­nes Ge­sicht und sein kö­nig­li­ches Auf­tre­ten, aber sei­ne Kurz­sich­tig­keit und früh ein­tre­ten­de Kahl­köp­fig­keit ver­an­lass­ten einen Ara­ber zu der Be­mer­kung, als Skla­ve wür­de er nicht viel ge­gol­ten ha­ben. Da er das Schil­lern­de sei­nes We­sens und das Viel­fach­ge­schlif­fe­ne sei­nes Geis­tes emp­fand, lieb­te er die schlich­ten, fest­ge­grün­de­ten, ein­fa­chen Men­schen wie Her­mann von Salza und Land­graf Lud­wig den Hei­li­gen von Thü­rin­gen; die­sen hat­te er durch Her­manns Ver­mitt­lung ken­nen­ge­lernt. Auch dar­in war er ita­lie­nisch, dass ihm Freund­schaft der Män­ner mehr galt als Lie­be der Frau­en. Er war vier­mal ver­hei­ra­tet und hat­te Lie­bes­ver­hält­nis­se mit meh­re­ren Frau­en, ohne dass eine je­mals Ein­fluss auf ihn ge­habt zu ha­ben scheint. Die Söh­ne, die aus den flüch­ti­gen Ver­bin­dun­gen her­vor­gin­gen, lieb­te er mehr als die recht­mä­ßi­gen. Auch die Na­he­ste­hen­den sah er zu­wei­len mit den Schlan­gen­au­gen an, die sei­ne Fein­de ihm zu­schrie­ben, voll bö­ser Käl­te, und doch konn­te er rück­halt­los ver­trau­en und warm­her­zi­ge edle Män­ner an sich fes­seln.