Alles hat seine Zeit

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Alles hat seine Zeit
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Reinhold Stecher







Alles hat seine Zeit





Texte, Bilder und Zeichnungen

zum Lachen und Klagen,

zum Träumen und Nachdenken



Aus dem Nachlass herausgegeben

von Paul Ladurner










Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“



Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de

 abrufbar.



© 2014 Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck

Umschlaggestaltung und Layout: Tyrolia-Verlag, Innsbruck

Covermotiv: Am Ritten

Lithografie: Artilitho, Lavis (I)

Druck und Bindung: Gorenjski Tisk, Kranj (SLO)

ISBN 978-3-7022-3396-9 (gedrucktes Buch)

ISBN 978-3-7022-3397-6 (E-Book)

E-Mail:

buchverlag@tyrolia.at

 Internet:

www.tyrolia-verlag.at





Vorwort



Die „Nachlese“, das erste „Stecher-Buch“ nach seiner „sanften Landung“, hat ein starkes Echo in der Leserschaft ausgelöst. Wiederholt ist die Hoffnung, ja geradezu der Wunsch aufgetaucht, es könnte doch noch ein zweites derartiges Buch erscheinen.



Der umfangreiche Nachlass des beliebten Bischofs bot tatsächlich die Möglichkeit dazu. Seine lebensnahe Spiritualität, aber auch sein lebensfroher Humor und die noch vorhandenen Prosatexte und Gedichte, die erfrischenden und oft ungeschminkten Karikaturen und nicht zuletzt seine ansprechenden Aquarelle – alles noch unveröffentlicht – riefen geradezu danach, den Fundus noch weiter zu durchforsten, und so habe ich mich entschlossen, ein neues Stecher-Buch herauszugeben.



Reinhold Stecher war ein ausgezeichneter Bibelkenner. Besonders geschätzt hat er das Buch Kohelet aus dem Alten Testament wegen seiner Menschennähe und seinem „modernen Weltempfinden“. Von diesem Autor habe ich deshalb den Titel des neuen Buches übernommen.



Kohelet war ein Realist. Er vertrat den Standpunkt, das irdische Glück sei fragwürdig und letzten Endes könne nur Gott den Menschen zufriedenstellen. Das „irdische Glück“ kommt auch in diesem Buch zu Wort. Dabei verwende ich das berühmte Zitat Kohelets: „

Alles hat seine Zeit

“ und teile meine Überlegungen – genauer gesagt, die Überlegungen, Gedichte, Aquarelle und Karikaturen Reinhold Stechers – entsprechend ein in eine Zeit zum Lachen und Schmunzeln, aber auch in eine Zeit zum Klagen und schließlich zum Nachdenken, Träumen, Wandern, Staunen und Meditieren.



Beide Aspekte, das irdische Glück und die Hinwendung zu Gott, waren für Reinhold Stecher eins. In seinem Wirkungskreis hat er viel Freude verbreitet und zugleich eingemahnt und ermutigt, den Blick auf den gütigen und wohlwollenden Gott zu richten, der letzten Endes alles Helle und alles Dunkle väterlich umarmt.



Jedenfalls freue ich mich, dieses Buch seinen Freunden und – ganz allgemein – dem interessierten Publikum als eine Art „Stecher’sches Vermächtnis“ zu übergeben. Auch möchte ich anregen, ihn mit seinen Vorstellungen, seinen Ideen und Anliegen im Herzens-Gedächtnis zu behalten.



Innsbruck, im Sommer 2014

Paul Ladurner



PS: Schließlich möchte ich noch meiner lieben Frau Inge danken. Sie hat auch dieses Buch kritisch und wohlwollend, jedenfalls ganz wertvoll begleitet.





Nachwort zum Vorwort





„Dem, der nicht sich selber meint, dem gibt man alle Schlüssel.“





Diesen Satz hat Reinhold Stecher viele Male zitiert und diese Erkenntnis hat ihn wohl dazu bewogen, den Großteil seines geistigen Nachlasses dem anzuvertrauen, der nicht sich selber meint: seinem bescheidenen Freund Paul, meinem lieben Mann.



Dieser „Schlüsseldienst“ hat Paul viel Zeit gekostet. Um Reinholds vielschichtige Persönlichkeit spürbar aufleben zu lassen, will Paul, der „Schlüssel-Dienstmann“, ja nicht nur die „geistigen Prunkgemächer“ von Reinholds Lebenshaus zeigen, sondern auch die kleinen alltäglichen Räume. Gern schließt er die kleine Vorratskammer auf, die Reinholds origineller Großvater, der Bäcker, mit so viel Witz und Humor, despektierlichen Sprücheln, Liedern und Gschichtln angefüllt und damit seine Enkel Lachen und Lebensnähe gelehrt hat.



So versteht sich Paul nicht als Architekt eines würdigen Stecher-Denkmals, auch nicht als Fahrdienstleiter eines schönen Nostalgiezuges, sondern als treuer Freund, der Erinnerung als Lebenshilfe weitergeben will. Gutes Erinnern soll uns ja ermutigen, das Heute positiv zu gestalten und voll Zuversicht ins Morgen zu schauen.



Ingeborg Ladurner




Inhalt





Vorwort







Nachwort zum Vorwort







EINE ZEIT ZUM LACHEN







Brief des Kaplans Seiner Heiligkeit







Generalabsolution







Einzug der Würdenträger







Wandel im Priesterkleid







Bischofsleben







Pfarrgemeinderat







EINE ZEIT ZUM KLAGEN







Winterlicher Vatikan







Kirchenklage







Rom hat das Image der Barmherzigkeit verloren







Machtspiele in der Kirche







Kirche und Sexualität







Die Kirche und die Frauen







EINE ZEIT ZUM NACHDENKEN







Rauchsignale der Heiligen Schrift







Die Medaillen in der Spielkiste







Abend in Monaco







Der Mythos und die Mythen







Der Horizont blieb hell







Friedensgruß







Vom Segen des Handwerks







Das Gloria in der Polarnacht







Die alte Lehrerin







EINE ZEIT ZUM SCHMUNZELN







Zwei Kaiser







Verehrer moderner Kunst







Der Songcontest im Laufe der Geschichte







Kater und Polizeihund







Die Henne Kummernuss







Die kleine Lebenskunst







Der missbrauchte Engel







Memoiren sind unzumutbar







EINE ZEIT ZUM TRÄUMEN







Der Strom







Wachau







Melk







Ruine Dürnstein







Abendgesang der Donau







EINE ZEIT ZUM WANDERN







Die Berge sind mehr







Kleiner Impuls für sanftere Routen







EINE ZEIT ZUM MEDITIEREN







Morgen am Waal







Das andere Handy







„Die Freude am Herrn ist eure Stärke“







Lyrik auf der Seceda



 





Die Ewigkeit in der Zeit







Gedanken zu den Generationen







Beten mit der Heiligen Schrift







Erstes Kapitel






EINE ZEIT ZUM LACHEN



Lachen war ein wichtiger Bestandteil von Reinholds Lebensgepäck. Da war einmal sein Großvater, von dem er zahlreiche Witze, arge Sprüche und originelle Lieder übernommen hat. Aber auch seine eigene Mentalität war danach. Wir haben es oft schon an seinem Gesichtsausdruck erkannt, dass ihm wieder etwas Skurriles eingefallen ist. „Reinhold! Sicher ist dir wieder was Blödes eing’fallen“, sagten dann die Kinder. Er wehrte ab: „Ihr müsst’s nicht alles wissen.“ In Wirklichkeit hat er nur darauf gewartet, dass sie ihm seinen „blöden Einfall“ abtrotzen. Solche „Einfälle“ hat er oft in originelle Gedichte gekleidet. Manchmal richtete er seinen Spott auf eine historische oder literarische Persönlichkeit, zuweilen war ihm einfach ein neuer Witz eingefallen. Aufs Korn genommen hat er beispielsweise edle Gestalten, Offiziere, preußische Adlige, Napoleon oder auch kirchliche Würdenträger

.



Wenn im Paulinum, wo er in den 1950er Jahren als Präfekt tätig war, kein Unterricht oder Studium angesagt war, hielt er sich gerne im Kreise „seiner Klassen“ auf. Nicht selten ertönte dann durch die Gänge des Hauses ein „homerisches Gelächter“. Reinhold hatte wieder einen seiner Witze erzählt

.



Ähnliches können wohl auch manche Leser dieses Buches erzählen, die mit ihm am Berg, auf Wanderungen, bei Exerzitien oder Einkehrtagen, bei Jubiläen oder Wallfahrten beisammen waren. Bei ihm waren Ernst und Humor harmonisch verbunden

.



Sein Humor konnte urig oder subtil sein, hintergründig oder gepfeffert. Oft begleitete er seine „Lach-Texte“ mit Karikaturen. Anlässlich einer Bischofssynode im Vatikan hatte er erlebt, wie viele schwarze Bischöfe in die Aula strömten. Am nächsten Tag war eine Karikatur da mit dem Titel „Afrika ante portas“: Auf Elefanten thronend zogen schwarze Bischöfe in den Vatikan ein. Natürlich konnte diese Karikatur auch in „schwarzen Kreisen“ nicht verborgen bleiben, worauf er von den afrikanischen Bischöfen um Fotokopien bestürmt wurde

.











Brief des Kaplans Seiner Heiligkeit





Mit kirchlichen Würden und Titeln hatte Reinhold Stecher seine Schwierigkeiten. Im Jahre 1976 hat es ihn selbst erwischt: Er wurde zum Monsignore ernannt, das bedeutet „Kaplan Seiner Heiligkeit“. Ich vergesse nicht sein maliziöses Lachen, als er uns seine „vatikanische Beförderung“ mitteilte. Wohl als seelisches Ventil hatte er damals folgenden fingierten Brief verfasst:










Carissimi!



Eure Gratulationen haben in UNS die lebhaftesten, dankbaren und väterlichen Gefühle geweckt, so dass WIR UNS entschlossen haben, Euch mit einem huldvollen Handschreiben zu beglücken.



WIR sind noch selbst überwältigt von der überaus hohen Würde, zu der WIR berufen wurden, und von der aus WIR unsere bisherigen Connaissancen und Bekanntenkreise in unendlichem Abstand unten liegen sehen. Trotzdem fühlen WIR UNS gedrängt, den angemessenen Abstand in leutseliger Weise zu überbrücken, soweit die Autorität und Erhabenheit UNSERES Amtes dies zulässt. Da nicht zu verleugnende Bande des Blutes UNS mit Euch verbinden und WIR UNS UNSERER niederen Abkunft nicht zu schämen brauchen, mag eine gewisse Vertraulichkeit gestattet sein, die in die intimeren Lebensbereiche eines hohen Würdenträgers Einblicke gewährt, wie sie sonst dem gewöhnlichen Volke vorenthalten werden müssen.



WIR gestehen schmerzbewegt, dass es im Drang der Geschäfte des Alltags sehr leicht geschehen kann, dass vor allem mit dem Vollzug banaler Tätigkeiten wie der Inbetriebnahme des Zweirads, des Löschens der Schultafel, des Korrigierens von Prüfungsaufgaben und Ähnlichem das notwendige Würde-Bewusstsein etwas leidet oder überdeckt wird.



Wenn aber der Abend kommt und die Dienerschaft sich zurückgezogen hat, pflegen WIR vor den Spiegel zu treten, UNS in die Augen zu schauen, UNS wiederum übermannen zu lassen wie bei der Öffnung des inhaltsschweren Dekretes und dann zu UNS zu sagen: Gute Nacht, Monsignore!



Und dann kann es geschehen, dass die Welt um UNS versinkt und WIR UNS umgeben wissen von Kolonnaden und Springbrunnen, Schweizergarde und Spitzenchorröcken. WIR hören förmlich das Rauschen der Schleppen und den Klang der silbernen Fanfaren und finden UNS in jener Welt, für die WIR UNS – hier sei es offen gesagt, da WIR nicht fürchten müssen, falsch verstanden zu werden, – schon immer geboren wussten.



Soweit es in UNSEREN bescheidenen Kräften liegt, werden WIR alles tun, um den Glanz der päpstlichen Hofhaltung durch häufige und geschäftige Anwesenheit zu erhöhen, wenn auch UNSERE römischen Aufgabenkreise als Capellanus Suae Sanctitatis noch von einer etwas schmerzlichen Unbestimmtheit gekennzeichnet sind und dringend deutlicher präzisiert werden müssen (WIR erwarten täglich ein entsprechendes Motu proprio des Heiligen Stuhles).



Im erhebenden Bewusstsein, dass auch in Euren Kreisen eine, wenn auch vielleicht noch undifferenzierte und der Sache nicht ganz entsprechende Ahnung von der kirchengeschichtlichen Bedeutung dieser Ernennung aufgeblüht ist, reichen WIR Euch mit aller Herablassung, deren WIR fähig sind, geistigerweise die Hand über den Alpenhauptkamm zum Kusse.
















Generalabsolution



Die kirchliche Begriffswelt ist



bei vielen Menschen stark im Schwinden.



Man müsste doch für dies und das



verständlichere Worte finden.



Die „Generalabsolution“



ist etwas, was man nicht versteht,



weshalb dann auch die Fantasie



in völlig falsche Richtung geht …








Generalabsolution in der k. u. k. Armee






Einzug der Würdenträger











Wandel im Priesterkleid im Laufe eines Bischofslebens (1927–1992)

Klerikaler Beitrag zur Geschichte der Uniformen








1 Kardinal in Cappa Magna (1930)








2 Domherr in Spitzenrobe (1930)








3 Landpfarrer, Modell Reimmichl (1930)








4 Primiziant um 1930








5 Kaplan um 1940 (Adjustierung je nach Einsatzgebiet)








6 Mönch im Habit








7 Derselbe im leichten Urlaubskostüm








8 Pensionist im Hauskleid








9 Geistlicher Rat im Festtalar








10 Bettelmönch (1930) bei Missionssammlung








11 Bettelmönch (1992), bei Dritte-Welt-Konzert








12 Stadtseelsorger, aufgeschlossen, aber gemäßigt








13 Kaplan, fortschrittlich, im großen Dienstanzug (bei Bischofsbesuch), aber kirchentreu (siehe Kreuz)






Bischofsleben








Pensionierungsstampiglie – einem Bischof, der die Altersgrenze erreicht hat, wird in Rom die Verlängerungsstampiglie aufgedruckt








Bischof in Ausgehuniform








Der Bischof als Dampfkochtopf






Pfarrgemeinderat








Welches ist das richtige Pfarrgemeinderatsmodell?






Zweites Kapitel






EINE ZEIT ZUM KLAGEN



Der neue Papst Franziskus ist wenige Wochen nach Reinhold Stechers „sanfter Landung“ gewählt worden und – bezeichnenderweise – auf den Tag genau neun Jahre nach dem Tode des großen Wiener Kardinals Franz König. Aus den Worten und Taten des neuen Papstes erfährt Reinhold Stechers „Kirchenklage“, für die er manche Schelte hinnehmen musste, eine erfreuliche Bestätigung

.






Winterlicher Vatikan



Karl Rahner hat in seiner großen Kirchentrauer seinerzeit das Buch „Glaube in winterlicher Zeit“ (Patmos-Verlag 1986) geschrieben. Um die gleiche Zeit hatte Reinhold auch in Rom einen sogenannten Ad-limina-Besuch zu absolvieren und schickte uns unter dem Eindruck der damaligen Atmosphäre die nachstehende Karte, auf welcher der winterliche Petersplatz zu sehen ist. Auf die Rückseite schrieb er ein mit „Römische Elegie“ betiteltes Gedicht

.










Römische Elegie



Das Leichentuch liegt auf den Kolonnaden,

 



und um die Kuppel webt ein kalter Hauch.



Die Brunnen sind erfroren.



Die geraden Säulen stehen wie erstarrt.



Ich fühle auch den harten Winterwind im Tal des Tiber



und denk mit aufgespanntem Schirm:



Es geht vorüber …



Reinhold



Und tatsächlich hat nach dem kürzlich stattgefundenen Ad-limina-Besuch der feinfühlige Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer darauf hingewiesen, in Rom habe ein positiver Klimawechsel stattgefunden und man könne wieder frei atmen. Im gleichen Sinne hat sich auch der Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn geäußert. Diese Meldungen geben Hoffnung und bestätigen im Nachhinein Reinholds „Römische Elegie“ und überhaupt seine „Kirchenklage“

.






Kirchenklage



Warum kreisen Krähen um die Türme,



um die Türme, deren Glocken schweigen,



warum dringt kein Licht mehr durch die Scheiben



hoher Fenster in die Winterstürme?



Warum schreckt die Sprache, die bedrückte,



jene Sprache, die so tröstlich klang



und die leise von Verzeihung sang,



als der Hirt sich zu Verir