Buch lesen: «Krankheiten - Signale der Seele»
Reinhold Ruthe
Krankheiten - Signale der Seele
Wie Symptome des Körpers gedeutet werden können
Impressum
5. überarbeitete Auflage 2007
© 2001 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, D-47443 Moers
Satz: Satz & Medien Wieser, Stolberg
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
I. Wie gehen wir mit Problemen um?
Acht Hinweise zum Verständnis
II. Seele meint den ganzen Menschen
Die Seele in Sprichwörtern
Seelisch krank?
Viele Krankheiten sind „nur“ Symptome
Fragen zum Nachdenken
Wenn der Arzt missbraucht wird
III. Krankheiten haben und krank sein
Die Bedeutung des Krankseins
Ist Krankheit ein Segen?
IV. Die leib-seelischen Zusammenhänge von Leiden, Krankheit und Tod
Was beinhaltet Psychosomatik
Modekrankheit: vegetative Dystonie
Krankheit als Schicksal?
Krankheit als Lebenslüge?
Neurosen – eine veraltete Terminologie?
Krankheit und Tod als Folge fehlender menschlicher Zuwendung
Was setzt den Körper unter Druck?
Redewendungen zeigen Leiden auf
Die Organsprache
Wenn die Erde wackelt – ein Fallbeispiel
Die Nachahmung der Symptome
Ist der Organdialekt immer krankhafter Natur?
Leiden und Konflikte durch Stress
Punktliste für seelische Belastungen
Leben verlängernde Stressoren
Angina temporis und Angina pectoris – Zeitnot und Herztod
V. Glaube und Immunsystem
Wie arbeitet das Immunsystem?
Seele und Abwehrsystem
Besonderes Merkmal: Gesund
Mit-Teilen und Gesundheit
Loben und Lachen
Denkstrukturen ändern
Wie wir unser Immunsystem stärken
VI. Schmerzen haben einen Sinn
Der Schmerz in der Bibel
Muskelschmerzen
Auch Kränkung und Ablehnung tun weh
Dem Schmerz eine Stimme geben
Wenn der Rücken schmerzt
Fragen zum Nachdenken
Kopfschmerzen
Schmerzhafte Krisen – wie gehen wir damit um?
VII. Die Persönlichkeit des Asthmatikers
Der Atem
Luft und Atem in Redensarten
Was beim Asthmaanfall geschieht
Die unterschiedlichen Formen des Asthmas
Was den Asthmatiker kennzeichnet
Asthma und Ehebruch – ein Fallbeispiel
Fragen zur Selbstprüfung
Fragen an Eltern von Asthma-Kindern
VIII. Die Persönlichkeit des Herzinfarktgefährdeten
Risikofaktoren
Lebensstil und Organwahl
Die Verkalkung von Herzkranzgefäßen
Lebensstil und Managerkrankheit
Seelsorge an Managerkranken
IX. Die Persönlichkeit des Magenkranken
Der Pantoffelheld – ein Fallbeispiel
Der Lebensstil der Ulkus-Persönlichkeit
Wie ist die Geschwürbildung zu erklären?
Magengeschwür oder: Ich habe mein Bestes getan
Magengeschwürkranke in der Statistik
Erwartungsangst und Magengeschwüre
Sympathikotoniker und Vagotoniker
Die Selbstzerfleischung
Fragen zum Nachdenken
X. In Beziehungen leben – streiten lernen
Elf Denkanstöße
XI. Krankheit als Chance
Glaube: vorbeugend und heilend
Leid und Krankheit als Heim-Suchung
Selig sind, die da Leid tragen
Der aktive Kranke
Auf unsere Reaktion kommt es an
Trost im Leben und im Sterben
XII. So, wie ich bin, bin ich gut genug
Selbstannahme als Schlüssel zum Gesundwerden
Literaturhinweise
Stichwortverzeichnis
Vorwort
Der Mensch ist ein unteilbares Ganzes. Seele und Körper sind miteinander verschmolzen. Keines seiner Glieder und Organe funktioniert selbstständig. Alle Teile sind miteinander durch Nerven, Blutbahnen, Empfangs- und Sendestationen verbunden.
In Verkündigung, Therapie und Seelsorge muss dieser Tatsache Rechnung getragen werden. Dieses Buch will zeigen: Gott will den ganzen Menschen heilen. Nicht eine leiblose Seele, die irgendwo versteckt im Körper haust, braucht Heilung. Christus will vielmehr die Seele, die den leibhaftigen Menschen vom Scheitel bis zur Sohle ausmacht, heilen.
Eine neuere Langzeitstudie über psychische Krankheiten bestätigt:
Jeder fünfte Bundesbürger (alte Bundesländer) leidet unter einer psychischen Erkrankung.
Die Krankheitsanfälligkeit von Frauen und Männern hat sich im Laufe der letzten Jahre angeglichen.
Besonders Männer wenden sich ungern an einen Psychotherapeuten oder an eine Selbsthilfegruppe.
Menschen über 65 Jahre haben die geringsten Kenntnisse über fachkundige Hilfe.
Die Zahl der neurotischen und psychosomatischen Störungen ist erheblich gestiegen.
Viele Leiden und psycho-vegetative Regulationsstörungen überfallen uns nicht einfach, sondern setzen eine längere Leidensgeschichte voraus. Einsamkeit, Angst, Enttäuschung, Schuld, Ehrgeiz, Eifersucht und Misstrauen bahnen späteren Leiden den Weg.
Was setzt den Körper so unter Druck, dass er mit Organstörungen reagiert? Spannungen, Erregungen und Ängste werden zu Tyrannen, die den Körper bedrängen und schwache Organe beeinträchtigen.
Was will der Kranke mit seinen Symptomen den Angehörigen und der Umwelt sagen? Seelische Störungen und Fehlanpassungen treten nicht blindlings auf, sie können auch unbewusst arrangiert werden. Manchmal sind sie eine Folge geheimer Wünsche und verzerrter Vorstellungen. Eine Krankheit ist eine Mitteilung. Wir wollen sie nicht in erster Linie bekämpfen, wir sollen sie in erster Linie verstehen.
Flieht der Mensch in die Krankheit?
Weicht der Mensch den Anforderungen des Lebens aus?
Benutzt er die Symptome als Mittel zum Zweck?
Pflegt er die Krankheitssymptome, um Aufmerksamkeit zu erlangen?
Prof. Dietrich Grönemeyer, einer der Experten in Deutschland, der die Gesundheitspolitik in ihren Zusammenhängen gründlich erforscht, schreibt in einem seiner Bücher, in dem er die „Optimierung der Lebensqualität“ bespricht und zehn Grundsätze formuliert, unter anderem:
„Boombranche der Zukunft: Das Gesundheitswesen ist die größte Branche. Mit Medizintechnik und Biotechnologie macht dies zurzeit zwölf Prozent aller Berufstätigen in 800 Berufen aus. Daher: Arbeitsplätze in der Gesundheitswirtschaft ausbauen und ein neues Ministerium schaffen – heute vier Millionen, morgen acht Millionen Beschäftigte.“1
In seinen Augen ist der Gesundheitsmarkt unser größter Teilmarkt, bedeutender als andere Schlüsselindustrien und schafft mehr Arbeitsplätze als alle anderen.
Darum hat therapeutische Seelsorge auch den Sinn, dem Menschen zu helfen
sich gesund zu erhalten,
Leib, Seele und Geist in Gottes Namen zu pflegen und zu hegen,
Prävention, Sport und Bewegung zu praktizieren und den Körper als Gottes Eigentum wahrzunehmen.
Paulus betont unmissverständlich:
„Wisst ihr denn nicht, dass euer Körper der Tempel des Heiligen Geistes ist? Gott hat euch seinen Geist gegeben, der jetzt in euch wohnt. Darum gehört ihr nicht mehr euch selbst“ (1. Korinther 6, 19).
Therapeutische Seelsorge versucht, den Menschen im Lichte der Bibel zu verstehen. Das heißt unter anderem: Wir haben keine Krankheiten, wie wir Haare auf dem Kopf haben, wir sind krank. Krankheiten deuten (fälschlicherweise) auf eine bestimmte Stelle im Körper hin – Kranksein meint den ganzen Menschen, der heil- und heilungsbedürftig ist.
Therapeutische Seelsorge ersetzt nicht den Arzt. Die medizinische Versorgung muss bei allen ernsthaften Funktionsstörungen beachtet werden.
Therapeutische Seelsorge will
falsche Lebensgrundüberzeugungen aufdecken,
ungeistliche Motive und Sünden ans Licht bringen,
alternative Lebenseinstellungen vermitteln,
Lebenslügen und Selbstbetrug ansprechen,
die Maßstäbe der Bibel und Gottes Willen aufzeigen.
I. Wie gehen wir mit Problemen um?
Acht Hinweise zum Verständnis
Diese Grafik ist der Versuch, das komplizierte Zusammenspiel der wesentlichen Faktoren zu erfassen, die den Menschen kennzeichnen. Für Beratung und Seelsorge ist eine gründliche Diagnose hilfreich. Dazu acht Hinweise.
Hinweis 1:
Erziehung, Umwelt und Sozialisation spielen für den Lebensstil des Menschen eine große Rolle.
Kasten 1 versucht, mit diesen Begriffen die Einwirkung von außen durch Eltern, Erzieher, Geschwister, Spielgefährten und Medien zu erfassen.
Wir werden nicht in ein bestimmtes Milieu hineingeboren, das uns prägt, formt und in bestimmte Rollen zwängt. Als Kinder gestalten wir unseren Weg entscheidend mit. Wir sind immer auch aktive Mitspieler.
Hinweis 2:
Der Mensch ist durch Erziehung, durch Vererbung und durch das, was er daraus gemacht hat, zu verstehen.
Kasten 2 beinhaltet die Vererbung, die das Geschlecht, ein bestimmtes Temperament, Organschwächen und Behinderungen, aber auch spezielle Begabungen und Vorzüge festlegt.
Wie viel Prozent unserer Persönlichkeit auf Vererbung zurückzuführen sind, kann kein Mensch genau sagen. Die Vererbung ist wichtig – aber sie ist nicht alles.
Hinweis 3:
Die schöpferische Fantasie (Kasten 3) ist eine Gestaltungskraft im Menschen, die Vererbung, Umwelt und Erziehung als Baumaterial benutzt, um daraus einen eigenen Lebensstil zu entwerfen.
Das menschliche Leben ist zielgerichtet. Die schöpferische Kraft des Kindes verarbeitet und beantwortet alle Herausforderungen, lernt aus Versuch und Irrtum und entscheidet sich für Lebensgrundüberzeugungen, mit denen sie die Zukunft plant.
Der Lebensstil (Kasten 3) ist also eine Eigenschöpfung des Kindes. Er beinhaltet die Leitmotive des Denkens, Fühlens, Wollens, Lebens und Liebens. Der Lebensstil fasst die Verhaltensmuster, die Gewohnheiten, die Charakterstruktur und alle Persönlichkeitsmerkmale zusammen und drückt sie aus.
Im Lebensstil ist auch der christliche Glaube eingebunden, der durch Erziehung, gläubige Eltern, kirchlichen Unterricht und andere christliche Impulse geweckt und entwickelt und durch den Heiligen Geist zum Durchbruch kommen kann.
Hinweis 4:
Im Lebensstil sind Bewusstes und Unbewusstes (Kasten 4 und 5) eingebunden. Dabei handelt es sich nicht etwa um zwei getrennte Bereiche, die gegenläufige Ziele verfolgen. Die Interessen im bewussten und im unbewussten Bereich laufen parallel. Der Lebensstil, der die Einheit der Persönlichkeit verkörpert, spricht durch Bewusstes und Unbewusstes.
Da wir Menschen mehr, als uns lieb ist, vom Unbewussten gesteuert werden, spielen unerkannte Wünsche und Bedürfnisse, versteckte Absichten und sündhafte Fantasien eine große Rolle.
Die Bibel spricht schlicht und eindrücklich: „Denn aus dem Herzen (aus der Tiefe unserer Persönlichkeit, d. Vf.) kommen böse Gedanken und mit ihnen Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, Verleumdung und Beleidigungen“ (Matthäus 15, 19). Es handelt sich um unverstandene Regungen unserer Persönlichkeit, die wir nicht wahrhaben wollen und die doch untrennbar mit den Leitmotiven unseres Selbst verknüpft sind.
Hinweis 5:
Wenn der Mensch durch den Heiligen Geist zum Glauben an Christus kommt, spiegelt auch der christliche Glaube in all seinen Äußerungsformen diesen Lebensstil wider. Der Glaube ist immer auch Spiegelbild dieses Menschen, mit seinen Wertvorstellungen, mit seinen Verhaltensmustern, mit seinen Angewohnheiten, Schwächen und Stärken.
Alle Erfahrungen des bisherigen Lebens (positive und negative Erlebnisse der Vergangenheit, gute oder schlechte Beziehungen zu Eltern und Geschwistern) hat der Heranwachsende kreativ verarbeitet und in seinen Lebensstil eingebaut.
Da wir Menschen Sünder sind und irren können, werden auch destruktive Verhaltensmuster, irrige und böse Strategien verwendet, um das Leben zu meistern. Im Zusammenspiel mit den genannten Faktoren können deswegen Störungen und Krankheiten auftreten.
Hinweis 6:
Die Grafik macht deutlich, dass Probleme, Konflikte und psychische Störungen (Kasten 6) in der Regel nicht nur eine Ursache haben, sondern dass die Inhalte in den Kästen sich wechselseitig beeinflussen.
Ein kompliziertes Zusammenspiel – das machen die Pfeile deutlich – ergibt die körperlichen und seelischen Schwierigkeiten im Menschen.
Wir dürfen daher auch nicht einseitig von gestörtem Glauben, einseitig von Erziehungsproblemen, einseitig von Körperkrankheiten und so weiter sprechen.
Der ganze Mensch wird jeweils in Mitleidenschaft gezogen. Christus will, dass der ganze Mensch Heil und Heilung erfährt.
Hinweis 7:
Was macht der Mensch, wenn er psychische Probleme und psychosomatische Krankheiten aufweist? (Kasten 7) Es gibt unzählige Wege und Strategien, die er benutzt, um damit fertig zu werden – konstruktive und destruktive, geistliche und ungeistliche.
Der Lebensstil (also die Summe der Lebensgrundüberzeugungen, die ein Mensch sich zugelegt hat) verrät, wie er das Leben meistert, ob er aktive oder passive, glaubensgemäße oder glaubensverneinende Muster benutzt:
Er kann seine Anstrengungen verdoppeln, seinen Ehrgeiz steigern und gegen die Symptome ankämpfen.
Er kann sie verleugnen, verdrängen und überspielen.
Er kann sich herausreden und Entschuldigungen suchen, um vor Menschen und vor Gott bestehen zu können.
Er kann in Krankheiten fliehen, in körperliche und seelische Zusammenbrüche, die er unbewusst herbeigeführt hat.
Hinweis 8:
Der Christ kann (Kasten 8) seinen Lebensstil unter die Lupe nehmen, um vor Gott seine irrigen Ziele und sündhaften Fehlverhaltensmuster kennen zu lernen.
„Durchforsche mich, Gott, sieh mir ins Herz, prüfe meine Wünsche und Gedanken! Und wenn ich in Gefahr bin, mich von dir zu entfernen, dann bring mich zurück auf den Weg zu dir“. Diese Psalmworte (139, 23.24) sind ein hilfreicher Anstoß, eine gründliche Selbsterforschung zu betreiben, die ungeistliche Motive und eine falsche Gesinnung offenbaren.
Oft ist ein Seelsorger notwendig, der die blinden Flecken des Betroffenen erkennt, den fehlerhaften Lebensstil des Ratsuchenden deutet und eine Gesinnungsänderung in die Wege leiten kann.
Ständig erliegen wir der Gefahr, dass wir uns selbst belügen und unsere störenden Symptome bagatellisieren oder verdrängen. Ein therapeutischer Berater kann dies aufdecken. Die Gesinnungsänderung ist ein Geschenk des Heiligen Geistes – wenn wir sie ernsthaft wollen.
„Lasst euch vielmehr im Innern von Gott umwandeln. Lasst euch eine neue Gesinnung schenken, dann könnt ihr erkennen, was Gott von euch will. Ihr wisst dann, was gut und böse ist und was Gott gefällt“ (Römer 12, 2).
II. Seele meint den ganzen Menschen
Leib und Seele sind nur verschiedene Aspekte des einen Menschen. Es gibt kein Lebendigsein ohne den Leib. Man kann nicht den Leib von der Ganzheit des Menschen trennen, um die „reinen Teile“, also Geist und Seele, zurückzubehalten.
Mensch sein heißt Leib sein,
Mensch sein heißt Seele sein,
Mensch sein heißt Geist sein.
In der Schöpfungsgeschichte heißt es unmissverständlich: „Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele“ (1. Mose 2,7). Was heißt das?
Der lebendige Odem wurde dem Menschen nicht in einen bestimmten Körperteil eingehaucht.
Die Seele sitzt nicht in einem unerklärlichen Teil unserer Persönlichkeit.
Der Mensch ist die lebendige Seele, und zwar vom Scheitel bis zur Sohle.
Nicht umsonst spricht das Alte Testament von Seelen, wenn sie Menschen meint. Die alte Luther-Übersetzung formuliert: „Und Gott sprach, das ist ein Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen uns und allen lebendigen Seelen …“ (1. Mose 9,12).
Dieser ganzheitliche Begriff hat sich bis in unsere Zeit hinein erhalten. Wir sagen: Der Ort hat 300 Seelen. Selbstverständlich ist hier nicht von körperlosen Wesen die Rede, sondern von Menschen aus Fleisch und Blut.
Die Bibel kennt keinen Dualismus von Leib und Seele. Beides gehört zusammen, denn körperliche Krankheiten werden hier stets auch als Störungen der Seele verstanden als Folge der Heillosigkeit unserer Welt.
Der Begriff „Seele“ (hebräisch = nefesch, griechisch = psyche) bezieht sich in der Bibel stets auf den ganzen Menschen, in allen Aspekten seines Lebens.
„Denn wer sein Leben (psyche) retten will, wird es verlieren …“ (Matthäus 16, 25).
Die Seele in Sprichwörtern
Der Mensch wird in seinem Seele-Sein von unterschiedlichen Gefühlen bewegt. Er wird
von Verzweiflung gequält,
von Trauer niedergedrückt,
von Hass überwältigt,
von Ehrgeiz heimgesucht,
von Freude übermannt und
von Wut und Zorn angestachelt.
Im Denken, Fühlen und Handeln reagiert der Mensch in und mit allen Gliedern. Das Seelenleben spielt in unserer Umgangssprache eine große Rolle. Seelisches wird in Sprichwörtern und Alltagsformulierungen gekennzeichnet.
Viele Redensarten bringen unser Seele-Sein zur Sprache:
„Er hat seine Seele ausgehaucht.“
„Nun hat die liebe Seele ihre Ruhe.“
„Er hat seine Seele dem Teufel verschrieben.“
„Zwei Menschen sind ein Herz und eine Seele.“
„Das ist eine Seele von Mensch.“
„Er hat mir das auf die Seele gebunden.“
„Er hat eine durstige Seele.“
„Das ist ein seelenloser Mensch.“
„Alkohol ist ein gefährlicher Seelentröster.“
„Der Ort hat 300 Seelen.“
„Lobe den Herrn, meine Seele!“
Seelisch krank?
Es ist heutzutage üblich, von seelisch bedingten Störungen und Krankheiten zu sprechen.
Wir hören:
„Das ist typisch seelisch!“
„Ganz eindeutig psychisch.“
„Der Mann/die Frau ist seelisch krank.“
Wenn wir nach biblischem Maßstab den Menschen jedoch ganzheitlich sehen, sind solche Bezeichnungen irreführend. In Wirklichkeit ist es nicht möglich, zwischen seelischen und körperlichen, zwischen psychischen und somatischen Symptomen eine klare Trennungslinie zu ziehen. Schlichte Beispiele machen das deutlich.
Wenn Sie Angst haben – und Angst ist in erster Linie ein so genanntes „psychisches Symptom“ –, dann reagiert der gesamte Organismus. Frederic Vester beschreibt in einem seiner Bücher, welche Reaktionen Angst hervorruft:
„Eine Assistentin hatte sich für ein Experiment zur Verfügung gestellt. Sie wusste nicht, was ihr, blühte‘. Das Studio war verdunkelt und sie wurde in einen typischen Angstzustand versetzt. Die körperliche Folge der Reaktion wurde gemessen. Sie war an ein EKG angeschlossen, der Blutdruck wurde kontrolliert und der Effekt der Nebennieren auf Herz und Kreislauf auf einem Schreiber registriert. Die Fettwerte des Blutes in der Angstreaktion wurden mit Kontroll-Blutproben verglichen. An einem Stahldraht befestigt, ließ man von der Decke im zunächst verdunkelten Raum eine lebende Riesenkrabbe von den Karibischen Inseln herunter. Ein aufgeblendeter Scheinwerfer machte das Tier sichtbar. Die Assistentin schrie wie am Spieß. Sie hatte so ein Tier noch nie in ihrem Leben gesehen. Auf dem Messstreifen wurde der Schock der Frau markiert. Die Gehirnwellen änderten sich schlagartig. Der Herzschlag hatte sich nach dem Schock radikal verändert. Der Puls war beschleunigt. Der Blutdruck war in kurzer Zeit von 120 zu 60 auf 180 zu 100 angestiegen. Die Adrenalinausschüttung durch die Nebennieren, die ebenfalls durch die Schockreaktion in Gang gesetzt wurde, bewirkte den Anstieg des Fettsäuregehaltes um 24 Prozent. Der Hautwiderstand war abgesunken und eine erhebliche Schweißabsonderung hatte durch die Angstzustände stattgefunden. Deutlich wird: Jede seelische Reaktion wie Angst, Wut und Depression äußert sich über den Körper.“1
Ein zweites eindrucksvolles Beispiel, das Erwartungsängste spiegelt, las ich bei Elisabeth Lukas, einer Schülerin von Viktor E. Frankl:
„Im großen Stil wurden derartige gefährliche Erwartungsphänomene unter anderem von dem israelischen Arzt Paul Schuger untersucht, der über ein Vorkommnis in Westjordanien zu berichten weiß, welches sogar die Weltgesundheitsorganisation in Genf beschäftigt hat. Begonnen hatte es damit, dass zwei Mädchen in einer Schule in Ohnmacht fielen. Irgendjemand gab daraufhin das unheilvolle Gerücht raus, das Trinkwasser sei vergiftet. Binnen weniger Tage mussten 946 Mädchen aus dieser Schule wegen Übelkeit und Leibschmerzen in Krankenhäuser eingeliefert werden, wo die Blut- und Urintests ergaben, dass sie kerngesund waren. Die Erwartung der Krankheit allein hatte genügt, die dazugehörigen Beschwerden zu erzeugen, obwohl das Trinkwasser tadellos war.“2
Beide Beispiele zeigen, wie irreführend die Begriffe „psychisch krank“ oder „somatisch krank“ sind. Leib und Seele sind untrennbar miteinander vereint. Wir dürfen sie uns nicht als abgrenzbare Bereiche vorstellen.