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Reinhold Haller

Die Entscheidung

Ein Ratgeberroman über akademische Berufswege

UVK Verlag · München

Umschlagabbildung: © Mananya Kaewthawee – iStock

Autorenfoto: privat

© UVK Verlag 2022

— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

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Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de

ISBN 978-3-8252-5805-4 (Print)

ISBN 978-3-8463-5805-4 (ePub)

Inhalt

  Vorwort

  Amisha

  Leos Sicht der Wissenschaft als Berufsfeld

  Leos zehn Gebote für angehende Wissenschaftler:innen

  Quo vadis: Promotion oder Desertation?

  Arbeit für die Wissenschaft oder in der Forschung?

  Amishas Plan zur Entdeckung der Wissenschaft

  Kevin: Doch nicht allein zu Haus

  Sarah: Im Dschungel der Wissenschaft

  Exkursion in die deutsche Wissenschaftsgeschichte

  Timo & #Hanna: Sie liebt mich – sie liebt mich nicht

  Viktoria: Sie will mehr als ihr Meer

  Marius: Ohne Gerangel gute Perspektiven in Aussicht

  Exkursion auf den Jahrmarkt der Selbsterkenntnis

  Tobias: Der Professor auf dem Mount Everest

  Exkursion zum Weg auf eine Professur

  Lisa: Konflikte vermeiden durch klare Erwartungen

  Leos Verständnis von Coaching

  Amishas Erkenntnisse

  Die Entscheidung

  Danksagung

  Amishas kleine Toolbox

  Begriffserklärungen

  Literaturempfehlungen

  Hilfreiche Internetseiten

  Index

  Über den Autor Dr. phil. Reinhold Haller Weitere Publikationen des Autors Kontakt

Vorwort

Jahr für Jahr steigen viele junge Menschen nach ihrem Studium voller Erwartungen und Enthusiasmus mit eigenen Ideen und herausfordernden Visionen in unser Wissenschaftssystem ein. Allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz stehen so aktuell allein etwa 230.000 junge Menschen in einem Promotionsverfahren beziehungsweise einem Doktoratsstudium. Viele weitere ziehen diesen Schritt gerade in Erwägung und andere junge Wissenschaftler:innen arbeiten nach ihrer erfolgreichen Promotion als aufstrebende PostDocs in Wissenschaft und Forschung.

Es ist gut, dass so viele junge Menschen an einer beruflichen Zukunft im Wissenschaftsumfeld interessiert sind. Schließlich braucht die Forschung in Europa und der Welt den beständigen Nachwuchs von klugen, mutigen, begeisterungsfähigen und wissensdurstigen Frauen und Männern.

Wenn diese jungen Talente nach ihrem Eintritt den Wissenschaftsbetrieb zunehmend näher kennenlernen, erkennen sie jedoch neben den verlockenden Aussichten und Chancen zunehmend ebenso die speziellen Bedingungen, Hürden, Herausforderungen sowie die möglichen Risiken einer Berufswahl im Wissenschaftsbereich.

So verwundert es Insider kaum, dass in einer 2019 durchgeführten Befragung von Doktorand:innen aus der Leibniz-Gemeinschaft vier von zehn der Befragten aus unterschiedlichen Gründen angaben, aktuell oder zwischenzeitig an einen Abbruch ihrer Promotion gedacht zu haben. In anderen Forschungsverbünden oder -institutionen dürfte dies vermutlich kaum anders sein.

Alle jene, die nach ihrer Promotion in der Wissenschaft verbleiben, müssen sich schließlich irgendwann vergegenwärtigen, dass über 80 Prozent der sogenannten PostDoc-Stellen zeitlich befristet sind. Eine solide und verlässliche Berufsperspektive ist damit – anders als in anderen Berufszweigen – für die meisten Aspirant:innen kaum möglich.

Dennoch: Menschen, die wissen, was sie im Wissenschaftsbetrieb erwartet und die ihre Potenziale und Aussichten realistisch einschätzen, haben im Forschungsumfeld durchaus die Möglichkeit, sich zu entwickeln, zu entfalten und nachhaltig erfolgreich zu werden. Für sehr viele andere bietet sich nach einem „Gastspiel“ in der Forschung zudem die Option, außerhalb des Wissenschaftsbetriebs ihr Glück zu finden; sei es in der Wirtschaft, Industrie sowie in der Freiberuflichkeit. Oder aber sie entscheiden sich, ihre Talente und Fähigkeiten im vielfältigen Bereich des Wissenschaftsmanagements einzusetzen.

Wohin die Reise auch immer gehen mag: Wichtig ist in jedem Fall, sich auf den Wissenschaftsbetrieb richtig einzustellen. Um eine Metapher zu bemühen: Wer in ein fernes, fremdes Land reisen möchte, ist gut beraten, sich vor Antritt der Reise mit den Sitten, Gebräuchen, Regeln, Gesetzen und speziell mit den Gefahren des jeweiligen Gastlandes auseinanderzusetzen. Das gilt besonders dann, wenn man in Erwägung zieht, in diesem Land möglicherweise sesshaft zu werden.

Nichts anderes kann man alle jenen empfehlen, die nach ihrem Masterstudium mit einem zunächst temporären oder dauerhaften Aufenthalt im Bereich Wissenschaft und Forschung liebäugeln. Ein umfängliches Wissen über das, was einen an seinem Zielort erwartet, schützt vor überhöhten Ansprüchen, Enttäuschungen und Stolperfallen.

Dieses Buch möchte deshalb einerseits Werbung machen für eine temporäre und im Erfolgsfall andauernde Tätigkeit in Wissenschaft und Forschung. Andererseits soll es ebenso aufzeigen, mit welchen „Nebenwirkungen“, Herausforderungen und Begleitumständen der Aufenthalt oder die Karriere im Forschungsumfeld verbunden sein kann.

Aufschlussreich sein dürften diese Ausführungen ebenso für Angehörige von Menschen, die bereits in den verschiedenen Positionen im Wissenschaftsumfeld arbeiten oder zukünftig arbeiten wollen. Die Schilderungen in diesem Roman könnten ihnen helfen zu verstehen, was diesen spannenden und faszinierenden Berufszweig auszeichnet und mitunter so speziell macht.

Nach über 30 Jahren der Arbeit im und für den Wissenschaftsbetrieb war es mir ein Bedürfnis, meine Erfahrungen einem breiteren Publikum darzulegen. In all diesen Jahren ist mir das Tätigkeitsfeld Wissenschaft und Forschung nicht nur vertraut geworden. Nach wie vor bin ich fasziniert von der Innovationskraft, Kreativität, Zukunftsorientierung und dem fassettenreichen Bemühen der Wissenschaftler:innen, sich mit neuen Erkenntnissen einzusetzen für eine nachhaltige Umwelt, die Gesundheit der Bevölkerung, die Biodiversität unseres Planeten oder andere wichtige Aspekte, Fragen und Ziele der Menschheit.

Bei aller Faszination und Achtung vor der „Community“ der Forscher:innen, Wissenschaftler:innen und deren Institutionen erlebte ich als Spross des Wissenschaftssystems, als aufmerksamer Beobachter und als Berater und Coach darüber hinaus aber durchaus einige systemimmanente Probleme, die spezifischen Tücken, Widersprüche sowie die Hindernisse und Fallstricke, die jedem System innewohnen – auch dem der Wissenschaft.

 

Typische solcher Herausforderungen werden in diesem Roman durch verschiedene Protagonisten dargestellt. Dabei sind diese Personen – wie es sich für einen Roman gehört – fiktiv und frei erfunden. Die Lebensläufe der hier beschriebenen Fallbeispiele sind also sämtlich konstruiert; wenn auch in durchaus realen Szenarien und Kontexten. Vermutete Ähnlichkeiten der hier dargestellten Figuren mit realen oder gar lebenden Menschen wären dennoch durch die Konstruiertheit der Hintergründe, Namen, der lokalen Schauplätze und Biographien absolut zufällig und nicht beabsichtigt.

Die Situationen, Gedanken, Schilderungen und Schlussfolgerungen der hier präsentierten Wissenschaftler:innen sind dennoch durchaus idealtypisch und mit den beschriebenen Themen und Bezügen in Beratungs- und Coachingsituationen im Forschungsumfeld häufiger anzutreffen.

Diese Ausführungen wurden erzählerisch strukturiert und damit als Roman gestaltet. Der Anspruch liegt dabei nicht etwa darin, ein literarisches Meisterwerk zu schaffen, das Eingang finden soll in die Sphären der Weltliteratur. Ebenso wenig ist diese Abhandlung gedacht als Trivialroman oder Heldenepos, die üblicherweise etwa mit einem Nobelpreis enden würden oder mit der erfolgreichen Rettung der Welt.

In Abgrenzung zu einem reinen Sachbuch wurde mit diesem Format vielmehr eine unterhaltsame und lebendigere Form gewählt. Mit der Darstellung von Dialogen zwischen wirklichkeits- und lebensnahen Personen sollen die beschriebenen Hintergründe, Lebensläufe und Einblicke so lebendig, anschaulich und realitätsnah erscheinen, wie sie es im wahren Leben tatsächlich sind.

Ich wünsche mir, dass dieser als kurzweilige Erzählung konzipierte Ratgeber trotz der beschriebenen Rahmenbedingungen in diesem Berufsfeld vielen Menschen Mut macht für den Eintritt in die spannende Welt von Wissenschaft und Forschung.

All jenen, die bereits Teil des Wissenschaftssystems geworden sind, soll er eine Hilfe sein, die persönlich bestmöglich passende Rolle und Aufgabe in der akademischen Berufswelt zu finden.

Bei der Teilhabe an Amishas Entdeckungen, ihren Fragen, Hypothesen, ihrer Erkenntnisgewinnung und ihrer finalen Entscheidungsfindung wünsche ich allen Leser:innen eine ebenso kurzweilige wie informative Lektüre.

Berlin, im Frühjahr 2022 Reinhold Haller

Amisha

Amisha Borchert saß auf einer Bank in einem etwas abgelegenen Bereich des Waldfriedhofes Dahlem am südwestlichen Stadtrand Berlins. Es war Mitte Mai und der Friedhof prahlte mit sattem Grün der zahlreichen Bäume und Sträucher. Die Anlage wirkte durch ihren alten Baumbestand eher wie ein weitläufiger Park. An diesem sonnigen Tag spendeten hier die hohen Fichten und Kiefern den bereits zur Mittgaszeit willkommenen Schatten.

Amisha zog es immer wieder hierher, wenn sie etwas zu überdenken hatte und einen Ort der Ruhe und Entspannung brauchte. Hier gab es keinen Andrang, Verkehr oder Lärm. Am Rand des Parks vernahm man nur Vogelgezwitscher, einige wenige, mit Gießkannen und kleine Harken ausgestattete Besucher und nur ein wenig Hintergrundrauschen der abseits liegenden Clayallee. Genau das mochte Amisha grundsätzlich an Berlin: Die Vielzahl und den Facettenreichtum der vielen kleinen und größeren grünen Inseln und Oasen mitten in dieser vielerorts wuseligen und meist rastlosen Stadt.

Anders als viele andere Menschen fand Amisha Friedhöfe dieser Art weder unheimlich noch makaber. Dass hier lauter zu Lebzeiten vermeintlich unverzichtbare Menschen ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten, störte sie nicht. Und schließlich störten umgekehrt die Bewohner dieser Nekropole sie selbst in keiner Weise – im Gegenteil. Sie teilte sich ihren vorübergehenden Zufluchtsort immerhin mit einigen prominenten Literat:innen, Politiker:innen und Wissenschaftler:innen, deren Wirken oder Werke sie mitunter sogar kannte und deren Andenken sie schätzte. Warum also sollte sie diese Umgebung als störend empfinden? Ein Friedhof war schließlich, nicht nur dem Namen nach, ein Hort des Friedens und der Ruhe. Hier fand sich vielmehr eine wohltuende Atmosphäre und Stimmung; insbesondere für Menschen wie Amisha, die seit fünf Jahren mit ihrem Freund Sinan im turbulenten und lärmenden Stadtteil Kreuzberg lebte.

Amisha war die Tochter der aus Indien stammenden Übersetzerin Saira und dem deutschen Anästhesisten Ben Borchert, der vor Amishas Geburt bei der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen für zwei Jahre in Rajasthan tätig war. Dort hatten sich ihre Eltern kennengelernt und nach einer kurzen Etappe im Ruhrgebiet hatte das Paar ein Jahr vor dem Fall der Mauer in Berlin seine neue Heimat gefunden. Mit ihrem jüngeren Bruder Niko und der gleichfalls jüngeren Schwester Rojana wuchs Amisha im beschaulichen Berliner Ortsteil Friedenau auf.

Nach dem Abitur und einem Freiwilligen Sozialen Jahr studierte Amisha an der Technischen Universität Berlin Medienwissenschaft. Seit Kurzem war sie nun mit ihrem Master of Arts, nahezu zeitgleich mit ihrem 24. Geburtstag, frischgebackene und stolze Hochschulabsolventin.

Da sie als Gasthörerin an einigen Veranstaltungen unterschiedlicher Institute der Freien Universität Berlin teilgenommen hatte, kannte sie den Stadtbezirk Dahlem und damit ihren aktuellen Aufenthaltsort recht gut. Immerhin war das ruhige Dahlem nicht nur ein historischer Berliner Wissenschaftsstandort, sondern seit der Nachkriegszeit der zerstreute und weitläufige Campus der Freien Universität Berlin. Zudem ist Dahlem der Gründungsort der im Forschungsumfeld weltweit renommierten Max-Planck-Gesellschaft mit den ursprünglichen Wohngebäuden und Wirkungsstätten zahlreicher Nobelpreisträger.

So ist dieser ursprünglich ländliche Ort durchzogen von historischen und neueren Instituts-, Lehr- und Verwaltungsgebäuden, Mensen, Bibliotheken und den zahlreichen, bereits vor etwa einhundert Jahren angelegten kleinen Parks und Grünflächen. Dahlem war für Amisha zudem ein guter Ausgangspunkt, um auf dem Weg zum Parkfriedhof mit dem Fahrrad bei ihren Eltern im nahegelegenen Friedau einen kurzen Stopp einzulegen, um sich dort als Proviant ihre kleine Thermosflasche mit frischem Kaffee zu füllen.

Für Amisha stellte sich aktuell die Frage, was sie mit dem erfolgreichen Abschluss ihrer universitären Ausbildung nun anfangen wollte. Genau diese Frage hatte sie, ausgestattet mit ihrem Notizbuch, einem Stück Nusskuchen und ihrer kleinen Thermosflasche voller Milchkaffee zu ihrer Parkbank auf dem Waldfriedhof Dahlem verschlagen. Heute wollte Amisha noch einmal systematisch und konzentriert darüber nachdenken, wie sie ihre nähere berufliche Entwicklung gestalten wollte.

Ihr Studium hatte ihr viel Freude bereitet und die Zeit wie im Fluge vergehen lassen. Der Lernstoff im Bereich Medienwissenschaft war interessant und relevant, mit vielen praktischen Bezügen und Übungen angereichert und ihre Dozent:innen und Hochschullehrer:innen hatte sie mehrheitlich als sehr inspirierend empfunden.

Nach einem studienbegleitenden Praktikum hatte sie sich im Wahlpflichtbereich auf das Thema Wissenschaftskommunikation spezialisiert. Hier konnte sie sich dafür begeistern zu lernen, wie es gelingen kann, Fragestellungen, Hypothesen, Erkenntnisse und Methoden der modernen Wissenschaft interessant und verständlich einem größeren Anteil der Bevölkerung näherzubringen.

Zudem hatte Amisha innerhalb und außerhalb ihres Studiums einige Wissenschaftsjournalist:innen und -moderator:innen kennengelernt. Dazu gehörten etwa Ranga Yogeshwar, Harald Lesch und die mit ihren Sendungen und ihrem Blog in den letzten Jahren kometenhaft aufgestiegene Mai Thi Nguyen-Kim.

Wie andere Vertreter:innen dieses Berufszweiges hatten diese Galionsfiguren des Faches Wissenschaftskommunikation selbst erfolgreich in verschiedenen Bereichen der Naturwissenschaften studiert und promoviert. Irgendwann später hatten sie dann ihre außergewöhnliche Begabung entdeckt, komplizierte Details, komplexe Bezüge oder scheinbar trockene Fakten und Zahlenwerke derartig interessant, lehrreich und so kurzweilig zu präsentieren, dass ihre Zuschauer:innen gefesselt und bereichert zurückblieben.

Amisha wusste, dass dieses Talent der Kommunikation und Wissensvermittlung nicht allen Vertretern der wissenschaftlichen Gemeinschaft gegeben war. Genau deshalb hatten die meisten wissenschaftlichen Institutionen schließlich eine eigene Abteilung oder Stabstelle Kommunikation, die mit der Aufgabe betraut war, trockene Daten in verständliches oder gar faszinierendes Wissen zu verwandeln. Amisha konnte sich sehr gut vorstellen, genau dies zukünftig später einmal in verantwortlicher Position zu tun.

Andererseits hatte sie sich im Studium unter anderem mit großem Interesse der Journalistik verschrieben, also den wissenschaftlichen Aspekten des Journalismus. Ihrer empirischen Bachelorarbeit hatte sich Amisha mit Fleiß und Eifer gewidmet und als Ergebnis ein glattes „sehr gut“ eingeheimst. Das Thema ihrer Arbeit lautete: „Der Stellenwert von ‚Fake News‘ in der deutschen Online-Berichterstattung. Eine vergleichende Analyse“.

Bei der Arbeit hieran spürte sie, dass sie nicht nur die praktischen journalistischen Tätigkeiten reizten, sondern ebenso die theoretischen und wissenschaftlichen Aspekte der wissenschaftlichen Journalistik. Der betreuende Hochschullehrer ihrer Masterarbeit hatte ihr Talent gesehen und insofern gewürdigt, als dass er ihr nach ihrer Masterarbeit eine Doktorand:innenstelle am Institut für Sprache und Kommunikation anbot. Hier könne sie – so sein Versprechen – forschen, promovieren, Forschungsmittel einwerben, publizieren und später selbst vielleicht einmal im wissenschaftlichen Umfeld ihre berufliche Heimat und Zukunft finden.

Wofür sollte sie sich nun entscheiden?

Zu allem Überfluss gab es da noch eine weitere Alternative: Onkel Leo. Ihr Patenonkel war für sie eine zusätzlich Inspirationsquelle. Er war als Berater, Trainer und Coach freiberuflich tätig und hatte seinen Tätigkeitsschwerpunkt seit vielen Jahren auf das wissenschaftliche Umfeld konzentriert.

Leo führte seine Geschäfte von seinem Wohnsitz aus. In einer ruhigen, grünen Seitenstraße unweit des Wohnortes ihrer Eltern hatte er einen Teil seiner Altbauwohnung als Besprechungs- und Beratungsraum eingerichtet. Von hier aus organisierte er Beratungen, Coachings, Vorträge, Workshops und Trainings und war seit mehr als 20 Jahren als Freiberufler sein eigener Herr.

In vielen Gesprächen, auf Familientreffen sowie durch die Lektüre seiner Publikationen und der Analyse seiner Medienauftritte hatte sich Amisha ein Bild gemacht vom Arbeitsgebiet ihres Onkels. Sie empfand eine derartige Position und Tätigkeit als sehr interessant und attraktiv. Schließlich gab es im Wirkungsbereich ihres Onkelns viele Überschneidungen mit den ihr vertrauten Themenfeldern wie Kommunikation, Erkenntnisgewinnung und -vermittlung, Orientierungshilfe, Erweiterung des Wissens und der Bewusstwerdung mitunter verdeckter Zusammenhänge. Dies und anderes mehr erschien ihr als die andere Seite der Medaille, die sie in ihrer Studien- und Praktikumszeit im Umfeld des großen Bereichs Kommunikationswissenschaften erlebt hatte.

Eine Weiterbildung im Bereich Coaching oder Mediation, so meinte Amisha, würde ihr Wissen und ihre Fähigkeiten wunderbar abrunden. Schließlich ging es in diesen Disziplinen, wie auch in ihrem vertrauten Fachgebiet, um Kommunikation, Moderation und die Kunst der Veranschaulichung, also die herausfordernde Aufgabe, scheinbar Komplexes und Kompliziertes verständlich werden zu lassen.

Amisha nahm Stift und Notiztext und notierte auf der ersten freien Seite:

Meine Berufswünsche/-optionen:

 Arbeit als (Wissenschafts-)Journalistin in der Medienlanschaft

 Arbeit als Wissenschaftlerin in der Wissenschaft (Journalistik)

 Weiterbildung-/Aufbaustudium zu den Themen Beratung, Coaching und Mediation.

Gedankenverloren markierte sie hinter jeder ihrer Optionen mehrere Fragezeichen und schaute ein wenig entrückt auf ein Wildtaubenpaar, das in einiger Entfernung in einem Baum mit dem Nestbau begonnen hatte.