Umfang 33 Seiten
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Über das Buch
Der Wind war anders hier.
Kälter. Leiser.
Er trug keine Geräusche mehr, keine Vögel, kein Leben – nur das Flüstern des Schnees, der über den Boden zog wie grauer Staub.
Keller und Lukas stapften durch die Ebene, die man früher das Heilige Tal nannte. Jetzt war sie nur noch ein Schatten dieser Bezeichnung – verbrannt, versteinert, tot.
Hinter ihnen lag Altdorf, still, als hätte es nie existiert. Vor ihnen ragte Elenmoor aus der Erde wie ein schwarzer Zahn.
"Das sieht nicht aus wie ein Kloster", sagte Lukas.
"Weil es keins mehr ist." Keller blieb stehen.
In der Ferne erhob sich ein Bauwerk, das halb Festung, halb Kathedrale war. Türme, geborsten, Dächer, eingestürzt. Doch aus einem der Fenster glomm Licht – kalt und unbeweglich.
"Wer lebt da?"
Keller antwortete nicht. Er spürte es: Dieses Licht war kein Zeichen von Leben. Es war ein Ruf.
Je näher sie kamen, desto schwerer wurde die Luft. Lukas atmete stoßweise. «Das riecht nach… Eisen.»
"Blut", sagte Keller. «Alteres Blut.»
Vor ihnen begann der Pfad – gepflastert mit geborstenen Grabplatten.
Jede trug ein Symbol.
Ein Kreuz.
Ein Ring.
Und drei Punkte – in einem Kreis.
"Die Siegel der Wächter", murmelte Keller.
"Die, die das Gleichgewicht halten?"
"Nicht mehr", antwortete Keller. «Irgendjemand hat das Gleichgewicht längst zerbrochen.»
