Der Samurai-Manager

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Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit

Ein nicht näher genannter japanischer Dichter des Mittelalters schreibt: Sei dir selbst treu. Wenn du in deinem Herzen nicht von der Wahrheit abweichst, werden dich die Götter auch ohne dein Gebet beschützen.18

Lüge und Zweideutigkeiten wurden im alten Japan gleichermaßen verachtet: Bushi-no-ichi-gon (das Wort eines Samurai, um die Wahrheit einer Behauptung zu verbürgen). Sein Wort war von solchem Wert, dass auf schriftliche Bürgschaften gewöhnlich verzichtet werden konnte. Der Samurai hielt ein schriftliches Versprechen für unter seiner Würde. Die Wahrheit der Höflichkeit zu opfern, wurde als „leere Form“ (kyo-re) bezeichnet. Es wurde sogar als „Täuschung durch schöne Worte“ charakterisiert und galt als unehrenhaft.

Der Samurai hielt ein schriftliches Versprechen für unter seiner Würde.

Im japanischen Bushido wird immer vom Begriff der Aufrichtigkeit gesprochen, es wird interessanterweise niemals der Begriff Ehrlichkeit erwähnt. Ich denke, wir können mit beiden Begriffen gut umgehen und wissen, was gemeint ist. Ein Freund von mir ist Mitglied bei den Rotariern und war kürzlich bei einem Rotarier-Treffen in München. Es ging um die Themen „Werte im Management“ und „Werte im Allgemeinen“. Alle Teilnehmer hatten die Möglichkeit, zu Beginn auf ein Kärtchen einen Begriff aufzuschreiben, dessen Wertigkeit in ihrem eigenen Wertesystem besonders hoch ist. Die Kärtchen wurden in eine Box geworfen und anschließend ausgewertet.

„Ehrlichkeit“ war jener Begriff, der am häufigsten vorkam. Überrascht uns das? Warum geben wir der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit eine so große Bedeutung? Nun, die Medien sind voll von Korruptionsskandalen, Bestechungsaffären und Schmiergeldzahlungen. Sogenannte „Vorbilder der Nation“ entpuppen sich als Lügner und Betrüger. Rühmliche Dissertationen werden als Plagiate entlarvt und Politiker zum Rücktritt gezwungen. Wem kann man da noch Glauben schenken?

„Aufrichtigkeit ist der Knochen, der Festigkeit und Gestalt verleiht. Wie sich der Kopf nicht ohne Knochen auf der Wirbelsäule halten kann, wie die Hände ohne Knochen sich nicht bewegen und die Füße ohne sie nicht stehen können, so können weder Talent noch Gelehrsamkeit aus einer menschlichen Gestalt einen Samurai machen. Durch Aufrichtigkeit wird der Mangel an Fähigkeit bedeutungslos.“ (Inazo Nitobe) 19

Die Samurai bezeichnen die Aufrichtigkeit als den Zwillingsbruder der Tapferkeit. Gi-shi bedeutet im Japanischen so etwas wie „rechtschaffener Mann“. Im Laufe der Zeit wurde im Volksgebrauch aus Gi-shi der Begriff Gi-ri, was „rechte Vernunft“ bedeutet. Daraus entwickelte sich das rechte Pflichtgefühl und später einfach die Pflicht. Die Japaner verstehen heute unter Gi-ri die Pflicht, die wir unseren Eltern, Vorgesetzten, Untergebenen, Freunden und der Gesellschaft schulden. Ist es nicht so, dass uns die Pflicht das auferlegt, was uns die wahre Vernunft lehrt? Sollte sie nicht unser Handeln bestimmen und in einen kategorischen Imperativ münden?

„Gi-ri“ bedeutet die Pflicht, die wir unseren Mitmenschen und der Gesellschaft schulden.

Gi-ri bedeutet ursprünglich nichts weiter als „Pflicht“. Eigentlich sollte Liebe das Gefühl sein, das alle unsere Handlungen gegenüber unseren Eltern und Mitmenschen bestimmt. Wo sie fehlt, muss etwas anderes dafür einstehen, das kindliche Ehrerbietung erzwingt. Dieses Andere bezeichnen die Japaner eben als Gi-ri. Ein von Werten geprägter Japaner denkt, wenn die Liebe nicht zum richtigen Handeln und zu edlen Taten anspornt, muss der Verstand des Menschen zu Hilfe kommen und seine Vernunft geschärft werden, um ihn von der Notwendigkeit rechter Taten zu überzeugen. Dasselbe gilt für jede andere moralische Verpflichtung. In dem Augenblick, in dem die Pflicht als eine Last empfunden wird, muss die Vernunft hinzukommen, um zu verhindern, dass wir uns der Pflicht entziehen. Folglich ist Gi-ri ein strenger Lehrmeister, der mit der Rute in der Hand die Menschen aus der Komfortzone heraustreibt, ihren Teil beizutragen.

Wir leben in einer Zeit mit ständig härter werdenden Wettbewerbsbedingungen bei sinkenden Margen. Ist eine gewisse Schlitzohrigkeit nicht zu einer Selbstverständlichkeit geworden, um überhaupt noch konkurrenzfähig zu bleiben? Welchen Platz können realistischerweise Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in der täglichen Businessroutine einnehmen?

Ich bin davon überzeugt, dass ein Unternehmen heutzutage mehr denn je mit dem Engagement der Mitarbeiter steht oder fällt. Das Produkt ist austauschbar und die Produktzyklen werden immer kürzer. Selbstverständlich muss das Produkt marktgerecht sein. Aber auch die Innovation spielt eine tragende Rolle. Das beste und innovativste Produkt jedoch (ausgenommen Monopolstellungen) nützt uns nichts, wenn die Mannschaft nicht geschlossen hinter dem Unternehmen steht. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein positives Arbeitsklima und stimmige Rahmenbedingungen sich konstruktiv auf die Wertschöpfung der Mitarbeiter auswirken. Doch welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Aufrichtigkeit?

Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Beispiel aus meinem Alltag nennen: Ich habe in einer GmbH, an der ich beteiligt war, zusätzliche Geschäftsanteile übernommen. Dadurch wurde ich Mehrheitseigentümer. Hierfür war ein Notariatsakt erforderlich, gefolgt von einer Firmenbucheintragung und dem üblichen Procedere. Nach einigen Wochen war noch immer keine Rechnung vom Notar für seine Leistung gekommen. Ich beauftragte meine Sekretärin, in der Notariatskanzlei anzurufen, um sich nach der Rechnung zu erkundigen. Sie gab mir zur Antwort, ob ich das wirklich klug fände, denn vielleicht würde die Rechnung vergessen werden und wir könnten uns die nicht unerhebliche Summe sparen. Ich gab meiner Sekretärin zur Antwort, dass der Notar eine Leistung für uns erbracht und damit Anspruch auf sein Honorar hat, andernfalls würden wir in seiner Schuld stehen, und das könne ich auf keinen Fall verantworten. Sie schaute mich mit großen Augen an und war sichtlich überrascht.

Wie können wir von unseren Mitarbeitern Ehrlichkeit und Aufrich- tigkeit erwarten, wenn wir sie selbst nicht leben?

Hier gilt „go first“: Meister Oshima (9. Dan im Traditionellen Karate) hat gelehrt: You have to teach your students with your back!20 Er hat damit gemeint, dass die Schüler das Verhalten des Meisters annehmen, aber nicht nur das Verhalten der ihnen zugewandten Seite, sondern vor allem das der abgewandten Seite. Egal, wie gut man versucht die Dinge zu verbergen, die Mitarbeiter finden heraus, was Sache ist. Die Identifikation meiner Sekretärin mit meinem Unternehmen stieg enorm. Als wir uns für einen Standortwechsel auf die „grüne Wiese“ entschieden, nahm sie sogar einen wesentlich längeren Anfahrtsweg in Kauf. On the long run rechnet sich Aufrichtigkeit immer. Offenheit und Ehrlichkeit stärken das Vertrauen und geben den Mitarbeitern Sicherheit. Wenn sie sich sicher fühlen, können sie ihre Potenziale wesentlich besser entfalten und davon profitiert das Unternehmen nachhaltig.

Was hat es für einen Sinn, einem Handwerker oder einem Lieferanten, der eine ordentliche Leistung erbracht hat, die Rechnung sechs oder acht Wochen nicht zu bezahlen und dann, ohne dass es vereinbart war, zwei Prozent Skonto abzuziehen? Damit erzeugt man nur Krebsgeschwüre im eigenen Unternehmen. Den scheinbaren wirtschaftlichen Vorteil muss das Unternehmen durch Desorientierung und Demoralisierung der Mannschaft teuer bezahlen.

„In meinem Unternehmen haben Lieferanten und externe Dienstleister den gleichen Stellenwert wie Kunden.“

Der Konzern Hewlett Packard hat einmal den Begriff „Kunde“ sehr interessant definiert: Kunde ist derjenige, der von uns etwas braucht. Dies wurde speziell auf die interne Zusammenarbeit bezogen. Konkret heißt das: Wenn die Buchhaltung vom Vertrieb etwas benötigt, sieht der Vertrieb die Buchhaltung als Kunden. HP hat dies im Unternehmensleitbild integriert und dadurch die interne Zusammenarbeit und Qualität in der Kommunikation messbar verbessern können.

Der Dalai Lama hat in seiner Rede im Juni 2012 in der Stadthalle in Wien das Thema Umgang mit Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sehr schön erörtert. Seine Kernaussage war: Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit machen dich frei von Angst und Stress. Es gibt nichts, das du verbergen musst. Dein Gewissen ist sauber und frei, sodass die vorhandene Energie produktiv eingesetzt werden kann. Dieses Gefühl führt zu starkem Selbstvertrauen, und ein gesundes Selbstvertrauen ist die Basis für Erfolg.

Er erzählte, dass eine Frau ihm im Flugzeug auf dem Flug von Indien nach Österreich ein Bild von ihrem Sohn gezeigt und gesagt hatte, dieser sei geprägt von Hoffnungslosigkeit. Sie hatte die Bitte geäußert, er möge ihn segnen, und die Frage gestellt, was sie tun solle. Der Dalai Lama antwortete, dass dies speziell in der Jugend ein häufiges Symptom sei und sie möge ihm Selbstvertrauen geben. Und die Basis für Selbstvertrauen sei Ehrlichkeit. Sie solle in all ihrem Tun zeigen, dass sie es ehrlich meint. Langsam würde sie dadurch einen Nährboden für das Selbstvertrauen ihres Sohnes schaffen. Ein starkes Selbstvertrauen und gesundes Selbstbewusstsein lassen Angst, Zweifel, Eifersucht, Misstrauen usw. keinen Raum und daraus resultiert eine neue Perspektive und diese besiegt die Hoffnungslosigkeit.

 

Wir wollen von Natur aus nicht lügen und betrügen. Häufig haben wir jedoch Angst, die Wahrheit zu sagen. Angst davor, die Wahrheit könnte uns schaden.

Dies ist unumstritten auch in bestimmten Situationen der Fall, wenn dann noch die eigene Existenz und die Existenz der Familie auf dem Spiel stehen, überlegt man sich sehr wohl, was man sagt. Es steht einem ja auch immer die Möglichkeit offen, sich der Meinung zu enthalten.

Es geht bei diesem Thema primär nicht darum, sich mit Blauäugigkeit unnötig in Gefahr zu begeben, sondern um die Grundhaltung zum Thema Ehrlichkeit. Unser ursprünglicher Instinkt sagt uns auch, was richtig und nicht richtig, was gut und was schlecht ist. In tausenden von Gesetzestexten steht sogar niedergeschrieben, was rechtens ist und was nicht. Unser Zugang zu unserem natürlichen Instinkt ist jedoch häufig blockiert oder ganz verloren gegangen, stark beeinflusst von den Medien und dem Mainstream. Die Frage ist, wie finden wir wieder diesen Zugang zu unserem Inneren, zu unserem natürlichen Instinkt?

Nun, es gibt natürlich verschiedene Strategien und Wege dafür. Hidetaka Nishiyama behandelt dieses Thema über die Intuition. In seinen Trainings hat er immer wieder gelehrt: „Hartes Training führt zu hohem Selbstvertrauen, Selbstvertrauen führt zur stabilen Emotionen (Gelassenheit), und die Gelassenheit ist das Tor zur Intuition. Das Problem ist nur, dass viele Menschen nicht bereit sind, hart zu trainieren, sie wollen den einfacheren Weg gehen.“ Ich werde beim Kapitel „Intuition“ noch viel genauer auf diese Thematik eingehen. Intuition ist ein Kernthema in jeder Kunst und natürlich auch im Management.

Mut

In den „Analekten des Konfuzius“ (Lehrgesprächen) definiert dieser den Mut, indem er – wie es seine Art ist – das Gegenteil erklärt: „Bemerken, was recht ist, und es nicht zu tun, beweist Mangel an Mut.“21 Anders ausgedrückt: Mut heißt, das tun, was recht ist – und zwar mit aller Entschlossenheit und Konsequenz. Sich allen möglichen Gefahren auszusetzen, sein Leben zu riskieren, dem Tod ins Auge zu schauen, etwas ohne einen tieferen Sinn oder höheres Ziel zu verfolgen, war selbst im alten Japan kein Zeichen von Mut. Dieses Verhalten wurde „der Tod eines Hundes“ genannt. Zu leben, wenn es recht ist, zu leben und nur dann zu sterben, wenn es recht ist zu sterben, das war Mut. Wer von den heutigen Managern kann von sich aus ruhigen Gewissens behaupten, er besäße Mut? Wer von den Entscheidern gesteht sich zu, er handelt immer rechtens?

Manager haben häufig Angst: Angst um ihre Karriere, Angst um ihren Job, Angst, den Wohlstand zu verlieren.

Diese Angst lähmt und dann beginnt man zu taktieren. Es gibt Studien, die belegen, dass ein Manager, wenn er länger als vier Stunden keinen Anruf oder eine elektronische Nachricht erhält, bereits Angst um seinen Job hat! Er denkt, er sei der unwichtigste Mensch auf diesem Planeten und beginnt zu grübeln. Dieses Verhalten ist krank und völlig destruktiv.

Doch woher kommt diese Angst? Die meisten Manager haben doch eine exzellente Ausbildung und ein reichhaltiges Wissen.

Primär ist es der Mangel an Selbstvertrauen, der den Führungskräften Angst macht.

Ich habe in meiner mehr als zwanzigjährigen Tätigkeit als Unternehmensberater und Personalentwickler häufig meinen Kunden die Frage gestellt, wie man in ihrem Unternehmen Führungskraft wird. Ich habe darauf die erstaunlichsten und durchaus auch amüsante Antworten bekommen. In den seltensten Fällen wurde ein sauberes Jobprofil für die jeweilige Position erstellt und dann durch ein valides Verfahren abgebildet, welcher der Probanden sich gemäß seiner Fähigkeiten am ehesten für diese Position eignet. Viel häufiger war es so, dass langjährige, meist gut gediente Mitarbeiter in diese Position aufrückten oder, was noch viel häufiger der Fall war, dass durch entsprechend gute Beziehungen und Networking völlig ungeeignete Personen die Karriereleiter nach oben kletterten.

Hat man einmal diese Liga erreicht, geht es vorrangig darum, die Position abzusichern. Das Dilemma ist dann jenes, dass der Fokus nicht mehr darauf ausgerichtet ist, wie man einen guten Job macht, sondern dass man nur noch daran denkt, wer einem gefährlich werden kann und wer dienlich ist.

Jetzt beginnt das Spiel des Taktierens: Gute Ideen eines Kollegen, innovative Vorschläge einer anderen Abteilung werden eliminiert und bereits im Keim erstickt. Der Grund dafür ist wiederum Angst – Angst davor, jemand könnte besser sein und dadurch die eigene Position gefährden.

Es gibt zu viele Schwätzer und Wichtigtuer!

Ich habe in großen Unternehmen nur allzu oft erlebt, dass für wirklich unfähige Mitarbeiter Führungspositionen geschaffen wurden, welche für das Unternehmen keine Wertschöpfung darstellten. Und das aus dem alleinigen Grund, dass es sich bei diesen Personen um gute Netzwerker gehandelt hat, die sich schlicht und ergreifend nur gut verkauft haben. Ein guter Freund von mir, der im Management eines Weltkonzerns arbeitet, sagte einmal zu mir: „Es gibt nur zwei Arten von Menschen, die Macher und die Schwätzer.“ Und er hat Recht. Es gibt speziell in der Beraterbranche zu viele Schwätzer und Wichtigtuer.

Ich wurde vor einigen Jahren von der Universität Wien zu einer Fachdiskussion zum Thema „Aus- und Weiterbildung für Erwachsene“ eingeladen. Dort wurde die Zahl von mehr als 2000 Unternehmen genannt, die sich alleine in Österreich mit Personalentwicklung beschäftigen. Ich bin aber davon überzeugt, dass weniger als einhundert damit wirklich Geld verdienen. „Verdienen“ im wahrsten Sinne des Wortes. Wir brauchen Manager mit Mut, die konsequent das tun, was zu tun ist – und zwar ohne zu zögern und zu taktieren.

„Ein Manager, der nicht bereit ist, jeden Tag seinen Job zu verlieren, ist kein guter Manager.“

Diese Aussage mag im ersten Moment unverantwortlich erscheinen, insbesondere in Zeiten der Wirtschaftskrise. Wenn dann auch noch Familienverantwortung dazukommt, mag dies sogar als grob fahrlässig betrachtet werden.

Dennoch bleibe ich bei meiner Aussage: Ein Manager, der das tut, wovon er überzeugt ist, und das Unternehmen voranbringt, wird Erfolg haben und so seinen Job absichern. Ein Manager, der sich jeden Abend selbst die Frage stellt, was er morgen besser machen kann als heute, und sich stark von seiner Intuition führen lässt, entwickelt sich hervorragend. Vor allem entwickelt er Selbstvertrauen, das er auch ausstrahlt. So holt er die Leute, die er braucht, ins Boot und legt den Grundstein für nachhaltigen Erfolg.

Nishiyama Sensei hat mich gelehrt: „Im Zen heißt es: ‚Wenn du gehst, dann geh, wenn du sitzt, dann sitze, aber wackle nicht.’“ Das, was man tut, ganz tun, also keine Halbherzigkeiten. Ein Samurai, der halbherzig in den Kampf ging, war schon so gut wie tot. Allein das Zögern war bereits sein Todesurteil. Deshalb war die Entschlossenheit eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Samurai im Kampf. Wir, speziell in Österreich, halten uns an das Motto: „Schauen wir einmal.“ Schauen wir einmal, wie sich das Ganze entwickelt, wie sich die Rahmenbedingungen darstellen. Aber mit „Schauen wir einmal“ werden wir keine Schlacht gewinnen.

Im Karatetraining legen wir einen ganz starken Fokus auf die Entschlossenheit. Mein Meister Hidetaka Nishiyama hat immer gesagt: „Auf keinen Fall zögern, Fehler sind erlaubt, aber zögern ist der sichere Tod: you feel. you go.“ Daher habe ich sie auch zum Slogan des Samurai Managers gewählt. Diese vier Wörter haben eine sehr tiefsinnige Bedeutung.

Immer wenn man das Gefühl hat, etwas tun zu müssen, dann soll man es auch tun.

Beim Karatetraining auf höherem Niveau geht es weniger um die Technik, die hat man schon jahrelang geübt, sondern vielmehr um das Timing. Wenn man eine Chance beim Gegner sieht, ist es meist zu spät. Man muss die Chance für den Angriff spüren und dann entschlossen und ohne einen Bruchteil einer Sekunde zu zögern angreifen. Dieses Gespür lässt sich 1 : 1 in das Geschäftsleben umsetzen und macht einen Manager zum Samurai Manager.

Zivilcourage

Es war auf einer Geschäftsreise mit dem Zug von Wien nach Salzburg. Es war Ferienzeit und der Zug war überfüllt. Ich entdeckte auf einer Zweierbank noch einen freien Sitzplatz. Daneben saß ein Herr Mitte zwanzig und hatte seine Tasche auf dem Nebensitz abgestellt. Ich fragte höflich, ob denn der Platz neben ihm noch frei sei. Er verneinte und gab mir zur Auskunft, der Fahrgast sei gerade im Speisewagen und komme bald zurück. Ich dachte mir nicht viel dabei und bemühte mich um eine andere Sitzgelegenheit. Ich hatte Glück, denn zwei Abteile weiter fand ich noch einen freien Platz. Ich packte meinen PC aus und begann zu arbeiten.

Ich konnte die beiden Plätze, wo ich zuerst nach einem freien Platz gefragt hatte, gut einsehen. Da die Plätze im Zug knapp waren, fragten auch andere Gäste, ob denn der besagte Sitz noch frei sei. Dies wurde mit derselben Begründung wie bei mir verneint. Da nach mehr als einer Stunde der Fahrgast, der im Speisewagen sein sollte, immer noch nicht erschienen war, wurde ich misstrauisch und beobachtete die Situation noch etwas genauer. Schließlich kam eine hochschwangere Frau vorbei und bat um eine Sitzgelegenheit. Auch ihr wurde der Platz verwehrt. Kurz vor Salzburg (nach fast drei Stunden Fahrzeit) war es offensichtlich, dass es den besagten Fahrgast im Speisewagen gar nicht gab. Der andere Fahrgast belegte also zwei Sitzplätze während weitere Gäste stehen mussten. Ich fand dieses Verhalten völlig inakzeptabel. Doch wie verhält man sich in einer solchen Situation? Soll man sich in Dinge einmischen, die einen gar nichts angehen? Meine Intuition sagte mir, ich müsse handeln.

Ich stand kurz vor Salzburg auf, begab mich zum besagten Abteil und hielt dem Mann einen nicht näher identifizierbaren Ausweis vor die Nase und sprach ihn an: „Grüß Gott, ich bin von der diskreten Zugaufsicht und Sie wurden ab Wien beobachtet, wie Sie zwei Plätze blockiert haben. Mehrere Fahrgäste, darunter auch ein schwangere Frau, wollten hier Platz nehmen, was Sie verhinderten, indem Sie vorgaben, es käme noch ein anderer Fahrgast aus dem Speisewagen umgehend zurück, was sagen Sie dazu?“

Sein Gesicht lief hochrot an und er versuchte mit zittriger Stimme, das Ganze abzuschwächen beziehungsweise zu leugnen. Worauf ich antwortete: „Wir haben eine Kameraüberwachung im gesamten Zug (ich zeigte auf die Monitore, welche Auskünfte über die Fahrt gaben), wenn Sie versuchen zu leugnen, lassen wir die Videos auswerten und das Ganze wird eine Sache fürs Gericht. Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten: Sie bezahlen für den widerrechtlich blockierten Sitzplatz, indem Sie eine zweite Karte kaufen, oder wir nehmen ihre Personalien auf. Sie verlassen in Salzburg den Zug und bekommen ein generelles Fahrverbot. Wir sind auf Fahrgäste wie Sie nicht angewiesen. Bevor Sie sich für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden, sagen Sie mir noch bitte, wie es Ihnen dabei geht, einer werdenden Mutter den Sitzplatz zu verweigern, damit Sie sich breitmachen können?“ In dem Moment war der Mann sprachlos, tief beschämt und brachte keinen Laut heraus. Ich beendete das Gespräch, indem ich sagte: „Denken Sie über Ihr Verhalten nach, und sagen Sie mir dann, für welche der beiden Varianten Sie sich entschieden haben!“ Ich ging dann in einen anderen Waggon und stieg am Hauptbahnhof in Salzburg aus.

Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.

Ich konnte einfach nicht zusehen, wie so ein menschenverachtendes Verhalten gelebt wurde und niemand davon Notiz nahm, geschweige denn ihm Grenzen aufzeigte. Ich hatte im Anschluss an diese Aktion ein gutes Gefühl und war davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben.

 

In einem Seminar sprach mich ein Teilnehmer an, nachdem ich diese Anekdote erzählt hatte, dass er das Einschreiten gut fände, jedoch wäre darin doch eine Lüge verpackt gewesen. Was ist nun wichtiger: Mut oder Ehrlichkeit? Ich war sehr froh über diese Frage, und sie schien mir auch berechtigt. Natürlich war ich nicht von der „diskreten Zugaufsicht“, ich weiß gar nicht, ob es eine solche gibt. Ich denke, in diesem Fall heiligte der Zweck die Mittel. Das Ziel war es, jemanden, der ein unrechtes Verhalten an den Tag gelegt hatte und noch dazu auf Kosten anderer, in die Schranken zu weisen. Die „Lüge“, die ich beim Einstieg in das Gespräch verwendet hatte, war nicht eigennützig gewesen und brachte mir keinen Vorteil. Sie gab mir aber die Legitimation, für das Recht einzustehen, ohne als Wichtigtuer dazustehen. Insofern kann ich mein Verhalten und meine Vorgehensweise gut mit meinem Gewissen vereinbaren, und ich würde jederzeit wieder so oder so ähnlich handeln.

Mut lohnt sich!

Mut führt zu Erfolg, insbesondere dann, wenn man viel selbst bestimmen kann. Eine mutige Entscheidung, bei der Sie auf die wesentlichen Parameter durch Leistung und persönliches Engagement großen Einfluss haben, bringt Sie Ihrem Ziel näher. Es war in meiner Anfangsphase als Unternehmensberater und Managementtrainer Ende der 1990er-Jahre. Ich hielt für eine Reisebürokette in Salzburg ein Verkaufstraining. Ich bekam ein erstklassiges Feedback und war motiviert nach diesem Tag. Während des Tages erfuhr ich, dass das Unternehmen eine Bürogemeinschaft mit einer renommierten Werbeagentur hatte. Als ich meine Unterlagen zusammenpackte und das Büro verlassen wollte, stand ich vor der Eingangstür dieser Werbeagentur und dachte mir, es wäre einen Versuch wert, mich kurz vorzustellen. Mutig betrat ich das Büro und erkundigte mich, ob einer der Geschäftsführer im Hause sei und kurz zu sprechen wäre. Die Dame am Empfang fragte, ob ich einen Termin hätte und in welcher Angelegenheit ich vorsprechen möchte. Ich erklärte ihr, dass ich soeben ein Verkaufstraining durchgeführt hatte und mir berichtet worden war, dass ihre Werbeagentur mit diesem Reisebüro eng zusammenarbeite. In diesem Zusammenhang wolle auch ich die Möglichkeiten einer für beide Seiten gewinnbringenden Kooperation ausloten, was wir innerhalb von fünf Minuten feststellen könnten.

Die Assistentin ging in das Büro eines der Geschäftsführer, der zufällig anwesend war, und gewährte mir Zutritt. Dieser blickte mir skeptisch entgegen.

Ich stellte mich und mein Unternehmen kurz vor, erläuterte meine Kernkompetenz und nachdem wir beide im Dienstleistungsgeschäft beheimatet waren, gebe es bestimmt den einen oder anderen Anknüpfungspunkt. Ich verwies auf die Referenz des Reisebüros und noch einiger anderer Kunden in Salzburg und bot ihm an, wenn einer meiner Kunden einen Bedarf äußere, den sein Unternehmen abdecken könne, würde ich ihn gerne weiterempfehlen. Der direkte und offene Zugang schien ihm zu gefallen und es entwickelte sich ein Gespräch, welches deutlich länger dauerte als fünf Minuten. Ergebnis des Gespräches war, dass wir beide voneinander sehr genau wussten, wo die Stärken unserer Dienstleistungen lagen, und dass es eine Basis gab, uns wechselseitig weiterzuempfehlen. Wie ich später erfuhr, erkundigte sich mein Gesprächspartner noch am selben Abend beim Geschäftsführer des Reisebüros nach der Qualität meiner Arbeit, um die Ernsthaftigkeit einer möglichen Zusammenarbeit einschätzen zu können.

Mut führt zum Erfolg.

Nach einem halben Jahr erhielt ich einen Anruf mit einer konkreten Anfrage. Einer der größten Kunden der Werbeagentur, ein Reiseveranstalter mit der Konzernzentrale in der Schweiz, veranstaltete eine Jahrestagung des österreichischen Tochterunternehmens. Diese wollte er gerne mit einem eintägigen Verkaufstraining kombinieren und ich sollte ihm diesbezüglich ein Angebot machen. Mein Angebot wurde von seinem Schweizer Kunden akzeptiert. Daraus resultierten Folgeaufträge für das österreichische Tochterunternehmen. Nach erstklassigen Feedbacks und messbaren Erfolgen wurde meine Schulungslinie konzernweit ausgedehnt. Das Unternehmen verfügte über zahlreiche Luxusressorts in Kenia. Dazu gehörte eine Vielzahl von Lodges an den besten Plätzen des Amboseli-Nationalparks und in der Massai Mara sowie in der Serengeti am Fuße des Kilimandscharos. Da ich damit betraut wurde, das Hotelmanagement vor Ort im Bereich Mitarbeiterführung und Managementstrategien zu trainieren, wurde ich mehrmals nach Kenia eingeflogen. Der Höhepunkt meines Aufenthalts war ein Flug mit einer Versorgungsmaschine, der mir – auch dank einer Zwischenlandung inmitten von einer Million Flamingos – einen unvergesslichen Blick auf die Naturschönheiten des Nationalparks gewährte. Es war eines der eindrucksvollsten Erlebnisse meines Lebens, und ich bin überzeugt, dass so ein Anblick nur ganz wenigen Menschen vergönnt ist.

Der Grund dafür, dass ich dies erleben durfte, war Mut: Mut und Entschlossenheit, das zu tun, was man im Moment für richtig hält. Natürlich war auch Glück dabei, aber es war das Glück des Tüchtigen oder besser gesagt das Glück des Mutigen.

Um erfolgreich zu werden, macht man eine Drei-Phasen-Wanderung durch.

Die erste Phase ist die des Belächelns. Ich habe noch allzu gut in Erinnerung, wie ich ausgelacht wurde, als ich begann, Traditionelles Karate zu trainieren. Ich war klein und eher schmächtig. Es kostete mich viel Überwindung, dem Druck standzuhalten, aber ich hatte fantastische Meister, an denen ich mich orientierte. Als ich mit 17 Jahren in der allgemeinen Klasse das erste Mal österreichischer Meister wurde und die ersten großflächigen Zeitungsartikel in den regionalen Zeitungen erschienen, wurde ich beneidet. Einige sagten, ich hätte Glück gehabt in der Auslosung oder Ähnliches. Da wusste ich, ich hatte die zweite Phase erreicht: die Phase des Beneidens.

Die dritte Phase ist die des Bewunderns. Als Arnold Schwarzenegger mit einem Europameistertitel im Bodybuilding nach Amerika ging, wurde er auch zunächst belächelt. Sehr bald schon beneidet und als ihm der ganz große Durchbruch gelang, wo er mit Sylvester Stallone und Michael Douglas auf Augenhöhe stand, wurde er nur mehr bewundert. Seine früheren Kritiker meinten dann, sie hätten ja immer schon gewusst, dass er es schaffen würde. Wenn nicht er, wer dann?

Mut und Entschlossenheit sind Qualitäten, die Manager mehr denn je brauchen.

Diese Fähigkeiten ziehen andere mit in den Sog und das bringt ein Unternehmen nach vorne.

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