Löscher-Löcher

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Löscher – Löcher

Personen (Auswahl)


Jelato Komissar in Basel, neu mit Wohnsitz im Oberbaselbiet analytisches Denken, ätzend, wird nie befördert
Seine Frau Hat wohl immer noch keinen Namen, gibt aber oft DEN entscheidenden Hinweis
Gerome Jelatos schwarzer Freund Kommissar in Wismar seelenverwandt mit Jelato wird auch nie befördert
Karli alias „Mr. Hmm“ Forensiker aus Basel jobt jetzt in Aarau rum
Werner Schlaucher Mordopfer Mitarbeiter der Brandschutzfirma Nonfire AG
Richard Bungert Täter? Mitarbeiter der Brandschutzfirma Nonfire AG
Luigi Volare Astrid Sorglostrom Fluglehrer Flugplatz Schupfart Besucherbetreuerin im KKL freundlich und kompetent
Erik Hellstrom Werkleiter zu kleiner Wichtigtuer und inkompetent
u.a.m.

Ort der Handlung

Die Schweiz, speziell die Kantone Baselland und Aargau

Tod im Wald

Mit breitem Grinsen sagte Jelato: „Na, komm, nimm ein Alkoholfreies! Tu mir den Gefallen.“

Aber Gerome hatte kein Mitleid: „Vergiss es, Bleichgesicht! Du fährst heute!“

„Mann, eye, der schwarze Mann lässt wieder mal keine Gelegenheit aus, sich verhasst zu machen.“

„Wenn ich schon mal hier bin, dann will ich auch eure Biere kennenlernen.“

„Hast ja recht. Hab ich ja bei euch im Norden auch so gemacht. Noch ’ne Wurst?“

„Lass mal lieber noch ein Steak rüber wachsen, die werden sonst schwarz.“

„Das sagt der Richtige.“

„Na dann.“

Die beiden Freunde hatten sich nach langer, langer Zeit endlich mal wieder getroffen. Jelato war immer noch Kommissar bei der Kripo in Basel – scheinbar wird man dort nie befördert –und sein schwarzer Freund hatte den gleichen Job in Wismar an der Ostsee. Jelato-Freunde wissen das, ist ja schliesslich nicht das erste Jelato-Buch. Und wer die drei Winnetou-Bücher gleich mit dem dritten Band anfängt, der ist selber schuld. Jelato und Gerome werden jetzt also nicht mehr vorgestellt, sondern frecherweise einfach als bekannt voraus gesetzt. Punkt.

Aus dem geplanten Kurzbesuch von Gerome bei Jelato wurde aber nix. Das liess Jelato nicht zu. Und seine Frau – aha, die macht also auch wieder mit und hat immer noch keinen Namen – schon grad gar nicht. Ihr Motto war: Keiner darf dünner zur Tür rausgehen als er rein gekommen ist – und so kochte sie auch.

Das Food-Center – der Kühlschrank – war stets gut gefüllt und in Jelatos Weinkeller wurde man immer fündig.

Also wurde aus dem ursprünglich geplanten Kurzbesuch eine anständige Woche mit geschätzten 30’000 Kalorien – pro Person notabene.

Heute aber hatten sich die beiden Kommissare in den Wald geflüchtet. An einer Waldhütte in der Nähe wollten sie Würstchen und Fleisch grillen – hierzulande sagt man grillieren – und sich ein paar Bierchen genehmigen. Als Ort hatten sie sich die Waldhütte Laufenburg ausgesucht, die heisst eigentlich Waldhütte Ebni und steht – wie es sich gehört für eine Waldhütte – mitten im Wald. Sie erreichten die Hütte nach einer kleinen Wanderung von Kaisten vom Parkplatz am Friedhof aus zu Fuss. Ist nicht sehr weit, geht aber ein Stückchen bergauf. Zwischendurch hat man einen wunderbaren Blick auf den Rhein und in den Schwarzwald.

Wie junge Buben sassen sie nun an der Feuerstelle, natürlich ab und zu beissenden Qualm in den Augen, und wärmten alte Zeiten und vor allem das Grillgut auf.

Sie genossen die Stille. Gelegentlich huschte ein Eichhörnchen über den Weg, blieb in der Mitte stehen, sicherte nach allen Seiten, beäugte verwundert unsere Grillmeister und flitzte dann weiter. Wahrscheinlich wunderte es sich in seinem Eichhörnchenkopf, dass die Beiden sich nicht um die leckeren Nüsse am Boden kümmerten, sondern so komisches verbranntes Zeug zu sich nahmen. Das ist doch heiss – aua. Um besser beobachten zu können, kletterte es einfach mal 3 Meter einen Stamm hoch und hielt Ausschau.

„Diese Viecher sind doch fit wie ein Turnschuh. Hast du gesehen, wie schnell dieses Eichhorn da oben war?“

„Saumässig! Da wird man direkt neidisch!“

Ein paar Vögel waren zwar recht laut, aber das störte die Ruhe merkwürdigerweise nicht.

Jelato frotzelte: „Vögel, die pfeifen, und Frauen, die krähen, musst du beizeiten den Hals umdrehn.“

„Na, na, na.“

„Wenn du wie ich in einer Kneipe gross geworden wärst, dann …“

„Lass den Quatsch! Das ist was für niveaulose Singles und Akademiker ohne Abschluss.“

„Was ist mit deinem Humor passiert? Komm, wir nehmen noch ein Dienstbier!“

„Also dann!“

Sie bewunderten auch die Holzskulpturen, die von irgend einem früheren Schnitz- und Sägewettbewerb stehen und hängen geblieben waren, und machten von sich und dem übergrossen Holzhasen ein paar Selfies – übrigens ohne das bekannte „Deppen-Zepter“, wie der Stick inzwischen auch weltweit genannt wird.


Sie bewunderten auch die Holzskulpturen, die von irgendeinem früheren Schnitz- und Sägewettbewerb stehen und hängen geblieben waren

Die Benutzer solcher „Deppen-Zepter“ rennen selbst bei Gewitter mit dem erhobenen Selfie-Stick herum.

Viel Spass dabei dann auch noch von dieser Stelle.

Dann passte auch schon wieder eine Wurst rein, was gleich zu einem kurzen Gedankenaustausch über Schweine führte.

Gerome fragte Jelato: „Weisst du eigentlich, dass das Spürwildschwein Luise seit 1987 im Ruhestand ist?“

„Die Glückliche – aber haben wir die Luise nicht eben gegessen?“

„Ouh!“

„Wäre doch möglich, oder?“

„Das will ich nicht wirklich wissen. Ausserdem wäre sie dann ja doch steinalt geworden, die Luise, und sicher ungeniessbar.“

„Wie alt werden Schweine eigentlich?“

„Keine Ahnung. Wir essen sie ja immer recht jung.“

„Der Mensch ist eben ein metastabiler Zustand, der nur durch permanente Energiezufuhr aufrecht erhalten werden kann.“

„Genau. Ohne diese andauernde Energiezufuhr zerfallen wir in kurzer Zeit in unsere Einzelteile.“

Während des folgenden tiefgründigen Gespräches über die Entropie und den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und der Unumkehrbarkeit von gewissen Vorgängen und Prozessen kam ein „Hündeler“ an der Hütte vorbei. Der Hund war natürlich nicht angeleint – trotz Wildschonzeit und Leinenpflicht im Wald. Viele Hundehalter scheren sich bekanntermassen einen Dreck um solche Bestimmungen. Ihr Credo: ,Der Hund muss doch laufen können, sonst hat er bald eine Stadtneurose und ist scheinschwanger und muss zum Hundepsychiater.‘ Der Hund roch an ihren Würstchen und Jelato protestierte: „Rufen Sie ihn zu sich, ich mag das nicht!“ „Entschuldigung.“

Sonst passierte eigentlich nichts Spektakuläres im Wald, so wie das die meisten von uns auch von Sonntagsspaziergängen her kennen und schätzen. Da heute aber ein Werktag war, hatten die Leute zu arbeiten, und es war also richtig einsam da oben. Kaum eine Menschenseele war unterwegs. Nur eine lustige Gruppe fitter Rentner kam schnatternd und lachend näher und wanderte zielsicher offensichtlich in Richtung nächste Gaststätte. Einer roch die köstlichen Würstchen und witzelte: “Hier riechts denn fein. Ihr seid sicher keine Vegetarier, wie?“ Jelato rief zurück: „Sekundärvegetarier!“

„Was ist das denn?“

„Wir essen nur Tiere, die sich von Pflanzen ernähren!“

Mit dieser Antwort hatte er die Lacher auf seiner Seite.

„Ihr wisst aber schon, dass gegrillte Sachen krebserregend sind?“

„Ha, wen interessiert denn, was die Krebse erregt?“

Wiederum anerkennendes Gelächter der Gruppe, die ihre Wanderung anschliessend fortsetzte. Danach war es wieder ruhig.

Schliesslich verplauderten sie noch ungefähr eine Stunde und berichteten sich gegenseitig von den inzwischen von ihnen gelösten und Aufsehen erregenden Fällen.

Es war ein richtig ruhiger und erholsamer Tag in der Natur. Kaum der Rede wert bis – ja, bis zu einem bestimmten Moment, da änderte sich das von einer Sekunde auf die andere.

Mehrere Polizeiwagen rasten mit Blaulicht, aber ohne Sirene, an ihrer Waldhütte vorbei. Sie zogen eine Wahnsinns-Staubwolke hinter sich her. Steinchen flogen hörbar in den Radkästen ans Blech. Anschliessend folgten noch ein paar Zivilfahrzeuge – ebenfalls mit hohem Tempo. Die Autos wippten auf dem unebenen Waldweg und einzelne Räder verloren auch ab und zu den Kontakt zum Boden oder schlugen in einem Schlagloch ein.

Verwundert beobachteten sie das ungewöhnliche Schauspiel: Polizei mit Sondersignal? Mitten im Wald? An ihrem Grillplatz? Sie hörten die Polizeiwagen noch eine kurze Zeit den Waldweg weiter fahren. Dann hielten sie offensichtlich an, irgendwo ausser Sichtweite. Türen schlugen zu, das konnten sie hören.

 

Sie wedelten mit den Händen den Staub vor ihren Gesichtern weg und husteten.

„Was war das denn jetzt?“

„Der ultimative Stossdämpfertest?“

Gerome frotzelte: „Vielleicht macht der amerikanische Präsident auf diese Art einen ruhigen und erholsamen Waldspaziergang?“

„Eher nicht, sonst hätten wir 4 Kilometer Sicherheitsabstand einhalten müssen und es wären 4 Hubschrauber in der Luft.“

„Und 200 Sicherheitsleute im Anzug und mit Sonnenbrille würden absolut unauffällig im Wald herumlaufen.“

„Mit Leitung am Kopf und Knopf im Ohr.“

„Da ist bestimmt was passiert.“

„Wir können ja auf dem Rückweg mal dort vorbei gehen. Das wäre kein grosser Umweg.“

„Eigentlich könnten wir uns auch mal so langsam auf den Weg machen.“

Sie packten ihre Habseligkeiten zusammen und löschten das Feuer mit Wasser aus dem nahen Holzbrunnen. Das zischte und machte Spass und Qualm. Da hatten unsere grossen Buben richtig Freude dran. Dann spazierten sie in die Richtung, wo sie den Polizeieinsatz vermuteten.

Ihr Gehör hatte sie nicht getäuscht. Nach einiger Zeit wurden sie aber von einem Polizisten am Weitergehen gehindert: „Bitte nehmen Sie einen anderen Weg. Hier ist jetzt abgesperrt.“

Er zeigte in Richtung eines anderen Weges und sagte:

„Sie könnten hier hoch gehen.“

„Was ist los?“

„Kann ich Ihnen nicht sagen.“

Jelato hatte aber schon lange Karli erkannt, der abseits vom Weg tief gebeugt im Dickicht in seinem typischen Eisbärenkostüm etwas untersuchte. Der weisse Überzug – im Fachjargon Ganzkörperkondom genannt – mit den dazu passenden modischen Kunststoffüberschuhen, den Handschuhen und der schicken Kopfabdeckung machte aus dem ganzen Kerl eine insgesamt lächerliche Erscheinung. Zusammen mit einem fotografierenden Kollegen und einem weiteren Spurensicherer in gleichem Outfit sah das aus wie eine kleine Eisbärenfamilie oder eine Fasnachts-Clique.

Jelato und Gerome war der Ernst der Situation sofort klar. Wie oft waren sie in ihrem Leben schon an Tatorten gewesen!

Leser kennen unseren Gerichtsmediziner Karli bereits von früher und wissen, dass er auch immer „Mr. Hmm“ genannt wurde. Warum? Das wird bald klar.

Er begrüsste ihn mit einem lauten „Hallo, Karli!“. Der Angesprochene schaute sich um und kam gleich auf ihn zu.

„Hallo, Jelato.“

„Das ist Gerome, du erinnerst dich?“

„Klar! Hi, Gerome!“

„Karli!“

Jelato zeigte dem Beamten, der sie zurück hielt, seinen Basler Polizei-Ausweis und sagte vorbeugend: „Ich weiss, dass wir hier im Aargau sind!“

Karli meinte nur: „Lass diese zwei zivilen Polizeielemente durch. Die spielen in unserem Verein“ und zu Jelato und Gerome gewandt: „Aber zertrampelt mir nicht den Tatort! Bleibt hier auf dem Weg.“

Sie bedankten sich bei dem Polizisten für’s Durchlassen, folgten Karli ein Stück und erkannten nun, was los war.

„Wie lange liegt die Leiche schon hier?“

„Hmm, kann ich noch nicht genau sagen.“

„Mensch, Karli, wie lange? Du traust dich doch sonst auch. Wenigstens einen Anhaltspunkt! Ich weiss, dass du das kannst.“

„Hmm, über eine Woche womöglich. Mindestens. Ganz grob. Können auch zwei oder drei sein. Muss mir die Tag-Nacht-Temperaturen der letzten Wochen anschauen. Ich kann mich noch nicht festlegen. Und es ist ein Mann, soviel kann ich schon sagen.“

„Ja, Witzbold, das sieht man ja wohl schon an der Schuhgrösse, dazu hättest du keine so lange Ausbildung gebraucht! Todesursache?“

„Jetzt verlangst du zuviel von mir. Meine Kristallkugel ist im Labor. Den da muss ich erst untersuchen. Auf jeden Fall keine natürliche Todesursache. Hier ist viel Blut. Sein Hemd ist kaputt und das da, das sieht eindeutig aus wie eine Schussverletzung.“

Er zeigte auf den Oberkörper des Opfers. „Könnte eine Armee-Pistole gewesen sein. Auf jeden Fall ist er hier nicht an Altersschwäche gestorben.“

„Schätz mal sein Alter.“

„Hmm, so um die 40.“

„Was anderes. Wieso bist du eigentlich hier? Du gehörst doch in deine Sargzone nach Basel.“

„Ich helfe vorerst mal nur aus. Zwei Kollegen von hier sind im Urlaub, einer ist krank. Und was verschlägt euch hierher?“

„Hunger.“

„Was?“

„Wir hatten Hunger und dachten, wir grillen mal was im Wald. Gerome ist auf Besuch hier.“

„Da habt ihr euch eine schlechte Stelle ausgesucht – heute jedenfalls.“

„Mit so was kann man doch nicht rechnen. Wisst ihr schon, wer das ist?“

„Hmm, hatte keinen Ausweis dabei. Wir checken gerade, ob auf irgend einem Waldparkplatz ein Auto seit längerem rumsteht. Dann gehen wir die Vermisstenlisten durch.“

„Ist er hier umgebracht worden?“

„Hmm, vermutlich, vermutlich. Keine Schleifspuren, keine weiteren Blutspuren auf dem Weg. Nichts in der Richtung. Aber lass doch erstmal die Spurensicherung ihre Arbeit machen und frag nicht soviel. Für Antworten ist es noch viel zu früh und wild spekulieren finde ich doof.“

„Hast recht. Nur eine Frage noch. Wer hat ihn denn eigentlich gefunden?“

„Hmm, so ein Hündeler. Steht mit seinem Vierbeiner noch da drüben.“

„Mensch, das ist doch das Viech, das vorhin an unseren Würstchen gerochen hatte.“

Gerome meinte: „Das ist mal wieder typisch. Da ist man genervt, weil die ihre Ratten nicht anleinen im Wald und dann finden sie genau deswegen eine Leiche, die sonst wohl nie gefunden worden wäre.“

„So ist das Leben. – Gehen wir?“

„Ja.“

„Also, Karli, dann mach’s gut. Ich rufe dich morgen mal an. Wir wollten sowieso diese Woche noch ein spontanes Abendessen bei uns machen. Gerome bleibt noch ein paar Tage und das wäre wohl jetzt eine gute Gelegenheit.“

„Das ist okay Ich komme gern. Macht’s gut ihr Zwei.“

„Ciao!“ und dann zu den anderen Polizisten zugewandt auch: „Ciao!“

„Ciao, Kollegen.“

Jelato und Gerome hatten jetzt noch einen Rückweg von einer guten Viertelstunde vor sich und besprachen dabei das „Vorkommnis“.

„Ein Raubüberfall war das bestimmt nicht. Der sah eher aus wie ein Freizeit-Wanderer. Wanderhemd, Wanderschuhe, alles passend zum Wald. So jemand hat doch keine grossen Wertsachen bei sich.“

„Hatte der seine Uhr noch am Handgelenk?“

„Da habe ich jetzt nicht drauf geachtet. Das müssen wir morgen mal den Karli fragen.“

„Jemanden einfach im Wald so zu erschiessen, das ist sehr ungewöhnlich.“

„Irgendwelche Kampfspuren konnte ich so auf die Schnelle auch nicht entdecken. Der Angriff kam womöglich komplett überraschend. Das Opfer war sicher arglos.“

„Ich denke, wir können das so nicht klären. Wir brauchen viel mehr Fakten. Ich muss wirklich morgen mit dem Karli reden – und jetzt geniessen wir den Rest des Tages.“

„Soweit man das noch kann!“

„Wir können! Wir müssen können! In unserem Job musst du lernen abzuschalten, sonst gehst du doch vor die Hunde.“

Zu Hause angekommen erzählten sie von ihrem Picknick im Wald und dem Leichenfund und liessen den Tag mit einer anständigen Zigarre ausklingen.

Die Frau reagierte sehr erschrocken und schockiert auf die Nachricht vom Mord.

Gleichwohl fand sie den Qualm nicht so lustig, aber Jelato und Gerome konnten gerade deswegen unbelästigt von Stechmücken den Garten und den Abend geniessen.

Tod im Wald

Zusammenfassung

Was wir bisher erlebt haben:

Die Kommissare Jelato und Gerome treffen sich nach langer Zeit endlich mal wieder und grillen im Wald. Durch Zufall wird unweit von ihrer Picknick-Stelle eine männliche Leiche gefunden. Todesursache: Mord, ausgeführt mit einer Schusswaffe.

Somit ist jetzt die Handlung in Gang gekommen und wer die beiden kennt, der weiss, dass sie sich nie raushalten können. Sie werden sich wahrscheinlich in die Ermittlungen einmischen.

Nonfire, Fliegerei und AKW

Am nächsten Morgen gab’s ein anständiges und vor allem gemütliches Spätstück mit Gipfeli und Kaffee und selbstgemachter Konfi.

Der Kaffee tat gut. Auch der zweite.

„Was planen die Herren für heute?“ fragte Jelatos Frau.

Die Angesprochenen schauten sich an.

Zeitgleich sagten sie im Chor: „Hmm.“

Die Frau verstand sofort. „Ach, ihr wieder. Wo arbeitet der jetzt eigentlich genau? Ich dachte, der ist in Basel.“

„Derzeit: Kantonsspital Aarau. Institut für Rechtsmedizin.“

„Also nicht mehr in Basel?“

„Sieht so aus. Müssen ihn mal fragen, ob er wirklich nur Vertretung macht oder dauerhaft dort arbeiten will.“

„Und was wollt ihr?“

„Wissen, was los ist.“

„Was soll denn los sein? Ein Mensch ist umgebracht worden und jetzt sucht man den Mörder – und das war’s dann.“

„Das sagt sich so einfach. Ist aber eine Sau-Arbeit.“

„Ich rieche was. Ihr wollt euch mal wieder einmischen, oder? Die haben doch Leute genug! Es geht euch eigentlich nichts an, aber ihr könnt euch einfach nicht raushalten! Nicht mal eine Woche lang könnt ihr Ferien machen!“

Die beiden schauten sich an wie kleine Schulbuben mit schlechtem Gewissen und suchten nach einer diplomatischen Antwort mit möglichst wenig Konflikt- und Diskussionspotential.

„Was ist daran falsch?“

„Ihr seid nicht zuständig! Und ihr habt Ferien!“

„Ach, Frau, du hast ja recht. Aber einen Beruf hat man nicht einfach so. Den hat man gewählt, weil man was wollte. Ein Feuerwehrmann will zum Beispiel Feuer löschen.“

„Aber nicht in der Freizeit!“

„Doch, immer. Wenn kein Feuer zu löschen ist, dann legt so ein Feuerwehrmann oft selber eines. Sei doch froh, dass du uns mal für ein paar Stunden los bist.“

„Na, dann halt. Zurückhalten kann ich euch eh nicht.

Ihr macht ja doch, was ihr wollt.“

Und tatsächlich: Wenig später fuhren die beiden Freunde nach Aarau.

Der Forensiker Karli tat wenig überrascht. Er war ohnehin ein eher ruhiger und sachlicher Mensch:

„Eigentlich hätte ich euch früher erwartet – ihr Spürnasen. Ihr lasst nach.“

„Dafür hast du jetzt aber sicher schon erste Ergebnisse für uns, oder?“

„Mensch, wollt ihr euch tatsächlich schon wieder einmischen?“

„Ja. Hast du mit meiner Frau telefoniert? Die hat dasselbe gesagt.“

„Und diese geplante Einmischung, die habt ihr sicher schon mit den Kollegen abgesprochen?“

„Nein.“

„Das solltet ihr aber machen! Sonst gibt es doch Stunk.“

„Hast recht. Wer ist denn zuständig?“

„Der dahinten“, sagte Karli und zeigt auf einen Mann mittleren Alters, der gerade im Gespräch mit einer Gerichtsmedizinerin war. Es ging um irgendwas bei einer Blutalkoholbestimmung. Das ist ja das Hauptarbeitsgebiet der Gerichtsmediziner: Alkohol und Drogen. Mit ihren Zahlen leisten sie der Staatsanwaltschaft dann Beihilfe zur Verurteilung in diversen Gerichtsverfahren.

„Beat, kannst du mal kommen?“ rief er.

Der Angesprochene kam zu ihnen und fragte: „Was gibt’s denn?“

„Ich möchte dir zwei Kollegen vorstellen, die euch unterstützen können. Das sind Jelato und Gerome.“

Es folgte eine kurze Begrüssung und sehr zum Erstaunen unserer Freunde eine diskussionslose Annahme des Hilfsangebotes. Das hatten sie jetzt so nicht erwartet.

„Der Karli hat mir schon von Ihnen erzählt, sonst würde ich das nicht akzeptieren. Aber Sie sind Polizisten und wissen, wie man mit vertraulichen Ermittlungsergebnissen umgeht. Und scheinbar sind Sie ja recht erfolgreich in Ihrer Arbeit.“

„Danke. Und auf gute Zusammenarbeit. Und Zusammenarbeit sagen wir jetzt nicht nur so, wir leben sie auch.“

„Wir ticken da ähnlich!“

„Haben Sie denn schon was für uns?“

„Noch nicht viel. Der Tote heisst Werner Schlaucher und ist 46 Jahre alt. Er wird seit 2 Wochen vermisst. Das ist auch in etwa der Todeszeitpunkt – oder Karli?“

„Ziemlich genau 2 Wochen. Gestorben ist er tatsächlich an einer schweren Schussverletzung im mittleren Brustbereich. Ein Schuss aus nächster Nähe. Der war aber nicht direkt tödlich. Aufgrund des Verletzungsbildes muss es einen enormen Blutverlust gegeben haben. Der Tod muss aber doch relativ rasch eingetreten sein.“

 

„Also haben wir es ganz klar mit Mord zu tun?“

„Ja, ganz sicher. Davon müssen wir ausgehen. Definitiv kein Selbstmord, es gibt keine Schmauchspuren an den Händen, wohl aber im Brustbereich auf dem Gewebe und wenig im Gesicht.“

„Habt ihr die Tatwaffe gefunden?“

„Nein. Eben nicht. Deshalb noch mal: Kein Selbstmord.“

„Private Probleme?“

„Wir sind dran. Bis jetzt haben wir keine Hinweise auf ewas Auffälliges im privaten Umfeld.“

„Und sonst?“

„Nix. Keine Vorstrafen oder Ähnliches. Scheinbar ein unbescholtener Mitbürger.“

„Drogen? Alkohol?“

„Nein, eigentlich nicht. Etwas Alkohol war im Blut, aber das war höchstens ein Bier zum Mittagessen.“

„Dann haben wir also noch nicht viel.“

„Hallo, keine Hektik. Wir stehen schliesslich erst am Anfang unserer Ermittlungen! Jetzt nehmen wir uns erstmal seinen Freundeskreis vor und durchleuchten seinen Arbeitsplatz.“

„Was hat er denn gearbeitet?“

„Mitarbeiter bei einer Sicherheitsfirma.“

„Was?“

„Ja, Sicherheitsfirma!“

„Bewaffnete Geldtransporte und so?“

„Nein, das wäre zu einfach. Da hätten wir ja fast schon einen Anhaltspunkt. Er war bei einer Brandschutzfirma angestellt.“

„Brandschutzfirma?“

„Ja. Rauchmelder, Brandschutztüren, Feueralarmsysteme, Feuerlöscher, so was halt.“

„Wo sitzt die Firma?“

„Die sind im Basler Hafenbereich, in der Nähe vom Dreiländereck. Die Firma heisst Nonfire AG.“

„War schon jemand dort?“

„Nee.“

„Okay. Wir übernehmen das. Selbstverständlich kriegen Sie alle Infos. Und in Basel ist das für mich ja sozusagen ein Heimspiel.“

„Sie sind ja von dort. Also, viel Glück.“

„Danke.“

Jelato und Gerome machten sich auf den Weg nach Basel.

„Bisschen viel Fahrerei!“, grummelte Gerome.

„Lässt sich nicht vermeiden.“

„Na, so lerne ich wenigstens eure Gegend besser kennen.“

„Ich habe extra diesen Weg gewählt und nicht die Autobahn. Das hier ist die Salhöhe, wir kommen gleich auf fast 800 m rauf. Gerome, wenn du dich jetzt rumdrehst, siehst du das Alpenpanorama. Es hat noch viel Schnee da oben.“

„Die grosse Wolke da …“

„Das ist ein Gösgulus. Kommt vom Kernkraftwerk Gösgen.“

„Sieht gut aus. Die Sicht ist heute auch klasse. Wir sollten vielleicht diese Woche doch noch eine Bergtour einplanen.“

„Ich bin dabei. Hast du überhaupt anständige Schuhe mit?“

„Ja. Bevor du weiter fragst Mama, Regensachen und warmen Pullover habe ich auch im Gepäck.“

„Gut. Dann schauen wir heute Abend mal den Wetterbericht. Vielleicht liegt in den nächsten Tagen eine Tour drin.“

Um es vorweg zu nehmen, daraus wurde nichts.

Der Autor hatte seine eigene Vorstellung vom Weitergang dieses Krimis und ging auf den Vorschlag mit der Bergwanderung nicht ein.

Sie erreichten Basel, fanden die Firma Nonfire AG und sogar – das ist in Basel wirklich nicht selbstverständlich – einen gebührenfreien Parkplatz. Sie wurden vom Geschäftsführer freundlich empfangen.

„Sie wissen, warum wir hier sind?“

„Ich wurde heute Morgen schon angerufen. Unser Werner ist also wirklich tot?“

„Ja. Wir gehen von einem Tötungsdelikt, einem Mord aus.“

„Unvorstellbar. Der Werner war so ein anständiger Kerl. Absolut zuverlässig. War ja irgendwie klar: Wenn so einer verschwindet, da muss was Ernstes passiert sein „Wie lange war er denn hier in der Firma?“

„Er ist ein Urgestein. 20 Jahre ist – war – er jetzt bei uns.“

„Können Sie sich vorstellen, warum und vor allem mit wem er im Wald spazieren war.“

„Nein. Aber das hat er öfters gemacht. Das war bei ihm nichts Besonderes. Meistens war er aber alleine unterwegs. Das war sein Hobby. Je nach Jahreszeit hat er auch verschiedene Sachen gesammelt, zum Beispiel Pilze und Beeren und so. Kannte sich auch gut mit Kräutern aus.“

„Können Sie sich vorstellen, warum er getötet wurde?“

„Nein. Keine Idee. Da haben wir hier in der Firma viel drüber diskutiert. Reden Sie ruhig auch mit den anderen Mitarbeitern. Da weiss keiner was Genaueres.“

„Ist bei Ihnen irgend etwas Auffälliges passiert in der letzten Zeit.?“

„Nein.“

„Nichts, was vom normalen Geschäftsbetrieb abweicht?“

„Mir fällt da nichts ein.“

„Gar nichts?“

„Also, wenn Sie so fragen. Da war schon was.“

„Ja?“

„Der Neue hing dauernd mit ihm zusammen. Der ist vor etwa einem Monat zu uns gekommen und war ab dann dauernd mit ihm zusammen. Ich habe das als eine normale Anlernphase angesehen. Der Neue muss ja alles lernen. Die Abläufe, die Technik, die …“

„Wann war das?“

„Vor einem Monat, hab ich doch eben gesagt.“

„Und was ist jetzt da das Besondere daran?“

„Der Neue ist weg.“

„Was?“

„Der ist einfach abgehauen. Hat seinen Kollegen noch nicht mal Tschüss gesagt und ist einfach nicht mehr aufgetaucht.“

„Kommt so was öfters vor?“

„Ja und nein. Wir haben schon eine höhere Personalfluktuation als eine Bank. In unserer Branche ist das halt so. Aber dass einer auf seinen ihm zustehenden Lohn verzichtet und sich einfach aus dem Staub macht, das gibt es nicht so oft.“

„Moment! Langsam. Das ist jetzt aber schon komisch. Der hat den ausstehenden Lohn nicht eingefordert oder überweisen lassen?“

„Richtig. Wir hatten um Angabe eines Kontos zur Überweisung gebeten, es kam aber bis jetzt nichts.“

„Und der ist kurz nach dem Verschwinden Ihres Mitarbeiters Werner auch nicht mehr aufgetaucht?“

„Genau so ist es. Da liegt etwa eine Woche dazwischen.“

„Das heisst, es ist ein weiterer Mitarbeiter weg. Die zeitliche Nähe zum Mord und dieses mysteriöse Verschwinden … Gerome, was denkst du?“

„Dasselbe wie vermutlich alle hier. Das stinkt zum Himmel. Ein Mitarbeiter wird ermordet und ein zweiter taucht eine Woche später unter. Der hat sich abgesetzt! Eventuell.“

Jelato wandte sich wieder an den Geschäftsführer: „Sie geben uns bitte eine Kopie der Personalakte dieses Menschen – wie heisst der eigentlich?“

„Richard Bungert.“

„Und wie war er so?“

„Unauffällig. Aber der war ja nicht lange da. Und unsere Arbeitsplätze sind eigentlich ausserhalb der Firma. Wir haben nicht soviel Umgang miteinander. Die Teams sind immer draussen vor Ort – auf Baustellen und so.“

„Na, gut. Das war’s dann erstmal. Wenn Ihnen noch was einfällt – hier ist meine Karte – einfach anrufen. Ich denke, wir hören noch voneinander.“

Jelato und Gerome verliessen die Firma. Mit den Kopien der Personalakte unterm Arm gingen sie zurück zum Auto.

„Das ist jetzt also unser Verdächtiger Nummer 1. Verschwindet eine Woche nach dem Mord. Taucht ab, keiner weiss wohin, verzichtet auf Geld – das riecht nach Flucht.“

„Selten, dass ein Sachverhalt so klar ist. Jetzt sagen wir den Aargauern Bescheid und dann sollen die den Kerl mal suchen.“

Von seinem Basler Büro rief Jelato die Aargauer Kollegen an und er mailte ihnen auch die Unterlagen. Die wurden natürlich sofort hellhörig. Man beurteilte allgemein die Spur als heiss und es wurde eine Fahndung eingeleitet.

Gerome machte noch einen Witz über das schlechte schwarz-weiss Foto in der Personalakte: „Ob man damit jemanden finden kann? Der sieht ja aus wie ich.“

Die Polizei suchte den letzten gemeldeten Wohnsitz dieses Menschen auf, aber da war keiner mehr. Der Vogel war ausgeflogen. Der Vermieter konnte zwar eine recht brauchbare Beschreibung liefern, aber auf dem Mietvertrag standen keine Angaben, die sie hätten weiterbringen können. Sie hatten also keine konkrete Spur.

Und das war dann recht schnell zusammengefasst der ernüchternde Stand der Ermittlungen zur Zielperson: Sozialversicherungsnummer: AHV/IV-Angaben falsch. Steuernummer: negativ, nicht vorhanden.

Autonummer (Kontrollschild): kein Hinweis. Eventuell wurde ein ausländisches Fahrzeug benutzt, welches noch nicht umgemeldet war.

Autoversicherung: wie bei der Autonummer, kein Hinweis.

Keine Bankverbindung bekannt, an seinem Arbeitsplatz hatte er noch keine angegeben.

Bekannte, die Auskunft zur Person geben könnten: negativ.

Zeugnisse in der Personalakte: falsch.

Identität: letztlich ungeklärt – Name falsch.

Foto des Verdächtigen auf Bewerbungsunterlagen: nicht weiterführend.

Computer: IP ausstehend, er hatte aber mit seinem Arbeitgeber einen kurzen Kontakt via Email. Mobil-Telefon: Nummer unbekannt.

„Wir müssen die Nummer ermitteln.“

Wasserrechnung, Stromrechnung: keine Spur, wurde über die Miete mit eingezogen. Einzahlungen erfolgten in bar bei der Post.

Fernsehgebühren: ebenso.

Zusammengefasst: Der Typ lebte sozusagen im Untergrund. So was erlebten unsere Kommissare in ihrem Berufsleben nicht oft.

„Verdammt, Gerome! Was läuft hier?“

„Wie immer. Das weiss der Geier und der sagt nix. Aber es muss doch in der Firma oder in seiner Bude Fingerabdrücke geben, oder andere Spuren, Haare zum Beispiel oder so was, wir müssen einen DNA-Abgleich vornehmen. Vielleicht ist er kein Neuling und wir haben schon was von ihm in unserer Datei.“

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