Buch lesen: «Lehre.Lernen.Digital»

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Inhalt

Editorial

Alexandra Altmann

Erfolgsfaktoren für Live-Online VeranstaltungenSo machen Sie das Beste aus virtuellen Klassenräumen

Prof. Dr. Waltraud Nolden

Digitale Herausforderungen im Studium des Polizeivollzugsdienstes an der Fachhochschule (FH) Polizei Sachsen-Anhalt in Zeiten der Corona-Pandemie

Christian Dichtl

Akzeptanz von E-Learning

Torsten Fell

Learning AnalyticsErfolge messen, Daten interpretieren und Maßnahmen ableiten

Prof. Dr. Tanja Hollmann, Katja Drasdo, Susanne Mey, Prof. Dr. Marcus Birkenkrahe

Mediendidaktik im Fach Rechtsmedizin des Bachelorstudiengangs „Gehobener Polizeivollzugs-dienst“ der HWR Berlin - E-Learning-Einheiten als zusätzliches Angebot der Wissensvermittlung

Olaf Resch

Open Knowledge Interface (OKI) Ein digitaler Assistent für wissenschaftliche Arbeiten

Thomas Schroeder

Fundamentale Veränderung

Prof. Dr. Thomas Sauerland

E-Learning im Fernstudiengang „Master of Public Administration“ der HS Bund

Prof. Dr. Steffen Bug

Die neue Vertiefungsrichtung „Cyberkriminalistik“ im Bachelorstudiengang „Kriminalpolizei“

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

am 16.03.2020 änderte sich alles! Von außen betrachtet könnte man meinen, dass die Zwangsumstellung auf das digitale Lehren ein Siegeszug aller digitalen Enthusiasten und Überzeugungstätern sei. Auch unsere Erstausgabe fiel genau in diese Zeit. Doch baute sich Mitte März eine gewaltige Herausforderung auf, die jede Hochschule mit ihren Akteuren (Lehrende, Studierende, Verwaltung) meistern musste. Dabei wurden enorme Anstrengungen von verschiedensten Seiten unternommen, um den Hochschulbetrieb „aufrechtzuerhalten“. Niemand hatte die Zeit, seine Lehre oder - aus Studierendensicht - seine Lerngewohnheiten wirklich zu ändern. Die Coronakrise wirkte, um es mit den Worten unseres Bundespräsidenten zu sagen, vielmehr wie ein Brennglas. Die unterschiedlichsten Missstände wurden durch die Krise nur verstärkt.

Wenn ich durch mein Brennglas als Teildezernent des Bereichs E-Learning an der HSPV NRW schaue, dann sehe ich aber auch, wie mit positivem Mindset in der Krise die Chancen gesehen werden, die Hochschule vorteilhaft zu verändern.

Doch dieser Umschwung kommt nicht von heute auf morgen. Prof. Dr. Waltraud Nolden spricht in ihrem Artikel dieser Ausgabe von einem dreijährigen Vorsprung bei der Auseinandersetzung mit der digitalen Lehre. Die Veränderung und Weiterentwicklung einer Hochschule ist, so führe ich es in meinem Artikel aus, als Organisationsformierung zu sehen, die ihre Zeit braucht.

Die Zeit nach dem 16.03.2020 hat gezeigt, dass sich nicht alles verändert hat. Vielmehr wurde oft der Versuch unternommen, die Didaktik aus der Präsenzveranstaltung in die virtuellen Klassenräume zu heben, wo jedoch andere didaktische Überlegungen hilfreich wären, wie Sie es bei Frau Altmann in dieser Ausgabe lesen können.

Wir als Herausgeberteam möchten Sie dazu animieren, sich die Zeit zu nehmen, die spannenden Beiträge zu lesen, die Ihnen die 2. Ausgabe von Lehre. Lernen. Digital. bietet.

Wir sind überzeugt, dass die Autorinnen und Autoren Ihr Interesse für das Thema digitale Lehre wecken oder intensivieren und (wie es unsere erste Amazon-Rezension beschrieb) Sie dazu ermutigen können, selbst aktiv zu werden.

Lassen Sie uns positiv denken und handeln: Im Alltag, in der Lehre, beim Lernen oder in der Verwaltung.

Ihr

Thomas Schroeder

(namens des Herausgeberteams)

Erfolgsfaktoren für Live-Online-Veranstaltungen

So machen Sie das Beste aus virtuellen Klassenräumen

Alexandra Altmann1, virtuu

Erfahrungsbericht

Die Corona Pandemie hat in vielen Bildungsinstitutionen zu einer „Schnell-Digitalisierung“ geführt. Fast über Nacht musste allerorts die Präsenzlehre auf eine reine Online-Lehre umgestellt werden. Das hat gezeigt, was aktuell schon möglich ist, aber auch, an welchen Stellen noch nachgesteuert werden muss. Denn auch in Zukunft werden die digitalen Lernformate wohl nicht mehr wegzudenken sein. Dieser Artikel gibt Anregungen für die Ausgestaltung und Einführung von Live-Online-Veranstaltungen im virtuellen Klassenraum.

1. Was bedeutet “Live Online“?

Bei Live-Online-Veranstaltungen kommen Lehrbeauftragte und Lernende gleichzeitig (live) über das Internet (online) in einem virtuellen Klassenraum zusammen. Dort können sie sich dann über Webcams sehen, miteinander sprechen, gemeinsam Präsentationen oder Dokumente ansehen, ihren Bildschirm miteinander teilen und auf vielfältige Weise miteinander interagieren.

Live-Online-Veranstaltungen werden häufig auch als „Web-Seminare“, Webkonferenzen“, „virtueller Unterricht“ oder „Online Vorlesungen“ bezeichnet.

2. Der Nutzen von Live-Online-Veranstaltungen

Live-Online-Unterricht stellt eine effektive Alternative zu aufwändiger Präsenzlehre und zum unpersönlichen asynchronen E-Learning, bei dem die Lernenden eigenständig das Lernmaterial bearbeiten, dar:

• Dieses Format bringt Menschen und verschiedene Experten schnell zusammen. Man sieht sich über Webcams von Angesicht zu Angesicht und kann sich persönlich austauschen. So ist trotz physischer Distanz soziale Nähe möglich. Gerade in Krisenzeiten kann das bei aller Unsicherheit und Isolation den Studierenden wertvollen Halt bieten.

• Die Funktionalitäten der virtuellen Klassenräume erlauben vielfältige Interaktionsmöglichkeiten, sodass man auch ohne Sprechen schnell Fragen stellen und erörtern oder Meinungen zusammentragen kann (siehe Punkt 4.).

• Niemand muss extra anreisen und es braucht keine Präsenzräume, die organisiert, betreut und gereinigt werden müssen. Virtuelle Räume sind also insgesamt wesentlich kostengünstiger. Natürlich fallen dafür Lizenzgebühren an. Die Kosten für die IT-Infrastruktur sind aber im Vergleich wesentlich niedriger als die Kosten für zentrale Schulungsorte und für Reise- und Verpflegungsaufwand bei Präsenzveranstaltungen.

• Mehrere kürzere Einheiten können zeitlich verteilt hintereinandergeschaltet werden. Dieses „verteilte Lernen“ wirkt nachhaltiger als geballte Präsenztage, denn so kann der Stoff zwischen den Unterrichtseinheiten individuell vertieft oder angewendet werden.

• Gerade in der Weiterbildung ist es für viele Studierende einfacher, sich für ein paar Stunden aus dem Arbeitsalltag zu ziehen als für mehrere Tage.

• Diese Unterrichtsform spart im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen durchschnittlich 80-90% der schädlichen Klimaemissionen ein, abhängig davon, wie sich die Anreise der Teilnehmenden gestalten würde.

• Und was jetzt gerade sehr wichtig ist: dieses Format ist garantiert virenfrei und erlaubt es, den Lehrbetrieb auch bei reduzierten Kontaktzeiten aufrecht zu erhalten.

Auch in Nicht-Krisenzeiten schaffen Sie mit digitaler Lehre attraktive Angebote für Ihre Studierenden, die diese Form des Lernens ergänzend zu Präsenzveranstaltungen gerne akzeptieren.2 Sie können effektiv und kostenfreundlich auch wachsende Studiengänge ohne wesentliches Aufstocken der Lehrkapazität betreuen. Und bei sich ständig verändernden Anforderungen können Sie so schnell neues Wissen und neue Kompetenzen in die Fläche bringen.

3. Konzeptionelle Überlegungen für dieses Format

Trotz der vielfältigen positiven Aspekte stoßen Live-Online-Veranstaltungen in der Praxis jedoch oft noch auf eher negative Resonanz. Sie werden als langweilig oder zweitklassig erlebt und anfängliche technische Probleme schrecken ab. Um das Potenzial dieser Lehrform zu heben, sollten Sie deshalb ein besonderes Augenmerk auf die sorgfältige Vorbereitung und kompetente Durchführung dieser Online-Vorlesungen und Seminare legen.

Dies beginnt damit, sich zunächst klar zu überlegen, welche Inhalte Sie in diesen synchronen Veranstaltungen, bei denen Ihre Lernenden zur gleichen Zeit zusammenkommen, diskutieren wollen und welche diese selbständig in asynchroner Form (E-Learning Videos, Dokumente, Aufgaben, Diskussionsforen etc.) bearbeiten sollen.3 Diese konzeptionellen Überlegungen und Entscheidungen werden je nach Zielgruppe unterschiedlich ausfallen.

Im Rahmen von Blended-Lösungen können virtuelle Klassenräume zusätzlich zu Präsenzveranstaltungen zur Vorbereitung, Vertiefung oder Nachbereitung eingesetzt werden. Und die „Online-Semester“ in der Corona-Krise haben gezeigt, dass man auch ausschließlich auf dieses Format setzen kann, wenn auch idealerweise nur für kurze Zeit.

3.1. Anwendungsmöglichkeiten

Die Einsatzszenarien für den virtuellen Klassenraum sind vielfältig, z.B.:

• Vorbereitung einer Präsenzeinheit: Die Gruppe lernt sich kennen, klärt Erwartungen und erhält Vorbereitungsaufgaben.

• Rein virtueller Unterricht: Durchführung kurzer, zeitlich verteilter Fort- und Weiterbildungsschulungen, entweder in großen Gruppen als „Vorlesungen“ oder in kleineren Gruppen als „Online-Seminare“

• Durchführung von Kurssequenzen, bei denen verschiedene Experten aus der Praxis jeweils für kurze Zeit im virtuellen Klassenraum zur Gruppe stoßen und intensiv eingebunden werden. Da für die Experten nur ein geringer Zeitaufwand entsteht, weil keine Anreise erforderlich ist, kann man sie einfacher für die Teilnahme gewinnen.

• Studien- oder Prüfungsvorbereitung in Kleingruppen

• Regelmäßiger Austausch in Fach- oder Lerngruppen

• Weiterbildung für die Lehrbeauftragten

• „Onboarding“ von neuen Dozenten oder Mitarbeitenden

• Nachbereitung einer Präsenzeinheit: Die Teilnehmenden berichten, wie es ihnen mit der Umsetzung des Gelernten in der Praxis ergangen ist, klären offene Fragen und erhalten vertiefendes Wissen.

3.2. Geeignete Themen

Das Live-Online-Format eignet sich für ein sehr breites Themenspektrum und daher besonders für die Fort- und Weiterbildung: Schulungen zu Fachthemen, technische Themen, neue Geräte und Produkte, Inhalte rund um Sozialkompetenz, Kommunikation und Führung, IT-Training, Sprachtraining, Projektbegleitung, Coaching und Supervision, usw. Nur wenn physisches Anfassen, Riechen oder die tatsächliche Bedienung von Fahrzeugen oder Maschinen erforderlich sind, bietet der virtuelle Klassenraum keine Lösung.

Sobald Sie dann für sich festgelegt haben, welche Inhalte Sie in virtueller synchroner Präsenz abdecken wollen, kommt es darauf an, diese auch anregend, interaktiv und kurzweilig zu gestalten. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren dafür sind die Didaktik, die Ausnutzung der Funktionalitäten Ihres virtuellen Klassenraums und die Durchführungskompetenz der Lehrenden. Diese Faktoren werden im Folgenden näher beleuchtet:

4. Erfolgsfaktor Tool

Die Gestaltungsmöglichkeiten für Ihren Online-Unterricht werden natürlich stark durch die Software bestimmt, die Sie als virtuellen Klassenraum benutzen, wie z.B. Adobe Connect, Edudip, Yulinc etc.

Bei der Auswahl des passenden Tools sind vielfältige Aspekte zu beachten: Didaktische Möglichkeiten, Datensicherheit, Teilnehmerverwaltung, Integration in die bestehende Systemlandschaft und in Lern-Management-Systeme, Kosten, Verfügbarkeit usw.

Es folgt die Konzentration auf die didaktische Funktionalität, die ein guter virtueller Klassenraum bieten sollte:

Audio: Die Teilnehmenden können miteinander sprechen, aber sich auch selbst stummschalten. Manche Tools erlauben das Abspielen von Musik, ein belebendes Stilmittel, um zu Beginn Schwung in die Gruppe zu bringen. Ferner kann bei Sequenzen, bei denen die Teilnehmenden kurz individuell über einzelne Aspekte reflektieren, durch Musik die Konzentration unterstützt werden.

Video: Die Teilnehmenden können sich gegenseitig über Webcam sehen. Dabei variiert die Anzahl der gleichzeitig sichtbaren Kamerabilder von Tool zu Tool. Die soziale Nähe wird immens gestärkt, wenn man sich „von Angesicht zu Angesicht“ begegnet und so auch Mimik und Gestik Teil der Kommunikation werden können. Manche Tools ermöglichen das Abspielen von Videoclips, was den Unterricht natürlich enorm bereichern kann.

Screensharing: Der Lehrende kann Präsentationen, Bilder, Tabellen etc. für alle Teilnehmenden sichtbar machen. Manche Tools erlauben sogar, dass auf dem geteilten Bildschirm gemeinsam gearbeitet wird.

Chat: Parallel zu Video und Screensharing können die Teilnehmenden über die Chat-Funktion direkt Fragen stellen, Kommentare abgeben oder auf gezielte Fragen antworten. Dabei ist der große Vorteil, dass sich alle gleichzeitig am Unterrichtsgeschehen beteiligen können.

Umfragen: Mit einfachen Abstimmungen während der Live-Online-Veranstaltungen kann auch von sehr großen Teilnehmergruppen schnell Feedback zu einzelnen Fragen eingeholt werden.

Gesten: Einige Tools bieten auch die Möglichkeit, mit Hilfe von Icons z.B. die Hand zu heben, zu applaudieren, Zustimmung oder Ablehnung zu signalisieren und vieles mehr.

Whiteboard: Mit Hilfe dieser Funktion können alle Teilnehmenden gleichzeitig auf einer weißen Fläche schreiben oder zeichnen. Damit können gerade in kleineren Gruppen Diskussionen sehr strukturiert geführt werden.

Arbeitsgruppen: Einige virtuelle Klassenräume bieten auch die Möglichkeit, die Teilnehmenden in Arbeitsgruppen aufzuteilen, dort diskutieren zu lassen und dann die Ergebnisse wieder im Plenum zusammenzuführen.

Die verschiedenen virtuellen Klassenräume variieren hinsichtlich dieser Funktionalitäten. Aber selbst die allereinfachsten Tools bieten zumindest Audio, Video, Sceensharing und Chat und auch damit kann man didaktisch bereits einiges anfangen, um abwechslungsreiche virtuellen Austausch zu gestalten.


5. Erfolgsfaktor Didaktik

Mit den Funktionalitäten des virtuellen Klassenraums lassen sich dann spannende didaktische Sequenzen gestalten. Natürlich kann man damit auch die traditionellen Frontalvorlesungen mit anschließendem Fragenteil durchführen, wie man es oft bei den klassischen „Web-Seminaren“ erlebt. Es wäre jedoch schade, in den Web-Seminaren die interaktiven Möglichkeiten der Räume nicht besser zu nutzen! Denn anders als im Präsenzunterricht können hier alle Teilnehmenden gleichzeitig „sprechen“ (im Chat) oder diskutieren (auf dem elektronischen Whiteboard schreiben). Auch mit einer größeren Anzahl von Teilnehmenden ist hier ein intensiver und persönlicher Austausch in relativ kurzer Zeit gut machbar.

Grundsätzlich sollte die Dauer der einzelnen Unterrichtseinheiten jeweils auf maximal zwei Stunden begrenzt sein, länger kann man die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden erfahrungsgemäß nicht halten. Das bedeutet, umfassende Themen, die sonst in ein- oder mehrtätigen Veranstaltungen geschult werden, in kleinere Blöcke zu zerlegen, die über mehrere Termine hinweg vermittelt werden.

Erfolgreiche Live-Online-Didaktik beginnt mit der inneren Einstellung der Lehrenden. Die Grundhaltung sollte sein: „Wenn ich schon Leute gleichzeitig zusammenhole, dann sollte es uns auch um den gegenseitigen Austausch gehen und nicht um monologartige Wissensvermittlung.“ Simple Präsentationen oder Vorträge zeichnet man am besten per Video auf und versendet sie an die Lernenden, sodass sich diese die Inhalte asynchron ansehen können, wann immer es ihnen zeitlich am besten passt. Aber wenn man gleichzeitig zusammenkommt, dann sollte es dort auch um die direkte Interaktion und Diskussion gehen!

Im Folgenden wird dieses Vorgehen anhand von 2 Beispielen demonstriert:

5.1. Interaktive “Vorlesung”

Vorträge vor der Videokamera per Livestream darzubieten und zu erwarten, dass die Zuhörer 45 min oder länger voll bei der Sache bleiben, ist unrealistisch. Wenn man an seinem Computer oder Tablet sitzt, ist man schnell von anderen Anwendungen oder Social Media abgelenkt. Hier ist es also noch wesentlich schwieriger als im Hörsaal, die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu behalten.

Doch wer hier geschickt die Möglichkeiten eines virtuellen Klassenraums ausnutzt, kann in diesem Format sogar weitaus angeregteren Austausch gestalten, als es je in Präsenz möglich wäre!

Zum Beispiel empfiehlt es sich, die Vortragssequenzen auf rund 10 bis 15 Minuten zu begrenzen. Danach sollten Sie gezielte Fragen stellen, die die Lernenden zur eigenen Reflexion anregen, bevor Sie mit der nächsten Vortragssequenz fortfahren.

Sie können z.B. eine Umfrage starten und dabei

• nach eigenen Erfahrungen fragen („Trifft das, was Sie gerade gehört haben, auch auf das zu, was Sie in Ihrer Praxis erleben? Immer- teilweise – selten – nie),

• ein kleines Quiz zu dem gerade Erzählten machen oder

• neuen Stoff mit einer Frage einleiten, die an das Vorwissen der Teilnehmenden anknüpft.

Sie können auch ein Video zeigen und dazu per Umfrage gezielte Fragen stellen, genauso zu eventuellen Vorarbeiten, die die Teilnehmenden gemacht haben.

Im Unterschied zu Präsenzveranstaltungen können Sie mit dieser Methodik schnell Antworten von allen im Raum erhalten und sofort ein differenziertes und sogar quantifiziertes Bild zur Gesamtgruppe bekommen, denn die Umfragen zeigen einem sofort, mit welcher Häufigkeit jede der Antwortmöglichkeiten von den Teilnehmenden gewählt wurde.

Und natürlich sollten Sie Ihren Zuhörern jederzeit die Möglichkeit geben, im Chat direkt Fragen zu stellen. Warten Sie damit nicht bis zum Ende Ihres Vortrags, sondern pausieren Sie auch schon zwischendurch nach jeder Sequenz und bitten Sie um Fragen oder Kommentare. Das Schöne an einem Chat ist, dass dort alle gleichzeitig „sprechen“ und Input geben können und das Ganze in nur 2-3 Minuten. Sie können dann selbst steuern, welche Fragen Sie spontan herausgreifen wollen und welche Sie auf später verschieben. Wenn Ihre Zuhörer merken, dass ihre Fragen tatsächlich wahrgenommen werden, werden sie sich erfahrungsgemäß auch aktiver beteiligen.

Sie haben auch die Option, einen „Assistenten“ einzubinden, der ständig ein Auge auf den Chat hat und dann zu gegebener Zeit Fragen herausgreift und vorliest. So können Sie jeweils einen Lernenden in einer aktiven Rolle mit an der Vorlesung beteiligten und diese Rolle kann auch zu jedem Termin rotieren.

Wichtig ist, die Hände der Teilnehmenden zu aktivieren und sie etwas klicken oder tippen zu lassen. Denn wenn sie in Ihrem Klassenraum aktiv sind, können sie sich nicht gleichzeitig mit einer anderen, nicht relevanten Anwendung beschäftigen.

5.2. Interaktives Online-Seminar

Mit kleineren Gruppen bis zu 20 bis 25 Personen lassen sich natürlich weitaus vielfältigere Interaktionen gestalten als nur mit Umfragen. Sie können

• einzelne Teilnehmer auch direkt einbeziehen, auf die Kamera bringen und sprechen lassen,

• im Chat häufiger konkrete Fragen an die Teilnehmenden stellen und deren Antworten intensiver diskutieren,

• ein Whiteboard nutzen, um gemeinsam zu einem Thema ein Brainstorming abzuhalten und die Antworten auch zu gruppieren,

• die Teilnehmenden in Kleingruppen verteilen, dort z.B. Fallbeispiele persönlich miteinander diskutieren lassen und dann im Plenum die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zusammentragen.

Die Kunst guten Live-Online-Trainings besteht darin, vorab genau zu planen, über welche interaktiven Elemente man die Lernenden einbinden will, um die Lernziele zu erreichen und dafür die zur Verfügung stehenden Funktionalitäten des eigenen virtuellen Klassenraums optimal einzusetzen.

Je mehr Variationen Sie dabei bieten, desto eher werden Sie Ihre Teilnehmenden auch trotz der heute notorischen kurzen Aufmerksamkeitsspannen bei Stange halten. Bieten Sie deshalb viel Abwechslung bei dem, was die Lernenden

hören: Keine monotonen Einzelredner, sondern interessant modulierter Vortrag und idealerweise verschiedene Sprecher,

sehen: Keine langweiligen Textfolien, sondern einfache Botschaften und ansprechende Bilder und eventuell auch Videos,

sprechen: Kein passives Zuhören, sondern auch aktive Wortbeiträge,

tun: Die Hände mit tippen, klicken, zeichnen und Gesten beschäftigt halten.

6. Erfolgsfaktor „Kompetenz der Lehrenden“

Was bedeutet all dies nun für die Lehrenden? Sie müssen die Kompetenz erwerben, kurzweilig zu informieren und die aktive Beteiligung der Teilnehmenden über abwechslungsreiche Interaktionen anzuregen.

Dies beginnt mit der eigenen akustischen und optischen Wirkung im virtuellen Raum. Ein Headset sorgt für klaren Ton und gute Verständlichkeit, zusammen mit einem abwechslungsreichem Vortrag wird so die Grundlage für eine wirksame Kommunikation gelegt. Die Webcam soll möglichst viel von Mimik und Gestik zum Vortrag erfassen. Dies gelingt, wenn das Gesicht gut ausgeleuchtet ist, man nicht „von oben herab“ in die Kamera blickt und man mittig vor einem möglich ruhigen Hintergrund sitzt oder steht.

Natürlich braucht es auch eine gewisse Technikkompetenz. Inzwischen ist die Bedienung der gängigen Softwaretools für den virtuellen Klassenraum vergleichsweise einfach. Wer mit den normalen Arbeitsplatzanwendungen wie Word oder PowerPoint umgehen kann, arbeitet sich schnell in die Tools ein, die heute sehr benutzerfreundlich gestaltet sind. Die wichtigste Voraussetzung dafür, sich damit zu beschäftigen und lernen zu wollen.

Trotzdem haben viele Anfänger anfangs Befürchtungen, dass technische Probleme auftreten könnten, mit denen sie nicht umgehen können. Klar ist: Es wird immer technische Probleme geben, genauso wie es auch bei Präsenzveranstaltungen immer technische Probleme geben wird. Der Beamer springt nicht an, die Batterien im Klicker sind leer oder der Raum lässt sich nicht richtig verdunkeln. Doch damit haben die meisten gelernt umzugehen und werden nicht mehr nervös: Sie haben Ersatzbatterien dabei und treffen sich rechtzeitig vorher mit dem Techniker, um den Beamer und das Laptop zu testen und sich die Bedienung des Raums erklären zu lassen. Genauso ist es im virtuellen Klassenraum, es sind immer dieselben Probleme, die dort auftreten können. Nach ein paar Veranstaltungen wird man auch damit routiniert umgehen können. Und anfangs sollte man eben immer auch einen Technikspezialisten dabeihaben.

Die wichtigste neue Kompetenz besteht jedoch darin, die Teilnehmer mit den in Punkt 5 beschriebenen didaktischen Mitteln zu aktivieren und die Funktionalitäten des virtuellen Klassenraums souverän zu nutzen, um damit Wissensvermittlung und Austausch anregend zu gestalten. Die Durchführung gelungener Live-Online-Veranstaltungen erfordert anfangs Lernbereitschaft und Experimentierfreude. Übung macht auch hier den Meister. Am besten startet man mit einer gezielten Ausbildung und schaut sich von erfahrenen Live-Online-Experten die Mittel ab, die auch zum eigenen Unterrichtstil passen.

7. Wo können Sie anfangen?

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Diesen haben viele seit Beginn der zwangsweisen Umstellung auf die Online-Lehre bereits gemacht. Sie haben dabei bereits Erfahrungen dazu gesammelt, wie sie selbst unter diesen Bedingungen digital arbeiten können und wie neue Formate für Lehrveranstaltungen gestaltet werden können. Es ist erstaunlich, wie schnell hier vieles machbar war und gut funktioniert hat.

Nun gilt es, darauf aufzubauen und die nötigen Fähigkeiten schrittweise und systematisch zu erweitern.

Am besten wird das Gelingen, wenn Sie gezielt den Austausch mit Ihren Lernenden suchen und deren Bedarf verstehen lernen. Diskutieren Sie gemeinsam, wie die digitale Lehre gestaltet werden sollte und wie Live-Online-Veranstaltungen dafür am besten genutzt und durchgeführt werden sollten. Die digitalen Technologien eröffnen so viele Möglichkeiten dafür, Ihre Zielgruppen aktiver mit einzubeziehen und ihr Lernen auch selbstbestimmter gestalten zu lassen. Experimentieren Sie gemeinsam, wie das aussehen könnte und fordern Sie deren aktives Mitmachen live online ein!

1 Alexandra Altmann, Diplom-Psychologin (Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie); Geschäftsführerin von virtuu (Spezialisten für Führung, Zusammenarbeit und Lernen auf Distanz); Pionierin für Live-Online-Training; www.virtuu.net.

2 Hierzu Kreidl, Christian, Akzeptanz und Nutzung von E-Learning-Elementen an Hochschulen, Münster / New York / München / Berlin 2011, 51 Abb. 11 https://www.waxmann.com/?eID=texte&pdf=2512Voll-text.pdf&typ=zusatztext (Tag der Abfrage: 1.7.2020).

3 Hierzu Altmann, Alexandra, Blended-Learning, in: LLD 2020, Heft 1, 21ff..

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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