Jahrbuch der Baumpflege 2020

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Neue Schadorganismen – neue Risiken für Gehölze?
New harmful organisms – new risks for woody plants?

von Katrin Kaminski, Gritta Schrader und Anne Wilstermann

Zusammenfassung

Über den internationalen Handel können Schadorganismen an Pflanzen in ein neues Gebiet eingeschleppt werden. Bei geeigneten Lebensbedingungen können sie sich in neuen Gebieten etablieren und zu beträchtlichen Schäden an Pflanzen führen. Eingeschleppte Schadorganismen sind zuvor oft nicht als Unionsquarantäneschädlinge gelistet, stellen aber häufig ein hohes phytosanitäres Risiko dar, was allerdings bei ihrer Detektion nicht unmittelbar bekannt ist. Das Julius Kühn-Institut führt Risikoanalysen durch, um festzustellen, ob bedeutende Schäden entstehen können und phytosanitäre Maßnahmen erforderlich sind. Meldeverpflichtungen und ein EU-weites Frühwarnsystem sind zentrale Bestandteile des Pflanzengesundheitssystems der EU, sodass alle Mitgliedstaaten im Falle eines Befalls schnell reagieren können. Der Beitrag gibt eine exemplarische Übersicht über einige in jüngster Zeit an Gehölzen neu aufgetretene Schadorganismen.

Summary

Through international trade, harmful organisms of plants can be introduced into a new area. If they find suitable living conditions they can establish themselves in new areas and cause considerable damage to plants. Often, introduced pests are not listed as European Union quarantine pests beforehand but often pose a high phytosanitary risk, which is however not immediately known after first detection. The Julius Kühn-Institute ( JKI) carries out risk analyses to determine whether significant damage can occur and if phytosanitary measures are necessary. The obligation of notification and an EU-wide early warning system are central parts of the EU plant health system so that all Member States can act promptly in case of an infestation. Some newly occurring pests and diseases on woody plants are presented as an example.

1 Einleitung

Schadorganismen können sich auf natürlichem Wege in neue Gebiete ausbreiten und nutzen hierbei ihre Fähigkeit der aktiven oder passiven Fortbewegung. Insbesondere eine interkontinentale Verbreitung von Schadorganismen erfolgt jedoch auch über Aktivitäten des Menschen. Dabei stellt der Transport mit Waren einen wichtigen Einschleppungsweg für neue Schadorganismen dar. Auf EU-Ebene ist insbesondere die Einfuhr von Pflanzen und Pflanzenprodukten aus Drittländern zu nennen, die aufgrund der zunehmenden Globalisierung bedeutende Möglichkeiten für Einschleppungen bietet. Auch im Verpackungsholz von Sendungen diverser nicht phytosanitär relevanter Warenarten können Schadorganismen unbeabsichtigt mit transportiert werden und so ihren Weg nach Europa finden. Hierdurch ist z. B. der Asiatische Laubholzbockkäfer Anoplophora glabripennis bereits an einigen Orten in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten eingeschleppt worden. Es wurden jedoch in importiertem Verpackungsholz auch andere Bockkäfer (Cerambycidae) sowie Prachtkäfer (Buprestidae), Bohrkäfer (Bostrichidae) und weitere Insekten und Nematoden gefunden (EU 2018).

2 Einschleppung von Schadorganismen mit dem internationalen Handel

Durch Kontrollen und phytosanitäre Anforderungen an Warenarten bei der Einfuhr soll das Risiko einer Einschleppung von Schadorganismen weitestgehend vermieden werden. Einfuhrvorschriften machen phytosanitäre Kontrollen im Exportland und beim Eintritt in die EU bei vielen Pflanzen und Pflanzenprodukten ebenso zur Pflicht wie die Behandlung von bestimmten Warenarten oder andere spezielle Maßnahmen vor dem Export im Drittland. Bei den Einfuhrkontrollen werden jedoch trotz der Einfuhranforderungen und in den Drittländern durchgeführter Behandlungen regelmäßig Schadorganismen gefunden (EU 2018). Die Ware bzw. das befallene Verpackungsholz werden dann in der Regel vernichtet oder zurückgewiesen, gelegentlich auch phytosanitär behandelt. Trotz der Einfuhrvorschriften und durchgeführter Kontrollen bei der Einfuhr kann kein 100%iger Schutz vor der Einschleppung von Schadorganismen geschaffen werden, denn die Waren können immer nur stichprobenartig kontrolliert werden.

Das beanstandete Verpackungsholz ist in vielen Fällen nicht korrekt nach dem internationalen Standard ISPM 15 behandelt worden, was durch eine fehlende Markierung zu erkennen ist. Auch wenn hier nicht immer Schadorganismen gefunden werden, zeigt die hohe Anzahl von EU-weit rund 2.000–3.000 beanstandeten Sendungen pro Jahr (Abbildung 1), dass das Risiko von Einschleppungen holzbürtiger Schadorganismen weiterhin gegeben ist (EU 2018).

Wenn eingeschleppte Schadorganismen auf geeignete Lebensbedingungen treffen, also Wirtspflanzen vorhanden sind und die klimatischen Erfordernisse erfüllt werden, können sie sich im neuen Gebiet etablieren und weiter ausbreiten. Ob ein Schadorganismus auf geeignete Wirtspflanzen und Bedingungen trifft, hängt auch von der Verwendung der Warenart ab, mit der er eingeschleppt wird, und von weiteren Bedingungen wie der Mobilität des Organismus und der Jahreszeit der Einschleppung. Beispielsweise ist die Möglichkeit der Ansiedlung von Schadorganismen bei Pflanzen, die im Freiland angepflanzt werden, höher zu bewerten als bei Früchten oder Gemüse.

Wenn die Etablierung eines Schadorganismus erfolgt und zudem noch ein hohes Schadpotenzial vorhanden ist, können die Auswirkungen von neuen Schadorganismen beträchtlich sein, da in der Regel zunächst geeignete Gegenspieler und Konkurrenten fehlen. Es ist auch möglich, dass zuvor unbekannte Wirtsarten befallen werden.

Ein aktuelles Beispiel für den Befall neuer Wirtspflanzen stellt das Citrus bark cracking viroid (CBCVd) dar. CBCVd ist seit vielen Jahren als weitestgehend harmloses Viroid mit milden Symptomen an Zitruspflanzen bekannt und in einigen südlichen Ländern der EU wie Zypern, Griechenland und Italien etabliert (EPPO 2019). 2015 wurde das Viroid in Slowenien an Hopfen festgestellt, nachdem bereits seit 2007 Symptome aufgetreten waren, die zunächst einem Befall mit dem Hop stunt viroid glichen. In dieser neuen Wirtspflanze zeigt sich das Viroid CBCVd extrem aggressiv und führt innerhalb von drei bis fünf Jahren zum Absterben der Pflanzen (EPPO 2015). 2019 wurde CBCVd erstmalig auch an Hopfen in Deutschland festgestellt. Ob es Regelungen auf EU-Ebene für CBCVd geben soll, wird zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrages diskutiert.

Seit 2013 ist in Italien das Auftreten des sogenannten Feuerbakteriums Xylella fastidiosa bekannt (EPPO 2013). Aufgrund von aktuellen Studien wird vermutet, dass X. fastidiosa aus Zentralamerika nach Italien eingeschleppt wurde (EPPO 2017). Große Schäden hat dieses Bakterium zunächst an Olivenbäumen (Olea europaea) im Süden Italiens hervorgerufen. Befallene Bäume zeigen Blattflecken und ein Absterben erst von einzelnen Ästen und schließlich der gesamten Pflanze. Das Bakterium breitet sich mithilfe von Vektoren (Zikaden: Cicadellidae und Cercopidae) sehr schnell aus, es sind inzwischen weite Flächen betroffen. Die Situation ist nicht einfach in den Griff zu bekommen, da X. fastidiosa zahlreiche unterschiedliche Pflanzenarten befallen kann und dort auch vorhanden sein kann, ohne dass sich Symptome zeigen. Zu weiteren Wirtspflanzen zählen Gehölze sowie einige kleinere Sträucher und auch krautige Pflanzen wie beispielsweise PrunusArten, Quercus-Arten, Platanus occidentalis, Rosa-Arten, Citrus sinensis, Coffea, Polygala myrtifolia, Vaccinium corymbosum und Vitis vinifera. Zudem sind in der EU verschiedene Unterarten von X. fastidiosa aufgetreten (siehe auch HOPPE et al. in diesem Jahrbuch, S. 32). In Deutschland wurde das Bakterium 2016 in Sachsen an Oleander (Nerium oleander) sowie an Rosmarinus officinalis und an Streptocarpus gefunden, konnte jedoch durch konsequente Maßnahmen erfolgreich ausgerottet werden, sodass Deutschland seit 2018 wieder als befallsfrei gilt. Neben den italienischen Befallsgebieten in Europa gibt es weitere Auftreten in Frankreich (seit 2015), Spanien (wahrscheinlich seit 2012) und Portugal (seit 2018). Auf Korsika und auf den Balearen kommt das Bakterium ebenso vor wie in Gebieten auf dem spanischen und französischen Festland (EPPO 2019). Die EU hat bereits 2015 Notmaßnahmen gegen Xylella fastidiosa erlassen, die detailliert regeln, welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten durchführen müssen (EU 2015).

Abbildung 1: Beanstandungen von Verpackungsholz aus Nicht-EU-Ländern in den Jahren 2014–2018 (EU 2018)

3 Frühwarnsystem in der EU

In der EU ist zur Begrenzung von Schäden durch quarantänerelevante Schadorganismen ein IT-basiertes Frühwarnsystem eingerichtet worden (EU 2016). Damit soll sichergestellt werden, dass unverzüglich phytosanitäre Maßnahmen durchgeführt werden können, die einen Befall in der Anfangsphase tilgen und so eine Ausbreitung der Schadorganismen und weitere Schäden vermeiden. Dabei ist es für den Erfolg der Ausrottungsmaßnahmen ausgesprochen wichtig, dass der Befall möglichst frühzeitig gefunden wird. Die Ausrottungsmaßnahmen betreffen zwar zunächst vor allem den Ort, an dem der Schadorganismus erstmalig gefunden wurde. Es ist jedoch wichtig, dass über neue Schadorganismen informiert wird, damit man in ganz Deutschland und in der EU auf ein solches Auftreten vorbereitet ist. Dies ermöglicht es, neue Schadorganismen auch an anderen Orten schnell zu finden und zu bekämpfen.

 

Um Schadorganismen nach einer Einschleppung rasch zu finden, werden von den Pflanzenschutzdiensten Inspektionen und Monitorings durchgeführt. Einen wichtigen Anteil beim Auffinden von neuen Schadorganismen haben auch Personen, die eigentlich nicht mit phytosanitären Fragen befasst sind. Häufig wird ein Befall durch Privatpersonen gemeldet oder durch Personen, die sich aufgrund von anderen beruflichen Aufgaben mit Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen beschäftigen, z. B. der Pflege von Gehölzen, der Pflanzenproduktion, der Zulassung von Anbaumaterial oder der Forschung.

An Abies concolor wurde 2018 beispielsweise durch einen Wissenschaftler eine neue Krankheit beschrieben, die durch Neonectria neomacrospora ausgelöst wird (HEYDECK 2018; Julius Kühn-Institut 2018). Die neu aufgetretene Douglasiengallmücke Contarinia pseudotsugae wurde in Brandenburg durch Mitarbeiter im Forstbereich an Pseudotsuga menziesii entdeckt, welche daraufhin den Pflanzenschutzdienst informierten.

Der optisch sehr auffällige Asiatische Laubholzbockkäfer Anoplophora glabripennis wurde in der Nähe von Firmen gefunden, die mit Natursteinen aus China arbeiten. Es wird angenommen, dass die Einschleppung mit dem dazugehörigen Verpackungsholz erfolgte. Durch die Meldung an den zuständigen Pflanzenschutzdienst konnte dieser dann vor Ort tätig werden. Auch der erste Fund des Asiatischen Moschusbockkäfers Aromia bungii an Prunus in Bayern erfolgte 2015 durch eine Privatperson ( Julius Kühn-Institut 2012). In Mecklenburg-Vorpommern brachte eine Privatperson eine Probe von befallenen Kiefernnadeln zum Pflanzenschutzdienst, an der erstmalig in Deutschland Dothistroma pini festgestellt wurde ( Julius KühnInstitut 2019a). D. pini ist im europäischen Raum bisher nur in Ungarn, Russland, der Ukraine, Serbien, der Slowakei, Spanien und der Schweiz gefunden worden und wird von D. septosporum (Syn. Mycosphaerella pini, Syn. Scirrhia pini) unterschieden, der bereits in den meisten europäischen Ländern vorkommt (EPPO 2019).

Es gibt eine gesetzliche Verpflichtung für alle – also für alle Mitarbeiter von Unternehmen, anderen Einrichtungen sowie Privatpersonen – Unionsquarantäneschadorganismen oder Schadorganismen, die in Notmaßnahmen geregelt sind, zu melden. Dies ist in Art. 14 und 15 der Pflanzengesundheitsverordnung (EU) 2016/2031 festgelegt (EU 2016). Es ist vorgesehen, dass jeder, der solche Schadorganismen findet oder dem ein Auftreten bekannt wird, dies dem zuständigen Pflanzenschutzdienst meldet. Gemeldet werden muss auch schon ein begründeter Verdacht eines entsprechenden Auftretens.

Die Pflanzenschutzdienste sind ebenfalls zu Meldungen verpflichtet, die zunächst an das Julius Kühn-Institut ( JKI) gehen, das die Meldungen aus Deutschland in der EU weiterleitet. Eine geschlossene Meldekette ist hierfür EU-weit eingerichtet worden, denn in Art. 11 der Verordnung (EU) 2016/2031 ist vorgesehen, dass diese Meldungen an die anderen Mitgliedstaaten und die EU weitergeleitet werden. Für dieses Frühwarnsystem der zuständigen Behörden stellt die Europäische Kommission das IT-System „EUROPHYT outbreaks“ zur Verfügung, über das die Informationen zwischen den Behörden schnell ausgetauscht werden können.

Wenn ein Auftreten eines Schadorganismus an den Pflanzenschutzdienst gemeldet wird oder in einer amtlichen phytosanitären Inspektion ein solcher Schadorganismus gefunden wird, wird zunächst der Befall verifiziert. Hierfür wird in der Regel eine amtliche Probe genommen und im Labor des Pflanzenschutzdienstes untersucht. Wenn der Organismus identifiziert worden ist und es sich um einen entsprechend Art. 5 der Verordnung (EU) 2016/2031 gelisteten Unionsquarantäneschadorganismus handelt, besteht automatisch die oben genannte Meldepflicht an die EU und die Pflicht zur Ausrottung oder – falls die EU-Kommission feststellt, dass dies nicht möglich ist – zur Eindämmung des Befalls. Dies gilt jedoch ebenso für Schadorganismen, für die die EU Notmaßnahmen erlassen hat.

4 Risikoanalysen

Wenn ein Schadorganismus identifiziert wird, der kein gelisteter Unionsquarantäneschädling ist, führt das JKI eine Express-Risikoanalyse durch. Sofern das phytosanitäre Risiko auf der Basis der vorliegenden Informationen vom JKI als gering eingestuft wird, weil der Schadorganismus beispielsweise bereits weitverbreitet ist, werden von amtlicher Seite keine Maßnahmen durchgeführt. Es bleibt dann dem Eigentümer der Pflanzen überlassen, ob er mithilfe von Pflanzenschutzmaßnahmen gegen den Schadorganismus vorgeht oder die Pflanze anderweitig entsorgt. Wenn ein signifikantes phytosanitäres Risiko festgestellt wird, gilt der neue Schadorganismus als geregelt im Sinne von Artikel 29 der EU-Pflanzengesundheitsverordnung 2016/2031 und amtliche Ausrottungs- bzw. Eindämmungsmaßnahmen sind erforderlich und werden vom zuständigen Pflanzenschutzdienst angeordnet. Die Risikoanalyse stellt also die wissenschaftliche Basis für die angeordneten Maßnahmen dar.

Besteht zudem ein hohes Risiko für die gesamte oder Teile der EU, kann dies dazu führen, dass für solche Schadorganismen EU-weit Notmaßnahmen erlassen werden und damit detaillierte Vorschriften für alle Mitgliedstaaten zur Ausrottung und Eindämmung, zur Abgrenzung von Befallsgebieten und Pufferzonen, zum Monitoring sowie zur Einfuhr und Verbringung von Wirtspflanzen gelten. In einem letzten Schritt kann ein solcher Schadorganismus auch in die Liste der Unionsquarantäneschädlinge nach Artikel 5(2) der Verordnung (EU) 2016/2031 aufgenommen werden. Entsprechend ist für Aromia bungii 2012 zunächst eine Express-Risikoanalyse des JKI erstellt worden. 2013 folgte eine Risikoanalyse der Europäischen und Mediterranen Pflanzenschutzorganisation (EPPO). Am 8. Oktober 2018 sind Notmaßnahmen der EU in Form des Durchführungsbeschlusses (EU) 2018/1503 der Kommission zur Festlegung von Maßnahmen zum Schutz der Union gegen die Einschleppung und Ausbreitung von Aromia bungii erlassen worden und im September 2019 wurde A. bungii in die Liste der Quarantäneschadorganismen aufgenommen (Richtlinie 2000/29/EG und in der Folge Verordnung (EU) 2016/2031 (EU 2000, 2016)).

Das JKI stellt seine Express-Risikoanalysen und Informationen zum Auftreten von neuen Schadorganismen in Deutschland auf seiner Website im Themenportal Pflanzengesundheit zur Verfügung unter https://pflanzengesundheit.julius-kuehn.de/schadorganismen-vonpflanzen.html. Im Jahr 2018 erstellte das JKI Express-Risikoanalysen zu 23 Schadorganismen, 2017 waren es insgesamt 12 und 2016 wurden 20 Schadorganismen hinsichtlich des Risikos bewertet. Seit 2009 sind insgesamt 137 Express-Risikoanalysen oder andere Risikobewertungen erfolgt, von denen fast die Hälfte (62) Schadorganismen an Bäumen betreffen. Dabei wurde in 28 der Express-Risikoanalysen ein signifikantes phytosanitäres Risiko für Bäume und damit die Notwendigkeit von phytosanitären Maßnahmen festgestellt.

Die Meldungen zum Auftreten von Schadorganismen EU-weit im IT-System EUROPHYT outbreaks sind nur für amtliche Zwecke vorgesehen und nicht öffentlich zugänglich. Allerdings werden viele der Informationen direkt aus dem System an die EPPO weitergeleitet. Diese veröffentlicht in der EPPO Global Database umfangreiche Informationen zu Schadorganismen, u. a. zu deren Verbreitung, Regelungsstatus und Wirtspflanzen (EPPO 2019).

5 Warnliste der EPPO

Mit der Warnliste der EPPO („Alert List“) wird das Augenmerk auf neue Schadorganismen gelenkt, für die ein phytosanitäres Risiko für Europa und den Mittelmeerraum wahrscheinlich ist. 2019 sind einige Schadorganismen in die EPPO „Alert List“ aufgenommen worden, die für Bäume relevant sind.

5.1 Litylenchus crenatae und die „Beech Leaf Disease“ (BLD)

Dazu gehört die neu beschriebene Nematodenart Litylenchus crenatae, die Buchen-Arten befällt, insbesondere an Fagus crenata wurde der Nematode gefunden. Dieser Nachweis erfolgte in Japan (KANZAKI 2019). Es wird zudem vermutet, dass L. crenatae mit Erkrankungen der Buche im Osten der USA und in Ontario in Kanada in Zusammenhang steht, die „Beech Leaf Disease“ (BLD) genannt werden (USDA 2018). Diese Krankheit ist 2012 erstmalig dort aufgetreten, breitet sich an Bäumen in der Landschaft und im Wald schnell aus und verursacht erhebliche Schäden. Betroffen von der Krankheit ist dort hauptsächlich F. grandifolia, aber 2016 wurde BLD auch an F. sylvatica und anderen Buchen-Arten gefunden (EWING 2018). Erkrankte Bäume zeigen zunächst dunkelgrüne, gestreifte Bänder zwischen den Blattadern und bilden kleinere Blätter. Auch lederartige Blätter und Blattrollen wurden beschrieben. Dann sterben auch Knospen ab und es werden weniger Blätter produziert, die vorzeitig abfallen. Es wurde beobachtet, dass die erkrankten Bäume innerhalb von sechs Jahren absterben, jüngere auch eher. In Gebieten, wo BLD etabliert ist, zeigen mehr als 90 % der Bäume Symptome. Viele Fragen zu dieser Krankheit und zu L. crenatae sind noch nicht geklärt, beispielsweise die Verbreitungswege. Aufgrund der schnellen Ausbreitung und der starken Schäden an Buchen-Arten in Nordamerika wurde der Schadorganismus auf die Warnliste der EPPO gesetzt. (EPPO 2019a).

5.2 Xylotrechus chinensis

Seit 2018 neu auf der Warnliste ist auch Xylotrechus chinensis (Cerambycidae). Dieser Bockkäfer befällt hauptsächlich Maulbeerbäume (Morus spp.), aber auch Birnen (Pyrus spp.) und Weinreben (Vitis vinifera). Der Bockkäfer kommt ursprünglich in verschiedenen Ländern Ostasiens vor und ist inzwischen auch in Europa aufgetreten (Abbildung 2). In Spanien wurde 2013 ein erster Ausbruch in Katalonien gefunden. Der Käfer hat sich dort bereits etabliert und mittlerweile gelten im Befallsgebiet von ca. 44 km2rund 10–45 % der Maulbeerbäume als befallen (SARTO I MONTEYS 2018). Die Schäden entstehen im Stamm und in Ästen, wo sich die Larven entwickeln. Befallene Bäume werden geschwächt und sterben schließlich ab. Im Juni 2018 wurden auch in Sagunto und Almenara elf befallene Maulbeerbäume gefunden (EPPO 2018a).

Abbildung 2: Verbreitungskarte von Xylotrechus chinensis (EPPO 2019)

Im Jahr 2017 wurden in Griechenland Maulbeerbäume in der Nähe eines Hafens gefunden, die stark mit X. chinensis befallen waren. Bis 2018 wurden insgesamt ca. 200 befallene Bäume gefunden, die Ausbohrlöcher zeigten oder vertrocknet aussahen (EPPO 2018b). In Frankreich wurde 2018 ein Ausbruch von X. chinensis in einem Privatgarten gefunden. Bis Oktober 2019 gab es in Frankreich zwei Ausbrüche. Der Einschleppungsweg konnte nicht genau geklärt werden, aber man vermutet, dass in beiden Fällen Verpackungsholz eine Rolle gespielt haben kann, denn die Ausbrüche liegen in der Nähe von Häfen (EPPO 2018c; EPPO 2019b).

2017 wurden lebende Käfer von X. chinensis in Dekorationsmaterial aus Holz festgestellt, das aus China importiert werden sollte. 2019 wurde bei Einfuhrkontrollen ein Befall der Gattung Xylotrechus an Holzpaletten aus der Ukraine gefunden. Offensichtlich kommen also verschiedenartige Produkte aus Holz für eine Einschleppung des Bockkäfers infrage. Aufgrund der Beanstandung in Dekorationsmaterial führte das JKI eine Express-Risikoanalyse durch und die Sendung wurde begast, um den Schadorganismus abzutöten und eine Einschleppung zu verhindern. Es wird angenommen, dass sich der Schadorganismus eventuell auch in Deutschland ansiedeln kann (SCHRADER 2017a).

5.3 Dendroctonus valens

Seit Mai 2019 neu auf der EPPO „Alert List“ ist Dendroctonus valens (Scolytidae). Dieser Borkenkäfer befällt vor allem Kiefern-Arten (Pinus spp.), wurde aber gelegentlich auch an Fichten (Picea spp.) und Lärchen (Larix spp.) nachgewiesen. Der Borkenkäfer kommt ursprünglich in Nordamerika vor und wurde von dort nach China verschleppt (Abbildung 3), vermutlich mit Holzstämmen aus dem Westen der USA (FAO 2007). In China ist es zu großen Schäden auf einer Fläche von mehr als 700.000 ha Pinus-Beständen gekommen (GAO 2005). Es wird geschätzt, dass seit der Einschleppung nach China in den 1980er Jahren mehr als 10 Millionen Bäume diesem Schädling zum Opfer fielen. Aufgrund dieser großen Schäden wurde D. valens auf die Warnliste der EPPO gesetzt. Ein Auftreten in Europa ist bisher noch nicht bekannt geworden (EPPO 2019c).

 

Dendroctonus valens besiedelt vor allem den unteren Stamm und frei liegende Wurzeln der Bäume. Die Galerien der Larven in der inneren Rinde können die Bäume vollständig umfassen und letztlich den Baum zum Absterben bringen. Als erste Erkennungsmerkmale für einen Befall werden große, rötlichweiße rohrförmige Auswürfe beschrieben, die sich auf der Rinde zeigen oder als Pellets zu Boden fallen und am Fuße des Stammes sichtbar sind (FAO 2007). Es kann bei einem Befall mit dem Borkenkäfer auch zu einem Befall mit verschiedenen Pilzen kommen, die mit den Käfern assoziiert sein können. Leptographium procerum wurde bei Befall in China isoliert und ist vermutlich zusammen mit dem Käfer nach China eingeschleppt worden (SUN et al. 2013).

Abbildung 3: Verbreitungskarte von Dendroctonus valens (EPPO 2019)

5.4 Chrysobothris femorata

Im Oktober 2019 wurde der Flachköpfige Apfelbaumbohrer Chrysobothris femorata (Buprestidae) auf die Warnliste der EPPO gesetzt, nachdem der Käfer bereits 2017 bei der Einfuhrkontrolle in Stämmen von Juglans nigra gefunden wurde, die aus den USA nach Deutschland importiert werden sollten. Auch eine Risikoanalyse aus Norwegen zu Hackschnitzeln wies auf ein phytosanitäres Risiko des Schädlings hin. Der Flachköpfige Apfelbaumbohrer ist in Nordamerika heimisch und kommt bisher in Europa noch nicht vor (Abbildung 4). Die Express-Risikoanalyse des JKI ergibt jedoch, dass sich C. femorata in Deutschland und Europa ansiedeln und erhebliche Schäden hervorrufen könnte (SCHRADER 2017b).

C. femorata ist polyphag und befällt mehr als 30 Laubbaumarten wie beispielsweise Arten von Acer, Malus und Populus, aber auch Carpinus, Crataegus, Ulmus und Prunus (EPPO 2019d). Er legt Eier unter der Rinde oder in Rindenrisse ab, wobei er häufig gestresste Bäume oder neu gepflanzte, aber gesunde Bäume bevorzugt. Die Larven fressen das Phloem und das Splintholz von Stämmen und Zweigen und überwintern teils in langen Fraßgalerien, die bei jungen Bäumen den gesamten Stamm umfassen können. Die Adulten fressen an den Blättern. Da der Käfer einen Großteil seines Lebenszyklus im Bauminneren verbringt, ist ein frühzeitiges Auffinden eines Befalls schwierig (SCHRADER 2017b).

Abbildung 4: Verbreitungskarte von Chrysobothris femorata (EPPO 2019)