Jahrbuch der Baumpflege 2020

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5 Ausblick

Die erwarteten positiven Auswirkungen des neuen Pflanzengesundheitsregimes sind vielfältig:

  besserer Schutz der verschiedenen Ökosysteme einschließlich der Wälder und privater Gärten;

  damit einhergehend geringerer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln;

  einfachere und transparentere Dokumentation der Produktion von Pflanzen und Pflanzenprodukten für eine bessere Rückverfolgbarkeit im Fall des Auftretens von Schadorganismen und

  größere finanzielle Unterstützung bei der Bekämpfung von Schadorganismen und Monitorings.

Insgesamt ist es das Ziel, durch verstärkten Ressourceneinsatz im Rahmen des Imports einschließlich der Risikoanalyse das Risiko der Einschleppung neuer Schadorganismen in die EU zu verhindern, getreu dem Motto „vorbeugen ist besser als heilen“.

Literatur

BIDINGER K., 2012: Schadpotenzial gebietsfremder, invasiver Käferarten unter Berücksichtigung des globalen Klimawandels und rechtliche Aspekte. Dissertation Universität Trier, 138 S.

EU, 2000: Richtlinie 2000/29/EG des Rates vom 8. Mai 2000 über Maßnahmen zum Schutz der Gemeinschaft gegen die Einschleppung und Ausbreitung von Schadorganismen der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse (in der aktuellen Fassung). ABl. der EG Nr. L 169, 1ff.

EU, 2016: Verordnung (EU) 2016/2031 des europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 228/2013, (EU) Nr. 652/2014 und (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 69/464/EWG, 74/647/EWG, 93/85/EWG, 98/57/EG, 2000/29/EG, 2006/91/EG und 2007/33/EG des Rates. ABl L 317/4, 102 S.

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EU, 2017a: Durchführungsverordnung /EU) 2017/2313 der Kommission vom 13. Dezember 2017 zur Festlegung der formalen Anforderungen an den Pflanzenpass für die Verbringung innerhalb des Gebiets der Union und den Pflanzenpass für das Einführen in ein Schutzgebiet und die Verbringung innerhalb dieses Gebiets. ABl der EU L 331, 44–52.

EU, 2018: Durchführungsverordnung (EU) 2018/2019 der Kommission vom 18. Dezember 2018 zur Erstellung einer vorläufigen Liste von Pflanzen, Pflanzenerzeugnissen und anderen Gegenständen mit hohem Risiko im Sinne des Artikels 42 der Verordnung (EU) 2016/2031 und einer Liste von Pflanzen, für die gemäß Artikel 73 der genannten Verordnung für das Einführen in die Union kein Pflanzengesundheitszeugnis benötigt wird. ABl der EU, L 323, 10–15.

EU, 2018a: Durchführungsverordnung (EU) 2018/2018 der Kommission vom 18. Dezember 2018 zur Festlegung besonderer Vorschriften für das Verfahren zur Durchführung der Risikobewertung in Bezug auf Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und andere Gegenstände mit hohem Risiko im Sinne des Artikels 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates. ABl der EU, L323, 7–9.

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EU, 2019a: Durchführungsverordnung (EU) 2019/2072 der Kommission vom 28. November 2019 zur Festlegung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der Verordnung (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 690/2008 der Kommission sowie zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2018/2019 der Kommission. ABl. der EU L 319, 1–279.

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TOMICZEK, C., 2012: Das Versagen der europäischen Behörden in Bezug auf eingeschleppte Schadorganismen in Europa. In: DUJESIEFKEN. D. (Hrsg.), 2012: Jahrbuch der Baumpflege, Haymarket Media, Braunschweig, 230–236.

UNCTAD, 2019: Review of Maritime Transport 2019. United Nations, New York, 129ff. (https://unctad.org/en/PublicationsLibrary/rmt2019_en.pdf. Aufgerufen am 24.11.2019).

Autoren


Dr. Thomas Schröder ist Forstwissenschaftler und Referent für Pflanzengesundheit im Referat 714 Pflanzengesundheit und phytosanitäre Angelegenheiten beim Export des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der International Forestry Quarantine Research Group (IFQRG).

Dr. Thomas Schröder

BMEL, Referat 714

Rochusstraße 1

53123 Bonn

Tel. (0228) 99 529 3953

Thomas.Schroeder@bmel.bund.de


Katrin Kaminski ist wissenschaftliche Oberrätin im JKI-Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit.

Katrin Kaminski

JKI – Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit

Messeweg 11–12

38104 Braunschweig

Tel. (0531) 299 3378

katrin.kaminski@juliuskuehn.de

Quarantäneschadorganismen in Gehölzen – was hat sich verändert, was kommt auf uns zu?
Quarantine pests in woody plants – What‘s changed, what‘s coming?

von Björn Hoppe, Anne Wilstermann, Matthias Becker, Eva Fornefeld, Gritta Schrader und Thomas Schröder

Zusammenfassung

Die seit 14. Dezember 2019 geltende neue Pflanzengesundheitsverordnung (EU) 2016/2031 führt zu weitreichenden Veränderungen im Bereich Pflanzengesundheit. Neben der Erarbeitung von Notfallplänen sind jährliche Monitorings für Quarantäneschadorganismen im gesamten Bundesgebiet durchzuführen und anschließend an die Mitgliedstaaten und die Kommission zu berichten. Besonderer Fokus liegt hierbei auf den sogenannten „prioritären Schädlingen“, die in akribischer Vorarbeit aufgrund zu erwartender und bereits beobachteter ökonomischer, sozialer und ökologischer Schäden von europäischen Experten identifiziert wurden. Die gehölzrelevanten prioritären Schädlinge werden im vorliegenden Beitrag kurz porträtiert.

Summary

The new Plant Health Regulation (EU) 2016/2031, which has been in force since 14th December 2019, is leading to far-reaching consequences in the area of plant health. In addition to providing and compiling contingency plans, annual monitoring of target species throughout Germany have to be carried out and subsequently reported to the member states and the European Commission. Special focus is placed on the so-called „priority pests“, which were meticulously identified by European experts as a result of anticipated and already observed economic, social and ecological damage. The priority pests relevant for woody plants are briefly portrayed in this article.

 

1 Einleitung

Mit Anwendung der neuen Pflanzengesundheitsverordnung (EU) 2016/2031 und der Kontrollverordnung (EU) 2017/625 ergeben sich auch im Bereich gehölzrelevanter Quarantäneschadorganismen weitreichende Veränderungen. In Ergänzung wurde mit Verabschiedung einer Delegierten-Verordnung (EU) 2019/1702 der Kommission vom 1. August 2019 eine Liste sogenannter Prioritärer Schädlinge veröffentlicht, die dadurch charakterisiert sind, dass sie a) nicht auf dem Gebiet der Union oder nur in einem begrenzten Teil dieses Gebiets, oder nur selten, unregelmäßig, isoliert und sporadisch auftreten und

b) deren potenzielle wirtschaftliche, ökologische oder soziale Folgen für das Gebiet der Union am schwerwiegendsten sind.

Der Hintergrund dieser Neubewertung als prioritär einzuordnende Schadorganismen sind neue Herausforderungen, denen sich die EU aufgrund globalisierter Märkte und allem voran auch durch Klimawandel verschobene Habitatgrenzen und sich verändernde Landschaften stellen muss. Dieser Trend ist eine Bedrohung sowohl für die natürliche als auch bewirtschaftete Umwelt, die land- und forstwirtschaftliche Produktion, die Ökosysteme und biologische Vielfalt. In den letzten 20 Jahren war die EU mit mehreren großen Ausbrüchen neuer Pflanzenschädlinge konfrontiert, die erhebliche Auswirkungen hatten. Dazu zählen beispielsweise das Bakterium Xylella fastidiosa und der Kiefernholznematode Bursaphelenchus xylophilus, die zwar bisher schon durch EU-Notmaßnahmen geregelt waren, aber mit der Einstufung als prioritäre Schädlinge nochmals an Beachtung zunehmen.

Abbildung 1: Globale Verbreitung des Asiatischen Laubholzbockkäfers (Quelle: EPPO Global Database, www.eppo.int)

Das Mandat zur Bewertung dieser prioritären Schädlinge wurde der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission (Joint Research Centre – JRC) und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority – EFSA) übertragen. Im Resultat sind auf der Liste prioritärer Schädlinge 20 Arten (Pilze, Bakterien, Nematoden und Insekten), wovon neun Arten von pathologischer Relevanz an Gehölzen sind und im Weiteren kurz porträtiert werden.

2 Cerambycidae – Bockkäfer

2.1 Anoplophora glabripennis (Motschulsky) – Asiatischer Laubholzbockkäfer

Der prominenteste Vertreter invasiver Schadorganismen an Gehölzen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Asiatische Laubholzbockkäfer Anoplophora glabripennis (kurz ALB). Die Art ist seit 2001 in der Europäischen Union auftretend, der Erstnachweis in Deutschland datiert aus dem Jahr 2004. Seitdem unterliegt die Bockkäferart strengen Vorkehrungen und Maßnahmen, die ein Ausbreiten innerhalb der Gemeinschaft verhindern und die Bekämpfung sicherstellen sollen. Globaler Warenhandel, speziell der Transfer von unsachgerecht oder nicht behandeltem Holzverpackungsmaterial, gilt als Hauptweg einer transkontinentalen Verschleppung. Die Art ist zudem polyphag und in der Lage, vermeintlich vitale Bäume zu attackieren, woraus ein immenses Schadpotenzial gegenüber einheimischen Baumarten resultiert.

Verbreitung

Das natürliche Verbreitungsgebiet des ALB liegt in China, wo die Art in den meisten Provinzen vorkommt, und auf der Koreanischen Halbinsel. Hinzu kommen beschriebene Vorkommen in Japan, wobei etablierte Populationen bezweifelt werden (LINGAFELTER & HOEBEKE 2002). Die Art wurde erstmalig 1996 in den USA nachgewiesen und hat sich seitdem in mehreren östlichen US-Bundesstaaten und kanadischen Provinzen ausgebreitet (Abbildung 1). Weitere Funde wurden 2015 und 2016 im Libanon gemeldet, eine Beschreibung im Europäischen Teil Istanbuls wurde 2019 dementiert (ARSLANGÜNDOĞDU & HIZAL 2019) und dem Citrusbockkäfer zugeordnet (vgl. 3 Anoplophora chinensis).

Laut EPPO Global Database wurde die Art seit 2001 an 35 verschiedenen Orten in neun europäischen Ländern bestätigt. Während frühe Risikoanalysen ein potenzielles europäisches Verbreitungsgebiet eher im Mittelmeerraum antizipierten, wurde ALB wider Erwarten im finnischen Kolohonka nachgewiesen. Weitere Vorkommen sind über die Jahre in Großbritannien, Frankreich, Italien, Montenegro, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz bestätigt worden. In einigen der Ausbruchsgebiete führten eingeleitete phytosanitäre Maßnahmen zur erfolgreichen Ausrottung des ALB. Hervorzuheben sind dabei Erfolge in Österreich und der Schweiz. Auch in Deutschland konnte der „Eindringling“ beispielsweise in Neukirchen, Neubiberg und Weil am Rhein getilgt werden. Derzeit gibt es mit Bornheim, Feldkirchen, Hildrizhausen, Kehlheim, Magdeburg, Miesbach, Murnau und Ziemetshausen acht abgegrenzte Gebiete und eine Überwachungszone (Grenzach), in denen nach wie vor Bekämpfungsmaßnahmen mit dem Ziel der Tilgung stattfinden.

Wirtspflanzen

Der ALB ist eine polyphag lebende Käferart, die über ein breites Wirtspflanzenspektrum verfügt und auch in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet horrende Schäden in Pappelplantagen, die während großflächiger Aufforstungsmaßnahmen in den 1980er Jahren angelegt wurden, verursacht hat. Unter natürlichen Bedingungen ist jedoch Acer spp. (Ahornarten) die präferierte Wirtsbaumart (GAO et al. 1997). Diese Bevorzugung von Acer spp. wurde zudem in Gebieten, wo die Art invasiv auftrat, beobachtet (z. B. HAACK et al. 1997; TOMICZEK & HOYER‐TOMICZEK 2007). VAN DER GAAG und LOOMANS (2014) haben in ihrer Zusammenfassung 34 Pflanzenarten bzw. -gattungen identifiziert und diese nach

a) ALB wurde beobachtet bzw.

b) der komplette Entwicklungszyklus wurde beobachtet, gruppiert.

Die Arbeit diente als Basis für die Liste der a) 29 Wirtspflanzen bzw. der b) 15 sog. spezifizierten Pflanzen, die im Durchführungsbeschluss (EU) 2015/ 893 die Intensität der phytosanitären Maßnahmen bestimmen. Die Liste der spezifizierten Pflanzen umfasst die folgenden Gattungen: Acer spp., Aesculus spp., Alnus spp., Betula spp., Carpinus spp., Cercidiphyllum spp., Corylus spp., Fagus spp., Fraxinus spp., Koelreuteria spp., Platanus spp., Populus spp., Salix spp., Tilia spp., Ulmus spp.

Biologie

In Abhängigkeit der klimatischen Bedingungen durchlebt der ALB einen 1- bzw. 2-jährigen Entwicklungszyklus, was beispielsweise in Regionen, die Bedingungen für unterschiedliche Entwicklungsdauern erfüllen, zu sich überschneidenden Generationen führen kann. Typischerweise beträgt die Entwicklungsdauer südlich der Alpen ein Jahr, während in Deutschland zwei Jahre benötigt werden. Die adulten Käfer (bis zu 39 mm ohne Antennen) (Abbildung 2A) schlüpfen typischerweise zwischen Mai und Oktober (LI & WU 1993), wobei sowohl frühere als auch spätere Schlupfzeiten dokumentiert sind (HAACK et al. 2010). Sie leben ca. einen Monat. Nach dem Reifungsfraß erfolgt die Eiablage. Die Weibchen fressen hierfür einen Schlitz, der oft vertikal aufplatzt, so dass die Ablagestelle häufig die Form eines auf dem Kopf stehenden „T“ hat (LEMME 2015). Ca. zwei Wochen später schlüpfen die jungen Larven. Die Entwicklung beginnt im absterbenden Kambialgewebe, später fressen die Larven im Phloem. Ab dem dritten Stadium fressen sie sich in den Holzkörper. Sie legen dort einen bis zu 20 cm langen Larvengang an und kehren in dieser Zeit immer wieder zum Eingangsbereich zurück und verpressen diesen mit Nagespänen (solange die Rinde nicht abplatzt). Dieser minierte Bereich unterhalb der Rinde kann durchaus handtellergroß sein. Die entwickelte Larve (Abbildung 2C und 2D) legt, in Abhängigkeit der Entwicklungslänge, im nächsten bzw. übernächsten Frühjahr eine Puppenwiege an. Nach erfolgter Verpuppung (Abbildung 2E) schlüpft der adulte Käfer durch das typische kreisrunde Ausbohrloch.

Abbildung 2: A) adulter Käfer; B) Differenzierung zwischen ALB (links) und CLB (rechts): Elytren des CLB gekörnt und Pronutum mit weißen Haarbüscheln (Pfeile); C) und D) in Holz fressende Larve; D) Halsschild mit Burgzinne sichtbar; E) Puppe (Fotos: HANNES LEMME, THOMAS SCHRÖDER, EFSA 2019d)

Schaden und Symptome

Das erhebliche Schadpotenzial des ALB resultiert aus der Tatsache, dass der Käfer vitale Bäume befällt. In Abhängigkeit der Anzahl abgelegter Eier (Abbildung 3A) und eiablegender Weibchen können sich zudem hunderte von Larven in entsprechend dimensionierten Gehölzen entwickeln. Die daraus resultierenden physiologischen Schäden (Abbildung 3B) vermag der infizierte Baum nicht zu kompensieren, so dass speziell im urbanen Raum erhebliche Gefahren durch beispielsweise Astabbrüche entstehen. Relevante Symptome sind je nach Durchmesser ab ca. 1,5 m Stammhöhe bis in den Kronenbereich zu erkennen. In Abhängigkeit der Rindentextur sind Eiablagestellen mitunter schwer zu lokalisieren und bedürfen großer Erfahrung des Bauminspektors. Fraß- und Nagespäne können mitunter im Stammfußbereich beobachtet werden und sind Resultat der beschriebenen ab- bzw. aufplatzenden Rinde (Abbildung 3C). Die perfekt kreisrunden Ausbohrlöcher (Abbildung 3B), die sich oberhalb von Eiablagestellen befinden, sind ein weiteres Indiz eines ALB-Befalls.

Abbildung 3: Symptome des ALB: A) Freigelegte Eiablagestelle an Fraxinus excelsior B) typische kreisrunde Ausbohrlöcher, hier an Acer spp. C) freigelegte, unter der Rinde verpresste Nagespäne an Acer spp.

Diagnose

Die Arbeit von PENNACHIO et al. 2012 bietet einen sorgsam ausgearbeiteten Bestimmungsschlüssel zur morphologischen Bestimmung von A. glabripennis. In Ergänzung bietet der EPPO Standard PM 7/129 relevante und validierte Protokolle zur molekularbiologischen Diagnostik (EPPO 2016a). Im Rahmen des „ANOPLOdiag“-Projektes erarbeiten derzeit Forscher am Julius Kühn-Institut in Braunschweig ein sensitives molekularbiologisches Nachweisverfahren, das es ermöglicht, holzbewohnende Käfer eindeutig anhand ihrer Nagespäne zu identifizieren. Weitere Ausführungen siehe Beitrag von BECKER et al. in diesem Band: „Eine neue Methode zum nicht-invasiven Nachweis des Asiatischen Laubholzbockkäfers (ALB): ANOPLO-diag“.

2.2 Anoplophora chinensis Forster – Citrusbockkäfer

Der dem ALB nah verwandte Citrusbockkäfer (kurz CLB) Anoplophora chinensis ist ein weiterer Vertreter global verschleppter Bockkäferarten. Der entscheidende Unterschied zum ALB besteht im Verschleppungsweg. Der CLB wurde über importierte Gehölzpflanzen, zumeist in Form von Bonsais oder Baumschulware, in die EU und nach Nordamerika eingeschleppt. Das Schadpotenzial ist ähnlich dem des ALB, wie langjährige Erfahrungen aus Italien belegen. Ein besonderes Risiko für die Einschleppung besteht hier für Baumschulen und andere Pflanzenhändler und -umschlagplätze.

Verbreitung

Die Art ist in Ostasien beheimatet. Nach HAACK et al. (2010) ist der CLB in China, auf der koreanischen Halbinsel und in Japan weitverbreitet. Desweiteren ist dessen Auftreten in Indonesien, Malaysia, Myanmar, Vietnam und auf den Philippinen bekannt. Der CLB wurde bereits in die USA verschleppt, dort aber laut EPPO Global Database erfolgreich ausgerottet (Abbildung 4). In Europa sind gegenwärtig Ausbruchsgebiete, in denen der Käfer bekämpft wird, in Italien (2000), Kroatien (2007, 2015), Frankreich (2004, 2018), der Schweiz (2016) und der Türkei (2014) bekannt. Weitere Ausbrüche in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden konnten erfolgreich getilgt werden.

 

HÉRARD & MASPERO (2019) berichten über eine weitere Beanstandung mit Larvenfraß in Litauen 2015. Insgesamt recherchierten die beiden Autoren 115 europäische Meldungen, von denen 59 Beanstandungen (z. B. importierte Pflanzen) und 56 tatsächliche Befälle (Auftreten) waren.

Abbildung 4: Globale Verbreitung des Citrusbockkäfers (Quelle: EPPO Global Database, www.eppo.int)

Wirtspflanzen

Ähnlich wie der ALB ernährt sich der CLB polyphag, wobei das Wirtsbaumspektrum umfangreicher ist und Baumarten aus mehr als 20 Familien umfasst. Viele dieser Baumarten bzw. Gattungen sind in der EU weitverbreitet, darunter Acer spp., Platanus spp., Betula spp., Fagus spp., Corylus spp., Rosa spp., Malus spp., Pyrus spp., Prunus spp., Populus spp., Ulmus spp. und Salix spp. SJÖMEN et al. (2014) haben in ihrer umfänglichen Literaturrecherche 108 Arten aus 73 Gattungen als potenzielle Wirtsarten identifiziert.

Der Durchführungsbeschluss (EU) 2012/138, welcher Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von CLB regelt, umfasst eine Liste folgender spezifizierter Pflanzen (vgl. ALB; Pflanzen zum Anpflanzen mit einem Stammdurchmesser von 1 cm oder mehr): Acer spp., Aesculus hippocastanum, Alnus spp., Betula spp., Carpinus spp., Citrus spp., Cornus spp., Corylus spp., Cotoneaster spp., Crataegus spp., Fagus spp., Lagerstroemia spp., Malus spp., Platanus spp., Populus spp., Prunus laurocerasus, Pyrus spp., Rosa spp., Salix spp. und Ulmus spp.

Biologie

Auch bezüglich des Entwicklungszyklus ähneln sich die Bockkäferarten (Abbildung 5). Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass der ALB vor allem den Kronenbereich eines Wirtsbaumes befällt, während der CLB den Stammfußbereich und die Wurzeln besiedelt. In Norditalien dauert der Entwicklungszyklus des CLB ein bzw. zwei Jahre. Die Käfer, die dem ALB morphologisch sehr ähneln (Abbildung 2B) fliegen im Zeitfenster von Ende Mai bis Ende August (mitunter auch länger) mit einem Höhepunkt Mitte Juni. Weibchen legen bis zu 200 cremeweiße 5–6 mm lange Eier (einzeln) in der Rinde am Stammfuß oder an Oberflächenwurzeln in T-förmig genagte Ablagestellen ab.

Die Larven schlüpfen nach ein bis zwei Wochen und minieren zuerst zwischen Rinde und Holzkörper, um sich dann in Larvengängen abwärts im Splint- und Kernholz zu entwickeln (Unterschied zum ALB). Über 90 % der CLB-Population befindet sich unterhalb der Erdoberfläche. Nach erfolgter Verpuppung bohren sich die fertigen Käfer durch bis zu 1,5 cm große kreisrunde Bohrlöcher nach außen. Ihren Reifungsfraß führen beide Käferarten in der Baumkrone an Blättern, Blattstielen und der Rinde junger Zweige durch.

Abbildung 5: Entwicklungszyklus von Anoplophora chinensis: 1) Sommer bis Herbst: adulte Käfer schlüpfen aus befallenen Bäumen (kreisrunde Ausbohrlöcher im Stammfußbereich); 2) Reifungsfraß an Blättern und jungen Zweigen; 3) nach erfolgter Paarung ab Spätsommer legen Weibchen ihre Eier unterhalb der Rinde ab; 4) erste Larven entwickeln sich 2–3 Wochen nach erfolgter Eiablage; 5) Verpuppung entweder im folgenden oder darauffolgenden Frühjahr (Abbildung unter Verwendung von Fotos von THOMAS SCHRÖDER und MATTEO MASPERO, EFSA 2019e).

Schaden und Symptome

Auch der CLB befällt vitale Bäume. Hinzu kommt (gegenüber dem ALB) ein erweitertes Wirtsartenspektrum und auch eine erhöhte Anzahl abgelegter Eier, so dass hier die resultierenden physiologischen Schäden durch den infizierten Baum nicht zu kompensieren sind. Relevante Symptome, wie beispielsweise Eiablagestellen, Nagestellen und Ausbohrlöcher sind dabei ausschließlich im Bereich des Stammfußes lokalisiert.

Diagnose

Die Arbeit von PENNACHIO et al. 2012 bietet auch für den CLB einen sorgsam ausgearbeiteten Schlüssel zur morphologischen Bestimmung. In Ergänzung bietet der EPPO Standard PM 7/129 relevante und validierte Protokolle zur molekularbiologischen Diagnostik (EPPO 2016a).

2.3 Aromia bungii (Faldermann) – Asiatischer Moschusbockkäfer

Der Asiatische Moschusbockkäfer ist ein weiterer Vertreter invasiver Bockkäfer aus Fernost, der in die EU verschleppt wurde und in Deutschland und besonders Italien zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden an Obstgehölzen der Gattung Prunus führt.

Verbreitung

Das natürliche Verbreitungsgebiet von Aromia bungii umfasst zahlreiche chinesische Provinzen, die koreanische Halbinsel, die Mongolei und Vietnam. Laut EPPO (2015) wurde die Art des Weiteren in Russland (an der Grenze zur Mongolei) nachgewiesen. In Japan wurde der Käfer erstmalig 2013 bestätigt und hat sich seitdem in mehreren Präfekturen ausgebreitet. Aromia bungii wurde außerdem in beanstandeten Holzverpackungsmaterialen in Großbritannien (2008) und den USA gefunden (EPPO 2014). Der erste Nachweis in Deutschland erfolgte bereits 2011 im bayrischen Rosenheim (BURMEISTER et al. 2012), wobei über ältere Funde spekuliert wurde. Weitere Käfer und infizierte Bäume wurden 2016 identifiziert, was zur Einrichtung einer sich über die Orte Kolbermoor und Rosenheim erstreckenden Quarantänezone führte. Seitdem wurden Maßnahmen eingeleitet, die zur Ausrottung führen sollen, der offizielle EPPO-Status lautet daher „transient“ (Abbildung 6).

2012 wurde A. bungii im Großraum Neapel (Region Kampanien, Italien) an zahlreichen befallenen Aprikosen- und Pflaumenbäumen (beide Gattung Prunus) nachgewiesen (EPPO 2013a). Im darauf folgenden Jahr trat die Art auch vermehrt in der Region Lombardei (Norditalien) in Erscheinung (EPPO 2013b). Seither werden auch in Italien Maßnahmen ergriffen, die die Ausbreitung des Käfers verhindern und zu dessen Ausrottung führen sollen.

Abbildung 6: Globale Verbreitung des Asiatischen Moschusbockkäfers (Quelle: EPPO Global Database, www.eppo.int)

Wirtspflanzen

Die Hauptwirtsbaumarten im natürlichen Verbreitungsgebiet umfassen Prunus armeniaca (Aprikose), P. persica (Pfirsich), P. domestica (Pflaume) und P. avium (Kirsche) (MA et al. 2007; WANG et al. 2007). Weitere bestätigte Wirte sind P. americana (Amerikanische Wildpflaume), P. japonica (Japanische Mandelkirsche), P. mume (Japanische Zieraprikose) und andere in Asien vorkommende Prunus-Arten. Hinzu kommen Berichte über weitere potenzielle Wirtsbaumarten/-gattungen wie beispielsweise Diospyros spp. (Bsp. Diospyros kaki – Kakipflaume), die z. T. aber nicht offiziell bestätigt sind. EPPO Global Database führt neben zahlreichen weiteren Prunus-Arten beispielsweise auch Castanea mollissima, Juglans regia, Populus alba, Populus tomentosa und Pterocarya stenoptera als sogenannte „minor hosts“. In Europa wurde Aromia bungii bisher an P. domestica und P. cerasifera (Kirschpflaume), P. armeniaca, P. avium, P. persica und an P. dulcis (Mandel) nachgewiesen.

Biologie

Die bis zu 4 cm langen adulten Käfer mit ihren schwarzen Flügeldecken und Fühlern und dem roten Halsschild (Abbildung 7A) schlüpfen im späten Frühjahr und über die Sommermonate hinweg, gewöhnlich von Mai bis August. Nach erfolgter Kopulation legen die Weibchen ihre Eier in Rindenschlitze am unteren Bereich des Stammes, aber auch in den Hauptästen ab. Es wurde lange vermutet, dass ältere, geschwächte Obstgehölze vornehmlich befallen werden, italienische Belege indes zeigen, dass junge, vitale Bäume bevorzugt werden. Laut EPPO (2015) werden von einem einzelnen Weibchen bis zu 734 Eier abgelegt, z. T. aber unter künstlichen Bedingungen beobachtet. Nach erfolgter Eiablage schlüpfen die Larven ca. 10 Tage später und bohren sich ins Phloem. Ältere Larven fressen dann im Splintbereich und minieren in bis zu 60 cm langen Gängen bis ins Kernholz (EPPO 2015). Typisch für Aromia bungii ist der z. T. täglich zu beobachtende Auswurf von Sägespänen. Nach dem vierten Larvenstadium erfolgt die Verpuppung (Abbildung 7B) in Kammern im Frühjahr. Die gesamte Entwicklung (von Eiablage bis Käferschlupf) kann bei A. bungii, in Abhängigkeit der Umweltbedingungen, bis zu vier (mind. zwei) Jahre dauern.

Abbildung 7: A) Adulter Aromia bungii mit typisch rotem Halsschild; B) Puppe von A. bungii; C) typischer Nagespäneauswurf am Stammfuß eines Prunus-Gehölzes

Schaden und Symptome

Sowohl Wirtsartenspektrum als auch Verbreitung der präferierten Wirtsbaumarten (z. B. in Obstplantagen) machen A. bungii zu einem gefährlichen Schädling an Steinobst, was immense ökonomische Schäden nach sich zieht. Hinzu kommt, dass die Art, ähnlich wie die beschriebenen ALB und CLB, auch in der Lage ist, vitale Gehölze zu befallen. Auch hier haben die Bäume bei entsprechendem Befallsdruck (viele Eier pro Weibchen und mehrere Generationen zeitgleich) keine Möglichkeiten zur Revitalisierung.

Wichtigstes Symptom ist während der Phasen mit Larvenaktivität das ausgeworfene Bohrmehl, was sich am Stammfuß sammelt (Abbildung 7C). Bei Befallsverdacht empfiehlt sich zudem das Entfernen von Rindenteilen, um mögliche Larvengänge zu inspizieren. Ausbohrlöcher sind ein weiteres wichtiges Symptom, das Aufschluss darüber gibt, dass eine Generation bereits erfolgreich geschlüpft ist.