Grundlagen des NPL-Geschäftes

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Tabelle 4: Übersicht: Vorliegen eines (Kredit-)Ausfalls (default criteria)[27]


Überfälligkeit (past due backstop criterion) Unwahrscheinlichkeit einer Zahlung (unlikeliness to pay indicators) Überfälligkeit (past due backstop criterion)
Fälligkeit besteht seit mehr als 90 zusammenhängenden Tagen. Was als überfälliger Tag gilt und welche Ausnahmen beachtlich sind, ist reguliert. Wesentlichkeitsgrenzen: Retail: 100 EUR und 1% Non-Retail: 500 EUR und 1% Infizierung möglich: Betroffenheit > 20% des Exposures (Pulling) Übergreifend (Joint Exposure) Verkauf von Credit Obligations mit einem Verlust > 5% des ausstehenden Betrags. Restrukturierung notleidender Kredite mit einer Änderung der Verbindlichkeit > 1% Vorliegen eines Specific Credit Risk Adjustments (etwa der Realisation eines (Kredit-)Verlusts) Einstellen der Realisation von Zinserträgen aus dem Unwinding of Discount. Aufnahme von einzelnen Kriterien, die einen Default belegen können, mindestens aber eine kritische Untersuchung erfordern. Allerdings kann eine subjektive Einschätzung das objektive Merkmal einer tatsächlichen Überfälligkeit nicht widerlegen.

Zu beachten ist, dass der von der EBA genutzte NPE-Begriff dabei umfassender als der Wertminderungsbegriff i.S.v. IFRS 9 und der Ausfallbegriff nach CRR ist. Eine Einstufung als notleidend gemäß der EBA-Definition erfolgt unabhängig davon, ob die Risikoposition als ausgefallen i.S.v. Art. 178 CRR oder als wertgemindert nach IFRS 9 eingestuft wird. Daher sind nach CRR ausgefallene und nach IFRS 9 wertgeminderte Risikopositionen stets als notleidend zu betrachten.[28]

Im August 2019 veröffentlichte die EBA eine Mitteilung zu den Erwartungen der Aufsicht an die Deckung von NPEs,[29] die u.a. das Zusammenwirken zwischen den Erwartungen der EZB an die NPE-Deckung unter Säule II und den aufsichtsrechtlichen NPE-Regeln im Rahmen von Säule I darlegt. Sie enthält außerdem einen Überblick über die Anpassungen an die aufsichtlichen Erwartungen bezüglich der Risikovorsorge für neue NPE, die zur Abstimmung mit der neuen Verordnung vorgenommen wurden.

Detailregelungen zu der ab dem 01.01.2021 anzuwendenden Ausfalldefinition hat die EBA im Rahmen der im September 2016 veröffentlichten Leitlinien[30] gegeben, die an die zuständigen Aufsichtsbehörden und CRR-Institute gerichtet sind. In den Leitlinien werden die Aspekte im Zusammenhang mit der Anwendung der Ausfalldefinition präzisiert.[31]

Durch diese Leitlinien der EBA werden die Vorgaben des EZB-Leitfadens – der sich nur an die Institute richtet, die unter der direkten Aufsicht der EZB stehen – auf mehr als 5.000 weitere Banken innerhalb der EU ausgedehnt und ergänzt.[32] Diese Leitlinien bedeuten hierbei für die meisten Kreditinstitute eine grundsätzliche Umstellung im Umgang mit notleidenden Krediten und Risikopositionen.

Als weiterer Teil des Aktionsplans wurde von der EU-Kommission am 14.03.2018 eine „Verordnung zur Änderung der bestehenden Eigenkapitalverordnung (CRR) im Hinblick auf die Mindestdeckung notleidender Risikopositionen für alle Banken in Europa“[33] vorgeschlagen. Im Rahmen dieses Verordnungsentwurfes wurde eine einheitliche Definition für NPEs eingeführt, welche auf dem NPE-Konzept aus dem Meldewesen (VO Nr. 680/2014) beruht und daher für aufsichtliche Meldungen bereits in der Verwendung ist.

Sie konzentriert damit die in Art. 178 Abs. 3 CRR festgelegten Unlikely-to-Pay-Hinweise.[34] So sollte ein Institut eine Risikoposition, die nach IFRS 9 der Stufe III[35] zugeordnet ist, als ausgefallen i.S.d. CRR betrachten, sofern

 nicht die Einstufung als ausgefallen aufgrund eines Zahlungsverzugs bedingt ist und/oder

 das Ausfallkriterium „90-Tage-Verzug“ durch einen 180-Tage-Verzug zulässigerweise ersetzt wurde, dieser längere Zeitraum aber nicht zur Einstufung als Credit-impaired nach IFRS 9 herangezogen wurde,

 die Erheblichkeitsschwelle gemäß Art. 178 Abs. 2 Buchst. d CRR nicht verletzt wurde,

 keine technische Überziehung vorliegt oder

 keine Risikoposition gegenüber öffentlichen Stellen gegeben ist.[36]

Das Unlikely-to-Pay-Kriterium basiert somit auf identifizierten Ereignissen, die letztlich eine Einstufung als notleidend bewirken. Da es keine abschließende Liste zu berücksichtigender Ereignisse gibt, müssen Institute zusätzlich über klar definierte interne Indikatoren verfügen, die auf eine unwahrscheinliche Zahlung der Verbindlichkeit hindeuten.

Zudem sind strikte Kriterien eingeführt worden, wann eine Risikoposition nicht mehr als notleidend behandelt wird und welche regulatorischen Folgen sich durch Stundungsmaßnahmen ergeben.

Die EU-Kommission verfolgt mit dieser Verordnung die Sicherstellung einer ausreichenden Verlustdeckung der Banken für seit dem 14.03.2018 neu als notleidend eingestufte Forderungen. Zudem werden einheitliche Mindestbeträge festgelegt, die die Banken für Verluste aus künftigen NPEs vorhalten müssen.

Die Bafin hat am 16.04.2019 per Rundschreiben mitgeteilt, dass sie den Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition sowie der PD-Schätzung (Probability of Default) mit kleinen Ausnahmen nachkommen wird und die beiden Leitlinien zum 01.01.2021 in ihre Verwaltungspraxis übernimmt.[37]

4.3 NPL-Leitfaden der EZB

Der NPL-Leitfaden der EZB knüpft an die von der EBA verwendete Definition von NPEs an und beinhaltet die Erwartungen der Bankenaufsicht an die Erfassung, Verwaltung, Bewertung und Abschreibung von NPL-Beständen (bestehen bereits verbindliche Rechtsvorschriften, Rechnungslegungsgrundsätze oder nationale Regelungen zum selben Sachverhalt, sollten Institute diese befolgen).

Der NPL-Leitfaden richtet sich an alle bedeutenden Kreditinstitute (i.S.d. Art. 4 Abs. 1 CRR) einschließlich deren wesentlichen Tochtergesellschaften, die von der EZB direkt beaufsichtigt werden (vgl. Abbildung 1). Er stellt zunächst ein unverbindliches Instrument dar, allerdings kann die Nichtbeachtung Aufsichtsmaßnahmen zur Folge haben (u.U. auch Säule-II-Kapitalaufschläge gemäß Supervisory Review and Evaluation Process (SREP)) und ist daher nach Maßgabe der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Wesentlichkeit (Comply-or-Explain-Ansatz) anzuwenden, was anhand des Ausmaßes und des Schweregrades der NPL-Problematik einer Bank zu beurteilen ist. Eventuelle Abweichungen sind hinreichend zu erläutern.

Der NPL-Leitfaden trat am 20.03.2017 in Kraft und wurde von der EZB-Bankenaufsicht als wirkungsvolles Instrumentarium für die Banken im Umgang mit NPLs eingestuft.[38] Die EZB erwartet dabei, dass die Inhalte des Leitfadens von den betroffenen Banken in enger Zusammenarbeit mit ihren Joint Supervisory Teams implementiert werden.

Abbildung 1: Direkt von der EZB beaufsichtigten Institute[39]


Deutsche Institute unter direkter Aufsicht der EZB
Aareal Bank AG Bayerische Landesbank Commerzbank AG DekaBank Deutsche Girozentrale Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG Deutsche Bank AG Deutsche Pfandbriefbank AG DZ BANK AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank Erwerbsgesellschaft der S-Finanzgruppe mbH & Co. KG (Berliner Sparkasse) Goldman Sachs Bank Europe SE Hamburg Commercial Bank AG (vormals HSH Nordbank AG) HASPA Finanzholding (Hamburger Sparkasse) J.P. Morgan AG Landesbank Baden-Württemberg Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale Münchener Hypothekenbank eG Morgan Stanley Europe Holding SE NORD/LB Norddeutsche Landesbank Girozentrale State Street Bank International GmbH UBS Europe SE Germany Volkswagen Bank GmbH

Die im März 2018 final veröffentlichte Ergänzung zum NPL-Leitfaden[40] ergänzt diese insofern, dass im Rahmen dessen die aufsichtlichen Erwartungen der EZB bei der Bewertung des Grads an aufsichtlicher Risikovorsorge der Banken für notleidende Risikopositionen (NPL) erläutert werden. Die Erwartung zur regulatorischen Mindestrisikovorsorge gilt grundsätzlich für Exposures, die seit dem 01.04.2018 neu als NPL klassifiziert werden.

 

In diesem Zusammenhang hat die EZB ihre Erwartungshaltung, in welchen quantitativen Schritten die Risikovorsorge für besicherte Forderungen aufgebaut werden soll, weiter konkretisiert. Demnach ist für Kredite, die seit dem 01.04.2018 einen NPL-Status erhalten, nach spätestens zwei Jahren eine vollständige Deckung für den unbesicherten Teil vorzuhalten (für den besicherten Teil nach spätestens sieben Jahren).[41] Wesentliches Ziel der EZB ist es sicherzustellen, dass für NPL eine ausreichende Risikovorsorge besteht. Die quantitativen aufsichtlichen Erwartungen dürfen über Rechnungslegungsvorschriften hinausgehen, aber nicht im Widerspruch zu ihnen stehen.[42]

Am 22.08.2019 veröffentlichte die EZB ihren Beschluss, ihre aufsichtlichen Erwartungen an die Risikovorsorge für neue notleidende Risikopositionen, die in der Ergänzung zum EZB-Leitfaden beschrieben sind, zu überarbeiten. Der Beschluss wurde gefasst, um der Verabschiedung einer neuen EU-Verordnung Rechnung zu tragen, in der die Behandlung von NPE nach Säule I[43] dargelegt ist. Diese neue Verordnung[44] ergänzt bestehende aufsichtsrechtliche Vorschriften und sieht den Abzug von Eigenmitteln vor, wenn NPE nicht in ausreichendem Maße durch Rückstellungen oder sonstige Anpassungen gedeckt sind.[45]

Aus Sicht der EZB wurden mit diesen Maßnahmen erhebliche Fortschritte beim Abbau von NPL erzielt (NPL-Quote bei bedeutenden Instituten sank von 8% in 2014 auf 3,7% in Q1/2019). Sie hält aber weitere Anstrengungen für notwendig, da aus ihrer Sicht der internationale Gesamtbestand noch immer zu hoch ist.[46]

NPL- und NPE-Definition der EZB

Gemäß dem NPL-Leitfaden, der als Referenz auf die „Technischen Durchführungsstandards der EBA für die aufsichtlichen Meldungen zu Stundungsmaßnahmen und notleidenden Risikopositionen“ verweist, sind NPLs: „Kredite, die nicht zu Handelszwecken gehalten werden und mindestens eines der beiden folgenden Kriterien erfüllen: (a) Wesentliche Kredite, die mehr als 90 Tage überfällig sind. (b) Ungeachtet etwaiger überfälliger Beträge oder der Anzahl überfälliger Tage wird es als unwahrscheinlich angesehen, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten in voller Höhe begleichen wird, ohne Sicherheiten zu verwerten.“ Notleidende Kredite schließen ausgefallene und wertgeminderte Kredite ein. NPL sind Bestandteil von NPE.

Und NPEs sind „Risikopositionen (Kredite, Schuldtitel, außerbilanzielle Posten), die nicht zu Handelszwecken gehalten werden und mindestens eines der beiden folgenden Kriterien erfüllen: (a) Wesentliche Risikoposition, die mehr als 90 Tage überfällig sind (past due); (b) Risikopositionen, bei denen es als unwahrscheinlich gilt, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten ohne Verwertung von Sicherheiten in voller Höhe begleichen wird, unabhängig davon, ob bereits Zahlungen überfällig sind, und unabhängig von der Zahl der Tage des etwaigen Zahlungsverzuges (unlikely-to-pay).“[47] Notleidende Risikopositionen schließen die ausgefallenen und die wertgeminderten Risikopositionen ein. Der Gesamtbetrag notleidender Risikopositionen ergibt sich aus der Summe notleidender Kredite, notleidender Schuldtitel und notleidender außerbilanzieller Posten.

Wie aus diesen Definitionen hervorgeht, sind NPEs der Überbegriff und umfassen immer auch NPLs.[48]

Tabelle 5: Ausfalldefinitionen nach bankaufsichtlichen Kriterien[49]


Anwendungsbereich Eckpunkte der Definition Gesundung/Rücktransfer
Notleidend (Non-performing) Definition gemäß Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/1443, Teil 1 Nr. 213 Risikoposition = nicht zu Handelszwecken gehaltene Schuldtitel (Darlehen, Kredite und Schuldverschreibungen) sowie außerbilanzielle Risikopositionen Kriterien: Überfälligkeit (>90 Tage) und Unwahrscheinlichkeit des Begleichens der Verbindlichkeit (Unlikely-to-Pay) Umfangreiche Regelungen zu Stundungsmaßnahmen Strenge Rücktransferkriterien Bewährungszeitraum ein Jahr bzw. zwei Jahre für Stundungsmaßnahmen

4.4 Einheitliche Empfehlungen, die sich doch wieder unterscheiden: Definitionen der EBA und der EZB

Einige Institute versuchen, die Ausfalldefinition an die NPE-Definition anzupassen, um die Prozesse zu verschlanken und eine Angleichung der beiden Definitionen zu unterstützen.[50] Die EZB empfiehlt hierbei, die NPE-Definition der EBA auch im Rahmen der internen Risikokontrolle und der öffentlichen Finanzberichterstattung – d.h. für IFRS-9-Zwecke – zu verwenden. Darüber hinaus wird die NPE-Definition von den Aufsichtsinstanzen im Rahmen verschiedener relevanter Initiativen herangezogen, etwa beim Asset Quality Review (AQR), beim einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism (SSM)), bei Stresstests und bei Transparenzprüfungen der EBA.[51]

Die EZB regt dabei an, wo immer möglich aufsichtliche und rechnungslegungstechnische Definitionen aufeinander abzustimmen, und erwartet, dass bereits bestehende Abweichungen zwischen der Ausfalldefinition für Rechnungslegungszwecke und der regulatorischen Definition nicht vergrößert werden, sondern eher, dass – soweit möglich – bei erheblichen Unterschieden auf eine zeitnahe (weitere) Angleichung hingewirkt wird.[52]

5 Ausfalldefinition in der Regulatorik

Nach den erläuterten juristischen und aufsichtsrechtlichen Klimmzügen darf ein Blick auf die Rechnungslegung und Bilanzierung nicht fehlen. Auch hier gibt es nicht die eine Definition, sondern mehrere parallel genutzte Ansätze.

5.1 Ausfalldefinition in der Rechnungslegung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS 9)

Die Internationale Rechnungslegung basiert stark auf den IFRS, die vom International Accounting Standards Board (IASB) herausgegeben werden.

Der IFRS 9 „Finanzinstrumente“ enthält hierbei die Vorschriften für den Ansatz und die Bewertung, Ausbuchung und Sicherungsbilanzierung von Finanzinstrumenten. Der IASB hat die finale Fassung des Standards im Zuge der Fertigstellung der verschiedenen Phasen seines umfassenden Projekts zu Finanzinstrumenten am 24.07.2014 veröffentlicht. Damit wurde die bisher unter IAS 39 „Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung vorgenommene Bilanzierung von Finanzinstrumenten“ vorgenommene Bewertung vollständig durch die Bilanzierung unter IFRS 9 ersetzt. Mit Übernahme in EU-Recht am 22.11.2016[53] war die erstmalige verpflichtende Anwendung für Geschäftsjahre vorgesehen, die am oder nach dem 01.01.2018 begonnen haben.

IFRS 9 definiert einen finanziellen Vermögenswert als wertgemindert (Credit-impaired, Stufe III), wenn ein oder mehrere Ereignisse mit nachteiligen Auswirkungen auf die erwarteten künftigen Zahlungsströme eingetreten sind. Indikatoren für einen wertgeminderten finanziellen Vermögenswert sind z.B.

 ein Vertragsbruch (z.B. Ausfall oder Überfälligkeit),

 signifikante finanzielle Schwierigkeiten des Kreditnehmers,

 Zugeständnisse gegenüber dem Kreditnehmer bedingt durch finanzielle Schwierigkeiten oder

 eine drohende Insolvenz.[54]

Aber da IFRS 9 keine explizite Definition eines Ausfalls (Default) enthält, sondern auf die für interne Risikomanagementzwecke verwendete Definition verweist, empfiehlt das Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) die Anwendung einer Ausfalldefinition basierend auf dem Aufsichtsrecht und verweist auf die beiden regulatorischen Bedingungen nach Art. 178 CRR[55] – der drohenden Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtungen (Unlikely to Pay) und des 90-Tage-Verzugs.[56]

Tabelle 6: Wertminderung nach IFRS 9[57]


Anwendungsbereich Eckpunkte der Definition Gesundung/Rücktransfer
Wertgemindert (Credit-impaired) Definition gemäß IFRS 9. Anhang A Als zu fortgeführten Anschaffungskosten oder erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete Schuldinstrumente, Leasingforderungen, bestimmte Kreditzusagen, Finanzgarantien und aktive Vertragsposten im Anwendungsbereich des ECL-Modells Indikatoren für Wertminderung, z.B. Vertragsbruch (etwas Ausfall oder Überfälligkeit) Widerlegbare Vermutung: Ausfall bei Überfälligkeit > 90 Tage Bei Wegfall der Indikatoren einer Wertminderung Kein quantifizierter Bewährungszeitraum

5.2 Regulatorische Ausfalldefinition nach Kapitaladäquanzverordnung (CRR)

Für die Überwachung einer angemessenen Eigenmittelausstattung von Instituten wird ein Ausfall in Art. 178 CRR definiert.[58] Ein Schuldnerausfall (Default of an Obligor) ist aus Sicht eines Institutes gegeben, wenn es unwahrscheinlich ist, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten (Credit Obligations) in voller Höhe begleichen wird (Unlikely to Pay), ohne dass das Institut auf Maßnahmen wie die Verwertung von Sicherheiten zurückgreift und/oder eine wesentliche Verbindlichkeit des Schuldners (Material Credit Obligation) mehr als 90 Tage überfällig ist (past due more than 90 days).

Eine Überfälligkeit – und damit die Zählung der Verzugstage – beginnt nach Art. 178 Abs. 2 Buchst. a CRR bei einer Überziehung mit dem Tag, an dem der Kreditnehmer ein mitgeteiltes Limit überschritten hat, ihm ein geringeres Limit als die aktuelle Inanspruchnahme mitgeteilt wurde oder einen nicht genehmigten Kredit in Anspruch genommen hat und der zugrunde liegende Betrag erheblich ist.

Art. 178 Schuldnerausfall

(1) Der Ausfall eines bestimmten Schuldners gilt als gegeben, wenn einer oder beide der folgenden Fälle eingetreten sind:

1 Das Institut sieht es als unwahrscheinlich an, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Institut, seinem Mutterunternehmen oder einem seiner Tochterunternehmen in voller Höhe begleichen wird, ohne dass das Institut auf Maßnahmen wie die Verwertung von Sicherheiten zurückgreift.

2 Eine wesentliche Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Institut, seinem Mutterunternehmen oder einem seiner Tochterunternehmen ist mehr als 90 Tage überfällig. Die zuständigen Behörden dürfen für durch Wohnimmobilien oder durch Gewerbeimmobilien von KMU besicherte Risikopositionen der Forderungsklasse „Mengengeschäft‟ und für Risikopositionen gegenüber öffentlichen Stellen den Zeitraum von 90 Tagen durch 180 Tage ersetzen. Der Zeitraum von 180 Tagen gilt nicht für die Zwecke des Artikels 127.

 

Art. 178 Abs. 3 CRR listet Unlikely-to-Pay-Hinweise auf, ab wann die Begleichung einer Verbindlichkeit unwahrscheinlich ist (z.B. Verzicht auf laufende Zinszahlungen, krisenbedingte Restrukturierung der Verbindlichkeiten oder Insolvenz des Schuldners).

Die Definition und die Indikatoren für wertgeminderte finanzielle Vermögenswerte nach IFRS 9 und ausgefallene Risikopositionen nach CRR sind ähnlich, wenngleich nicht identisch:[59]

Beide Definitionen unterscheiden zwischen

 der Verletzung der vereinbarten Zahlungsverpflichtung (Überfälligkeit von Zahlungen, Past Due) und

 der Unwahrscheinlichkeit des Begleichens der Verbindlichkeiten durch den Schuldner (Unlikely to Pay).

Im Vergleich zur CRR verweist IFRS 9 als Indikator für eine Wertminderung nicht explizit auf Überziehungen (Overdrafts); diese sind jedoch durch den Verweis auf einen Vertragsbruch als Indikator berücksichtigt.[60] Der wesentliche Unterschied zwischen den Definitionen von IFRS 9 und CRR liegt in der gemäß CRR automatischen Ausfalleinstufung, sofern eine Überfälligkeit von 90 Tagen vorliegt (Art. 178 Abs. 1 Buchst. b CRR). Gemäß IFRS 9 besteht eine widerlegbare Vermutung, dass ein Ausfall spätestens vorliegt, wenn ein finanzieller Vermögenswert 90 Tage überfällig ist.[61] Darüber hinaus sind die beispielhaft genannten regulatorischen Unlikely-to-Pay-Ereignisse zwar ähnlich, aber nicht deckungsgleich mit den Indikatoren für einen wertgeminderten finanziellen Vermögenswert i.S.v. IFRS 9.

Im September 2016 veröffentlichte die EBA Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition gemäß Art. 178 der CRR.[62]